Geppert / Puschner | Die Ära Adenauer | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 150 Seiten

Geppert / Puschner Die Ära Adenauer

E-Book, Deutsch, 150 Seiten

ISBN: 978-3-534-72663-9
Verlag: wbg Academic in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die Bundesrepublik, ein Kind des Kalten Krieges, wurde in den ersten beiden Jahrzehnten ihres Bestehens vom wirtschaftlichen Wiederaufbau, von der Etablierung der parlamentarischen Demokratie, von den Anfängen einer zivilen Kultur und dem Ausgleich mit den Westmächten geprägt. Dominik Geppert legt die Kontinuitäten wie die vielfältigen Neuanfänge der Adenauer-Ära dar und entwirft in vier Blöcken ein klares Bild der jungen Republik: Neuanfang und Kontinuität: Die Gründung der Bundesrepublik 1949; Kalter Krieg und Westbindung: Die Außen- und Deutschlandpolitik; Stabilisierung und Wiederaufbau: Wirtschaft und Innenpolitik; Gesellschaft und Kultur in der Bundesrepublik.
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II.  Außen- und Deutschlandpolitik 1949–1955
4.4.1949 Gründung der NATO in Washington 22.11.1949 Petersberger Abkommen 9.5.1950 Erklärung der französischen Regierung über eine gemeinsame deutsch-französische Montanbehörde (Schuman-Plan) 25.6.1950 Beginn des Korea-Krieges 24.10.1951 Plevenplan 18.4.1951 Unterzeichnung des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 10.3.1952 Stalin-Note 26.5.1952 Unterzeichnung des Deutschlandvertrages in Bonn 27.5.1952 Unterzeichnung des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) in Paris 25.7.1952 Vertrag über die EGKS tritt in Kraft 5.3.1953 Tod Stalins 30.8.1954 Scheitern des EVG-Vertrags in der französischen Nationalversammlung 19.–23.10.1954 Unterzeichnung der Pariser Verträge 5.5.1955 Pariser Verträge treten in Kraft 9.–13.9.1955 Moskau-Reise Adenauers 1. Außenpolitische Alternativen
a) Jakob Kaiser und der „Dritte Weg“ Während sich der weltpolitische Gegensatz zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion in den Jahren vor 1949 zuspitzte, mussten die Deutschen ihrerseits versuchen, sich auf die neue außenpolitische Situation einzustellen. Abgesehen von der bedingungslosen Bindung an die UdSSR, wie die deutschen Kommunisten sie verfochten, wurden in den ersten Nachkriegsjahren drei Grundoptionen deutscher Außenpolitik verfochten: erstens eine Mittlerfunktion für Deutschland zwischen Ost und West, zweitens die Bildung eines anti-sowjetischen Blocks sozialistischer Staaten in Mittel- und Westeuropa, dem auch ein sozialistisches Gesamtdeutschland angehören sollte, und drittens ein aus den drei Westzonen bestehendes, fest an die westlichen Demokratien gebundenes Rumpfdeutschland als Gravitationszentrum einer späteren Wiedervereinigung. Die erste Option zielte auf einen Ausgleich mit der UdSSR. Bevor sich seit 1947 der Kalte Krieg verschärfte, dachten viele darüber nach, wie man mit sowjetischer Zustimmung ein geeintes Deutschland bewahren bzw. wiederherstellen könnte. Naturgemäß beschäftigte diese Frage besonders Politiker, die in der SBZ wirkten und darauf angewiesen waren, sich mit der Besatzungsmacht zu arrangieren. Der profilierteste unter ihnen war Jakob Kaiser, zusammen mit Ernst Lemmer (1898–1970) als CDU-Vorsitzender in der SBZ Nachfolger der abgesetzten Hermes und Schreiber. Jakob Kaiser (1888–1961), schrieb 1948 ein britischer Journalist, sehe beim ersten Eindruck aus wie ein russischer General und rede wie ein Laienprediger. „Buschige Augenbrauen, hohe Wangenknochen und eine breite mächtige Nase verleihen seinem Gesicht eine gewisse Strenge. Doch seine mittlerweile sehr müden Augen und sein Mund verraten tiefe Menschlichkeit. Im Grunde ist er ein einfacher, offener und ungeheuer mutiger Mann.“ Im „Dritten Reich“ hatte der im unterfränkischen Hammelburg als erstes von zehn Kindern einer Arbeiterfamilie Geborene in der Tat großen Mut bewiesen. Kaiser, der über die christliche Gewerkschaftsbewegung schon vor dem Ersten Weltkrieg in die Politik gekommen war und 1933 kurz für die Zentrumspartei im Reichstag gesessen hatte, gehörte zum Kreis der aktiven Gegner des NS-Staates. Er stand mit den Verschwörern des 20. Juli 1944 in Kontakt und überlebte die Hinrichtungswelle, die dem gescheiterten Attentat auf Hitler folgte, im Versteck. Nach dem Krieg war der Katholik Kaiser einer der Mitbegründer der CDU in der SBZ und wurde im Dezember 1945 zu deren Vorsitzendem gewählt. Nachdem ihn die SMAD knapp zwei Jahre später abgesetzt und seine politische Tätigkeit in der SBZ unmöglich gemacht hatte, saß er für die CDU im Parlamentarischen Rat und später von 1949 bis 1957 im Bundestag. Als Vorsitzender der CDU-Sozialausschüsse war er ein führender Vertreter des linken Parteiflügels. In den ersten beiden Kabinetten Adenauer war Kaiser Minister für gesamtdeutsche Fragen. Nach dem Ausscheiden aus Parlament und Regierung blieb er bis 1958 stellvertretender Vorsitzender der CDU, danach bis zu seinem Tode Ehrenvorsitzender. Kaiser bezweifelte, dass sich die UdSSR aus Ostdeutschland würde vertreiben lassen. Wollte man sich nicht selbst von dort zurückziehen, musste man seiner Ansicht nach zu einem Einvernehmen mit Moskau gelangen. Er hoffte, dieses Einvernehmen könnte hergestellt werden, indem Deutschland eine Mittlerfunktion einnahm. Es sei die Bestimmung seines Landes, formulierte er 1946, „Brücke zu sein zwischen Ost und West“. Kaiser dachte dabei gleichsam an eine doppelte Brückenfunktion Deutschlands – eine politische, welche die östliche und die westlichen Siegermächte miteinander verbinden sollte, und eine geistige, wobei der deutsche christliche Sozialismus das Christentum des Westens mit dem Marxismus des Osten vereinigen würde. Kaisers Ansicht nach durfte Deutschland weder im Westen vollständig aufgehen, noch vom Osten beherrscht werden. Auch wenn es seine Großmachtstellung verloren hatte, bestehe seine mitteleuropäische Sendung fort. Wer die Gesundung Deutschlands wolle, schrieb Kaiser im Januar 1947, könne nur von der Tatsache ausgehen, dass Deutschland zwischen Ost und West gelagert ist. „Die Konsequenz dieser schicksalhaften, aber auch aufgabenreichen Lage ist nicht das Entweder- oder eines West- oder Ostblocks, sondern das Sowohl-als-auch der Verständigung und des Ausgleichs zwischen den Völkern und die Gesundung aus eigenem Geist heraus.“ Kaiser hoffte, dass eine gewisse Distanz zum Westen sowie die Verbindung von christlichem Sozialismus und Freiheitsgedanken eine tragfähige Grundlage für den Ausgleich mit Moskau darstellen und die Loslösung Ostdeutschlands aus dem sowjetischen Machtbereich ermöglichen würde. Eine sozialistische Gesellschaftsstruktur, verbunden mit einer freiheitlichen politischen Ordnung, würde nicht nur soziale Gerechtigkeit, Wohlstand und politische Stabilität gewährleisten. Sie würde auch die Einigung der Siegermächte über Deutschland erleichtern, die Reichseinheit retten und eine Fortexistenz Deutschlands als unabhängige, friedliche Macht in der Mitte Europas ermöglichen. Kaiser war nicht der einzige Protagonist des „Brücke“-Gedankens. Seine Berliner Parteifreunde Lemmer, Ferdinand Friedensburg (1886–1972) und Georg Dertinger (1902–68), aber auch Sozialdemokraten wie Paul Löbe (1875–1967) und Ernst Reuter (1889–1953) traten zeitweise für ähnliche Ideen ein. Viele Anhänger der Konzeption waren Protestanten, deren Bindung an das Deutsche Reich von 1871 in der Regel stärker ausgeprägt war. Aber auch unter Katholiken gab es Anhänger. Eugen Kogon (1903–1987) und Walter Dirks, die aus dem Linkskatholizismus stammten, verliehen ihnen in der Zeitschrift „Frankfurter Hefte“ eine publizistische Stimme. Sie sprachen sich dafür aus, Distanz zur östlichen wie westlichen Supermacht zu halten. Freilich war Kogons und Dirks Denken weniger nationalstaatlichen Kategorien verhaftet als die Konzeption Kaisers. Sie sahen nicht in Deutschland den Mittler zwischen Ost und West, sondern in einem vereinigten sozialistischen Europa. Ähnliche Ansichten vertraten Alfred Andersch (1914–80) und Hans Werner Richter (1908–93) in ihrer Zeitschrift „Der Ruf“ und später in der Nachfolgezeitschrift „Neues Europa“, auch wenn sie ihr Engagement nicht christlich, sondern sozialistischhumanistisch begründeten. Die deutsche Jugend, stand im Oktober 1946 im „Ruf“ zu lesen, habe die Aufgabe, „den Sozialismus des Ostens und die Demokratie des Westens“ in ihrem Land miteinander zu verbinden. Sie müsse gleichsam den Sozialismus demokratisieren und die Demokratie sozialisieren. „Europa kann weder ohne Russland noch in einer Blockbildung gegen Russland leben. Deutschland ist nur ein Vorland Russlands. Es liegt in der Mitte zwischen dem Westen und dem Osten und muss mit beiden leben. Indem es aber die sozialistische Ideologie des Ostens und die demokratische Ideologie des Westens in sich aufnimmt, kann es auf einer höheren Ebene beide in sich vereinen.“ Die Realisierung derartiger Konzepte wurde in einer von der Blockkonfrontation geprägten internationalen Lage zunehmend schwierig. Kaiser geriet als CDU-Vorsitzender in der SBZ mit der Verschärfung der Ost-West-Konfrontation immer weiter in die Defensive, bis die sowjetische Militäradministration ihn und Ernst Lemmer am 20. Dezember 1947 schließlich für abgesetzt erklärte. Dennoch stieß...


Puschner, Uwe
Uwe Puschner ist außerplanmäßiger Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin.

Geppert, Dominik
Dominik Geppert, geb. 1970, studierte Geschichte und Philosophie und ist, nach Stationen am Deutschen Historischen Institut London, an den Universitäten Marburg und Bonn seit 2018 Professor für die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte sind die deutsche und britische Zeitgeschichte, Pressegeschichte sowie allgemein internationale Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Dominik Geppert, geb. 1970, studierte Geschichte und Philosophie und ist, nach Stationen am Deutschen Historischen Institut London, an den Universitäten Marburg und Bonn seit 2018 Professor für die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte sind die deutsche und britische Zeitgeschichte, Pressegeschichte sowie allgemein internationale Geschichte des 20. Jahrhunderts.




Uwe Puschner ist außerplanmäßiger Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin.


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