Buch, Deutsch, 164 Seiten, Format (B × H): 190 mm x 270 mm
Buch, Deutsch, 164 Seiten, Format (B × H): 190 mm x 270 mm
ISBN: 978-3-96146-952-9
Verlag: Diplomica Verlag
Das Sternzeichen Jungfrau ist einfach zu verstehen; denn damit ist nichts anderes als der Spätsommer gemeint. Sternzeichen sind Metaphern für Jahreszeiten und das Produkt eines Sonnenkultes, der seit über 2000 Jahren Astrologie genannt wird. Schon lange wird dieser Sonnenkult falsch verstanden, falsch begriffen und falsch benannt: Von Sternen ist die Rede, von Sterndeuterei und von Sternenglauben. Sterne, die Lichtjahre entfernt von der Erde liegen, haben nichts mit den Jahreszeiten, nichts mit dem Spätsommer und auch nichts mit Astrologie zu tun. Wenn Sterne nichts mit Astrologie zu tun haben, wie konnte dann dieser einfache und alte Sonnenkult zum missverstanden Mysterium werden? Dazu blicken wir in die Geschichte der Sonne, der Sternen und der Astrologie. Wir machen keine Wetten, keine Vorhersagen und keine Zukunftsvisionen. Das ist Sache der Wahrsager! Die Astrologie ist keine Wahrsagerei, sondern ein Sonnenkult, der die jahreszeitlichen Auswirkungen der Sonne in den Mittelpunkt stellte. Wenn das jeder wüsste…
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Textprobe:
Kapitel Sonnenkult:
Die uns bekannte Astrologie wird, um sich von den vielen Unterarten und Abarten abzugrenzen, häufig westliche oder abendländische Astrologie genannt. Sie ist ein ausgeprägter Sonnenkult und das einflussreichste geistige Vermächtnis der frühesten europäischen Kulturen. Die Astrologie spielte für die Menschen in Europa die gleiche prägende Rolle wie die Traditionelle Medizin und die Lehren des Laotse in China, die Naturphilosophie der Indianer in Nordamerika oder die Traumzeit der Aborigines in Australien. Diesen und vielen anderen, im weitesten Sinne als Naturkulte zu bezeichnenden Systeme kann man gegenüberstehen, wie man will; man weiß aber, dass man ihnen gegenübersteht. Die TCM kommt aus China, die Traumzeit singen die Aborigines, Manitu rufen die Indianer. Und woher kommt der zwölfteilige Sonnenkult in Bildern? Die älteste Errungenschaft der europäischen Kultur ist die Astrologie.
Warum wird sie missverstanden, falsch beschrieben, und das vom Eingeweihten wie vom Laien? Die Tradition, die Astrologie misszuverstehen, ist alt und ausgereift und ihr Verlauf soll auf den folgenden Seiten aufgezeigt werden. Ursprünglich ist die Astrologie eine naheliegende Betrachtung für die im eigenen Lebensraum natürlichen Erscheinungen. Ein vom Menschen ersonnener (!) Sonnenkult, der auf einer klaren Beobachtung, Einordnung und Nutzbarmachung der sie umgebenden Natur und ihrer Rhythmen basiert. Die Jungfrau ist eine Metapher, ein Begriff für eine Jahreszeit. Wir sagen vereinfacht zur Jungfrau: Spätsommer. Es ist egal, dass die Jungfrau am Himmel gar nicht nach einem Ernte einfahrenden Wesen aussieht, egal, dass sie gar nicht im Spätsommer von der Sonne bedeckt wird; es geht um die Energie des Spätsommers – was am Sternenhimmel passiert, ist unwichtig. Dass man in tausenden Jahren von den Sternbildern, die wir heute sehen, nur noch wenige als solche erkennen kann: auch das ist egal. Die Astrologie interessiert sich nur für die Sonne, ihre Strahlen, ihre Helligkeit und ihre Auswirkungen. Sie ist Ausdruck für die Wirklichkeit des Spätsommers - die reale Erfahrung und deren logische Folgen: Astro(Sonne)logie.
Viele Menschen benutzen den Begriff Sternzeichen daher missverständlich. Sie meinen eigentlich Sonnenzeichen: das empfundene – und nicht das am Himmel erscheinende - Zeichen, in dem die Sonne bei einer Geburt steht. Die Jungfrau ist eine jahreszeitliche Beschreibung, nicht etwas, das am Himmel passiert, sondern hier direkt auf der Erde. Kein Astrologe – und auch kein Astronom – hätte ein elementares Problem damit, wenn wir auf der Erde nichts als schwarze Materie um uns herum wahrnehmen würden, wenn wir nur die Bestandteile unseres Sonnensystems am Tag und in der Nacht sähen. Wir benötigen die Sterne – zumindest als sichtbare Zeiger - für beide Wissenschaften nicht. Sie helfen aber dem Astronomen für das Verständnis des eigenen Sonnensystems; und sie helfen dem Astrologen als projizierte Gedankenspiele, um das ästhetische Empfinden der Jahreszeit bildlich zu beschreiben.
Warum wissen nur wenige Menschen, dass es sich bei der Astrologie um eine Beschreibung der jahreszeitlichen Qualitäten handelt? Warum ist die eigentliche Bedeutung dieses ureuropäischen Sonnenkultes nicht bekannt? Warum treibt der Handel damit solch seltsame Blüten?
Eine besonders erstaunliche Blüte ist die Übertragung der europäischen Astrologie auf die Südhalbkugel der Erde - und zwar ohne die dortigen gegensätzlichen Bedingungen der Sonne einzubeziehen. Wenn auf der Nordhalbkugel Anfang September spätsommerliches Wetter vorherrscht, ist auf der Südhalbkugel Spätwinter. Doch in Neuseeland, in Patagonien und in Kapstadt wird die europäische Astrologie zumeist so verstanden und angewendet wie auf der Nordhalbkugel. So als ob auch auf der Südhalbkugel gerade Spätsommer wäre. Es wird so getan, als wäre die Sonne gar nicht mehr relevant, gar nicht mehr existent, als wäre nicht eben jene Sonne der Auslöser und Ursprung der Astrologie.
Um dieses Schauspiel zu verdeutlichen: stellen Sie sich selbst in einer Gesellschaft lebend vor, bei der man im Jahreslauf Kulthandlungen begeht. Am Beginn jeder Jahreszeit richtet man seine Aufmerksamkeit bewusst auf die Sonne, und vollzieht eine rituelle Begegnung mit dem großen Ganzen. Nun stellen Sie sich vor, dieses Ritual bei einem Wechsel ihres Aufenthaltsortes mitzunehmen. Sie ziehen von der Nordhalbkugel auf die Südhalbkugel, von Berlin nach Kapstadt. Wenn Sie in Südafrika ankommen, beschließen Sie Folgendes. „Von jetzt an verhalte ich mich stets so wie es bei mir in Berlin zugeht. Wenn dort die Jahreszeiten beginnen, mache ich die jeweiligen Rituale meines Sonnenkultes hier auch.“ Dass die Sonne, wo Sie gerade sind, genau andersherum läuft, ist Ihnen egal. Wenn der Frühling in Berlin beginnt, gilt er für Sie von nun an auch in Südafrika. Sie bezeugen das Aufbegehren der Pflanzen und Tiere. Es beginnt wieder zu leben, rufen Sie aus - schauen sich in Südafrika um und sehen das verwelkende Laub, die letzten reifen Früchte und das finale Beben des Lebens, bevor es in den herbstlichen Rückzug geht. Doch Sie – dem alten Sonnenkult ihrer Heimat folgend – feiern nicht den Herbstanfang, sondern den Frühlingsbeginn. Geht das?
Tatsächlich beschreiben viele Menschen auf der Südhalbkugel ihr Sternzeichen (Sonnenzeichen) so, als wären sie auf der Nordhalbkugel geboren. Wie konnte das passieren? Wie konnte man diesen Sonnenkult, die Astrologie, so missverstehen? Das hat viel mit der europäischen Geschichte und ihrer expansiven Politik zu tun. Die seit der Antike vorherrschende Form der Barbarei.