Liebe Besucherinnen und Besucher,

heute ab 15 Uhr feiern wir unser Sommerfest und sind daher nicht erreichbar. Ab morgen sind wir wieder wie gewohnt für Sie da. Wir bitten um Ihr Verständnis – Ihr Team von Sack Fachmedien

Genner | Vom Nackt- zum Sicherheitsscanner | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 254 Seiten

Genner Vom Nackt- zum Sicherheitsscanner

Wie Sicherheit zu einer Ware wird
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7445-1138-4
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Wie Sicherheit zu einer Ware wird

E-Book, Deutsch, 254 Seiten

ISBN: 978-3-7445-1138-4
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ausgehend vom Fallbeispiel des "Nacktscanners" untersucht diese Ethnographie den Aufstieg neuer Überwachungs- und Sicherheitstechnologien seit dem Jahr 2000. Dabei zeigt Julian Genner, dass der Einsatz sowie die Entwicklung dieser Technologien nicht als Folge von Terroranschlägen zu sehen, sondern auf einen tiefgreifenden institutionellen Wandel seit dem Ende des Kalten Krieges zurückzuführen sind. Der Übergang vom Nackt- zum Sicherheitsscanner verweist zugleich auf ein gewandeltes Verständnis von Sicherheit, wie es dem Department of Homeland Security in den USA und der Europäischen Sicherheitsstrategie sowie der zivilen Sicherheitsforschung in der EU zugrunde liegt. Es entsteht ein Kontext, der das bisherige Verhältnis von äußerer und innerer Sicherheit bzw. das Verhältnis von militärischen und zivilen Bereichen infrage stellt. Dieses neue Verständnis begreift Sicherheit primär als Frage der Technologie und ermöglicht so die Entwicklung, die Vermarktung und den Einsatz von vormals militärischen Technologien im zivilen Bereich. Die Art und Weise, wie Sicherheit zu einer Ware wird, zeichnet Julian Genner nicht nur auf der Makro-Ebene, sondern auch anhand der Entwicklung eines neuartigen Körperscanners nach. Datenschutz und Ethik bilden dabei keinen Gegenpol zur Warenwerdung von Sicherheit, sondern leisten einen Beitrag zur Regulierung und damit auch zur Etablierung eines neuen zivilen Marktes für diese Technologien.

Genner Vom Nackt- zum Sicherheitsscanner jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1. Der amerikanische Krieg gegen den Terrorismus Die USA sind die Geburtsstätte des Körperscanners. Im Jahr 1993 patentierte Steven W. Smith den ersten Körperscanner namens „Secure 1000“, der abgeschwächte Röntgenstrahlen verwendete.21 Er verkaufte das Patent an das britische Unternehmen Rapiscan, welches das Gerät seither in Serie produziert. In den 1990er-Jahren fristeten die Scanner ein Dasein weit ab von medialen Öffentlichkeiten. Einsatzorte waren Gefängnisse und Hochsicherheitszonen, wobei sich der Umfang des Einsatzes sich nicht in Erfahrung bringen lässt.22 Nach der Jahrtausendwende kamen die ersten aktiven Terahertz-Systeme auf den Markt. Mit Blick auf den Aufwand, der in solchen Innovationen steckt, ist festzuhalten, dass die meisten Anbieter bereits in den 1990er-Jahren mit der Entwicklung begonnen haben müssen. Der von George W. Bush ausgerufene Krieg gegen den Terrorismus war nicht die Initialzündung für die Entwicklung solcher Technologien. Allerdings veranlassten die USA anschliessend an 9/11 eine drastische Verschärfung der Sicherheitsmassnahmen an amerikanischen Flughäfen.23 Durch den Aviation and Transportation Security Act vom 19.11.2001 wurden die Sicherheitskontrollen der Zuständigkeit der Fluggesellschaften entzogen und wieder verstaatlicht.24 Die eigens gegründete Transportation Security Administration (TSA) wurde ein Jahr darauf vom Transportministerium in das neu gegründete Department of Homeland Security (DHS) überführt.25 Das DHS resultierte aus einem Zusammenschluss von insgesamt 22 Agenturen und umfasste anfangs 180’00 Angestellte.26 Es handelt sich um die grösste Neugründung eines Ministeriums in den USA seit der Gründung des Verteidigungsministeriums (DoD) im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg. Das DHS ist kein Innenministerium im herkömmlichen Sinne, weder die Bundespolizei (FBI) noch die Geheimdienste sind darin integriert. Der Kern des DHS bildet die einst von Präsident Jimmy Carter gegründete Federal Emergency Management Agency (FEMA), die unter dem DHS den Fokus weg von natürlichen Katastrophen hin zu Terroranschlägen verschob.27 Es handelt sich beim DHS also um ein sicherheitspolitisch ausgerichtetes Katastrophenschutzministerium. „Homeland Security“ ist dabei ein genuin amerikanisches Konzept. Eine eigens verabschiedete nationale Strategie aus dem Jahr 2002 definiert das Konzept wie folgt: Homeland security is a concerted national effort to prevent terrorist attacks within the United States, reduce America’s vulnerability to terrorism, and minimize the damage and recover from attacks that occur.28 Die Schaffung des DHS wiederum ist Teil des von Präsident George W. Bush ausgerufenen „Krieges gegen den Terrorismus”.29 Die unter seiner Regie verfassten Sicherheitsstrategien, stellten den Krieg gegen den Terrorismus in eine Reihe mit dem zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg. Auf der Ebene der Bedrohung erinnert die National Strategy for Homeland Security an den überraschenden Angriff der Japaner auf Pearl Harbor und an die allgegenwärtige wie unberechenbare nukleare Bedrohung während des Kalten Krieges und präsentiert Terrorismus als nächste grosse Herausforderung, die es mit amerikanischen Stärken zu meistern gilt. Today’s terrorists can strike any place, any time, and with virtually any weapon. Securing the American homeland is a challenge of monumental scale and complexity. But the U.S. government has no more important mission.30 Im Jahr 2004 forderte der Kongress im Intelligence Reform and Terrorism Prevention Act die TSA auf, technische Lösungen für Sicherheitskontrollen zu entwickeln und zu testen.31 Die TSA entwickelte in enger Zusammenarbeit mit Herstellerfirmen Einsatzkonzepte für Körperscanner, namentlich für Röntgenscanner und aktive Terahertz-Systeme. Diese grosse Nähe der TSA zu Unternehmen ist Perrow zufolge typisch für die Situation im neuen Ministerium: As soon as the department was established, the corporate lobby began. Four of Secretary Tom Ridge’s senior deputies in his initial position as Assistant for Homeland Security at the White House left for the private sector and began work as homeland security lobbyists, as did his legislative affairs director in the White House. The number of lobbyists that registered and listed „homeland“, „security“, or „terror“ on their forms was already sizable at the beginning of 2002, numbering 157, but jumped to 569 as of April 2003. One lawyer for a prominent Washington DC law firm was up-front about corporate interest. He mentions in his online résumé that he authored a newsletter article titled ‚Opportunity and Risk: Securing Your Piece of the Homeland Security Pie‘. It is a very large pie indeed.32 Ab 2007 wurden die Scanner zur Nachkontrolle ausgewählter Passagiere verwendet, 2010 entschied sich die TSA dafür, jeden Passagier zu scannen.33 Von Beginn an gibt es eine enge Verbindung zwischen dem DHS und privaten Unternehmen. Michael Chertoff, Vorsteher des DHS von 2005 bis 2009, beriet im Anschluss an diese Tätigkeit auch Herstellerfirmen von Körperscannern.34 Gleichzeitig wuchs in den USA der Widerstand gegen die TSA, der nur teilweise mit den Scannern zusammenhängt. Die verschärften Sicherheitsmassnahmen, die Beschränkung von mitzuführenden Flüssigkeitsmengen, das Ausziehen der Schuhe, aber vor allem das ausgiebige Abtasten des ganzen Körpers ziehen Proteste von Passagieren nach sich. Der Einsatz der Scanner verschärfte die Situation. Die Röntgenscanner werden wegen einer möglichen Schädigung der Gesundheit kritisiert. Hauptkritikpunkt sind jedoch die „Nacktbilder“ und damit einhergehend die Missachtung der Intimsphäre, Voyeurismus und sexuelle Belästigung.35 Die Liste der Beschwerden ist lang: Geschwächte Personen, die für den Scan aus dem Rollstuhl gehoben werden, die Abnahme von Stützen und Prothesen, Schikanen bei der manuellen Nachkontrolle, manuelle Nachkontrolle durch eine Person anderen Geschlechts, und so weiter.36 Allerdings sollte man sich von der „medialen“ Lautstärke dieser Empörung nicht täuschen lassen. Ein gross angekündigter Boykott der Scanner, zu dem verschiedene Organisationen die Passagiere aufforderten (Opt-Out Day), lief letztlich ins Leere. Es liessen sich nicht genügend Leute mobilisieren, und die Behörden waren gut vorbereitet.37 Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Privacy Information Center (EPIC) nahm sich dem Thema Körperscanner an und prozessierte ab dem Jahr 2010 mehrfach gegen das Ministerium und die TSA – mit teilweisem Erfolg: On July 15, 2011, the D.C. Circuit Court of Appeals ruled that the agency had violated the Administrative Procedures Act by implementing body scanners as a primary screening method without first undertaking public notice and comment rulemaking. The Court ordered the agency to "promptly" undertake the proper rulemaking procedures and allow the public to comment on the body scanner program.38 EPIC sah durch den Einsatz der Scanner eine Reihe von Grundrechten verletzt, das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht: „Although we are not persuaded by any of the statutory or constitutional arguments against the rule, we agree the TSA has not justified its failure to issue notice and solicit comments.“39 Allerdings war EPIC genötigt, die Umsetzung dieses Urteils mehrfach einzuklagen. Die Kommentierungsphase dauerte schliesslich von Mai bis Juni 2013, wobei der Vorschlag der TSA darauf hinauslief, am Status Quo festzuhalten. Zum Zeitpunkt des Urteils setzte die TSA bereits 468 Scanner an 78 Flughäfen ein. Noch vor Ablauf der Kommentierungsphase beschloss der Kongress mit dem FAA Modernization and Reform Act of 2012, dass die Scanner bis zum 1. Juni 2012 mit einer Bildinterpretationssoftware (ATR) nachzurüsten sind, die das „Nacktbild” durch eine schematische Darstellung ersetzt.40 Das Ministerium nutzte den Ermessensspielraum aus und verschob die Deadline um ein Jahr. Überraschenderweise kündigte die TSA Anfang 2013 an, die Röntgenscanner vom britischen Hersteller Rapiscan nicht weiter zu verwenden.41 Die TSA gab in ihrem Blog als Grund an, dass Rapiscan die geforderte ATR-Software nicht rechtzeitig habe liefern können.42 Bis Ende Mai desselben Jahres entfernte die TSA rund 250 X-Ray Scanner von Rapiscan; insgesamt setzte die TSA zu diesem Zeitpunkt bereits über 700 Geräte an 165 Flughäfen ein.43 Erst ein knappes Jahrzehnt nach der schrittweisen Einführung von Körperscannern gab es in den USA Regeln, gemäss denen die Geräte eingesetzt werden dürfen. Allerdings verdankt sich die Regulierung eher indirekt der Debatte um die Privatsphäre der Passagiere. Das Gericht machte in seinem Urteil im Fall EPIC gegen DHS deutlich, dass der Einsatz der Körperscanner auch ohne ATR-Software nicht gegen die Verfassung Verstosse. Erst der Kongress schrieb den Einsatz von ATR-Software vor.44 Es ist derselbe...


Julian Genner studierte Europäische Ethnologie, Philosophie und neuere allgemeine Geschichte in Basel. Im Jahr 2015 promovierte er mit der vorliegenden Arbeit in Kulturanthropologie, für die er 2016 den Preis der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel erhielt.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.