Gellert | Das Leben der Schwedischen Gräfin von G*** | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 125 Seiten

Gellert Das Leben der Schwedischen Gräfin von G***

Erster bürgerlicher Roman Deutschlands
1. Auflage 2015
ISBN: 978-80-268-4097-8
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Erster bürgerlicher Roman Deutschlands

E-Book, Deutsch, 125 Seiten

ISBN: 978-80-268-4097-8
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses eBook: 'Das Leben der Schwedischen Gräfin von G***' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) war ein deutscher Dichter und Moralphilosoph der Aufklärung und galt zu Lebzeiten neben Christian Felix Weiße als meistgelesener deutscher Schriftsteller. Seine Werke - besonders seine Fabeln - zählten in der Übergangszeit zwischen Aufklärung, Empfindsamkeit und Sturm und Drang zu den meistgelesenen in Deutschland. Durch seine breite Wirkung trug er zur Bildung eines allgemeinen Lesepublikums in Deutschland bei und ebnete so den Weg für die Dichter der folgenden Generationen. Seine Lustspiele brachten erstmals bürgerliche Figuren und deren Milieu auf die Bühnen; der Roman Leben der schwedischen Gräfin von G*** hatte die Ethik bürgerlicher Moral zum Gegenstand und war Wegbereiter des Romans in Deutschland. Aus dem Buch: 'Als ich mich den Morgen darauf noch mit dem Grafen beratschlagte, was wir unserm Paare heute für ein Vergnügen machen wollten, trat ein Bedienter herein und sagte, daß ein Engelländer meinen Gemahl sprechen wollte. Sobald er die Tür öffnete, so sagte uns sein Gesicht, daß es Steeleys Vater wäre. Er hatte ein eisgraues Haupt; aber seine muntern Augen, sein rotes Gesicht und trotziger Gang widerlegten seine Haare. 'Ich suche', fing er auf französisch an, 'meinen Sohn bei Ihnen; oder da ich in meinem Leben wohl nicht so glücklich sein werde, ihn wiederzusehen: so will ich wenigstens hören, ob Sie nicht wissen, wo er ist. '

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Zweiter Teil


Ich bin gegen das Elend, das der Graf in Rußland ausgestanden, zu empfindlich, als daß ich's nach seiner Länge erzählen und in eine gewisse Ordnung bringen sollte. Allein ich brauche auch diese betrübte Mühe nicht. Ich habe ein halb Jahr nach seiner Zurückkunft noch zween von denen Briefen erhalten, die er in seiner Gefangenschaft an mich geschrieben. Den einen hatte er an einen Geistlichen auf seinen Gütern in Livland adressieret, der aber nichts von meinem Aufenthalte erfahren können. Den andern brachte mir ein Jude, wie man in dem Verfolge dieser Erzählung sehen wird. Diese Briefe enthalten den größten Teil von dem, was ihm in Moskau und Siberien begegnet ist. Ich will sie also unverändert hier einrücken. Es ist immer, als wenn man mehr Anteil an einer Begebenheit nähme, wenn sie der selbst erzählet, dem sie zugestoßen ist. Sie werden über dieses den edlen Charakter des Grafen und seine beständige Liebe gegen mich in ein größer Licht setzen. Wie groß ist sie nicht gewesen! Und eben zu der Zeit, da er mich so brünstig geliebt und alles für mich gefühlt hat, was nur sein Elend hat vergrößern können, habe ich in den Armen eines andern Gemahls der Freuden der Liebe und des Lebens genossen. Wieviel tausend Tränen hat mich dieser Gedanke schon gekostet, und wie oft bin ich vor meiner unschuldigen Liebe zu dem Herrn R... als vor einem Verbrechen errötet!

Der erste Brief ist aus der Stadt Moskau geschrieben.

»Euer unglücklicher Gemahl lebt noch. Wollte doch Gott, daß Ihr diese Nachricht schon wüßtet oder sie wenigstens durch einen Brief erführet! Ein plötzlicher Überfall, den die Russen drei Tage vor meiner angesetzen Hinrichtung auf das Dorf taten, in welchem ich gefangen und krank lag, hat mir das Leben errettet. Ja, liebste Gemahlin, diese Vorsehung ist eine Frucht Eurer Tränen und meiner Unschuld. Ich habe etliche Tage nach dem geschehenen Überfall kaum mehr gewußt, daß ich lebte. Nachdem ich von meiner Krankheit wieder zu mir selber kam und mich in den Händen der Russen sah: so gab ich mich zu meiner Sicherheit für einen Kapitän aus und nannte mich Löwenhoek. Unter allen denen Gefangenen, mit welchen ich bald in diese, bald in jene Festung, und endlich nach der Stadt Moskau geschleppt worden bin, sind nicht mehr als zween Offiziere, die mich kennen. Sie sind beide Engelländer von Geburt, und die treuesten und besten Gefährten meines Elends, die ich mir nur wünschen kann. Der eine von ihnen Steeley, hat vor wenig Tagen die Freiheit erhalten, einige von seinen Landsleuten, die hier handeln, zu sprechen, und durch diese hat er mir, einen Brief nach Livland zu bestellen, die sicherste Gelegenheit ausgemacht. Wenn er doch schon in Euren Händen wäre! Wenn ich doch nur eine von den Tränen der Freude sehen sollte, die Euch die Nachricht von meinem Leben auspressen wird! Wo habt Ihr Euch denn nach meinem letzten traurigen Briefe hingewandt? Hat Euch die Rache des ungerechten Prinzen nicht verfolgt? Ist mein Freund R.. mit Euch geflüchtet? Und wohin? Arme und unglückliche Gemahlin! Gönnt mir doch den Trost, daß ich alle mein gegenwärtiges Unglück und das noch künftige Eurer Tugend und Eurer Liebe gegen mich zuschreiben darf. Nichts als diese Ursache ist vermögend, mir mein Elend zu versüßen und mir die Schande und das schreckliche Andenken eines gewaltsamen Todes, den mir der Prinz zugedacht, zu erleichtern. Ertraget meine Abwesenheit gelassen, ich bitte Euch bei unserer Liebe, und hofft, wir werden uns gewiß wiedersehen. Aber, o Gott! wenn? Und ach, wo weiß ich denn, ob Ihr mein Unglück habt überleben können? Schrecklicher Gedanke, den ich ohne Zittern nicht niederschreiben kann! Nein, mein einziger Wunsch in der Welt, Ihr lebt noch. Mein Herz sagt mir's, und es verspricht mir die Wollust, Euch noch einmal, ehe ich sterbe, zu umarmen. Um diese Glückseligkeit bitte ich die Vorsehung alle Tage und in dem Augenblicke, da ich dieses schreibe. Kann mir Gott mein Leben wohl zu einem geringern Vergnügen gelassen haben, als daß ich noch einen Teil davon, und wenn es auch nur etliche Tage wären, mit Euch zubringen soll? Stellt Euch doch die Zufriedenheit vor, die wir schmecken werden, wenn uns die Zeit einander wiedergeben wird. Wie lange werden wir vor Entzückung nicht reden! und wie lange werden wir nach tausend Umarmungen sprechen, ehe wir uns satt reden und unser Herz und unser Schicksal einander ausschütten werden! Bekümmert Euch nicht zu sehr um mich! Mir fehlt zur Erleichterung meines Elends nichts als die Nachricht von Euch und meinem lieben Freunde R... Erlauben es Eure Umstände: so überschickt mir einen Wechsel, ob ich vielleicht dadurch meine Zurückkunft bewerkstelligen kann. Ich bin seit meinem Arreste von allem entblößt gewesen. Ich habe alle Beschwerlichkeiten ausgestanden, die einem Gefangenen auf einem Wege von mehr als hundert Meilen begegnen können. Eben der kümmerliche Proviant, der noch etliche hundert gemeine Mitgefangene gesättiget hat, ist die ganze Zeit über gut genug für mich gewesen. Die Erbitterung der Russen gegen die schwedische Nation hat uns das Elend, gefangen zu sein, am beschwerlichsten gemacht. Sie nennen ihre Sorglosigkeit gegen uns, ihre Unempfindlichkeit gegen unsere Klagen eine gerechte Vergeltung für das barbarische Bezeigen, womit unser König, wie sie sagen, den gefangenen Russen begegnen ließ. Das Schrecklichste, was wir, nachdem wir über die polnischen Grenzen waren, erfahren haben, ist der Mangel an frischem Wasser gewesen, weil wir oft, um die Moräste zu umgehen, einen Umweg durch sandichte Gegenden nehmen mußten.

Mein ganzes Vermögen seit meiner Gefangenschaft hat in zwanzig Talern bestanden, mit denen mich ein gemeiner schwedischer Soldat unlängst beschenkt hat. Er starb einen Monat zuvor, ehe wir in der Stadt Moskau ankamen, an einer Wunde, und zwar in einer Nacht, die wir unter freiem Himmel zubringen mußten. Er hatte mir auf dem Marsche viele Dienste erwiesen, und ich belohnte seine Treue dadurch, daß ich die ganze Nacht bei ihm blieb und auf sein Verlangen mit ihm betete. Er hatte in seinem Brusttuch ein Goldstück von zwanzig Talern eingenäht, womit ihn seine Braut in Stockholm bei seinem Abschiede beschenkt. Dieses gab er mir und bat mich, wenn ich wieder nach Stockholm kommen sollte, seiner Braut seinen Tod zu melden und ihr einige Wohltaten zu erzeigen. Ich schicke Euch den Zeddel, in welchem das Geld eingewickelt war, und in welchem der Braut ihr Name steht. Wenn es möglich ist: so laßt ihr den Tod ihres Bräutigams melden, und schickt ihr für die zwanzig Taler, die mir und meinem lieben Steeley so viele Dienste getan haben, hundert. Als mein Landsmann, der mich bis auf den letzten Augenblick bei der Hand hielt, tot war: so schlief ich neben ihm ein. Damals träumte mir, Ihr kämet mir an einem Flusse entgegen. Wie erschrakt Ihr, meine Liebenswürdige, wie schön entsetztet Ihr Euch, mich wiederzufinden! Ich erwachte über diesem Traume und lag auf dem toten Landsmanne und dankte dem Himmel, ehe ich noch aufstund, für diesen glücklichen Traum. Die Freundschaft, die ich dem Sterbenden erwies, brachte mir die Liebe von sechs andern gemeinen Schweden zuwege, die bei seinem Tode zugegen waren. Es gefiel ihnen, daß ich ihren Kameraden so wohl zum Tode bereitet hatte. Sie baten mich, daß ich ebendas an ihnen tun möchte, wenn sie etwan auf dem Marsche sterben sollten; sie beeiferten sich recht von diesem Tage an, mir zu dienen, und darbten sich oft das frische Wasser ab, damit sie es mir und Steeleyn im Notfalle anbieten könnten. Ich ward kurz darauf krank und konnte nicht mehr gehen, so hinfällig war ich. Allein ehe mich meine sechs Landsleute zurückließen: so trugen sie mich lieber etliche Tage lang in Stöcken; an Stricken gebunden und mit Binsen durchflochten, fort und nahmen alle die Mühe aus gutem Herzen über sich, zu der sie außerdem weder Furcht noch Belohnung würde fähig gemacht haben. Ich habe in dieser Krankheit insonderheit den großen Unterschied gesehen, der unter den Diensten ist, die man uns aus Gehorsam und Hoffnung erzeigt, und unter denen, die man dem andern aus einem geheimen Triebe der Freundschaft und des Mitleidens erweiset. Ihre Begierde, zu dienen, wuchs mit meiner Gefahr, und Leute, die niemals sinnreich in Anschlägen, noch geübt in Gefälligkeiten gewesen waren, wurden sorgfältig und sinnreich an Mitteln, mir das Leben zu erhalten, weil sie es gern erhalten wissen wollten. Dieses ist die einzige Krankheit gewesen, die mir auf dem Wege nach Rußland zugestoßen. Vor sechs Wochen sind wir hier in der Stadt Moskau angekommen und die ersten gefangenen Schweden in diesem Kriege gewesen, an denen die wilden Einwohner dieses Orts ihre rachsüchtigen Augen befriedigt haben. Wir mochten unsrer wohl drei- bis vierhundert sein, die man in einem sehr traurigen Aufzuge dem Pöbel einen halben Tag lang öffentlich darstellte. Er würde uns mit Freuden umgebracht haben, wenn wir nicht von einer starken Wache umgeben gewesen wären. Indem wir eine Zeitlang auf einem freien Platze gestanden und tausend Schimpfreden, die wir aus den Gebärden unsrer Feinde erraten konnten, angehört hatten: drängte sich eine alte Frau zu einem Russen, der mit uns angekommen war. Sie fragte, wo sein Kamerad, ihr Sohn, wäre. Der Russe, der vielleicht nicht wußte, nach wem sie fragte, antwortete ihr, daß ihn die Schweden totgeschlagen hätten. In dem Augenblicke fuhr sie auf mich und schrie: ›Was? hast du meinen Sohn umgebracht?‹ und riß mich, der ich vor Mattigkeit mich kaum selbst mehr aufrecht halten konnte, zur Erde, bis die Soldaten mich von ihrer Wut befreiten. Bedenkt nur, meine liebe Gemahlin, wie mir damals zumute gewesen sein muß. In ebender Stadt, in welcher mein Vater in seiner Jugend...



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