E-Book, Deutsch, 416 Seiten
Reihe: World of Warcraft
Golden World of Warcraft: Sylvanas - Roman zum Game
Neuauflage 2022
ISBN: 978-3-7367-9834-2
Verlag: Panini
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 416 Seiten
Reihe: World of Warcraft
ISBN: 978-3-7367-9834-2
Verlag: Panini
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kaum ein Name lässt Allianz und Horde gleichermaßen aufhorchen wie der Name der berühmtberüchtigten Bansheekönigin Sylvanas Windläufer. Bestsellerautorin Christie Golden widmet sich in ihrem neuesten Roman der wohl schillerndsten Figur der jüngeren Geschichte des weltweit populären Onlinerollenspiels World of Warcraft.
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1. KAPITEL »Ich will es auch sehen, ich will es auch sehen!«, flehte Vereesa. Die Seiten des Balkons, so weiß und gewölbt wie der Hals eines Schwans, waren zu hoch, als dass sie darüber hinwegspähen könnte, und Sylvanas seufzte. Nach einem letzten, sehnsüchtigen Blick auf die Menge unter ihnen huschte sie zurück in ihr Zimmer, um einen Hocker zu holen. Sobald Vereesa vergnügt darauf geklettert war, richtete Sylvanas ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Szene vor ihnen. Ihre Eltern gaben hin und wieder Empfänge – Vater meinte, es »gezieme sich«, so etwas von Zeit zu Zeit zu tun –, aber normalerweise nur im kleinen Kreis. Lord Verath Windläufer war einer der engsten Berater von König Anasterian und seine Frau Lireesa war Waldläufergeneralin von Silbermond, aber andere niedere Adelige, so wie der prahlerische Lord Saltheril, veranstalteten viel größere Feiern. Lireesa hatte einfach nichts übrig für falsche Höflichkeit und Politik, und ihr Vater, der brillant, aber zurückhaltend war, genoss seine Abende lieber bei Kerzenschein mit einem Glas Wein und einem guten Buch. Doch heute war alles anders. Einige derer, die sich am Fuße des Turms versammelt hatten, gehörten dem Adel an, ebenso wie die Windläufer. Andere mochten zwar einfache Bürger sein, aber ihre körperlichen Fähigkeiten, ihre Wendigkeit und ihre geradezu unheimliche Zielgenauigkeit verliehen ihnen eine Art eigenen Adel. Sylvanas und ihre Schwestern waren jedenfalls dazu erzogen worden, großen Respekt, ja geradezu Ehrfurcht vor den Weltenwanderern zu haben, und bislang hatte Sylvanas nichts gesehen, was sie von der Ansicht abgebracht hätte, dass diese Elfen mehr Respekt verdient hatten als jemand, dem einfach nur ein Titel in die Wiege gelegt worden war. Viele der Weltenwanderer hatte sie bereits bei dem ein oder anderen Anlass gesehen, aber normalerweise kamen sie nur auf Geheiß der Waldläufergeneralin, und sie hatten kaum Kontakt mit dem Rest der Familie. Lor’themar Theron erkannte Sylvanas am einfachsten. Vielleicht lag es an seinem weißen Haar, aber er war einer der wenigen Elfen, die älter aussahen, als sie tatsächlich waren, und er bewegte sich mit einer stillen, eleganten Würde, die sie auch in ihrem Vater sah. Den relativen Neuling Halduron Wolkenglanz hatte sie auch schon kennengelernt; er hatte ein fröhliches Lächeln und ungezähmtes dunkelblondes Haar, und er grüßte Sylvanas und Vereesa, wann immer sie zugegen waren. Wie Halduron war auch die zierliche Jirri noch nicht lange bei den Weltenwanderern. Ihre Aufregung und ihr Staunen angesichts des Turms deuteten darauf hin, dass sie noch sehr jung war. Waldläufer Vor’athil stach derweil mit seinem blauschwarzen Haar deutlich aus dem Meer von größtenteils goldenen und silbernen Häuptern hervor. Und abseits der Menge unterhielt sich Hauptmann Helios leise mit den Waldläufern Lethvalin und Salissa, während Waldläufer Tomathren ungeduldig darauf wartete, dass Helios sich ihm zuwandte. Talthressar Rellian, Auric Sonnenjäger, Allerias Freundin Verana … da waren so viele. Sylvanas’ Herz raste. Das, was sich hier zutragen würde, erfüllte sie mit grenzenloser Aufregung – fast als würde sie selbst die Prüfung ablegen und nicht ihre große Schwester Alleria, die gerade schweigend neben ihrer Mutter stand. Normalerweise war die Ähnlichkeit zwischen Mutter und ältester Tochter unverkennbar. Sie hatten die gleiche sehnige Gestalt, auch wenn Alleria auf ihren langen, schlanken Beinen noch immer ein wenig unbeholfen wirkte, so wie ein junges Fohlen; ihnen beiden fiel das Haar wie geschmolzenes Gold über den Rücken; und ihre Lippen krümmten sich auf dieselbe Weise, wenn sie lächelten. Aber jetzt war Lireesas Bauch voll und rund, und das Kind, das darin heranwuchs, würde innerhalb der nächsten Wochen seine freudige Ankunft in dieser Welt feiern. Keine der beiden Frauen lächelte; dafür war der Anlass viel zu ernst. Sylvanas beobachtete, wie Lireesa sich zu Alleria herumdrehte und nickte, dann traten die beiden vor, und die Weltenwanderer stellten sich um Mutter und Tochter herum in einem Kreis auf. Die Stimme der Waldläufergeneralin war kräftig und klar, daran gewöhnt, in der Hitze des Gefechts Befehle zu geben … und auch daran, dass diese Befehle ausgeführt wurden. Sie hallte weithin, als Lireesa anhob, zur Eliteeinheit der besten Waldläufer im gesamten Königreich zu sprechen. »Als ich eine junge Frau war, bildete meine Mutter Alleria mich, das älteste Kind, aus, auf dass ich einst die Waldläufergeneralin werden möge, so wie ihre Mutter es bei ihr getan hatte. Jetzt möchte meine Tochter – benannt nach ebenjener, die mich in die Welt brachte – ihren Wert beweisen und mit der Ausbildung beginnen. Es soll kein Zweifel daran bestehen, dass Alleria und auch ich die Bedeutung und die Pflicht kennen, die mit der Position der Waldläufergeneralin einhergeht. Darum wird sie sich einer Probe unterziehen.« Lireesa wandte sich ihrer Tochter zu, aber ihre Miene blieb unverändert hart, während sie fragte: »Alleria Windläufer, bist du bereit, alles Nötige zu tun, um die Weltenwanderer zu führen, in Zeiten des Friedens ebenso wie in Zeiten des Krieges.« »Das bin ich.« Allerias Stimme, die für eine so junge Person ungewöhnlich tief war, gab keinerlei Emotion preis. »Dann stelle dich dieser Prüfung. Hör gut zu. Dein Ziel ist ein Bachtatzenluchs. Sein bekanntes Revier erstreckt sich vom Dorf Goldnebel bis zur Enklave der Weltenwanderer. Du musst ihn finden, ihn mit einem einzigen Pfeil erlegen, ihn häuten und mir seinen Pelz bringen, bevor das letzte Licht des Tages verblasst. Solltest du auch nur eine dieser Vorgaben nicht erfüllen, ist die Prüfung gescheitert.« Die Waldläufergeneralin hielt Alleria einen Pfeil hin. »Hier. Möge er sein Ziel finden.« Es war einer von Lireesas eigenen Pfeilen, zu erkennen an seiner einzigartigen Befiederung in den Farben Grün (was die Weltenwanderer repräsentierte), Gold (eine der Farben der Waldläufer) und einer unbemalten gold-braunen Feder, die aus einer von Lireesas legendären Schlachten stammte. Alleria zögerte nur einen Herzschlag, bevor sie den Pfeil entgegennahm. Den meisten wäre es gar nicht aufgefallen. Aber Sylvanas kannte ihre große Schwester gut und sie runzelte leicht die Stirn. Alleria war eine junge Frau voll stiller Zuversicht; eine erstklassige Schützin und wenn nötig eine unermüdliche Spurensucherin. Einer unerfahrenen Jägerin konnten Bachtatzen gefährlich werden, ja, aber alle Windläufer-Töchter begannen mit ihrer Ausbildung, sobald sie kräftig genug waren, um die Sehne eines Kinderbogens zu spannen. Warum also war Alleria besorgt? Vielleicht war es einfach nur Nervosität. Dies war keine gewöhnliche Jagd. Wenn sie heute scheiterte, dann nicht nur vor den Augen der Waldläufergeneralin, sondern vor der gesamten Einheit der Weltenwanderer. Das wäre schrecklich beschämend. Alleria steckte den Pfeil in ihren leeren Köcher. Er sah einsam aus, fand Sylvanas, so ganz ohne Freunde um sich herum. Nun reichte Lireesa Alleria ein Messer. Es war wunderschön, seine breite, scharfe Klinge so lang wie Allerias Hand, sein Griff aus Leder, umwickelt mit goldenen Fäden. »Dies ist dein Häutemesser«, erklärte Lireesa. »Benutze es nur zum Häuten. Greife deine Beute nicht damit an. Falls doch, werde ich es sehen, wenn ich den Pelz nach deiner Rückkehr untersuche.« Alleria nickte, nahm das Messer und steckte es in seine Scheide. Zu guter Letzt legte Lireesa noch einen kleinen Beutel in die Hände ihrer Tochter. »Wasser, Brot und Dörrfleisch«, sagte sie. »Genug für ein einziges Mahl. Solltest du hungrig werden, steht es dir frei, Nahrung zu sammeln.« Alleria band den Beutel an ihrem Gürtel fest. Eine kleine, warme Hand, klebrig von Melonensaft, schob sich unter Sylvanas Finger. Selbst auf dem Hocker stehend war Vereesa nicht ganz auf Augenhöhe mit ihrer Schwester. Ihre Stirn lag in Falten, als sie fragte: »Wird Lady Sonne auch nichts passieren?« »Natürlich nicht«, antwortete Sylvanas, wobei sie ihre Hand drückte. »Alleria hat nichts zu befürchten. Es ist nur eine Bachtatze. Vermutlich könntest sogar du sie erlegen.« Ihre Augen leuchteten. »Glaubst du wirklich?« »Na ja … vielleicht noch nicht jetzt. Aber schon bald.« Strahlend richtete Vereesa ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Menge unter ihnen. Lireesa hatte ihrer ältesten Tochter die Hände auf die Schultern gelegt, aber die Berührung war fest, nicht liebevoll. »Wenn du Erfolg hast, werden wir mit deiner Ausbildung beginnen.« Alleria straffte die Schultern. »Bachtatze, ich benenne dich als meine Beute.« Es war ein förmlicher Ausspruch – das Weltenwanderer-Äquivalent eines Schwurs. Lireesa trat zurück und hob im Gruß der Weltenwanderer die Faust über ihr Herz. Die anderen taten es ihr sofort gleich, und das mit so perfekter Synchronität, dass Sylvanas nur ein einziges Pochen hörte, als Hand auf Brust schlug. Alleria zog die Kapuze über ihr goldschillerndes Haar, dann wandte sie sich dem Wald zu und ging los. Der Kreis der Jäger öffnete sich, um sie durchzulassen, und es herrschte Stille, bis ihre schlanke Gestalt von den Bäumen verschluckt wurde. Vereesa sprang von ihrem Hocker zu Sylvanas hinüber, in vollem Vertrauen darauf, dass ihre Schwester sie auffangen würde. Und Sylvanas fing sie auf. Dann, nach einer festen Umarmung, setzte sie das Mädchen ab und fuhr ihr mit der Hand durch ihr seidiges silbriges Haar. Ein Gedanke kam der älteren Schwester und sie konnte sich ein...