E-Book, Deutsch, Band 435, 64 Seiten
Reihe: Der Notarzt
Graf Der Notarzt 435
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7517-4033-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Visite zu später Stunde
E-Book, Deutsch, Band 435, 64 Seiten
Reihe: Der Notarzt
ISBN: 978-3-7517-4033-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eigentlich sollte man Dienstliches nicht mit Privatem vermischen, das weiß der attraktive Assistenzarzt Dr. Paul Reinhardt ganz genau. Deshalb will er auch niemals eine Liaison mit einer Patientin oder Kollegin beginnen.
Sein Vorsatz gerät allerdings ins Wanken, als er auf die bildhübsche Carlie Frühwald trifft, die gleich beides ist: eine Kollegin und Patientin. Schon bei ihrer ersten Begegnung ist Paul hingerissen von der bezaubernden jungen Frau. Sie gibt ihm jedoch unmissverständlich und recht brüsk zu verstehen, dass sie an einer näheren Bekanntschaft mit ihm nicht interessiert ist. Was sie dem Arzt verschweigt, ist, dass sie ihn ebenfalls unglaublich anziehend findet und dass es ganz andere Gründe für ihr abweisendes Verhalten gibt. Gründe, über die sie nicht sprechen kann.
Aber dann findet zu später Stunde in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik eine Visite statt, die zwischen den beiden alles ändert ...
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Visite zu später Stunde Roman um einen jungen Arzt und seine ganz besondere Patientin Karin Graf Eigentlich sollte man Dienstliches nicht mit Privatem vermischen, das weiß der attraktive Assistenzarzt Dr. Paul Reinhardt ganz genau. Deshalb will er auch niemals eine Liaison mit einer Patientin oder Kollegin beginnen. Sein Vorsatz gerät allerdings ins Wanken, als er auf die bildhübsche Carlie Frühwald trifft, die gleich beides ist: eine Kollegin und Patientin. Schon bei ihrer ersten Begegnung ist Paul hingerissen von der bezaubernden jungen Frau. Sie gibt ihm jedoch unmissverständlich und recht brüsk zu verstehen, dass sie an einer näheren Bekanntschaft mit ihm nicht interessiert ist. Was sie dem Arzt verschweigt, ist, dass sie ihn ebenfalls unglaublich anziehend findet und dass es ganz andere Gründe für ihr abweisendes Verhalten gibt. Gründe, über die sie nicht sprechen kann. Aber dann findet zu später Stunde in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik eine Visite statt, die zwischen den beiden alles ändert ... »Sie wollen was? Urlaub wollen Sie? Jetzt sofort?« Auf der Direktionsetage, im obersten Stock der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, fiel Emil Rohrmoser aus allen Wolken. Oder er tat zumindest so. »In der arbeitsreichsten Zeit des ganzen Jahres? Die Abschlüsse! Die Bilanzen! Die Inventur! Die Jahresabrechnungen mit den Krankenkassen! Die Steuererklärung! Sind Sie völlig von Sinnen, Busswald?« »Keineswegs, Herr Direktor.« Irene Busswald, die langjährige Sekretärin des Verwaltungsdirektors, zuckte mit den Schultern. »Es tut mir sehr leid, aber es muss sein.« »Muss sein, muss sein!«, äffte Direktor Rohrmoser sie nach. »Sterben muss man irgendwann einmal, sonst aber schon gar nichts! Haben Sie denn überhaupt noch einen Urlaub übrig?« Irene nickte. »Eine Woche. Und für die zweite Woche beantrage ich Pflegeurlaub. Der steht mir zu, wie Sie wohl wissen, und ich habe in fast dreißig Jahren noch nie welchen beansprucht.« »Wen oder was wollen Sie denn pflegen, Busswald? Ihr Meerschweinchen? Hat es die Meerschweinegrippe? Oder was?« »Mein Mann ist schwer erkrankt und braucht mich.« Herr Rohrmoser, der damit beschäftigt war, die letzten Reste seines zweiten Frühstücks mit der Gabel vom Teller zu picken, hob irritiert den Kopf. »Ihr was?« »Mann.« »Sie haben einen Mann? Seit wann?« »Seit fast dreißig Jahren.« Das hatte Emil Rohrmoser nicht gewusst. Seit fast dreißig Jahren arbeitete Irene Busswald nun schon für ihn, und erst jetzt erfuhr er, dass sie verheiratet war. Nun gut, er hatte sie auch nie danach gefragt. Wozu auch? Er war wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass Frau Busswald über keinerlei nennenswertes Privatleben verfügte. Dass die Arbeit für ihn ihr einziger Lebenszweck sei und sie sich abends nach Dienstschluss wie einen Besen in den Schrank stellte und die Sekunden zählte, bis sie ihm endlich wieder zu Diensten sein durfte. »Wie heißt der denn?« »Busswald. Albert Busswald.« »Und den haben Sie sich nicht bloß ausgedacht, um einen Extraurlaub herausschlagen zu können?« »Herr Direktor!« Die Sekretärin schüttelte missbilligend den Kopf. »Na, na, man wird doch wohl noch fragen dürfen. Was macht er denn so? Kann er auch tippen und all so was?« »Er ist Dirigent.« »Was?« »Dirigent.« »Ja, ja, das habe ich schon verstanden. Aber was dirigiert er denn? Kein normaler Mensch ist Dirigent. Ich dachte, die gibt es nur in der Oper oder im Konzerthaus. Im normalen Leben ist mir noch nie so einer über den Weg gelaufen.« »Nun, mir schon«, erwiderte die Sekretärin schmunzelnd. »Er dirigiert das Opernorchester.« »Aha! So bringt er also seine Tage zu?« Emil fuchtelte probeweise mit erhobenen Zeigefingern wild in der Luft herum. »Hat er sich dabei die Arme verknotet und bekommt sie nicht mehr entwirrt? Und jetzt müssen Sie ihn wie ein Baby füttern und anziehen, oder was? Vielleicht versuchen Sie es einmal mit Schmieröl. Damit bekommt man fast alles gelockert.« »Er hat sich eine böse Lungenentzündung eingefangen. Er fiebert sehr hoch und kann sich nicht alleine versorgen.« »Eine böse ...? Ich wusste gar nicht, dass es auch freundliche Lungenentzündungen gibt«, unkte Emil kopfschüttelnd. »Dann tun Sie ihn doch ins Krankenhaus. Dazu sind Krankenhäuser da, um Kranke zu versorgen. Deswegen heißen sie ja auch Krankenhäuser.« Er wischte mit dem letzten Stück seines Brötchens den Teller sauber. »Ich könnte Ihnen da ein sehr gutes Krankenhaus empfehlen«, nuschelte er mit vollem Mund. »Zufällig leite ich eines. Und zufällig arbeiten Sie in einem, falls Ihnen das noch nicht aufgefallen sein sollte.« »Mein Mann war noch nie in einem Krankenhaus. Er ist ein Anhänger der Naturheilkunde. Er hat noch nie irgendwelche Medikamente zu sich genommen. Er war auch noch nie bei einem Arzt.« »Aha? Ist er ein bisschen ...?« Emil drehte mit seinem wurstähnlichen Zeigefinger ein paar schnelle Kringel über seiner Stirn. »Keineswegs!« Frau Busswald klang empört. »Mein Mann ist Künstler. Die sind eben ein bisschen anders.« »Ah ja, richtig.« Emil grinste. »Menzingers Abteilung ist voll von Künstlern«, feixte er. »Die sind auch alle anders.« »Wie Sie meinen, Herr Direktor«, erwiderte Irene stark unterkühlt. Prof. Menzinger war der Leiter der Psychiatrie, in der es auch eine geschlossene Abteilung für schwere Fälle gab. Hatte sie eben noch ein bisschen Mitleid mit ihrem Chef gehabt, wegen der misslichen Lage, in die ihn ihr überstürzter Urlaubsantritt brachte, so war nach diesem unerhörten Vergleich nichts mehr davon übrig. »Und woher wissen Sie denn überhaupt, dass er eine Lungenentzündung hat, wenn er nicht beim Arzt war?«, stellte Emil sie zur Rede. »Haben Sie das selbst festgestellt? Mit Hilfe Ihrer Kristallkugel? Vielleicht tut er ja nur so. Vielleicht will er bloß einen Krankenstand herausschlagen, weil er keine Lust mehr dazu hat, den Musikanten mit dem Stöckchen zu drohen, damit sie spielen.« »Herr Kersten war so nett, gestern Abend bei uns vorbeizuschauen. Und da Albert ...« »Wer?« »Mein Mann. Er hatte gestern Abend über einundvierzig Grad Fieber. Deshalb konnte Herr Kersten ihn untersuchen, weil Albert kaum noch etwas mitbekommen hat. Daher weiß ich, dass es sich um eine Lungenentzündung handelt. Herr Kersten hat diese Diagnose gestellt. Er war sich dessen ganz sicher.« »Kersten? Der Kersten? Unser Kersten?« Emil zog die Augenbrauen hoch. »Der Kersten aus unserer Notaufnahme?« »Ebendieser.« »Doch hoffentlich nicht während seiner Dienstzeit?« »Nein, er hat dankenswerterweise eine Stunde seiner spärlichen Freizeit für mich geopfert.« »Dann hat er wohl zu viel davon. Ich werde ihm ein paar Urlaubstage streichen, wenn er ohnehin nichts Vernünftiges damit anzufangen weiß.« Direktor Rohrmoser war kein Unmensch. Er tat nur gerne so. Er war der Meinung, dass es in jeder funktionierenden Gemeinschaft einen Guten und einen Bösen geben musst. So, wie es bei Polizeiverhören immer einen guten und einen bösen Bullen und in jeder Familie einen gütigen und einen strengen Elternteil gab. Da Prof. Lutz Weidner, der Chefarzt der Sauerbruch-Klinik, die Rolle des süßholzraspelnden, stets verständnisvollen väterlichen Freundes aller Angestellten für sich gepachtet hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als das genaue Gegenteil zu mimen. Offen gestanden genoss er es auch, seine Mitarbeiter herunterzuputzen, sie zu maßregeln und sie zu verunsichern. Irene Busswald gehörte jedoch zu den Wenigen, die ihn von Anfang an durchschaut hatten. Die Sekretärin hatte sich von seinem Gebrüll noch nie einschüchtern lassen. An ihr perlten alle ungerechten Vorwürfe und sarkastischen Bemerkungen ab wie Tautropfen von einem Grashalm. Sie kannte ihre Rechte und beharrte stur darauf, egal, wie sehr er auch tobte. Einerseits ging ihm das maßlos auf die Nerven, weil sie ihm mit ihrer abgebrühten Art ständig den Spaß verdarb, andererseits schätzte er sie jedoch genau dafür. Wie auch immer, wie schon so oft zuvor, musste er jetzt einsehen, dass er bei ihr auf diese Weise nichts erreichen würde. Doch ehe er dazu bereit war, klein beizugeben, verlegte er sich erst noch aufs Jammern. »Und was soll ich jetzt machen? Soll ich mir meine Briefe zwei Wochen lang selbst tippen? Mir meinen Kaffee selbst kochen? Die täglichen tausend Anrufe selbst entgegennehmen? Und mich vielleicht auch noch selbst zusammenstauchen, wenn etwas nicht passt? So, zum Beispiel?« Er drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage. »Rohrmoser! Bewegen Sie Ihren dicken Hintern in mein Büro, aber pronto! Fünf...