Gläser-Zikuda / Hofmann / Frederking | Emotionen im Unterricht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Gläser-Zikuda / Hofmann / Frederking Emotionen im Unterricht

Psychologische, pädagogische und fachdidaktische Perspektiven

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-17-036308-3
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Emotionen sind ausschlaggebend für den Erfolg von Lehr- und Lernprozessen. Ob Kinder gerne in die Schule gehen oder nicht, hängt wesentlich davon ab, ob sie im Unterricht und im Umgang mit Lehrkräften, Mitschülerinnen und Mitschülern, schulischen Anforderungen und fachlichen Inhalten eher Freude und Stolz oder Ärger und Angst verspüren. Die einzelnen Beiträge des Bandes beleuchten Emotionen von Lernenden und Lehrenden aus erziehungsphilosophischer, bildungstheoretischer, pädagogischer, psychologischer und fachdidaktischer Perspektive. Auch die Frage, ob fachliche Inhalte ein spezifisches emotionales Aktivierungspotenzial haben und in ihnen selbst Emotionen verarbeitet sein können, spielt eine Rolle. Theoretische und empirische Zugänge werden gleichermaßen berücksichtigt.
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1          Emotionen in Schule und Unterricht aus pädagogischer Sicht
Michaela Gläser-Zikuda & Florian Hofmann
Kurzzusammenfassung
Während Emotionen in der empirischen Lehr-Lernforschung (einschließlich der empirisch ausgerichteten Erziehungswissenschaft) seit geraumer Zeit intensiv erforscht und diskutiert werden, stellt sich die Perspektive im Bereich der eher geisteswissenschaftlich orientierten Pädagogik nicht ganz so eindeutig dar. Der Stellenwert von Emotionen wurde und wird hier weiterhin aus pädagogischer Sicht sehr unterschiedlich bewertet und häufig anhand der Gegenpole ›Rationalität‹ und ›Gefühl‹ diskutiert. In diesem Beitrag wird daher überblicksartig auf wesentliche Diskurse und Ansätze eingegangen, die sich mit dem Stellenwert von Gefühlen bzw. Emotionen aus einer pädagogischen Perspektive beschäftigen. Schlagwörter: Emotionen, Bildung, Erziehung, Schule, Unterricht 1.1       Emotionen bzw. Gefühl – Merkmale, Entstehung und grundlegende Funktionen
Emotionen erfüllen nicht nur im Bildungskontext, sondern in allen Bereichen des menschlichen Lebens grundlegende biologische und soziale Funktionen, wie bspw. die Antizipation zukünftiger Ereignisse, das Bereitstellen von Handlungsempfehlungen oder die Zuschreibung von Absichten und Zuständen in sozialen Interaktionen. Dabei werden Emotionen durch den biologisch gesteuerten Impuls bestimmt, Lust, Befriedigung und Wohlbefinden zu suchen sowie Schmerz, Gefahr und Ungleichgewicht zu meiden (Damasio, 2010). In interkulturellen Studien wurden schon früh mehrere Basisemotionen ermittelt: Überraschung, Ärger, Abscheu/Ekel, Furcht/Angst, Trauer und Freude/Glück (Ekman & Davidson, 1994). Auch aktuelle Emotionstheorien gehen davon aus, dass es basale, somatische Reaktionen, sogenannte core affects (Barrett, 2015) bzw. primäre Emotionen gibt. Als primäre (und damit angeborene) Emotionen wurden Furcht, Wut, Glück/Freude, Trauer, Ekel, Überraschung und Interesse identifiziert (z. T. auch Verachtung; vgl. für einen Überblick Tracy & Randles, 2011). Erziehung und Sozialisation sowie kulturelle Einflüsse (Ulich & Mayring, 1992) bedingen die Entwicklung von Emotionen und ihre individuelle Ausprägung. Diese sogenannten sozialen oder sekundären Emotionen treten allerdings erst auf, sobald systematische Verknüpfungen zwischen Kategorien von Objekten oder Situationen und den primären Emotionen gebildet wurden (Huber, 2013). Hierzu zählen bspw. Mitgefühl, Verlegenheit, Scham, Stolz, Eifersucht, Liebe, Neid, Dankbarkeit oder Bewunderung. Eine weitere strukturelle Eigenschaft von Emotionen ist darin zu sehen, dass sie zum einen als momentane Zustände (Zustands- bzw. state-Komponente) und zum anderen als dispositionelle Reaktionstendenzen (Bereitschafts- bzw. trait-Komponente verstanden werden können (Otto, Euler & Mandl, 2000). Folglich rufen nicht die Ereignisse selbst, sondern die subjektive Interpretation von Ereignissen bei Menschen Emotionen hervor (z. B. Scherer, Schorr & Johnstone, 2001). Damit tritt die Bedeutung von Verarbeitungs- und Reflexionsprozessen ins Blickfeld. Zum Teil sind Emotionen evolutionsbiologisch überlebensnotwendig; man denke nur an die Fluchtreaktion in gefährlichen Situationen. Überwiegend reagieren Menschen aber sehr unterschiedlich in ähnlichen Situationen. Übertragen auf Lehr-Lern-Kontexte heißt das z. B., dass in einer Lerngruppe einmal Freude über den Wissenszuwachs, ein anderes Mal Langeweile oder Ärger entstehen kann. Als eine Erklärung hierfür kann der sogenannte Appraisal-Ansatz (Scherer, Schorr & Johnstone, 2001) herangezogen werden ( Kap. 1.2). Pekrun (2000) hat in der Folge den in der Bildungsforschung häufig herangezogenen ›Kontroll-Wert-Ansatz für Lern- und Leistungsemotionen‹ entwickelt. Kontrollappraisals (im Sinne einer Einschätzung, wieviel Kontrolle man darüber hat, ob Erfolg in einer Situation herbeigeführt werden kann) und Valenzappraisals (im Sinne einer Einschätzung der positiven bzw. negativen Bedeutsamkeit oder des Werts von Erfolg bzw. Misserfolg in der jeweiligen Situation) sind für die Entstehung von Leistungsemotionen relevant. Sowohl Kontroll- als auch Valenzappraisals bestimmen die Qualität und Intensität der erlebten Emotionen (Frenzel, Götz & Pekrun, 2009; Kap. 3.3). Besonders Emotionen in der Schüler-Lehrer-Interaktion bzw. mit Blick auf die soziale Beziehung werden systematisch untersucht (z. B. Wild, Hofer & Pekrun, 2006). Vermehrt werden auch Emotionen von Lehrkräften fokussiert (Becker, Götz, Morger & Ranellucci, 2014). So kann sich eine Lehrkraft bspw. über störende Verhaltensweisen von Schüler*innen im Unterricht ärgern. Auch auf Seiten der Lehrkräfte spielen Kontroll- und Valenzappraisals eine Rolle (Frenzel, Götz & Pekrun, 2008). Darüber hinaus kommt der Emotionsregulierung von Lehrkräften eine wesentliche Bedeutung zu (Krause, Philipp, Bader & Schüpbach, 2008). Neben der Beeinflussung der Emotionen einer Gesprächspartnerin bzw. eines Gesprächspartners (in der überwiegender Zahl der Fälle einer Schülerin bzw. eines Schülers) durch das eigene Verhalten und gezeigte Emotionen zählen auch die Kontrolle und der Umgang mit den eigenen Gefühlen zum professionellen Handeln einer Lehrkraft (Krause et al., 2008; Kap. 3.1). 1.2       Emotionen – (k)ein Thema in der Pädagogik?
Emotionen bzw. Gefühle und ihre Bedeutung im Bildungskontext sind kein neues Thema. Mit Blick auf Erziehung und Bildung wurden Emotionen immer schon berücksichtigt. Bereits in der Antike finden sich beispielsweise bei Platon, Seneca oder Aristoteles entsprechende Hinweise. So unterscheidet Aristoteles drei Teile der menschlichen Seele (vgl. Jakobi, 1981), die für jeweils unterschiedliche Verhaltensweisen des Menschen zuständig sind; und zwar den rationalen, den sensitiven und den vegetativen Seelenteil. Der sensitive Seelenteil wird als Ursache für Triebe, Affekte und Emotionen gesehen. Im Gegensatz zu den Aktivitäten des vegetativen Seelenteils wird die Kontrolle des sensitiven Seelenteils durch den Verstand als möglich und notwendig erachtet. Hieran wird die Bedeutung von Emotionen bzw. Gefühlen mit Blick auf Bildung deutlich ( Kap. 1.3). In der klassischen Bildungsliteratur des 18. und frühen 19. Jahrhunderts wurde beispielsweise häufig über Gefühle und ihre Allgegenwärtigkeit im menschlichen Leben geschrieben. So bedurfte es mit Blick auf Bildung und Aufklärung nicht bloß der »richtigen Begriffe«. Ebenso wichtig war es, »reinere Gefühle […] durch alle Adern des Volks« fließen zu lassen, »Menschlichkeit und Sanftmut in unser Herz« zu senken (Schiller 1784, S. 237, S. 244 f.). Wilhelm von Humboldt spricht von der »Bildung des Gemüths« (von Humboldt, 1809, S. 189) als wichtigem Element »allgemeine[r] Menschenbildung« (ebd., S. 188). Als zentrale pädagogisch-anthropologische Neuorientierungen des 18. Jahrhunderts gelten der Blick auf die Vernunftbegabung des Menschen im Sinne Kants sowie der Gedanke der Entwicklungsplastizität und Perfektionierbarkeit des Menschen (z. B. von Rousseau). Die beiden bekannten geisteswissenschaftlich orientierten Pädagogen Johann Friedrich Herbart (1776–1841) und Friedrich Schleiermacher (1768–1834) argumentierten, dass erzieherische Aufforderungen immer in der Gegenwart des Kindes liegen, aber immer auch auf seine Zukunft gerichtet sein sollen. Insofern können pädagogische Initiativen des Erziehenden mit den unmittelbaren Interessen und Befindlichkeiten des Kindes kollidieren. Dementsprechend stellt Herbart in seinen Vorlesungen der ›pädagogischen Liebe‹ die Autorität des Erziehers qua Aufgabe und Amt zur Seite (Herbart, 1806). Das Erziehungsmittel ›Liebe‹ gehört diesem Verständnis nach zu den vertrauensbildenden Maßnahmen, über die ein*e professionelle*r Erzieher*in zu verfügen habe. So verstanden ist Liebe nicht mehr nur, wie in der Aufklärungspädagogik, Mittel des Erziehungsprozesses, sondern zugleich auch implizit ein Erziehungsziel. Erst die Kombination aus pädagogischer Autorität und Liebe kann nach dieser Argumentation dem pädagogischen Handeln eine dauerhaft feste Basis geben (vgl. Herbart, 1806, S. 49). Die Diskussion um »Liebe als Ziel von Erziehung« gewann in der Folge, insbesondere in der Jugendbewegung und der beginnenden Reformpädagogik nach 1900, eine weitere Bedeutung. Erziehung wurde als Begegnung und Bildungsgemeinschaft zu einem Hauptthema. Beziehungsmerkmale wie Liebe, Vertrauen, Zuwendung, aber auch Eifersucht, Misstrauen und Enttäuschung zwischen Erziehendem und Zögling sowie...


Die Herausgebenden lehren und forschen an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Prof. Dr. Michaela Gläser-Zikuda hat den Lehrstuhl für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt empirische Unterrichtsforschung inne, Dr. Florian Hofmann ist dort Akademischer Rat. Prof. Dr. Volker Frederking leitet den Lehrstuhl Didaktik der deutschen Sprache und Literatur.


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