Liebe Besucherinnen und Besucher,
heute ab 15 Uhr feiern wir unser Sommerfest und sind daher nicht erreichbar. Ab morgen sind wir wieder wie gewohnt für Sie da. Wir bitten um Ihr Verständnis – Ihr Team von Sack Fachmedien
E-Book, Deutsch, 193 Seiten
Reihe: Mini-Handbücher (Beltz)
Geramanis Mini-Handbuch Gruppendynamik
3. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7799-8371-2
Verlag: Julius Beltz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 193 Seiten
Reihe: Mini-Handbücher (Beltz)
ISBN: 978-3-7799-8371-2
Verlag: Julius Beltz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Olaf Geramanis, Prof. Dr., Trainer für Gruppendynamik (DGGO), Coach, Supervisor, Organisationsberater (BSO) bildet seit über zwölf Jahren in Prozessberatung und Gruppendynamik aus. www.organisationsdynamik.ch
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Einleitung
Wie kann man in Gruppen und Teams ein Ausmaß an Kooperation erreichen, bei dem sich alle Mitglieder gleichermaßen engagieren, am selben Strang ziehen und mit Begeisterung bei der Sache sind? Wie können das Wissen und die Ressourcen der ganzen Gruppe genutzt werden?
Zu diesen Fragen gibt es viele Vorschläge und Ideen, Ratgeberliteratur und Schulungen, aber fast immer bleibt eine grundlegende Unvereinbarkeit bestehen, die sich insbesondere bei Gruppen innerhalb von Organisationen zeigt.
Will man die »Kraft der Gruppe« nutzen, müssen sich alle ihre Mitglieder aus eigenem Antrieb heraus engagieren. Sie müssen freiwillig mitmachen!
Damit stehen wir vor einer Paradoxie: So wie man niemanden dazu auffordern kann, spontan zu sein, so kann man niemanden dazu zwingen, freiwillig in Gruppen zu kooperieren – schon gar nicht im Arbeitskontext. Was ist also zu tun, wenn eine Führungskraft an ein Team den Anspruch hat, dass dieses durch intrinsisch motivierte Kooperation den größtmöglichen Nutzen erbringt? Auf diese Frage soll mithilfe des gruppendynamischen Ansatzes eine Antwort gefunden werden. Hierzu wird uns der Weg über drei Buchteile vom Individuum über die Gruppe zur Organisation führen.
Teil 1: Das Individuum auf dem Weg in die Gruppe – das Prinzip der Gruppendynamik: Fangen wir ganz am Anfang an und beginnen mit der Untersuchung beim Individuum. Was geschieht, wenn sich Menschen zusammenfinden? Aus welchem Grund bilden sie eine Gruppe? Welche Interessen verfolgen die Mitglieder? Warum lassen sie sich aufeinander ein und wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist es, dass daraus ein Ganzes wird?
Teil 2: Die Gruppe und ihre Gruppenprozesse: Wenn sich die einzelnen Individuen zu einer Gruppe zusammengefunden haben, ist dann das Ganze tatsächlich mehr ist als die Summe seiner Teile? Haben Gruppen immer etwas Typisches, etwas Eigenständiges? Gibt es eine Eigenlogik von Gruppen, die auch unabhängig von den Mitgliedern existiert? Und unter welchen Bedingungen sind Gruppen in der Lage, sich selbst zu organisieren?
Teil 3: Die Organisation und ihr Einfluss auf die Gruppenprozesse: Auch wenn vieles von dem, was untersucht wird, auf die meisten Gruppen zutrifft, gilt der Hauptfokus dem Zusammenspiel von Gruppen in Organisationen: Welchen Einfluss haben Organisationen darauf, wie sich Gruppen bilden und wieder auflösen? Wie lassen sich Organisationen diagnostizieren und wie lassen sich aus dieser Diagnose heraus Interventionen entwickeln?
Zwei Fragen und drei Impulse zur Einstimmung auf das Thema
Zwei Fragen stehen im Fokus: Warum ist das Thema Gruppe und Gruppendynamik wieder so aktuell? Und: Welche Rolle spielt dabei die Veränderung der Organisation?
Erster Impuls: Die Gruppe ist ein Bestandteil der Organisation
Wir leben in einer globalisierten Gesellschaft, die vor allem von Organisationen bestimmt wird. Gern wird in diesem Zusammenhang von Organisationsgesellschaft gesprochen: WTO, NATO, UNO, Profit- und Non-Profit-Organisationen, Organisationsentwicklung, Organisationsberatung und viele andere mehr. Allerdings ist der Begriff der Organisation, wie wir ihn heute selbstverständlich und für Unternehmungen aller Art verwenden, relativ neu. Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war ein Begriff für ein derartiges Phänomen unnötig. Soziale Ordnung im Allgemeinen und die Arbeit im Besonderen waren ohne Organisationen – wie wir sie heute kennen – sichergestellt. »Die Gesellschaft« war nichts Abstraktes, sondern eine nahe Face-to-face-Gesellschaft. Das Zusammensein fand ganz konkret über direkte und mündliche Kommunikation statt und sie reichte auch nur so weit, wie man sich persönlich kannte.
Organisationen, wie wir sie heute kennen, sind auf Zweckorientierung und Arbeitsteilung ausgerichtet: Dazu wurde die Arbeit weitgehend aus den Familien, Handwerkergilden und Korporationen herausgeholt. Es wurden Vorschriften erlassen, die die Erwartungen an die Mitarbeitenden generalisierten. Alles sollte möglichst rational sein! Dennoch lassen sich Arbeit und Privates nicht vollständig voneinander trennen. Die Frage lautet daher: Woher bekommt die rationale Organisation den sozialen Kitt, damit sie nicht den Kältetod stirbt? Die Antwort lautet: Speziell hierfür wurde »die Gruppe« eingeführt. Sie wurde innerhalb der Organisation zu einem Ort des persönlichen Miteinanders (Geramanis 2014, S. 173?f.).
Erstes Fazit: Es gibt Familien, Stämme und Dorfgemeinschaften, die nach ihren jeweiligen Regeln funktionieren. Die kooperative Arbeitsgruppe an sich erhält erst in der Gegenüberstellung zur anonymen Organisation mit ihrer industriell organisierten Arbeit ihre Bedeutung. Wenn wir uns über (Arbeits-)Gruppen und Teams Gedanken machen, so ist es wichtig, parallel dazu stets die Organisation, ihren Einfluss, ihre Steuerung sowie ihre Fremdbestimmung mitzudenken.
Zweiter Impuls: Die Organisation wechselt von der Resultats- zur Prozessorientierung
Wenn man an perfekt organisierte Arbeit denkt, dann kommen einem schnell Fabriken mit Fließbändern in den Sinn. Die Hochphase des Industriezeitalters bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war eine Zeit der Stabilität. Solange man mithilfe von Rationalisierung, Beschleunigung und Effizienzsteigerung Gewinne erzielen, solange man das Fließband einfach etwas schneller laufen lassen konnte, spielten Gruppen- und Teamarbeit keine große Rolle. Kreativität und Eigeninitiative der Mitarbeitenden waren nicht gefragt. Dort, wo es Arbeitsgruppen gab, mussten sie eindeutige Resultate liefern. Eine resultatorientierte oder auch zweckbezogene Steuerung zielte darauf ab, ein vorgegebenes Arbeitsziel auf dem schnellsten Weg zu erreichen. Hierbei ist die Gruppe ein Mittel zum Zweck. Jeder weiß, was zu tun ist und was von ihm verlangt wird. Das Funktionieren steht im Vordergrund. Die Mitglieder müssen den Ablauf genau befolgen und Abweichungen sind möglichst zu verhindern.
Allerdings haben sich in der Arbeitswelt tiefgreifende Veränderungen vollzogen. Im Zeichen neuer Managementmodelle verändert die traditionell bürokratische Organisation ihre Gestalt. Insbesondere im Wissens- und Dienstleistungsbereich herrscht die Meinung vor, dass unter sich wandelnden Bedingungen »selbstorganisierte Gruppen« bessere Entscheidungen treffen, als eine einzelne Führungskraft. Komplexe Fragestellungen können ausgewogener und damit qualitativ besser entschieden werden, wenn die Informations- und Wissensbasis größer ist. Zugleich werden Arbeitsmotivation und Engagement gesteigert, wenn den Mitarbeitenden mehr Verantwortung übertragen wird.
Hier hat sich ein grundlegender Wandel gegenüber früher vollzogen. In dem vielbeachteten Buch »Reinventing Organizations« beschreibt Frederic Laloux (2015) eben diesen Prozess als Stufenmodell von einer traditionell konformistischen Organisation über eine moderne leistungsorientierte bis hin zu einer postmodernen pluralistischen Organisation, um dann als mögliche nächste Stufe die integrale evolutionäre Organisation vorzustellen. Ein zentraler Aspekt der Aufmerksamkeit liegt dabei auf der Selbstführung. Der Grundgedanke der Selbstführung ist es, jedem Mitarbeitenden gleich viel Macht zu geben, in der Erwartung, dass dadurch die Organisation insgesamt viel mächtiger wird.
Zweites Fazit: Selbstzweckbezogene Steuerung orientiert sich im Gegensatz zur (fremd-)zweckbezogenen Steuerung nicht ausschließlich an der Aufgabe und den Resultaten, sondern ebenfalls am Prozess der Gruppe. Es geht um Kategorien, die der Arbeitsfähigkeit und dem Entwicklungsprozess der Gruppe und ihrer Mitglieder dienen. Folgt man dem Konzept der Selbstorganisation und Selbststeuerung, dann sind Gruppen nicht mehr ausschließlich Mittel zum Zweck, sondern sie müssen selbst zu einer handlungsfähigen Einheit werden.
Dritter Impuls: Freiwilligkeit lässt...