Gelber | Stefan Zweig, Judentum und Zionismus | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Reihe: Schriften des Centrums für Jüdische Studien, Band 24

Gelber Stefan Zweig, Judentum und Zionismus


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7065-5740-5
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Reihe: Schriften des Centrums für Jüdische Studien, Band 24

ISBN: 978-3-7065-5740-5
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieser Band zeigt das komplexe und relativ intensive Verhältnis Stefan Zweigs zum Judentum und zum Zionismus vom Beginn seiner Karriere an. Einige seiner wichtigsten Schriften und auch Teile von bedeutenden Briefwechseln können partiell als Auseinandersetzungen mit Stellungnahmen zu Judentum und Zionismus verstanden werden. Der Band versucht zu zeigen, dass die jüdischen und zionistischen Aspekte seiner Karriere und Schriften ihren gerechtfertigten Platz in der Gesamtinterpretation seines Schaffens haben. Zweigs jüdische Sensibilität kommt in mehreren seiner Werke klar zum Ausdruck, genauso wie in seinen Briefen. Jüdische Rezeptionen von Zweigs Schriften helfen, verschiedene Deutungsoptionen für seine Texte anzuwenden und sie in einem bestimmten spezifisch jüdischen Rahmen zu verstehen.

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Kapitel 2
Ist eine jüdische Rezeption Zweigs möglich? Hermann Levin Goldschmidt liest Stefan Zweig
Meine Betrachtungen zu diesem Thema teile ich in drei mehr oder weniger separate Teile auf. Nach einleitenden Worten versuche ich im ersten Teil zunächst einige Tendenzen der Rezeption von Zweigs Werken in den letzten dreißig Jahren aufzuzeigen. Diejenigen Beispiele, auf die ich verweise, haben wenig mit den rezeptionstheoretischen Begriffen und Versuchen phänomenologischer Art von Hans Robert Jauss oder Wolfgang Iser zu tun.1 Sie zielen darauf ab, die Bedeutung eines Textes anhand der Auffassung einzelner Leser zu ermitteln oder die Bedeutungen anhand von Leseprozessen im Lauf der Zeit zu verstehen. Dieser erste Teil liefert den intellektuellen Hintergrund und soziologischen Rahmen für eine Diskussion über die Möglichkeit einer jüdischen Rezeption Zweigs, die ich dann im zweiten Teil erörtern werde. Eine jüdische Rezeption bedeutet in diesem Zusammenhang Lesererfahrungen sowie Leserreaktionen, die spezifisch jüdisch sind, d. h. die eng mit jüdischen Problematiken verwoben sind. Hier werde ich eine jüdische Rezeption von Zweig als Fallbeispiel analysieren, nämlich die Rezeption durch den jüdischen Denker Hermann Levin Goldschmidt, die in der Zweig-Forschung unbekannt ist. Die These, die ich im Folgenden vertrete, besagt, dass eine jüdische Rezeption von Zweig nicht nur möglich, sondern sogar notwendig ist. Im Grunde beabsichtige ich zu zeigen, dass jüdische Rezeptionen – und nicht lediglich eine jüdische Rezeption – in Zweigs Fall unabdingbar sind. Im dritten und letzten Teil möchte ich einige Ideen entwickeln über die Möglichkeiten jüdischer Rezeptionen deutschsprachiger Autoren, für die ihr Judentum scheinbar von keiner großen Bedeutung war, oder – um es anders zu formulieren – von sekundärer Bedeutung war und für die das eigene Judentum nur „als eine nebensächliche, unauffällige Lebenstatsache“ erschien.2 Dadurch erhoffe ich mir, am Ende auch die ideologischen und kulturpolitischen Voraussetzungen dieser Art von Rezeptionen in diesen Fällen einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Die eben erwähnte, höchst problematische Formulierung – das persönliche Judentum als „eine nebensächliche, unauffällige Lebenstatsache“ zu bezeichnen – stammt aus einer Buchbesprechung, die am 4. Januar 2003 in der „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ erschienen ist. In einer Rezension der Stefan-Zweig-Biographie, Stefan Zweig. Der fliegende Salzburger von Gert Kerschbaumer, schrieb Volker Weidermann: „Wie viele assimilierte Juden hatte er sein Judentum sein Leben lang als eine nebensächliche, unauffällige Lebenstatsache betrachtet …“3 Ich bin nicht so überzeugt davon, dass der unparteiische Leser dieser Biographie durch die Lektüre des Buches allein und ohne vorher viel von Zweig gewusst zu haben, zu diesem Urteil über sein Verhältnis zum Judentum gekommen wäre. Zwar verwendet der Verfasser Gert Kerschbaumer diesbezüglich den Terminus „assimiliert“, aber er zitiert auch viele Textstellen und Beweise, die ein entgegengesetztes Bild ergeben, nämlich, dass Zweig ein sehr bewusster Jude war, der sich sein ganzes Leben lang mit jüdischen Themen auseinandersetzte. Er mag akkulturiert gewesen sein aber keineswegs war er assimiliert. Man muss in der Regel zwischen Akkulturation und Assimilation differenzieren, was in dem Buch von Kerschbaumer nicht der Fall ist. Nach dieser Biographie äußerte sich Zweig immer wieder in regelmäßigen Abständen zu jüdischen Problematiken, machte immer wieder jüdische Figuren zu Protagonisten oder Nebenfiguren seiner Werke und interessierte, ja engagierte sich sogar für die hebräische und jiddische Literatur. Es verbanden ihn enge Freundschaften mit jüdischen Literaten, Politikern, Künstlern, Intellektuellen, und er tauschte sich mit ihnen über jüdisch-verwandte Themengefüge aus, schrieb auch regelmäßig über sie. Dies tat er freilich auch mit seinen nicht-jüdischen Briefpartnern, vor allem mit Romain Rolland. Diese Aspekte kommen alle auch in der Biographie vor und der unparteiische Leser hätte auch zu einer anderen Einschätzung über Zweigs Judentum kommen können als Volker Weidermann. Für Kerschbaumer scheint es am wichtigsten zu sein, eine ausführliche Dokumentation der bitteren Verleumdung Zweigs sowie die antisemitischen Exzesse der Salzburger Presse, die Zweig während der langen Salzburger Periode mehrere Jahre vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 und vor dem Anschluss 1938 erleiden musste, zu erstellen.4 Dies lieferte die Grundlage für eine weitläufige antisemitische Rezeption des Autors, auf die ich an dieser Stelle aber nicht näher eingehen kann. War es also wirklich „eine nebensächliche, unauffällige Lebenstatsache?“ Seit vielen Jahren habe ich durch eine Reihe von Veröffentlichungen und im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen versucht, für ein anderes, ein jüdischeres Bild von Stefan Zweig zu plädieren. Mein diesbezüglicher Erfolg hält sich aber leider in Grenzen. Viele Jahre habe ich bei Zweig den Konnex zu jüdischverwandten Themen hergestellt und ihn und seine Schriften entsprechend analysiert.5 Ich konnte zeigen, dass das weit verbreitete und tief verankerte Bild Stefan Zweigs als kosmopolitischer Weltbürger, pazifistischer Humanist und eloquenter Fürsprecher eines vereinten Europas, eines Europas des Geistes, nur teilweise gültig ist. Vielmehr ist es notwendig, andere Aspekte einzubeziehen, die ein umfassenderes und vollständigeres Bild des Autors ermöglichen. Indem man jüdisch-verwandten Verhältnissen in seinem Leben, seiner Karriere und seinem Werk Bedeutung beimisst, bestimmte jüdisch-verwandte Texte, Momente, Freundschaften und Orientierungen auswählt und betont, taucht plötzlich ein jüdisches Bild von ihm auf. Wir können demnach verschiedene Bilder von Zweig malen und dies ist viel komplizierter als viele seiner Leser es im Allgemeinen wahrhaben wollen. Nach diesen einleitenden Worten komme ich nun zur Rezeption Stefan Zweigs. Diese wurde viele Jahre nach seinem Tod von seiner ersten Frau Friderike bestimmt und dominiert. Das ist auch deshalb beachtenswert, da der legale Erbe Zweigs nach dem Gesetz der Bruder seiner zweiten Frau, Lotte Altmann, war. Wahrscheinlich gelang es Friderike aufgrund ihres eigenen Erfolgs als Schriftstellerin, engagierter Feministin und Humanistin sowie durch ihre unermüdlichen Bemühungen, die Richtung von Stefan Zweigs geistigem Vermächtnis zu bestimmen. Sie verfasste eine Biographie über ihn sowie ein persönliches Erinnerungsbuch. Darüber hinaus fungierte sie als Herausgeberin ihres Briefwechsels mit Stefan Zweig – ein Werk, das aufgrund ihrer fragwürdigen Redaktionsarbeit die spannungsvolle, komplexe Beziehung zwischen den beiden glättete, sowie Streitereien und Dissonanzen, die zwischen dem Paar bestanden hatten, ausblendete.6 Friderike erlangte auf diese Weise entscheidenden Einfluss auf die erste Generation der Zweig-Forscher und wohl am allermeisten auf den Zweig-Biographen Donald Prater, aber auch auf den großen, aus Wien stammenden, amerikanischen Zweig-Experten, Harry Zohn. Prater widmete Friderike sogar seine Standardbiographie European of Yesterday. Die revidierte deutsche Fassung heißt: Stefan Zweig. Das Leben eines Ungeduldigen. Prater vermittelte darin genau das Bild von Zweig, das ihm Friderike als Vorbild suggeriert hatte.7 Dieses Bild Zweigs war zum größten Teil von seinen spezifisch jüdischen Aspekten gereinigt, als ob das Auftauchen dieser Elemente die Gefahr geborgen hätte, die Konturen dieses Bildes zu beeinträchtigen. Zohn, der nach dem Schreiben seiner Doktorarbeit an der Harvard Universität über Jahre viele Essays über Zweigs Mittlertum veröffentlichte, beschäftigte sich nur gelegentlich mit jüdischen Aspekten seiner Schriften oder Karriere. Auf jeden Fall passt Zohns Beitrag in die allgemeine Richtung Friderike Zweigs, was eine nähere Analyse verlangt. Das frappierendste Beispiel dieses Prozesses ist sicherlich Zweigs Beziehung zu Jerusalem, die Friderike und Donald Prater zwar flüchtig erwähnen, ohne ihr eine Bedeutung beizumessen. Um dies zu veranschaulichen, sei nur kurz ein Aspekt dieser Episode angeführt: Aus seinen Briefen an Freunde geht hervor, dass Stefan Zweig bereits im Sommer 1933 mit dem Gedanken spielte, Salzburg und seine Frau Friderike zu verlassen. Dieser frühe Termin entspricht in keiner Weise ihrer Beschreibung der Chronologie der Salzburger Jahre. Es ist belegt, dass Zweig am 11. Dezember 1933 vertraulich an den Leiter der Jüdischen Nationalbibliothek in Jerusalem, Dr. Hugo Bergmann, den Jugendfreund Franz Kafkas schrieb, dass er ein Archiv in Jerusalem etablieren wolle, da er nicht genau wisse, wie lang er seinen Haushalt in Salzburg aufrecht erhalten werde und er daher beabsichtige, der Jüdischen Nationalbibliothek eine wichtige Auswahl seiner Privatkorrespondenz zu vermachen.8 Er habe eine Auswahl der Briefe zusammengestellt, und wie er schrieb: […]...



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