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Gramling Sehnsucht nach Sonne

Roman
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-89656-507-5
Verlag: Querverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Roman

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ISBN: 978-3-89656-507-5
Verlag: Querverlag
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Freunde sind das Wichtigste im Leben. Die Wahlfamilie rund um das Haus in der Ackerpflaumenallee 33 bildet da keine Ausnahme; schon wegen der Außentemperatur rücken sie alle näher zusammen und sehnen sich nach dem Sommer. Tina Sternheim - Besitzerin des Hauses in der Ackerpflaumenallee -, hadert mit sich, ob die Liebe zu einem deutlich jüngeren Mann sie nicht doch älter macht, während die abgebrühte Großstadtschwulen-Fassade ihres Bruders Meiko langsam Risse zeigt. Währenddessen versucht der Student Luke seine Beziehung zu dem Deutsch-Türken Cem zu definieren. Währenddessen kämpft Basimah heldenhaft gegen den 'lesbian bed death' mit ihrer Freundin Sarah an, die als frischgebackene Kommissarin gleich mehrere gläserne Decken zu durchbrechen hat. Marco, mit Banker Tom liiert, sieht sich mit dem Familienchaos und dem ungewollten Erbe einer traditionsreichen Winzerfamilie aus dem Rheingau konfrontiert. Reibereien, Missverständnisse, Verletzungen und Kabbeleien gehören aber zur Freundschaft genauso wie Füreinanderdasein, Geborgenheit und Abenteuer. Was gibt's Schöneres? Roland Gramling setzt auch in seinem zweiten Roman der Stadt Frankfurt ein Denkmal und malt ein temporeiches, buntes und nicht zuletzt liebevolles Bild urbaner Überlebenskünstler.

Roland Gramling, geboren 1982 in einem kleinen Dorf im bayerischen Unterfranken, lebt seit vielen Jahren in Frankfurt und Berlin. Bis jetzt im Querverlag erschienen: Frankfurt 30 Grad (2008), Sehnsucht nach Sonne (2010) und Auf dem Sprung (2012). In seiner "Ackerpflaumenallee-Trilogie" malt Gramling ein temporeiches, buntes und nicht zuletzt liebesvolles Bild urbanen Großstadtlebens und setzt der Stadt Frankfurt am Main ein literarisches Denkmal.

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Prolog
Für einen kurzen Augenblick, kaum mehr als den Bruchteil einer Sekunde, hatte sich eine nervöse, erwartungsvolle Stille über die Stadt gesenkt. Dann erklangen plötzlich ohrenbetäubende Detonationen, gefolgt von farbenfrohen Explosionen. Grün. Blau. Rot. Gelb. Wieder ein lauter Knall. Die Erde schien zu erzittern. Oder war es nur das Trommelfell? Ein Heulen, die Menge seufzte bewundernd. Zügig zog dichter Smog auf, umhüllte als giftiger Schleier die Hochhäuser, dunkle Riesen, die sich geduldig wartend vor dem Nachthimmel abzeichneten. Die Menschen auf den Straßen jubelten, lachten, umarmten sich. Frankfurt begrüßte das neue Jahr. All jene, die mit sich und ihrem Leben im Reinen waren, hofften, das Schicksal möge es auch weiterhin gut mit ihnen meinen. Und all jene, die sich im alten Jahr ohne Erfolg abgekämpft hatten, gescheitert waren, fieberten besseren Zeiten entgegen. Alles neu. Alles anders. Das ist ohnehin eine Modeerscheinung unserer Zeit, Ereignisse, die alles veränderten. Allein im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends hatten wir dreieinhalb dieser Art gehabt: den elften September, den Klimawandel, die Finanzkrise und ein bisschen Schweinegrippe. Geblieben war die beruhigende Erkenntnis, dass es trotzdem irgendwie weitergehen würde. Der Weltuntergang wurde immer wieder aufs Neue vertagt. Womöglich tanzen wir an jedem Jahreswechsel auch wegen dieses Wissens euphorisch auf den Straßen. Berauscht von einer obskuren Mischung aus Vorfreude, Nostalgie und Abschied – und vom Alkohol. „Luke, mein Kleiner, beküss mit mir das neue Jahr!“, rief Meiko. Seine überschwängliche Umarmung hätte mich beinahe umgerissen. Auffordernd suchten seine Lippen die meinen. „Aber wir können doch nicht knutschen!“, wehrte ich halbherzig ab. „Heute ist Silvester. Heute können wir alles!“ Und so küssten wir uns. Einfach so. Dieser Kuss hatte nichts zu bedeuten, doch er fühlte sich trotzdem gut an. Schließlich war ja Silvester. Auf Einladung von Tina, meiner Vermieterin, hatten wir alle gemeinsam in der Ackerpflaumenallee 33 den Abend verbracht und waren um Mitternacht ans Mainufer gezogen, um in der Menschenmenge das neue Jahr zu begrüßen. In einem kurzen Anflug nostalgischer Silvesterstimmung blickte ich verträumt in die Runde. Meine Freunde. Meine Ankerpunkte. Was würde ich ohne sie machen? Da war zunächst einmal natürlich Meiko, bester Freund, Mentor und Arbeitgeber in einem. Obwohl uns mehr als ein Jahrzehnt Lebenserfahrung trennte, waren wir in den vergangenen Jahren so etwas wie Blutsbrüder geworden. Ich, der kleine Junge vom Land, der mit Anfang zwanzig noch immer damit beschäftigt war, sich im Großstadtdschungel zurechtzufinden. Er, der exzentrische Universal-Schwule, der im Lederclub genauso zu Hause war wie auf einer Vernissage. Meiko versuchte mir – seitdem wir uns kennen und oftmals mit penetranter Selbstsicherheit – das Leben zu erklären. Vorgelebter Frontalunterricht wäre wohl der geeignete Vergleich, um zu beschreiben, wie er mir seine Lektionen näherbringen wollte. Mit unterschiedlichem Erfolg. Subtiler, aber nicht weniger unnachgiebig ging da schon seine ältere Schwester Tina vor. Sie war nicht nur meine Vermieterin, sondern zugleich der Mittelpunkt, das Scharnier unserer Clique. Die Hausherrin der Ackerpflaumenallee 33 war Meikos leibliche und unser aller gefühlte ältere Schwester. Eine Rolle, die sie manchmal sogar gegenüber ihrem festen Freund Jörg einnahm. Was vielleicht auch dem großen Altersunterschied zwischen den beiden geschuldet war. Jörg, mit seinen langen Haaren und der heterosexuellen Lässigkeit, war mir mit seinen siebenundzwanzig Jahren zwar altersmäßig am nächsten, doch mental trennten uns Welten. Wir mochten einander, doch es fehlte einfach der gemeinsame Nenner. Dann gab es noch Thomas Markward, Banker aus Leidenschaft und überzeugter Anzugträger (natürlich auch an Silvester!), und Marco Bergius, Altenpfleger und durchtrainierte Drecksau. Das Spießerpärchen in unserer Runde wohnte nicht nur zusammen, sondern hatte auch die Singularform der ersten Person beinahe komplett aus dem Wortschatz verbannt. „Wir“ schien ihr Beziehungscredo. Meiko fand das natürlich widerlich, doch ich glaube, er braucht diesen Kontrapunkt. Und sei es nur, um Witze auf Toms Kosten reißen zu können. Die beiden kannten sich seit dem Studium und waren sich in beständiger und liebevoller Abneigung verbunden. Ich beneide Tom und Marco für ihre offenbar perfekte glückliche Beziehung. Sie mussten nicht mehr als Singles durchs Leben stolpern und im Misthaufen der Männer nach einem Traumprinzen stochern. Sie hatten sich, so schien es, wahrhaftig gefunden. Überhaupt schien die ganze Welt – nicht nur in dieser Neujahrsnacht – aus Pärchen zu bestehen. Tina und Jörg. Tom und Marco. Und natürlich meine beste Freundin Sarah mit Basimah an ihrer Seite. Die beiden Lesben machten unsere Clique komplett. Sie alle waren trotz anfänglicher Komplikationen immer noch zusammen. Mein einzig verbliebener Rettungsanker als Single war Meiko. Aber das zählte nicht, denn eigentlich war Meiko mit sich selbst liiert. Und das äußerst erfolgreich. Nachdem die letzte Rakete verschossen, das letzte Feuerwerk erloschen war, folgten wir schwankend dem Strom der Menschen, der sich über den Römerberg in die Innenstadt ergoss. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Jörg, nachdem wir einige Zeit ziellos durch die Straßen geirrt waren. „Ich will nach Hause!“, seufzte Tina. Ihre Aussprache war verwaschen und sie machte insgesamt einen leicht derangierten Eindruck. Die kurzen schwarzen Haare waren von der klammen Feuchtigkeit kraus geworden, der dezent aufgetragene Lidschatten verwischt. „Auf keinen Fall, Schwesterlein! Heute ist Silvester! Wir gehen noch aus!“, flötete Meiko. „Was haltet ihr davon, wenn ich nur für uns das Blue aufschließe und wir dort noch einen privaten Bar-Abend machen? Wir plündern die Alkoholbestände, tanzen auf der Theke und bestellen ein paar Stricher!“ Ich fand den Vorschlag gut. Nicht die Stricher, sondern die Idee, ins Blue zu gehen. Seitdem Meiko die kleine Bar übernommen hatte, war sie zu meinem zweiten Wohnzimmer geworden. Regelmäßig stand ich als Barkeeper hinter dem Tresen und manchmal, wenn der Examensstress besonders schlimm war und mir die Decke in meiner kleinen Dachgeschosswohnung auf den Kopf zu fallen drohte, schloss ich mich tagsüber im Halbdunkel der Bar ein. Im fahlen, rötlichen Licht der Thekenstrahler kämpfte ich mich durch die deutsche Literaturgeschichte oder quälte mich mit Althochdeutsch herum. „Du hast recht, Bruderherz! Wir gehen ins Blue!“, lallte Tina und ließ knallend unsere letzte Sektflasche zu Boden fallen. Dann übergab sie sich direkt vor dem Eingang des Museums für Moderne Kunst – und auf die Spitzen ihrer Prada-Stiefeletten. Das war für meine Vermieterin dann auch das Ende dieser Nacht. Jörg (der Arme!) musste sie nach Hause bringen. „Nachdem die Heten endlich weg sind, kann der Spaß ja losgehen!“, befand Meiko, hakte sich bei mir unter und dirigierte uns durch die Straßen der Stadt in Richtung Blue, wo wir uns dem Alkohol hingaben. Einige Stunden, und vor allem viele Promille später, trat ich in die kalte Winternacht hinaus. Es schneite. Die Straßen und Gehwege waren mit einer feinen, weißen Puderzuckerschicht überzogen. Es war fünf Uhr morgens und langsam kam die Stadt zur Ruhe. Die Welt um mich herum schien friedlich und ruhig. Meine Gedanken wanderten zurück und ich erlebte das vergangene Jahr noch einmal im Zeitraffer. Augenscheinlich war es erstaunlich unspektakulär verlaufen. Ohne große Dramen und tragische Zwischenfälle – in unser aller Leben. Sogar mein Germanistikstudium verlief in geordneten Bahnen. Mein Traum, eines Tages ein bedeutender Journalist zu werden, war ebenso kindisch wie verlockend. Aber es war ein Ziel, das mich morgens aus den Federn trieb, mich unbezahlte Praktika machen ließ und für das sich all der Stress bei Hausarbeiten und Prüfungen zu lohnen schien. Ich hatte zum ersten Mal Weihnachten nicht mit meinen Eltern und meiner Schwester in Reinherzhausen verbracht. Als Vorwand hatte ich Examensvorbereitungen angegeben. Doch die Wahrheit war, ich hatte keine Lust auf sie gehabt. Mir war klar, dass diese räumliche und auch emotionale Distanz vor allem meine Mutter schmerzte. Seit ich im Alter von neunzehn Jahren Hals über Kopf nach Frankfurt geflohen war, hatte ich mehr als ein Mal versucht, den Graben, der sich seit meinem Coming-out zwischen uns aufgetan hatte, zu überwinden. Erfolglos. Schlimmer noch, wenn ich bei ihnen war, fühlte ich mich missverstanden, nicht akzeptiert und nicht länger Teil dieser Familie. Ich spürte, sie schämten sich für mich, wollten mein wahres Gesicht verstecken, vor den Nachbarn, den Großeltern, der Verwandtschaft. Dieses Wissen machte mich nur noch wütender, trieb mich immer weiter von ihnen weg. Tina fand, ich sollte mit meinen Eltern nicht so hart ins Gericht gehen, wahrscheinlich sagte sie das, weil sie selbst Mutter von drei Kindern war. Doch es hätte mich nicht glücklich gemacht, Weihnachten in Reinherzhausen zu feiern. Ich hätte mich verstellen müssen und das...



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