Glauche / Löwe | Endstation Siegfriedplatz | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 360 Seiten

Glauche / Löwe Endstation Siegfriedplatz

Ein Fall für Bröker
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86532-433-7
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Fall für Bröker

E-Book, Deutsch, 360 Seiten

ISBN: 978-3-86532-433-7
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Nach einem sensationellen Sieg der Arminia sitzt Bröker zufrieden auf dem Siegfriedplatz bei einem großen Glas Weizen und genießt den Spätsommer. Doch die lauschige Stimmung wird jäh unterbrochen. Eine in Tränen aufgelöste Mutter vertraut dem wildfremden Bröker ihr Baby an und verschwindet. Als Bröker erfährt, dass der Vater des kleinen Julian ermordet wurde, regt sich der detektivische Spürsinn des eigentlich so gemütlichen Privatiers. Und schon steckt der Mr. Marple von der Sparrenburg wieder mittendrin in einem spannenden Kriminalfall.

Bröker im Einsatz: eigenwillig und mit Humor löst er auch seinen neuen Fall!

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Kapitel 1
Auf ein Neues „Bielefeld, Bielefeld, Bielefeld!“, schallte es noch lautstark durch die Stadionreihen der Bielefelder Alm, als Bröker sich in den Zuschauerstrom schob, der Richtung Ausgang drängte. Weiter vorne in der Schlange nahm eine Gruppe von Fans den Schlachtruf auf. „Bielefeld, Bielefeld, Bielefeld!“, echote es von dort zurück. Bröker spürte, wie ihn ein heißes Gefühl durchströmte. Er atmete so tief ein, dass sich sein Stefan-Kuntz-Trikot, das er vor mehr als 15 Jahren erstanden hatte, eng über Brust und Bauch spannte. Ein kehliger Laut stieg tief aus seinem Inneren nach oben und einem Urschrei gleich entlud sich die Spannung, mit der er 90 Minuten lang mitgefiebert hatte. „Bielefeld, Bielefeld, Bielefeld!“, fiel er in das Triumphgeheul der Fans ein. Einen Moment lang vergaß er alles und jeden um sich herum, den heißen Sommertag, seinen Durst, auch seinen Hunger. Ja, er vergaß sogar, sich selbst zu beobachten. Zusammen mit dem Chor aus Stimmen, die ihn umgaben, schrie er sich in einen Rausch. „Bielefeld, Bielefeld, Bielefeld!“ Endlich, endlich war es wieder so weit. Die Arminia war der fußballerischen Bedeutungslosigkeit, in die sie in Brökers schlaflosen Nächten abzurutschen drohte, entstiegen. 2:1 hatte man in der ersten Runde des DFB-Pokals gesiegt, 2:1 – gegen einen Bundesligisten. So konnte das Fußballjahr beginnen! Als Bröker im Pulk in die Melanchthonstraße einbog, sah er auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Polizisten zu ihm herüberblicken. Er kniff die Augen zusammen und erkannte einen ihm wohlbekannten Schnauzbart. Hatte er es doch geahnt, das war sein Freund Mütze, der, obwohl schon vor Jahren zum Kommissar aufgestiegen, noch immer bei den Heimspielen der Arminia Dienst tat. Und das, obschon er vorgab, getreuer Anhänger des VfL Bochum zu sein, dem Verein seiner Heimatstadt. Bröker winkte Mütze begeistert zu, brach jedoch seinen Schlachtgesang ab. Auch wenn Mütze und er schon so manches Spiel in der Wunderbar begossen hatten, ein wenig genierte er sich doch, dass ihn sein Polizistenfreund bei derartigen Begeisterungsstürmen sah. Ach was, dachte er dann und schüttelte seine Scham ab. Vermutlich würde Mütze ebenso jubeln, wenn der VfL Bochum mal wieder einen Bundesligisten schlüge. Der aber hatte am Tag zuvor zwar auch gewonnen, 3:1 sogar, aber nur gegen einen Oberligisten. Das kam ja beinahe einer Niederlage gleich! Dennoch beschloss Bröker auf weitere Jubelschreie zu verzichten und schob sich zusammen mit den Massen in Richtung Oetkerhalle. Dabei wischte er sich mit seinem Trikot den Schweiß von der Stirn. Heiß war es an diesem Augustnachmittag. Die Spieler hatten sogar eine Trinkpause vom Schiedsrichter verordnet bekommen. Und die vielen Menschen sorgten auch nicht gerade für Abkühlung. Als er in den Schacht der Stadtbahn hinabstieg, roch es nach Schweiß, Bier und dem öligen Geruch, der U-Bahn-Tunneln unvermeidlich anzuhaften scheint. Unter der Erde schraubten sich die Schlachtrufe des Pulks in die Höhe und wurden nun außerdem tatkräftig von den mitgeführten Drucklufthupen begleitet. Die Akustik der Haltestelle lud dazu regelrecht ein. „Schalalala, schalalala, heeey DSC!“, hallte das Echo ohrenbetäubend von den Wänden wider, als der Zug der Linie 4 einfuhr. Bröker schätzte, dass mehr als 100 Menschen versuchten, sich in die Waggons der Stadtbahn zu drängen. Er wusste selbst nicht, wie er unter diejenigen geriet, die es ins Wageninnere schafften. Die Freude darüber dauerte jedoch nicht lange an. Wurde er doch von der Masse der anderen Fahrgäste derart zusammengedrückt, dass er kaum Luft bekam. Das lag natürlich auch daran, dass sein Körper nicht gerade wenig Platz verbrauchte. Eigentlich müsste so jemand wie er zwei Fahrkarten kaufen, befand er tadelnd, und wünschte den Tag herbei, an dem die 100-Kilo-Marke wieder in Sicht wäre. Doch weiter kam Bröker mit seinen selbstkritischen Betrachtungen nicht. Der Zug bremste so abrupt, dass die Insassen mit einiger Wucht nach vorne geschleudert wurden. Während er sich Mühe gab, das Gleichgewicht wiederzuerlangen, gestand er sich zufrieden ein, dass ein kleines Bäuchlein durchaus auch seine Vorteile hatte. Aufgrund seines natürlichen Airbags war ihm nichts passiert. Kurz hatte der plötzliche Halt das Gehupe und die Fangesänge zum Erliegen gebracht. Doch just als Bröker eine Durchsage zu vernehmen meinte, hoben die Anhänger schon wieder an zu singen: „Oohohoho, Oohohohoho Forza DSC!“, schallte es lautstark durch den Waggon. Bröker konnte nur Wortfetzen der Durchsage verstehen. „Außerplanmäßiger …“, sagte die Stimme. Und dann: „Verlassen … äußerste Vorsicht … Personal …“ Bröker blickte sich fragend um. Was wurde von den Fahrgästen erwartet? Doch niemanden der anderen Insassen schien das zu interessieren. Sie ließen sich in ihrer Feierlaune nicht bremsen und begannen munter hin und her zu schunkeln. „Bielefeld, Bielefeld, Bielefeld!“, donnerte es schon wieder, als sei man nicht in einem Waggon der Stadtbahn gefangen, sondern noch immer im Stadion, und Bröker schien es, als begänne der Wagen zu wackeln. Ihm war nicht mehr nach Singen zumute. Er fühlte sich mulmig. Am Ende kippte der Waggon noch um. Was, wenn dann eine Panik ausbrach? Und hatte die Ansage nicht etwas von äußerster Vorsicht gesagt? Bröker schwitzte und schloss die Augen. Hoffentlich nahm das hier einen guten Ausgang. In diesem Moment öffneten sich die Türen der Stadtbahn mit einem lauten Zischen. Im Dunkel des Tunnels stand ein Angestellter von moBiel mit einer Stabtaschenlampe, vermutlich der Fahrer der Bahn. „Bitte steigen Sie aus und bewahren Sie Ruhe!“, forderte er die Fahrgäste auf. „Und dann folgen Sie bitte meinem Kollegen zur Haltestelle Siegfriedplatz.“ Zu Brökers Erstaunen leistete der Pulk den Anweisungen widerspruchslos Folge. In einem langen Gänsemarsch zogen die Fans durch den U-Bahn-Tunnel zu besagtem Platz, der kaum 200 Meter entfernt lag – ohne allerdings die Gesänge zu unterbrechen. Und schon bald antworteten vom Siegfriedplatz aus andere Fanchöre auf die Schlachtrufe aus dem Tunnel. Ja, als der kleine Trupp die Haltestelle erreicht hatte, sah Bröker, dass dort sogar Anhänger der Arminia auf den Gleisen tanzten. Das also war der Grund für den abrupten Stopp des Zugs gewesen: Die Fans der Arminia waren über den unerwarteten Sieg so aus dem Häuschen geraten, dass sie den Schienenverkehr lahmgelegt hatten. Bröker drängte sich durch die Menschenmassen und nahm die stillstehende Rolltreppe hinauf ins Freie. Erleichtert atmete er auf. Vor ihm lag der Siegfriedplatz. Er mochte diesen belebten Fleck im Bielefelder Westen seit jeher, aber heute, da er in die Farben der Arminia und des Sommers getaucht war, schien er ihm besonders schön. In den Biergärten drängten sich Gäste, denen man ansah, dass sie wie Bröker noch kurz zuvor im Stadion gewesen waren. Und wer auf den Bänken keinen Platz mehr gefunden hatte, ließ sich einfach auf dem Pflaster nieder. In der Mitte saßen ein paar Jugendliche mit Gitarren und setzten ihre Musik den allmählich abebbenden Bielefeld-Rufen entgegen. Ja, es war schön hier. Und wenn ihn der außerplanmäßige Stopp der Stadtbahn schon auf diesem Platz ausgespien hatte, so konnte er die Gelegenheit doch nutzen und die sommerliche Atmosphäre einsaugen. Vielleicht kam ja auch noch Mütze vorbei! So manches Mal hatten sie sich in den vergangenen 20 Jahren nach einem Heimspiel der Arminia zusammengesetzt. Zu dumm, dass Bröker mal wieder vergessen hatte, sein Telefon aufzuladen, und seinen Freund daher nicht anrufen konnte. Aber ein Bier wäre nun trotzdem nicht verkehrt, entschied er. Und ein kleiner Happen zu essen auch nicht. Das Frühstück, das er vor dem Pokalspiel eingenommen hatte, war zwar gewohnt opulent gewesen – Lachs, Rührei, alter Gouda – aber es war eben auch schon wieder fünf Stunden her und in der Halbzeitpause hatte er nur zwei kleine Bratwürstchen vertilgt. Versonnen strich sich Bröker über den Bauch und schaute sich um. Ob vielleicht in einer der Lokalitäten doch noch ein Plätzchen für ihn frei war? Und tatsächlich, als habe er ihm den mentalen Befehl dazu erteilt, erhob sich in diesem Moment ein Pärchen in dem Biergarten, der dank der vor ihm postierten alten Straßenbahn den Namen Supertram trug. In einer Schnelligkeit, die man ihm nicht zugetraut hätte, und noch bevor das Pärchen wirklich aufgebrochen war, drängte Bröker sich auf den frei gewordenen Platz auf der Bierbank. Nur um gleich darauf festzustellen, dass es unmöglich war, gleichzeitig den soeben eroberten Sitzplatz zu sichern und eine Bestellung an dem Straßenbahnwagen aufzugeben. Unruhig blickte er umher. Nicht wenige der Umstehenden schienen auf eine frei werdende Sitzgelegenheit zu spekulieren. Einfach aufstehen und die vielleicht 15 Meter zu der so originell untergebrachten Theke gehen, konnte er also nicht. Eine Jacke, die man auf der Bierbank deponieren konnte, hatte er bei der Hitze natürlich auch nicht dabei. Kurz erwog er, sein schweißnasses Trikot vom Leib zu streifen, um damit sein Anrecht auf den Sitzplatz zu markieren. Er musste sich aber eingestehen, dass vermutlich nur sehr wenige Menschen auf dem Siegfriedplatz gesteigerten Wert darauf legten, einen unverhüllten Blick auf seine Basstrommel zu erhalten. Andererseits hätte er dann vielleicht sogar gänzlich freie Platzwahl. Schließlich gab sich Bröker einen Ruck und stupste seinen Sitznachbarn an. Dieser war jedoch so in eine Unterhaltung mit drei Blondinen vertieft, dass er zunächst nicht...


Lisa Glauche wurde 1980 in Oldenburg (Niedersachsen) geboren. Sie studierte Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und arbeitet jetzt als Projektassistentin in Berlin.

Matthias Löwe geboren 1964 in Löhne (Westfalen), studierte Mathematik und Physik. Seit 2003 ist er Professor für Mathematik in Münster.



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