E-Book, Deutsch, Band 1254, 100 Seiten
Reihe: Chefarzt Dr. Norden
Grahl Aufbruch in ein neues Glück
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-98936-446-2
Verlag: Kelter Media
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Chefarzt Dr. Norden 1254 - Arztroman
E-Book, Deutsch, Band 1254, 100 Seiten
Reihe: Chefarzt Dr. Norden
ISBN: 978-3-98936-446-2
Verlag: Kelter Media
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! »Du fehlst mir, Marianne. Du fehlst mir so sehr. Warum musstest du sterben? Warum ausgerechnet du?« In tiefer Verzweiflung blickte Bert Paulsen auf das Foto, das auf dem Beistelltisch neben seinem Krankenbett stand. Es zeigte eine junge Frau mit ebenmäßigen, zarten Gesichtszügen und langen blonden Locken, die ihr bis über die Schultern reichten. Ihre blauen Augen schauten sanft und liebevoll in die Welt, und sie lächelte. Einen winzigen Moment lang glaubte Bert Paulsen, Mariannes Lippen würden sich bewegen, als wollte sie zu ihm sprechen, doch dann wischte er mit dem Handrücken über seine Augen und wandte sich ab. Fing er nun schon an, Dinge zu sehen, die nicht sein konnten? War er im Begriff verrückt zu werden? Oder trübte sich nur sein Blick, weil er unentwegt auf Mariannes Foto starrte? Bert Paulsen schloss seine Augen, um ihnen ein wenig Erholung zu gönnen, doch Erholung für seine Seele fand er nicht. Stattdessen liefen in seiner Erinnerung wieder einmal die letzten glücklichen Minuten vor dem schrecklichen Unfall ab, der Marianne das Leben gekostet hatte, und erfüllten ihn mit schmerzlicher Wehmut: Ein gut gelaunter Bert Paulsen saß vor sich hin summend am Steuer seines weißen Cabrios, Marianne auf dem Beifahrersitz. Sie hatte ihre neue blau verspiegelte Sonnenbrille mit den strassglitzernden Bügeln aufgesetzt und hielt ihr Gesicht in den Fahrtwind. Ihr langes Blondhaar und der himmelblaue Schal flatterten um die Wette. Bert hatte das Gefühl, kaum noch Luft zu bekommen. Marianne und er waren auf halber Strecke unterwegs in Richtung Bodensee gewesen, wo sie ein gemeinsames Wochenende verbringen wollten. Sie hatten sich schon seit Monaten auf die freien Tage gefreut, die nur ihnen beiden gehören und nur von Glück und Liebe erfüllt sein sollten. Stattdessen war kurz darauf der Frontalzusammenstoß erfolgt. Bert schüttelte gequält den Kopf.
Carolin Grahl ist eine erfahrene Serienschriftstellerin, die schon in verschiedenen Romangenres tätig gewesen ist. Serien wie Der Sendlinger und Gut Waldeck tragen die unverwechselbare Handschrift der am Bodensee ansässigen Autorin. Mit der seit kurzem von uns veröffentlichten Originalserie Der junge Norden hat sie ihre schriftstellerische Meisterschaft einmal mehr unter Beweis gestellt. Der spanische Wurzeln tragende Alexander Norden, ein Neffe des berühmten Dr. Daniel Norden, wird in München Medizinstudent, von seinem Onkel aufmerksam beobachtet. Das aufregende Studentenleben des sehr und vielseitig begabten Alexander wird von Carolin Grahl auf einzigartige, spannende Weise geschildert.
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»Du fehlst mir, Marianne. Du fehlst mir so sehr. Warum musstest du sterben? Warum ausgerechnet du?« In tiefer Verzweiflung blickte Bert Paulsen auf das Foto, das auf dem Beistelltisch neben seinem Krankenbett stand. Es zeigte eine junge Frau mit ebenmäßigen, zarten Gesichtszügen und langen blonden Locken, die ihr bis über die Schultern reichten. Ihre blauen Augen schauten sanft und liebevoll in die Welt, und sie lächelte. Einen winzigen Moment lang glaubte Bert Paulsen, Mariannes Lippen würden sich bewegen, als wollte sie zu ihm sprechen, doch dann wischte er mit dem Handrücken über seine Augen und wandte sich ab. Fing er nun schon an, Dinge zu sehen, die nicht sein konnten? War er im Begriff verrückt zu werden? Oder trübte sich nur sein Blick, weil er unentwegt auf Mariannes Foto starrte? Bert Paulsen schloss seine Augen, um ihnen ein wenig Erholung zu gönnen, doch Erholung für seine Seele fand er nicht. Stattdessen liefen in seiner Erinnerung wieder einmal die letzten glücklichen Minuten vor dem schrecklichen Unfall ab, der Marianne das Leben gekostet hatte, und erfüllten ihn mit schmerzlicher Wehmut: Ein gut gelaunter Bert Paulsen saß vor sich hin summend am Steuer seines weißen Cabrios, Marianne auf dem Beifahrersitz. Sie hatte ihre neue blau verspiegelte Sonnenbrille mit den strassglitzernden Bügeln aufgesetzt und hielt ihr Gesicht in den Fahrtwind. Ihr langes Blondhaar und der himmelblaue Schal flatterten um die Wette. Bert hatte das Gefühl, kaum noch Luft zu bekommen. Marianne und er waren auf halber Strecke unterwegs in Richtung Bodensee gewesen, wo sie ein gemeinsames Wochenende verbringen wollten. Sie hatten sich schon seit Monaten auf die freien Tage gefreut, die nur ihnen beiden gehören und nur von Glück und Liebe erfüllt sein sollten. Stattdessen war kurz darauf der Frontalzusammenstoß erfolgt. Bert schüttelte gequält den Kopf. Wenn er geahnt hätte, wie sehr dieser Kurztrip an den Bodensee sein Leben verändern und alle seine Träume zerstören würde … Das Klopfen an der Tür seines Krankenzimmers riss Bert in die Wirklichkeit zurück. Ein kurzer Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass es Zeit für die ärztliche Visite war. Prompt öffnete sich die Tür, und Dr. Norden trat ein. »Guten Morgen Herr Dr. Paulsen«, grüßte er freundlich. »Wie geht es Ihnen?« »Besser«, antwortete Bert. »Zumindest körperlich. Ich bin Ihnen für den Rest meines Lebens zu Dank verpflichtet, Herr Dr. Norden, weil es Ihnen und Ihrem OP-Team gelungen ist, mein Bein zu retten. Ich hatte wirklich Glück im Unglück, dass ich nach dem schrecklichen Unfall ausgerechnet in die Behnisch-Klinik eingeliefert wurde. Eine kompetentere und liebevollere Versorgung als in Ihrer Klinik hätte ich nirgends bekommen können.« »Danke für so viel Lob. Ich werde es an meine Ärztekollegen weitergeben«, freute sich Dr. Norden, während er vorsichtig auf dem Fußende von Bert Paulsens Bett Platz nahm. Er nickte Bert aufmunternd zu, ließ sich von dem jungen Assistenzarzt, der ihn begleitete, Berts Patientenakte geben und öffnete sie. »Ich habe Ihnen Ihre jüngsten Röntgenaufnahmen mitgebracht, Herr Dr. Paulsen«, begann er. »Und ich muss sagen, sie sind sehr erfreulich. Die Schrauben in Ihrem Bein wachsen gut in den Knochen ein, und die Heilung schreitet zügig voran. Gottlob bildet sich auch der Abszess an Ihrer Hüfte allmählich zurück, sodass das künstliche Hüftgelenk, das wir Ihnen einsetzen mussten, nicht wieder entfernt werden muss. Alles in allem ein Untersuchungsergebnis, zu dem ich Ihnen nur gratulieren kann.« Bert betrachtete eingehend die Röntgenaufnahmen, die Dr. Norden ihm zeigte. »Leider kann ich mit Röntgenbildern nicht allzu viel anfangen«, stellte er nach einer Weile schulterzuckend fest. »Meine Welt sind nun einmal eher Ölbilder und Aquarelle.« »Was für einen Dozenten der Kunstgeschichte auch völlig normal ist«, lachte Dr. Norden. Bert Paulsen versuchte, in Dr. Nordens Lachen einstimmen, doch stattdessen verzogen sich seine Lippen nur zu einer bitteren Grimasse. »In absehbarer Zeit werde ich dank Ihrer ärztlichen Kunst mein altes Leben wieder aufnehmen. Ich werde wieder in einem Hörsaal der Münchner Universität vor meinen Studenten stehen, ich werde Forschungsreisen machen und Bücher und Fachartikel veröffentlichen … Und doch ist nichts mehr so, wie es war. Dass meine Frau … dass Marianne bei diesem furchtbaren Unfall den Tod fand, dass für sie jede Hilfe zu spät kam …« Unwillkürlich griff Dr. Norden beruhigend nach Berts Hand. »Das ist in der Tat tragisch«, stimmte er zu. »Aber das Leben geht weiter und wird sich Ihnen früher oder später auch wieder von einer angenehmeren und glücklicheren Seite zeigen. So hart und abgedroschen das für Sie im Moment auch klingen mag. Und dass Ihre Frau noch im Tod ein anderes Leben gerettet hat, ist doch mit Sicherheit ein tröstlicher Gedanke für Sie, Herr Dr. Paulsen.« Bert nickte pflichtschuldigst, obwohl alles in ihm sich gegen die Vorstellung sträubte, dass Mariannes Herz nun in der Brust eines anderen Menschen weiter schlug. »Ich hatte keine Ahnung, dass Marianne einen Organspenderausweis bei sich trug«, sagte er. »Wir haben über solche Dinge nie gesprochen. Was im Grunde ja nicht weiter verwunderlich ist. Ich bin 34 Jahre alt, Marianne ist … war vier Jahre jünger als ich, also 30. Nie wäre ich auch nur im Traum auf die Idee gekommen, an den Tod und an irgendwelche letzten Verfügungen zu denken oder Marianne darauf anzusprechen.« »Das geht wohl den meisten Menschen in Ihrem Alter so«, stimmte Dr. Norden zu. Eine Weile herrschte Schweigen. Als der junge Assistenzarzt sich leise räusperte, schreckte Dr. Norden aus seiner Versunkenheit hoch. Mit einem leisen Seufzer packte er die Röntgenaufnahmen wieder in Bert Paulsens Patientenakte und reichte die Akte dem Assistenzarzt zurück. Als er Anstalten machte, sich zu erheben, ergriff Bert plötzlich wieder das Wort. »Glauben Sie, dass … dass Marianne ihren Tod vorausgeahnt hat?«, brach es aus ihm heraus. »Das … ist schwer zu sagen«, erwiderte Dr. Norden. »Ich bin Arzt und Wissenschaftler und neige deshalb dazu, mich an nüchterne Fakten zu halten. Allerdings hat mich das Leben gelehrt, dass es durchaus Dinge gibt, die vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus nicht zu erfassen und zu erklären sind und dennoch existieren.« Bert Paulsen dachte immer noch über diese Worte nach, als Dr. Norden das Krankenzimmer schon wieder verlassen hatte. Wenn Marianne wirklich geahnt hatte, dass ihr Leben schon bald ein jähes Ende finden würde, warum hatte sie diese Ahnung nicht mit ihm geteilt? Hatte ihr das nötige Vertrauen zu ihm gefehlt? Oder hatte sie ihn einfach nicht mit solch düsteren Dingen belasten wollen? Fragen über Fragen, auf die er nun, da Marianne tot war, wohl nie mehr eine Antwort bekommen würde. Bert beschloss sich abzulenken und an seinem neuesten Beitrag für das Kunstmagazin »Arte« weiter zu schreiben, dessen Abgabetermin unerbittlich näher rückte. Er griff nach seinem Laptop, rief die betreffende Datei auf – und schloss sie nach kurzem Zögern wieder. Stattdessen klickte er die Suchmaschine von Google an und gab den Begriff »Organspende« ein. Die Informationen, die er fand, waren jedoch nicht sonderlich hilfreich, sondern verwirrten ihn eher noch mehr. Er sah sich mit Begriffen wie Hirntoddefinition, Harvard-Kommission und irreversibles Koma konfrontiert, die ihm völlig fremd waren und ihm Unbehagen verursachten. Medizin war nie seine Welt gewesen und würde es auch nie werden. Auch Marianne hatte sich nicht sonderlich für naturwissenschaftliche Fakten interessiert. Sie war Künstlerin gewesen – eine ausgesprochen begabte Malerin. Ihr Talent zum Malen hatte den Kunsthistoriker in ihm begeistert, aber rein menschlich war es Mariannes Freude am Leben gewesen, die ihn immer wieder fasziniert und mitgerissen hatte. Ihr Blick für Schönheit auch in den unscheinbarsten Dingen und ihre Dankbarkeit für alles, was die Schöpfung zu bieten hatte, waren in ihrer Gegenwart auf ihn übergesprungen und hatten auch sein Dasein zum Leuchten gebracht. Ob die Frau, der durch Mariannes Herz das Leben neu geschenkt worden war, einen ähnlichen Charakter besaß? Oder war sie ganz anders? Wie alt mochte sie sein? In Mariannes Alter? Oder älter? Vielleicht 50 Jahre? Oder 60? Oder war es möglich, dass Mariannes Herz nun in einem männlichen Körper schlug? Immer neue Fragen taten sich vor Bert auf. Nach welchen Kriterien wurden die Empfänger von Spenderherzen überhaupt ausgewählt? Gab es eine Warteliste, die einfach abgearbeitet wurde? Oder wurden Menschen bevorzugt, die so schwer erkrankt waren, dass sie ohne Spenderherz nur noch eine kurze Überlebensfrist hätten? Oder ging es auch hier – wie leider so oft – in erster Linie um Geld? Konnte möglicherweise irgendein Milliardär durch eine großzügige Spende seine Wartezeit verkürzen und sein Leben retten, während ein anderer Patient, der nicht die erforderlichen finanziellen Mittel besaß, leer ausging und vielleicht sogar verstarb, ehe für ihn ein passendes Herz zur Verfügung stand? Dass Dr. Norden niemals einem unfairen Deal zustimmen würde, war für Bert von vornherein eine hundertprozentig sichere Tatsache, über die man nicht erst groß nachzudenken brauchte. Aber hatte ein Arzt wie Dr. Norden, selbst wenn er Chefarzt einer so renommierten Klinik wie der Behnisch-Klinik war, überhaupt eine Möglichkeit, auf die Vergabe eines Spenderherzens Einfluss zu nehmen? Bert nahm sich vor, mit Dr. Norden bei nächster Gelegenheit darüber zu...