Gramling | Auf dem Sprung | E-Book | sack.de
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Gramling Auf dem Sprung

Roman
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-89656-534-1
Verlag: Querverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Roman

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ISBN: 978-3-89656-534-1
Verlag: Querverlag
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Warum müssen zwei Männer unbedingt heiraten? Was passiert, wenn eine Lesbe mit einem Schwulen schläft? Kann eine Beziehung zu dritt funktionieren? Wohin mit der Liebe, wenn die Liebe geht? Und überhaupt, kommen Meerschweinchen eigentlich in den Himmel? Das sind nur einige der existenziellen Fragen, mit denen sich die Freundesclique rund um Luke, Meiko und Tina unerwartet konfrontiert sieht. Unerwartet deswegen, weil sie es sich eigentlich doch so gemütlich gemacht haben in ihren Beziehungen, Jobs und Lebenswelten. Sie haben sich eingerichtet und arrangiert, sind zufrieden und auch irgendwie glücklich. Doch plötzlich müssen sie erkennen, dass nichts ewig währen kann. Letztlich sind wir eben alle nur auf der Durchreise. Ein letztes Mal stößt Autor Roland Gramling die Tür zur Ackerpflaumenallee 33 auf. Und diesmal wird (fast) nichts so bleiben, wie es einmal war ...

Roland Gramling, geboren 1982 in einem kleinen Dorf im bayerischen Unterfranken, lebt seit vielen Jahren in Frankfurt und Berlin. Bis jetzt im Querverlag erschienen: Frankfurt 30 Grad (2008), Sehnsucht nach Sonne (2010) und Auf dem Sprung (2012). In seiner "Ackerpflaumenallee-Trilogie" malt Gramling ein temporeiches, buntes und nicht zuletzt liebesvolles Bild urbanen Großstadtlebens und setzt der Stadt Frankfurt am Main ein literarisches Denkmal.

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Prolog
Anfang April, und damit ziemlich genau sechs Jahre, nachdem ich am Frankfurter Hauptbahnhof unsanft von einem ICE ausgespuckt worden war, stattete der Tod der Ackerpflaumenallee 33 einen unplanmäßigen Besuch ab. Er überraschte uns am ersten warmen Frühlingssonntag des Jahres. Temperaturen über zwanzig Grad und ein wolkenloser Himmel hatten uns in den Garten gelockt. Die alte Gründerzeitvilla, mein geliebtes Zuhause, präsentierte sich von ihrer besten Seite. Eben frisch renoviert, erstrahlte die Fassade mit ihren kunstvollen Steinskulpturen, den verspielten Erkern und den drei kleinen, blütenweiß gestrichenen Balkonen in neuem Glanz. Der weitläufige, märchenhaft anmutende Garten entfaltete in jenen Tagen seine volle Pracht. Wilde, zartgrüne Rosenhecken umwucherten die Grundstücksgrenze. Weiße Anemonen verwandelten das Ufer des kleinen Teichs in ein wogendes Blütenmeer. In einem von schweren Steinen umfriedeten Kräutergarten verströmten frisch gepflanzter Rosmarin, Thymian und die ein oder andere Hanfpflanze einen betörenden Duft. Im rückwärtigen Teil baumelte zwischen Kirsch- und Apfelbaum – in freudiger Erwartung des nahenden Sommers – eine Hängematte. Das Einzige, was sich hier seit meinem Einzug verändert hatte, war der Charakter des Kinderspielzeugs, das im ganzen Garten verstreut wurde. Während vor sechs Jahren noch typischer „Jungs-Kram“ dominiert hatte – darunter das obligatorische Dreirad, ein Bobby Car und mindestens fünf verschiedene Fußbälle –, beherrschte jetzt unverkennbar ein Mädchen das Geschehen. Die kleine Helga hatte das von ihren Brüdern hinterlassene Machtvakuum auszufüllen gewusst. Der pubertierende Sören war auf ein Internat geschickt worden und natürlich längst viel zu „cool“ für Spielzeug. Und sein jüngerer Bruder Daniel hatte aufgrund von Ganztagsschule und Fußballleidenschaft kaum noch Zeit, sich im Garten durch den Tag treiben zu lassen. Und so fanden sich jetzt Einhörner, Ponys, Barbiefiguren und Plüschtiere bei schönem Wetter zur Tee-Gesellschaft auf der Terrasse ein. Ein rosafarbenes Fahrrad lehnte am wuchtigen Stamm der alten Eiche, Hula-Hoop-Reifen, bunte Springbänder und Straßenkreide bildeten abwechslungsreiche Farbtupfen im frischen Grün einer mit Knöterich und Moos durchzogenen Wiese, die einmal ein englischer Rasen gewesen sein musste. Wie es sich für eine machtbewusste Regentin geziemte, hielt Helga an jenem Sonntag im April Hof. Unter dem umsorgenden Blick ihrer Mutter Tina, unangefochtene Herrin über die Ackerpflaumenallee 33, hatten wir uns an einem ausladenden Gartentisch eingefunden, der sich unter der Last von Torten und Kuchen zu biegen schien. Gemeinsam ließen wir Helga zu ihrem achten Geburtstag hochleben. Die kleine, verwöhnte Prinzessin wurde gebührend gefeiert. In ihrem rosa Kleidchen und dem goldenen, mit Plastikdiamanten besetzten Krönchen sah sie tatsächlich aus wie einem schlechten, tschechisch-slowakischen Märchenfilm entliehen. Und die illustre Gästeschar war ihr Hofstaat. Neben ihrer Mutter Tina und ihren beiden älteren Brüdern war da zunächst einmal Jörg, der Stiefvater der kleinen Prinzessin (um in der Terminologie zu bleiben). Mit gerade einmal dreißig Jahren war Tinas Lebenspartner nicht nur deutlich jünger als sie, sondern schien dank seiner langen, braunen Haare und dem Dreitagebart eher einer Hippiekommune entsprungen als einem Königsschloss. Während Helga ihn mädchenhaft anhimmelte, waren Sören und Daniel nicht weniger vernarrt in ihn. Allerdings aus gänzlich anderen Motiven heraus. Er war cool und locker und jung – die perfekte Mischung aus großer Bruder, bester Freund und Vaterfigur. Zu Jörgs Rechten hatte sich unser penetrant glückliches Dauerpärchen platziert: Tom Markward und Marco Bergius saßen – natürlich Arm in Arm – auf eine kleine Holzbank gequetscht, ihren Hund Mogli zu Füßen liegend. Die beiden waren in den vergangenen Jahren zu spießigen und vorzeigbaren Konsensschwuppen mutiert. Ein schwules Pärchen, das selbst stramm konservative Großmütterchen gerne in der Nachbarschaft begrüßten – zumindest lieber als eine Türkenfamilie mit Kopftuchmädchen. Sie waren das fleischgewordene Klischee der zwei netten, deutschen Homos zum Liebhaben. Es war daher nur konsequent, dass die beiden vor einigen Monaten Frankfurt endgültig den Rücken gekehrt hatten und in Marcos Elternhaus im Rheingau gezogen waren, das seit dem Tod seiner Mutter ohne Hüter gewesen war. Wahrscheinlich wäre es mit der Toleranz in der dörflichen Nachbarschaft nicht mehr weit her gewesen, wäre bekannt geworden, dass es bei den beiden im Schlafzimmer gerne mal etwas härter zur Sache ging – Ledermasken, Sling und Dildos im Elefantenrüsselformat inklusive. Doch solange niemand durchs Fenster spähte, war alles in Ordnung. Selbst die Berufsbilder der beiden fügten sich perfekt in dieses Idyll. Tom arbeitete bei einer Bank und bediente bereitwillig das Klischee des wohlhabenden, hedonistischen Schwulen. Marco hingegen arbeitete als Altenpfleger in einem ambulanten Pflegedienst in seinem Heimatort und erfreute sich vor allem bei lila-strähnigen, älteren Damen großer Beliebtheit. Außerdem verwirklichte er sich in seinem Garten. Er war also der kreative, sozial eingestellte Schwule. Das perfekte Pärchen! Das absolute Gegenteil zu der glücklichen Zweisamkeit von Marco und Tom bildete Tinas jüngerer Bruder Meiko. Mein bester Freund und verlässlicher Ratgeber in allen Fragen des schwulen Lebens. Meiko war mit seinem schütteren Haar, Piloten-Sonnenbrille, Armani-Gürtel, tailliertem Hemd und hautenger Jeans ein fleischgewordenes Klischee. Wobei er grundsätzlich nicht etwa ein bestimmtes Vorurteil bestätigte, sondern – je nach Anlass – gleich alle auf einmal. Dass er Besitzer einer Bar im Bermuda-Dreieck war, ist in dieser Hinsicht wohl nur konsequent. Sein ausladender Kleiderschrank bot für jeden Fetisch, jede Subkultur der Subkultur ein passendes Outfit. Mit Leder-Fummel, Transen-Look, Skin, Uniform, Anzug und natürlich eine schier unerschöpfliche Bandbreite an Polohemden, T-Shirts und Jeanshosen ausgestattet, setzte sich Meiko als Universal-Schwuler in Szene. Er residierte in einem schicken Apartment am Westhafen, wo er nach durchgefeierten, verdrogten Partynächten gerne die Tage verschlief. Am Anfang hatte ich nicht nur Respekt vor Meiko (den habe ich übrigens noch heute), sondern auch ein bisschen Angst (die habe ich schnell abgelegt). Er war bei unserem ersten Zusammentreffen so ziemlich das Schwulste, was ich bis dato gesehen hatte. Abgesehen vielleicht von dem frühen George Michael, der im Video-Clip zu „Last Christmas“ wie ein tuntiges Suppenhühnchen auf Koks durch den Kunstschnee hüpfte. Aber das zählt wohl nicht so richtig. Zu Meikos Rechten saß Cem (!). Mein fester Freund (!!). Und das jetzt schon seit bald drei Jahren (!!!). Hätte mir bei meiner Ankunft in Frankfurt jemand prophezeit, dass ich eines Tages einen attraktiven, geilen Türken an meiner Seite haben würde, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Tatsächlich wusste ich immer noch nicht genau, warum und wie unsere Beziehung funktionierte. Sie tat es einfach. Und vielleicht war das schon das ganze Geheimnis. Cem und ich lebten einfach, ließen uns von einem Tag auf den anderen treiben. Diese Lockerheit war mir am Anfang mehr als schwergefallen. Doch mit der Zeit hatte ich erkannt, dass mich Cem wirklich begehrte, dass er mich liebte, dass ich mir seiner sicher sein konnte. Zumindest so sicher, wie man sich seines Partners eben sein kann. Cems kantige Gesichtszüge, der stoppelige Dreitagebart, die tief- schwarzen Haare, zu einem akkuraten Seitenscheitel gestylt, und sein nicht zu stark, aber doch ausreichend behaarter, durchtrainierter Körper machten ihn zu meiner persönlichen Pornofantasie, die plötzlich aus dem Fernseher gesprungen kam. Umgedreht schien ich auf ihn eine nicht weniger starke Anziehungskraft auszuüben. Wir liebten beide die Mischung aus trauter Zweisamkeit und exzessiven Partys. Und im Bett ging es auch nach drei Jahren noch immer leidenschaftlich zur Sache. Mindestens ebenso leidenschaftlich stritten wir uns allerdings gelegentlich. Das war vor allem dann weniger schön, wenn Cem seinen Stolz nicht unter Kontrolle hatte und sich für mehrere Tage schmollend in seiner Wohnung verbarrikadierte. Doch auch solche Auseinandersetzungen trugen ihren Teil dazu bei, unser Feuer füreinander nicht erlöschen zu lassen. Die Letzte im Bunde war unsere Quoten-Lesbe und zugleich meine beste Freundin, Nachbarin und Badezimmer-Tandempartnerin Sarah. Sie bewohnte den zweiten Stock in der Ackerpflaumenallee 33, während ich im Dachgeschoss residierte. Der Rest des Hauses beherbergte Tina, Jörg und die drei Kinder. Es war also durchaus eine skurrile Wohngemeinschaft. Doch Tina Sternheim hatte sowieso ihren Ruf als abgedrehtes Schwulenmuttchen weg. Ich kann mich erinnern, dass Daniel einmal weinend aus der Schule nach Hause gekommen war. Andere Kinder hatten ihn damit aufgezogen, dass er eine Schwuchtel sei und Aids habe, schließlich lebe seine Mutter mit lauter Schwulen zusammen und sein Onkel sei ja total das Mädchen. Sarah hatte ihn daraufhin eine Woche lang mit einem Streifenwagen in die Schule gefahren und ihm, gut sichtbar mit der Hand am Schlagstock, vor dem Tor zum Pausenhof hinterhergewinkt. Seitdem hatte es niemand mehr gewagt, Daniel zu hänseln....



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