Goldschmidt | Weiter als der Himmel. Roman | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Goldschmidt Weiter als der Himmel. Roman


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-944818-84-9
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

ISBN: 978-3-944818-84-9
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Endlich ist es soweit: Pippa Goldschmidts grandioses Romandebüt erscheint in der deutschen Übersetzung von Zoë Beck. Jeanette, frisch promovierte Astronomin, macht an einem Teleskop in den chilenischen Anden eine sensationelle Entdeckung, die diversen Gesetzen ihrer Wissenschaft diametral entgegensteht. Jeanette weiß nicht, ob sie ihre Ergebnisse veröffentlichen soll oder ob sie damit ihrer Karriere schadet. Schließlich tut sie es und hat die gesamte astronomische Welt gegen sich aufgebracht. Sie stürzt in einen Strudel, der schon bald ihr Privatleben mit sich reißt und sie zwischen den Mühlsteinen der Vergangenheit und der Gegenwart zu zermahlen droht. Bilder ihrer Schwester, die unter rätselhaften Umständen in ihrer Kindheit starb, spannen sich vor die Wirklichkeit. Sie sucht den Himmel und die Erde nach ihr ab und verliert sich dabei selbst. Pippa Goldschmidts erster Roman ist zugleich tragische Kindheitsgeschichte und Wissenschaftssatire: Virtuos wechselt er die Erzählebenen, die sich schließlich mehr und mehr vermischen. 'Die feinfühlige und faszinierende Studie eines Lebens, in dem Intellekt und fremde mikroskopische und kosmische Kraftfelder aufeinander einwirken.' Stephen Fry

Pippa Goldschmidt wuchs in London auf und lebt heute in Edinburgh. Sie ist Absolventin des renommierten Masters-Kurs der University of Glasgow in Creative Writing. Die promovierte Astrophysikerin arbeitete mehrere Jahre als Astronomin am Imperial College, anschließend im öffentlichen Dienst, u.a. in der Weltraumbehörde. 2012 gewann sie den angesehenen Scottish Book Trust/Creative Scotland New Writers Award. Von 2008 bis 2012 war sie Writer-in-residence am ESRC Genomics Policy and Research Forum der Universtiy of Edinburgh. Ihr erster Roman 'The Falling Sky' erreichte den zweiten Platz beim Dundee International Book Prize. Ihre Kurzgeschichten erscheinen sowohl in englischer Sprache als auch in deutscher Übersetzung bei culturbooks.de.

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Jeanette könnte genausogut unsichtbar sein. Sie steht auf der Bühne des Hörsaals vor ungefähr zweihundert anderen Astronomen und stellt die Ergebnisse ihrer Doktorarbeit bei der jährlichen britischen Konferenz vor. Aber sie weiß, daß keiner zuhört. Sie macht niemandem einen Vorwurf. Sie würde auch nicht zuhören, wenn sie nicht müßte. Wenn sie nur wüßte, wie sie diese leicht zittrige Stimme in ihrem Kopf ausblenden könnte, die ununterbrochen über Staub in frühen Galaxien redet. Aber jetzt dauert es nicht mehr lange. Sie ist bei der letzten Folie angelangt, die die tatsächlichen Daten zeigt. Das könnte die Kollegen mehr interessieren. Sie zeigt mit dem roten Punkt ihres Laserpointers auf die Leinwand und hofft, daß er nicht verrät, wie nervös sie ist. Sie versucht, ihnen das Zentrum einer Galaxie zu zeigen, die Stelle, an der sich die Konturen auf der Karte in höchster Intensität verdichten, und der Punkt hüpft herum und weigert sich stillzustehen. Vielleicht ist es ganz egal. Sie hat gerade ihre Doktorarbeit abgeschlossen, sie soll ja jung und eingeschüchtert sein, wenn sie auf einer solchen Konferenz spricht. Aber diese Folie interessiert sie auch nicht. Ein paar arbeiten an ihren Laptops, andere reden miteinander. Einige spielen an ihren Handys herum, lesen das Konferenzprogramm oder sogar die Zeitung. Ihr Chef, der Todesstern, schläft. Das war zu erwarten. Er sitzt immer in der ersten Reihe und schläft. Er wacht erst am Ende auf und stellt eine fürchterlich relevante Frage. Sie überlegt, was er heute fragen könnte. Es reicht nämlich nicht, den Vortrag im Flüsterton zu halten und ignoriert zu werden. Die Erfahrung ist ohne das Frageritual im Anschluß nicht vollständig. Das (vornehmlich männliche) Publikum muß die Möglichkeit zu einem verbalen Schwanzvergleich erhalten. Sie kommt zum Ende, schaltet den Laser aus, steht da und wartet. Sie muß nicht lange warten. »Warum haben Sie keine optischen Wellenlängen sowie Infra­rot benutzt?« kommt von jemandem, der offenbar auf seinem Handy ein Spiel gespielt und eindeutig nicht beim Hauptteil ihres Vortrags zugehört hat, bei dem es um den Vergleich von optischen und Infrarotbildern ging. »Haben Sie eine alternative Erklärung Ihrer Resultate in Betracht gezogen?« Dies von jemandem, vor dem sie sich fürchtet, ein Aufgeblasener Überflieger, vor kurzem aus Harvard gekommen und wild entschlossen, alles auseinanderzunehmen, was ihm in die Quere kommt. »An welche alternative Erklärung denken Sie?« Ihr fällt keine ein, und er will ganz offensichtlich alle hier erleuchten. Er feuert eine komplizierte Erklärung ab, vermonstert mit Ausdrücken, die sie noch nie gehört hat. Als er endlich aufhört zu reden, bringt sie nicht einmal mehr die Energie auf, ihm zu antworten. Sie deutet nur still auf jemand anderen, der ihr zuwinkt, als würde er eine Kellnerin herbeizitieren, um sein schmutziges Geschirr abzuräumen. »Warum haben Sie sich nicht auf mein Paper über diese Galaxie bezogen?« »Habe ich.« Sie hofft, daß sie unhöflich klingt. Der Todesstern erwacht und starrt sie an, als hätte er sie noch nie gesehen. »Was bedeutet das?« fragt er, bevor seine Augen wieder zufallen, ohne daß er sich die Mühe macht, auf ihre Antwort zu warten. Was bedeutet das? Es bedeutet das, was sie bereits ihm und allen anderen erklärt hat, daß der Höhepunkt der Infrarotemission dieser Galaxie räumlich versetzt vom Höhepunkt der sichtbaren Wellenlängen ist, was impliziert, daß eine große Menge Staub vorhanden sein muß, die ein paar der Sterne verdunkelt, das Licht schluckt und es in längeren Wellenlängen wieder ausstrahlt. Der Staub kommt von explodierenden Sternen, die am Ende ihres Lebens angekommen sind, also ist dies eine alte Galaxie, die bereits mindestens eine Sternengeneration hervorgebracht hat. Recht interessant, wenn man im Detail wissen will, wie Galaxien funktionieren. Es bedeutet, daß sie die Anforderungen an ihre Doktorarbeit erfüllt und ein angemessen nicht-kontroverses (meint: langweiliges) Projekt ausgeführt hat, daß sie bewiesen hat, in der Lage zu sein, Nacht für Nacht in ein Teleskop zu glotzen und Daten von fragwürdiger Qualität zu sammeln, Software zu schreiben, die nicht offensichtlich mit Fehlern gespickt ist, um die Daten zu reduzieren und zu analysieren und dann den Stil Tausender vergleichbar langweiliger akademischer Papers zu kopieren, um zu berichten, was sie entdeckt hat, damit sie einen Job bekommt und all das für den Rest ihres Lebens weiterhin tun kann. Wenn sie Glück hat. Genau das bedeutet es in diesem Moment. Aber sie weiß auch, daß es noch etwas anderes bedeutet. Es bedeutet, daß sie Zeit an echten Teleskopen verbringen wird, an solchen, die groß genug sind, um Galaxien am Anfang des Universums zu zeigen oder am Rand der Zeit oder welche schicke Formulierung man auch immer benutzen möchte. Teleskope, die sehr weit weg sind, in Wüsten und auf Berggipfeln, an Orten so weit entfernt, daß sie kaum weniger entlegen wirken als die Galaxien selbst. Es bedeutet, daß sie Wissen besitzt. Sie weiß, wie man scheinbar einfache Aussagen wie »Der Himmel ist nachts dunkel« auseinandernimmt, um an die Informationen dahinter zu gelangen. Sie kennt sich mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Sterne, der Galaxien, des Universums selbst aus. Sie weiß, wie man das Licht des Nachthimmels entschlüsselt. Es bedeutet, daß sie entkommen ist. Dem Zuhause, der Depression des Sofas, dem radioaktiven Leuchten des Fernsehers, dem außerirdischen Vakuum im Haus und der Zigarettenasche, die auf alles niederrieselt wie Erde auf einen Sarg.   Der Todesstern fängt wieder an zu schnarchen, bevor sie geantwortet hat. Hinterher sieht sie ein, daß er ihr vielleicht einen Gefallen getan hat, indem er sie dazu gebracht hat, die Kernthese ihres Vortrags zu wiederholen. Vielleicht ist er der Meinung, sie hätte sie nicht deutlich genug präsentiert, und gibt ihr dadurch die Möglichkeit, sie erneut darzustellen. Oder er hat sie beim ersten Mal schlicht verpaßt. Oder, und das ist die wahrscheinlichste Erklärung, er ist einfach fies und liebt es, die Vortragenden auf dem falschen Fuß zu erwischen. Sie arbeitet nun seit einem Jahr für ihn, aber sie begreift ihn immer noch nicht. Niemand weiß, wer auf den Spitznamen kam oder was er ursprünglich zu bedeuten hatte, aber er ist hängengeblieben, weil er so gut zu ihm paßt: durch die elegante Kombination aus seinem Hauptforschungsgebiet (Supernovae, diese riesigen Sterne, die mit einer eindrucksvollen Lichtexplosion sterben) und der Angst, die er anderen Astronomen einflößt, wenn er die Flure der Sternwarte entlangpoltert.   Als sie später in den Saal gehen, in dem das Konferenzdinner stattfindet, sieht sie Richard, den anderen Post-Doc der Sternwarte. Er ist von Leuten umringt, die sie nicht kennt. Richard stößt gerade ein fürchterlich kreischendes Gelächter aus, das sehr viel lauter ist als das allgemeine Gemurmel im Saal. Sie weiß, was das Lachen zu bedeuten hat, es soll zeigen, daß sich Richard im Gespräch mit diesen Leuten wohlfühlt. Sie ist versucht, zu ihm rüberzugehen, alle können bei diesen Anlässen sitzen, wo sie wollen, und es ist auch nur eine Nervenschlacht nötig, um sich neben den Hofastronomen zu setzen. Warum sollte sie nicht auch dazugehören? Also macht sie sich auf zu der Gruppe. Ein paar Leute erkennen sie, vielleicht von dem Vortrag, den sie am Nachmittag gehalten hat, und nicken ihr zu. Die meisten nehmen erst gar keine Notiz von ihr. Als sie zu dem Tisch kommt, an dem Richard und der Hofastronom sitzen, hält sie einen Moment inne, aber niemand beachtet sie. Also nimmt sie sich einen Stuhl und setzt sich still hin. Sie sitzt nun neben zwei Männern und scheint ein Gespräch unterbrochen zu haben. Nach einer kurzen Pause reden sie wieder miteinander, als wäre sie gar nicht da. Sie unterdrückt den Impuls, an sich hinabzuschauen, um zu prüfen, ob sie noch sichtbar ist. Ihr gegenüber starrt der Hofastronom in sein leeres Weinglas, während ihm Richard mit ebenso viel Enthusiasmus wie Ungenauigkeit eine neue Technik zum Abbilden sehr lichtschwacher Objekte erklärt. Sie starrt Richard böse an, weiß aber, daß sie nicht so sauer auf ihn sein sollte. Sie ist eigentlich zum Teil selbst dafür verantwortlich, daß er hier ist. Es war gleich nachdem sie beide als Post-Docs vor ungefähr einem Jahr angefangen hatten, nach dem langen Studium. Richard saß mittags am äußersten Tisch in der Mensa und hörte einem Mann in einem dunklen Anzug zu. Sie kannte den Mann nicht. Er sprach über Galaxien-Studien. Große Projekte, bei denen Informationen über Tausende von Galaxien gesammelt wurden, um bestimmen zu können, wie sie sich mit der Zeit verändern und entwickeln. Viele solcher Studien wurden an Teleskopen auf der ganzen Welt durchgeführt. Der Mann erklärte, daß diese Studie eine der größten war und Hunderte von Nächten am Teleskop, Hunderte von Astronomen, die zusammenarbeiteten, einbezog. Es klang wie eine Stellenanzeige, und Jeanette verstand, was hier passierte. Er gehörte zu dem Konsortium, einer undurchsichtigen Gruppe von Top-Astronomen, die an einem riesigen Projekt über Jahre zusammenarbeiteten, Teleskopzeit verschlangen und alle verbliebenen Fragen der Kosmologie zu beantworten versprachen. Es hörte sich an, als würde er versuchen, Richard für seine Arbeit zu gewinnen. Oberflächlich betrachtet klang es gut. Richards Name würde auf vielen Papers stehen. Aber Jeanette vermutete, sie würden ihn in Wahrheit nichts Spannendes bei dem Projekt machen lassen....



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