Grän | Amerikaner schießen nicht auf Golfer | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 238 Seiten

Grän Amerikaner schießen nicht auf Golfer


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86913-456-7
Verlag: ars vivendi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 238 Seiten

ISBN: 978-3-86913-456-7
Verlag: ars vivendi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wenn Gott und der Teufel in Kabul um eine Seele spielen, so ist dies zweifellos ein aufregendes Duell zwischen Himmel und Hölle - und der furiose Auftakt zu einer literarischen Golfrunde um den ganzen Globus. Ob in Schottland oder Marokko, Grönland, Thailand oder Kuba, die Spielerinnen und Spieler aller Couleur treten nicht nur gegeneinander an, sie kämpfen auch mit ihren ganz persönlichen Handicaps. Denn Manager, Gesellschaftsdamen, Guerilla-Golfer, Zocker, Professionals, Liebespaare oder Auftragskiller verbindet jene Leidenschaft für ein Spiel, das vor allem darin besteht, sich immer wieder selbst zu besiegen. Der Glaube, eines Tages die perfekte Runde zu schaffen. Der Zweifel. Der Zorn. Die Demut. Die Sucht. Golf ist eben mehr als nur Sport ... 18 Storys auf den Fairways des Lebens: schräg und spannend, komisch und tragisch, zärtlich und mörderisch. Wer Golf liebt, wird dieses Buch lieben.

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  Hole 2   Mit einem Hauch Entsetzen   St. Andrews Old Course, Schottland   Ein arabischer Waffenhändler, der in St. Andrews Golf spielt, muss verrückt sein. Karim ist sich dessen bewusst, aber es war ja auch nicht seine Idee, hier anzutreten. Schwiegersohn Dschamal schlug die gemeinsame Runde vor, nachdem sie sich in London getroffen hatten. Etwas Besonderes sei es, auf dem legendärsten Golfplatz der Welt zu spielen, hatte Dschamal gesagt. Tatsächlich ist das Wetter besonders kühl und windig, und Karim ist überrascht, dass es nicht regnet. Er hasst schlechtes Wetter, weshalb er nur so viel Zeit wie unbedingt nötig in London verbringt. Die Stadt ist gut für Geschäfte, doch das Klima drückt ihm aufs Gemüt. Für die schottische Golfrunde hat er sich angezogen wie für eine Nordpolexpedition. Von der Daunenjacke fühlt er sich eingeengt, auch wenn sie ihn gegen den scharfen Wind schützt, der vom Meer kommt.   Karim, der Pünktlichkeit schätzt, wartet auf den Mann, den seine Tochter vor zwei Jahren geheiratet hat. Fadia – die Ritterin – blieb sein einziges Kind, nachdem ihre Mutter früh gestorben war. Sein Augapfel. Fadia wuchs zu einer starken und klugen Frau heran und studierte Physik in Oxford. Eine auffallende Schönheit war sie nie, aber auch kein Mauer­blümchen. Selbstbewusst, fröhlich und liebens­wert, so würde Karim seine Tochter beschreiben. Doch leider traf sie auf Dschamal, den Blender. Er hätte diese Hochzeit verbieten müssen, denkt Karim heute. Andererseits ist Fadia keine Frau, die sich von einem Mann etwas verbieten lässt. Bei allem Respekt für ihren Vater setzte sie fast immer ihren Willen durch. Es gab eine rauschende Hochzeit in London, dem Wohnort des Bräutigams. Karim besitzt eine Wohnung in London, ein Pent­house in Buenos Aires und eine Strandvilla in Barbados. Er fühlt sich als Weltbürger: Als palästinensischer Flüchtling geboren, arbeitete er als Jugendlicher für die Amerikaner in Beirut, wurde von ihnen nach Afghanistan geschickt und entdeckte dort sein Talent als Handelsreisender. Karim machte sich selbstständig und entschied sich nach reiflicher Überlegung gegen Rauschgift – und für das Waffengeschäft. Ein ebenso einträgliches Gewerbe, und er kannte die richtigen Leute. Russische Militärs zum Beispiel, die das Chaos der politischen Auflösung zur persönlichen Bereicherung nutzten.   Waffen werden immer und überall gebraucht. Karim verkauft an alle, die es sich leisten können. Er ist weder ideologisch noch religiös festgelegt, auch wenn er mit Israel nun gerade nicht dealen würde. Sein Ruf in der Branche ist bestens. Er arbeitet zuverlässig, diskret und liefert immer pünktlich. Weshalb er Dschamal schon allein wegen seiner Verspätung erschießen könnte. Der Junge ist nichts wert, das ist die traurige Wahrheit. Hübsch, charmant und charakterlos. Ein Playboy aus reichem Hause, der seine Zeit mit Polo, Golf und ein wenig Kunsthandel verplempert. Karim ist es nach wie vor ein Rätsel, was seine überaus kluge Tochter an diesem Idioten heiratenswert fand. Er kann ihn nicht leiden, auch wenn er immer gute Miene zum bösen Spiel machte. Jetzt allerdings hat sich die Lage geändert.   Seine Tochter braucht seine Hilfe. So zumindest hat er ihr Telefonat verstanden. Denn seit Fadia schwanger ist, verlangt ihr Mann von ihr, dass sie traditio­nelle Kleidung trägt. Einen Kaftan, der den Körper gänzlich bedeckt, und als Nächstes sei wohl der Niquab dran, der Gesichtsschleier, hatte Fadia voller Empörung gesagt. Als sie sich weigerte, soll Dschamal ihr beim letzten Streit sogar Prügel angedroht haben. Fadia hatte am Telefon geweint, was ihrem Vater das Herz brach. »Du musst mit ihm reden, sonst wird es ein schlimmes Ende nehmen. So hast du mich nicht erzogen, Papa!«   Nein, hat er nicht. Karim wollte, dass seine Tochter eine berühmte Physikerin wird und den Nobelpreis gewinnt. Arabische Playboys waren in seinen Plänen für Fadia nicht vorgesehen gewesen. Doch als sie miteinander telefonierten, verkniff er sich Bemerkungen wie »Ich hab dir doch gleich gesagt, dass ihr nicht zusammenpasst.« Er hatte seine Tochter getröstet und ihr versprochen, mit Dschamal zu reden. Weshalb er jetzt auf diesem schottischen Golfplatz steht und friert und wartet. Angeblich spielen die schon seit 1552 in diesem rauen Klima, was für einen gewissen Masochismus spricht.   Karim ist normalerweise gern auf dem Golfplatz. Es ist ein guter Ort, um Geschäfte zu machen, abhörsicher zu verhandeln und den Körper zu bewegen. Auf sein Handicap 29 gibt er nichts, er hat weder Zeit noch Lust, an Turnieren teilzunehmen, um sich weiter herunter zu spielen. Seine Deals sind kräfteraubend, da muss er sich nicht auch noch auf dem Platz stressen. Und dieser Ort vereint sowohl klimatisch wie auch topografisch so ziemlich alles, was Karim gegen den Strich geht. Inzwischen ist er davon überzeugt, dass sein Schwiegersohn St. Andrews ganz bewusst gewählt hat, um ihn zu quälen.   Dass der jetzt auch noch mit zwei Caddies ankommt, findet Karim überflüssig, vermutlich will er, Böses ahnend, Puffer einbauen. Dschamal, der noch nie im Leben richtig gearbeitet hat, nimmt seine Hobbys ernst. Beim Golfen spielt er ein sehr niedriges Handicap, das Karim jedes Mal sofort wieder vergisst, nachdem er es gehört hat. Als ob es irgendeine Bedeutung hätte, mit wie vielen Schlägen man auf 18 Löchern unterwegs ist. Die Caddies sind klein, alterslos und knorrig und tragen Tweedmützen zu gummierten Regenanzügen. Sie lächeln nicht, und Karim meint, eine Welle von Misstrauen und Abneigung zu spüren. Für Ausländer sehen alle Araber gleich aus – wie Terroristen.   »Salam, Vater«, sagt sein Schwiegersohn, der sich für seine Verspätung von zehn Minuten nicht entschuldigt. »Das sind Steve und Pete, unsere Caddies. Ohne sie wären wir hier hoffnungslos verloren.« Steve und Pete nicken. »Salam, Dschamal. Da du schon zu spät kommst, sollten wir anfangen.« Sein Caddie reicht ihm den Driver, einen Ball und ein Tee und sagt etwas, das Karim nicht versteht. Es klingt entfernt nach Englisch, aber Steve oder Pete, die in seinen Augen Zwillinge sein könnten, reden so, als hätten sie den Mund voller Murmeln. Dschamal scheint des Schottischen eher mächtig, er tut zumindest so, als würde er verstehen. Er schlägt als Erster ab auf einer Bahn, die Karim ganz normal vorkommt. Gras, ein schmaler Fluss, über den eine steinerne Brücke führt, und in einiger Entfernung das Grün. Hinter ihnen liegt das Clubhaus, ein abscheulicher alter Kasten. Die Luft schmeckt nach Salz und Heringen.   Dschamal locht mit dem vierten Schlag ein, während Karim sechs braucht. Die Caddies sehen nachdenklich aus, sagen wenig und dies weitgehend unverständlich. Der Wind treibt Karim Tränen in die Augen. Dschamal tut so, als ob das Wetter ihm nichts ausmacht. Schottischer als die Schotten! Sein Schwiegersohn erschien ihm immer schon angepasster als jedes Chamäleon. Und jetzt will er, dass seine Frau mit vollständig bedecktem Körper herumläuft? Der Hundesohn war doch nie streng religiös gewesen, das hatte ihm noch am besten an ihm gefallen.   Fadia hat sich immer geziemend gekleidet, sie mag Jeans und T-Shirts und Röcke, die an den Knien aufhören. Sie ist ein Kind ihrer Zeit und ihres Umfelds, eine moderne junge Frau, die nach säkularen Werten lebt. Palästina kennt sie nur aus den Nachrichten. Einen Teufel wird seine Tochter tun, sich zu verhüllen, nur weil Dschamal es so will.   Sein Caddie raucht trotz des starken Windes und stapft mit der Zigarette im Mund über das harte Gras. Er trägt fingerlose grüne Wollhandschuhe. Am zweiten Abschlag reicht er Karim das Dreier-Holz, nachdem Dschamal einen guten Drive hingelegt hat, um danach eitel zu lächeln. Ich könnte den Kerl umbringen, denkt Karim, aber nicht, weil er so gut Golf spielt. Das ist mir egal. Er nimmt das Holz mit einem Achselzucken. Der Caddie wird schon wissen, was er tut, und um mit ihm zu diskutieren, müssten sie einander verstehen. Karim schlägt zu flach, aber gerade noch weit genug, um die Büsche zu überwinden, die zwischen ihm und dem Fairway liegen. Das Loch kann er nicht sehen, es muss irgendwo hinter Ginstersträuchern und Erd­buckeln liegen. Das Gelände wellt sich in alle Richtungen, viele harmlos aussehende Bunker zur ­Linken, ein furchterregendes Sandloch zur Rechten. »Cheapes Bunker«, nuschelt sein Caddie, der seinen Ball gefunden hat und anklagend davorsteht, so kommt es Karim jedenfalls vor. »Die richtig bösen Bunker haben alle Namen«, erklärt Dschamal. »Du spielst hier nicht zum ersten Mal, oder?« Sein Schwiegersohn nickt. »Aber es ist jedes Mal eine Herausforderung. Hier fängt das richtige Golfen an, das ist nichts für Amateure.« Wie mich, denkt Karim. Für ihn haben Golfplätze aus flachen Rasenteppichen zu bestehen, gesäumt von pudrigsandigen Bunkern und gelegentlichen Wasserhindernissen. Blauer Himmel, Sonne und Windstille. Das sind die Fairways, auf denen er golfspielend Geschäfte macht und dabei auch noch ein gewisses Vergnügen empfindet. Dass Dschamal ihn hierher gelockt hat, verstärkt seine Abneigung nur noch. Vermutlich ahnt er, dass Fadia sich bei ihrem Vater beschwert hat. Wahrscheinlich ahnt er nicht, dass Karim ihn umbringen wird, sollte er es wagen, seine Tochter zu schlagen.   Er nimmt das Sechser-Eisen aus der Hand seines...


Christine Grän, Handicap 24, wurde in Graz geboren und lebte in Berlin, Bonn, Botswana und Hongkong. Die gelernte Journalistin wurde durch ihre Anna-Marx- Krimis bekannt. Sie veröffentlichte unter anderem die Romane Die Hochstaplerin, Hurenkind und Heldensterben. Grän wohnt in München und reist gerne in Länder mit Golfplätzen.



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