E-Book, Deutsch, Band 2, 312 Seiten
Reihe: PaNia
Giebken PaNia - Im Bann der Windhüter
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7348-0210-2
Verlag: Magellan
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Band 2 der fantastischen Pferdebuchreihe ab 11 Jahren
E-Book, Deutsch, Band 2, 312 Seiten
Reihe: PaNia
ISBN: 978-3-7348-0210-2
Verlag: Magellan
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zielgruppe
Lesealter ab 11
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1
Der Wind an der Bushaltestelle riecht nach Regen, dabei ist der Himmel fast wolkenklar. Ich gähne, gucke mich um, gähne wieder. Es ist einfach viel zu früh, um schon hier draußen zu stehen! Seit Pan zu mir gehört, kann ich wieder schlafen. Ich schlafe so gut, dass ich das Morgenlicht verpasse und erst zu ihm durch den Fluss laufe, wenn die Sonne schon hoch am Himmel steht. Wir haben so viel Zeit miteinander, niemand stört uns mehr, es ist fast, als wäre er mein Pferd, denn obwohl ich noch immer nicht weiß, wem Pan eigentlich gehört – also offiziell, auf dem Papier –, kann ich doch mit ihm machen, was ich will. Zuerst habe ich mir tausend Abenteuer ausgedacht, die ich mit ihm erleben wollte, Windheim unsicher machen, durch den ganzen Wald reiten, oh, und Anno besuchen und die Legende um die Windpferde einmal gründlich auf den Kopf stellen! Aber irgendwie haben wir noch nichts davon getan. Meistens sind wir einfach nur beieinander und lernen uns kennen, ganz neu, ganz für uns. Und das ist sogar noch viel schöner als wilde Abenteuerritte. Wieder muss ich gähnen, wieder fliegt mein Blick umher. Caros kleine Schwester Leyla hockt auf der einzigen Bank, halb versteckt hinter einem pummeligen Jungen, und lässt die Beine baumeln. Neben ihr tuscheln Caro und Kim miteinander, beide ein Nusshörnchen in der Hand. Caro schielt manchmal zu mir herüber, aber sie lädt mich nicht ein, zu ihr zu kommen und mich dazuzustellen. Ist mir egal, das will ich auch gar nicht. Ich warte lieber allein. Nicht auf den Bus, so wie sie und Leyla und der pummelige Junge. Auf den auch natürlich. Aber eigentlich warte ich nur auf einen. Hannes. Ein Schauder kriecht mir in den Nacken, als ich seinen Namen denke. Hannes! Seit Tagen habe ich ihn nicht mehr gesehen, er geht mir aus dem Weg, und ich kapiere nicht, warum! Angeblich ist er beschäftigt, muss bei irgendwelchen Vorbereitungen helfen. Das hat Hilde mir erzählt. Aber ich glaube ihr nicht oder nicht ganz. Hannes geht mir absichtlich aus dem Weg! Vielleicht ist er sauer, dass ich meine Prüfung mit Pan bestanden habe, weil er es mir im Grunde nie zugetraut hat … oder er ist einfach nur neidisch, weil wir es ohne sein blödes Halfter aus Windpferdeleder geschafft haben. Hannes war schon immer komisch, vom ersten Moment an. Aber es nervt trotzdem, dass er sich nicht mehr blicken lässt, weil ich ihn so auch nicht fragen kann – nach dem Namen auf dem Gedenkstein, dem Grabstein, der keiner ist. Und dem Foto mit seinem Gesicht darauf. »Steigst du nicht mit ein?« Eine kleine Hand zupft mich am Ärmel. Verwirrt schaue ich hoch. Ein Bus steht vor uns, kein Schulbus, sondern ein grüner VW-Bus mit lauter rostigen Stellen an den Seiten. Eine müde dreinblickende Frau sitzt hinter dem Steuer und balanciert einen Kaffeebecher zwischen den Beinen. »Ist das der Schulbus?«, frage ich Leyla. Sie lässt meinen Ärmel los und hüpft durch die seitliche Schiebetür ins Innere. »Ja! Komm, wir sind eh schon spät!« Verwirrt schaue ich mich um. Caro, Kim, Leyla und der Pummeljunge. Wo sind die anderen? Hilde, Irma, all die Kinder aus dem Dorf … Hannes? Werden die von ihren Eltern zur Schule gefahren? »Ich dachte, wir warten noch, bis alle da sind«, sage ich verwirrt und steige hinter Leyla ein. Der VW-Bus ist ein Neunsitzer, wir haben alle bequem Platz darin. Ich lasse mich neben Leyla auf die Bank sinken und schon geht die Seitentür zu und wir rollen los. Leyla wirft dem Pummeljungen einen Blick zu und beugt sich ganz nah zu mir. »Cool, dass du jetzt mitfährst! Dann setzt der sich nicht mehr neben mich.« »Magst du ihn denn nicht?«, frage ich ebenso leise zurück. »Nee. Er riecht immer nach Knoblauch. Wirklich immer!« Ich muss lächeln. Der Knoblauchjunge schielt kurz zu uns herüber, vergräbt sein Gesicht dann in seinem Jackenärmel und beginnt zu dösen. »Vielleicht ist er ja trotzdem total nett«, flüstere ich Leyla zu. »Ach«, macht sie nur und wackelt mit ihrer Nase. »Ist mir egal. Ich gebe mich nun mal lieber mit Mädchen ab.« Vor den Fenstern rauscht der Wald an uns vorbei. Seltsamerweise habe ich das Gefühl, in die falsche Richtung zu fahren, und jeder Baum, den wir passieren, verstärkt das Ziehen in meiner Brust. Am liebsten würde ich umkehren, zurücklaufen, zurück zwischen die Bäume, mitten hinein in den Wald, in unseren Wald – zu Pan. Pan. Auf einmal wird der Gedanke an ihn fast unerträglich. Ich will sein, wo Pan ist! Von ihm getrennt zu sein, tut körperlich weh, aber das kann ich der Busfahrerin ja schlecht sagen. Ich schüttle die Gedanken an Pan ab und wende mich wieder Leyla zu, die Kreise auf die Scheibe malt. »Warum fahren die anderen denn nicht mit?« »Die anderen?« Leyla hört auf zu malen und guckt mich an. »Wen meinst du?« »Na, die anderen Kinder aus Windheim.« »Ach so. Die gehen nicht auf unsere Schule.« Das erklärt natürlich, warum sie nicht hier sind. Und Hilde ist ja auch schon älter, sie könnte durchaus schon mit der Schule fertig sein. Trotzdem hätte ich sie gern dabeigehabt, auch Irma und die anderen jüngeren Kinder. »Paul geht sogar erst in den Kindergarten«, plappert Leyla weiter. »Und die Mädchen von der Waldapotheke sind auf einem Internat, irgendwo ganz weit weg.« Ich nehme mir vor, Irma zu fragen, in welche Schule die anderen Kinder gehen. Vielleicht kann ich den Bus tauschen, sodass wir wenigstens zusammen fahren können. Komisch, dass niemand einen zweiten Schulbus erwähnt hat. Ben hat mich nur zur Ampel eskortiert und gesagt, ich sollte dort warten. Leyla packt ein Schulheft aus und beginnt, darin zu lesen, und ich lehne mich im Sitz zurück und schließe die Augen. Mein Kopf tut weh, es flimmert richtig hinter meinen Lidern. Mit zwei Fingern massiere ich meine Schläfen, aber der Schmerz wird eher noch schlimmer. Ich muss hier raus! Verwirrt klappe ich die Augen wieder auf. Was ist nur los mit mir? Ist doch nicht so wild, dass ich nicht mit Irma und den anderen im selben Bus sitze. Caro und Kim stecken die Köpfe zusammen und machen irgendein Spiel, aber sie lassen mich wenigstens in Ruhe. Ein Stich schießt durch meinen Kopf und das Gefühl zieht sich bis hinunter in meinen Bauch. Mir wird so schlecht, dass ich die Hand auf meinen Mund pressen muss. »Anhalten«, flüstere ich und starre Leyla aus großen Augen Hilfe suchend an. »Nia?« Leyla rutscht ein Stück von mir weg. »Was hast du?« Ich kann ihr nicht sagen, was ich habe, weil ich nicht mehr reden kann. Wenn ich den Mund aufmache, erbreche ich mich, ganz bestimmt, mitten in den Bus, vor aller Augen. Ich schüttle verzweifelt den Kopf, drücke alle Finger fest vor meinen Mund und hoffe, dass das Gefühl vergeht, dass ich wieder normal atmen kann, oh Gott, ist mir schlecht, ich muss hier raus, wie komme ich bloß hier raus? »Anhalten«, schreit Leyla. »Stopp! Schnell!« Die Busfahrerin bremst, die Tür geht auf. Waldwind schwappt zu mir herein, rettet mich, treibt mir Tränen in die Augen. Ich stürze ins Freie, meine Gedanken überschlagen sich, und dann erbreche ich doch noch, ich kann es einfach nicht zurückhalten, aber ich kann mich an den Bäumen festhalten und dabei frischen Moosduft inhalieren, und sofort fühle ich mich besser, ein bisschen. Nur mein Kopf pocht noch ein wenig, aber hier, im Wald, kann ich atmen. »Mensch, Mädchen.« Die Busfahrerin ist herausgesprungen und steht neben mir, eine Hand vorsichtig auf meinen Rücken gelegt. »Bist du krank? Oder ist das nur die Aufregung?« Ich schüttle den Kopf. Wie nur, wie soll ich ihr erklären, wie es mir geht? Dass ich nicht wegkann aus Windheim? Dass ich sein muss, wo Pan ist, weil ich sonst nicht mehr atmen kann? Die Busfahrerin schaut mich abwartend und ein bisschen verzweifelt an. »Was mache ich denn jetzt mit dir, hm?« Mein Blick huscht die Straße hinunter. In die Richtung, aus der wir gekommen sind. »Das geht nicht«, sagt die Busfahrerin knapp. »Die anderen müssen ja zur Schule. Und ich auch, ich bin schließlich Lehrerin.« »Bitte«, flüstere ich nur. Und damit meine ich gar nicht, dass sie mich zurückfahren soll. Meinetwegen lässt sie mich hier, ich will nur nicht mehr in diesen Bus steigen und weiterfahren müssen. »Na prima«, murmelt die Busfahrer-Lehrerin. »Gleich am ersten Schultag so ein Drama!« Sie zieht ein Handy aus der Tasche, drückt darauf herum. Sieht plötzlich erleichtert aus. »Ein Glück, wir haben hier Netz! Ich ruf dir jemand, der dich abholen kommt, ja? Warte.« Aus dem Bus heraus starren mich die anderen an, Leyla besorgt, der Knoblauchjunge ziemlich unbeeindruckt und Kim eindeutig angeekelt. Rasch...