Graham Am Anfang war der Tod
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-95576-174-5
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
ISBN: 978-3-95576-174-5
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die attraktive Polizeischülerin Ashley Montague und Detective Jake Dilessio wissen, dass sie den Serienkiller, der für eine Reihe brutaler Morde an Frauen verantwortlich ist, so schnell wie möglich dingfest machen müssen. Denn der Täter führt sie mit falschen Fährten an der Nase herum und ist ihnen immer einen tödlichen Schritt voraus.
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PROLOG
Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie in das Zimmer, das vom Mondlicht nur schwach erleuchtet wurde. Unvermittelt war ihr bewusst geworden, wo sie sich befand – und dass ein Mann neben ihr lag. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren, während sie versuchte, sich an die Ereignisse der vergangenen Stunden zu erinnern. Vergeblich. Ihr Gedächtnis war wie ein weißes Blatt Papier. Dabei hatte sie geglaubt, so vorsichtig zu sein und sich so geschickt zu verhalten. Stattdessen war sie geradewegs in eine Falle gelaufen.
Angespannt lauschte sie. Seine regelmäßigen und tiefen Atemzügen sagten ihr, dass er eingeschlafen war.
Jetzt war sicher nicht der richtige Augenblick, um darüber nachzugrübeln, was sie getan hatte und in welch unangenehme Lage ihre Nachforschungen sie gebracht hatten. Ihr blieb keine Zeit, sich Gedanken über die Folgen ihrer Handlungen zu machen. In diesen Sekunden sollte sie besser nur an eines denken.
An Flucht.
Vorsichtig rollte sie sich auf die Seite. Geräuschlos schlüpfte sie aus dem Bett und zog sich so leise wie möglich an.
„Wo willst du denn hin?“
Sie fuhr herum, eine Silhouette im Mondlicht. Auf einen Ellbogen gestützt, beobachtete er sie aufmerksam.
Mit einem aufgesetzten Lächeln ging sie zurück zum Bett, beugte sich über ihn und küsste ihn auf die Stirn. „Was für eine Nacht“, bemerkte sie leichthin. „Wow! Ich habe auf einmal eine unbändige Lust auf Eis bekommen. Und auf Kaffee. Mir ist ganz schwindlig im Kopf“, setzte sie hinzu. Hoffentlich kamen ihm ihre nächtlichen Gelüste nicht verdächtig vor. Jetzt, wo sie es gerade bis hierhin geschafft hatte: ins innerste Heiligtum.
„In der Tiefkühltruhe ist ganz bestimmt Eis. Und Kaffee haben wir auch immer vorrätig.“
„Ich möchte nicht irgendein Eis. Ich will etwas von der neuen Sorte, die es bei Denny gibt“, entgegnete sie. „Gott sei Dank hat er rund um die Uhr geöffnet. Außerdem … nun ja, weißt du, es ist schon ein etwas merkwürdiges Gefühl für mich, hier zu sein. Bei dir.“
Sie richtete sich auf, schlüpfte in ihre Schuhe und griff nach ihrer Schultertasche, die sich seltsam leicht anfühlte.
„Es tut mir Leid“, sagte er sehr ruhig. „Aber du gehst nirgendwo hin.“
Im Dunkeln stand er auf. Sie wusste, auch ohne ihn deutlich sehen zu können, dass er einen außergewöhnlich muskulösen Körper hatte. Es wäre ein Fehler, seine Kräfte zu unterschätzen. Sich in Form zu halten, gehörte zu den bevorzugten Leidenschaften in seinem Leben. Ein paar andere kamen noch dazu.
„Ich möchte doch nur ein Eis“, beharrte sie.
Langsam ging er zu ihr hinüber. Sein Gesichtsausdruck war nicht grimmig, sondern eher mitleidig. „Du lügst. Ich glaube, du hast bekommen, was du wolltest, wonach du gesucht hast. Tut mir Leid, aber du gehst jetzt nicht weg.“
Sie griff in ihre Ledertasche und tastete nach ihrer Waffe.
„Die Pistole ist nicht mehr drin“, sagte er leise.
Er kam noch einen Schritt näher. Die Waffe war tatsächlich verschwunden. Gleichzeitig mit dieser Erkenntnis kam die Panik, und ihre Gedanken überschlugen sich. Sie musste weglaufen. So schnell wie möglich von hier verschwinden.
„Was hast du mit mir vor?“
„Ich möchte dir wirklich nicht wehtun.“
Dieser Mistkerl. Bestimmt wollte er ihr nicht wehtun. Er wollte sie nur umbringen.
Wieder trat er einen Schritt auf sie zu. Blitzschnell beschloss sie, ihre Tasche als Waffe zu benutzen. Gekonnt ließ sie sie um ihr Handgelenk wirbeln und traf ihn mitten ins Gesicht. Dann machte sie einen Satz auf ihn zu und rammte ihm ihr Knie mit aller Kraft zwischen die Beine. Sie hörte ihn nach Luft schnappen; dann brach er zusammen.
Sie stürmte aus dem Schlafzimmer.
Voller Panik lief sie durchs Haus, auf der Suche nach dem Ausgang. Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen. Jemand versperrte ihr den Weg. Jemand, den sie sehr gut kannte. Vor Verblüffung blieb ihr den Mund offen stehen. Mit dieser Person hatte sie am allerwenigsten gerechnet. Und nun fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich – deshalb war sie enttarnt worden; deshalb wussten sie, wer sie wirklich war.
„Du Miststück“, zischte sie.
„Aber jetzt wenigstens ein reiches Miststück.“
Sie hatte den Geschmack von Galle im Mund, und die Wut raubte ihr fast den Verstand. Jetzt wusste sie, in welch große Gefahr sie sich gebracht hatte. Vor Abscheu und Zorn brachte sie kein Wort hervor.
Es würde nichts an den Tatsachen ändern, die sie herausgefunden hatte.
Ihr Instinkt und ihr gesunder Menschenverstand gewannen die Oberhand. Jetzt konnte sie nur noch eines tun – sich so schnell wie möglich in Sicherheit bringen.
Wie von Furien gehetzt, rannte sie los.
Sie durchquerte die Eingangshalle, erreichte die Haustür, drehte mit zitternden Fingern den Schlüssel herum und war im Freien. Keine Alarmsirene schrillte.
Natürlich nicht. Alarm würde nur … die Polizei aufmerksam machen.
Sie musste sich zusammenreißen, um nicht hysterisch zu werden.
Sekunden später lief sie die Einfahrt hinunter. Vom Haus hörte sie Schritte, die immer näher kamen.
Ihr war klar, dass sie es nicht bis zur Garage schaffen würde, um ihren Wagen zu holen. Bis dahin hätten sie sie schon längst erwischt. Sie musste laufen und konnte nur hoffen, so schnell wie möglich auf die Straße zu gelangen.
Vielleicht begegnete sie einem Frühaufsteher, der bereits mit seinem Wagen unterwegs war.
Sie hastete über die lang gestreckte Einfahrt, erstaunt darüber, dass sie so schnell laufen konnte, wenn es nötig war. Nein, nicht wenn es nötig war. Sondern weil sie verzweifelt war. Während sie versuchte, nicht an Tempo zu verlieren, kramte sie in ihrer Tasche nach dem Handy. Na bitte! Da war es ja.
Sie wählte die Nummer der Polizei. Nichts geschah. Das Handy hatten sie ihr gelassen. Doch den Akku hatten sie herausgenommen.
Unermüdlich sprintete sie weiter, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, mit ihren Kräften Haus zu halten. Adrenalin und Instinkt trieben sie vorwärts – und der Wille, zu überleben.
Plötzlich vernahm sie ein rasselndes Geräusch. Es klang schrecklich in ihren Ohren.
Dann merkte sie, dass es ihr eigener Atem war, der nur noch stoßweise ging. Na wenn schon! Es war ihr gelungen, aus dem Haus zu fliehen, womit die anderen vermutlich nie gerechnet hatten. Ein kleiner Sieg. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, so weit wie möglich zu kommen und Hilfe zu finden, ehe sie sie erneut erwischten.
Sie schluckte hart und ignorierte das Brennen in ihren Lungen und die glühenden Schmerzen in ihren Muskeln. Darauf konnte sie jetzt keine Rücksicht nehmen, denn sie hatte noch einen weiten Weg vor sich. Sie biss die Zähne zusammen und kämpfte mit letzter Kraft gegen die Welle von Hysterie an, die über ihr zusammenzuschlagen drohte.
Endlich hatte sie die Straße erreicht. Wie dunkel die Nacht auf dem Land sein konnte! Sie war in der Großstadt aufgewachsen, und dort war es immer hell gewesen. Hier draußen dagegen …
Sie war noch nicht weit gekommen, als die Schmerzen in den Muskeln sie erneut zu lähmen drohten. Ihre Lungen standen in Flammen.
Unvermittelt tauchten Lichter in der Dunkelheit vor ihr auf und blendeten sie. Ein Wagen! Genau in dem Moment, als sie Hilfe so bitter nötig hatte, kam ein Wagen die Straße entlang. Stolpernd blieb sie stehen und konnte nicht fassen, dass ein Wunder geschehen war. Sie lief zur Fahrertür. „Gott sei Dank! Rutschen Sie rüber. Machen Sie schnell.“
Sie spürte den Pistolenlauf, der von hinten in ihre Rippen gepresst wurde.
Und sie hörte sein Flüstern. Er war nicht einmal außer Atem.
„Das Spiel ist aus.“
Sie erstarrte und blickte den Fahrer an. Sah das lächelnde Gesicht, das sie sofort erkannte. Das Herz sank ihr in die Magengrube.
Sie betete und flehte um Vergebung für ihre Sünden. Stolz und Überheblichkeit waren ihre schlimmsten.
Oh Gott, ja. Viel zu viel Stolz. Und Dickköpfigkeit. Sie hatte die Wahrheit allein herausfinden wollen – und sie hatte auch die Ehre für sich allein gewollt.
Die Ehre! Was für eine lächerliche Vorstellung – unter diesen Umständen.
Erstaunlich, dass jemand mit einer solchen Überheblichkeit so verängstigt sein konnte.
Nur keine Panik! Gib nicht auf! redete sie sich ein. Tu jetzt bloß das Richtige. Erinnere dich an die Tricks, benutze deinen gesunden Menschenverstand. Verhalte dich psychologisch geschickt. Tu all das, was du gelernt hast …
Um das hier zu überleben.
Und bete. Ihr taten all die Menschen Leid, denen sie Unrecht zugefügt und die sie verletzt hatte.
„Gehen wir“, sagte er eisig.
„Erschieß mich doch hier.“
„Nun, das könnte ich wirklich. Aber erst mal tust du, was ich dir sage. Solange du lebst und atmest, kannst du hoffen, nicht wahr? Selbst wenn es nur eine verschwindend geringe Hoffnung ist, dass du den Spieß vielleicht noch herumdrehen könntest. Also los, steig ein! Setz dich neben den Fahrer, sofort. Und keine schnelle Bewegung. Ich bleibe dicht hinter dir.“
Sie tat, was er von ihr verlangte. Er hatte Recht. Sie würde wirklich bis zur letzten Sekunde kämpfen, bis zu ihrem letzten Atemzug. Er schob sie auf den Beifahrersitz, während er auf der Rückbank Platz nahm. Die ganze Zeit hielt er die Pistole auf sie gerichtet. Fieberhaft überlegte sie. Was hatte er vor? Wie wollte er es anstellen, jeden Hinweis darauf, dass sie hier gewesen war, zu...




