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Gramling Tote foltern nicht

Kriminalroman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-89656-674-4
Verlag: Querverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch

ISBN: 978-3-89656-674-4
Verlag: Querverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Sören Petersen hatte schon bessere Tage: Nach einer gescheiterten Beziehung und einem unrühmlichen Karriereende bei der Berliner Mordkommission schlägt er sich als Privatdetektiv durch. Zunächst glaubt er bei seinem neuen Fall an einen Routineauftrag: Für die dubiose Anwältin Constanze Stark, die für ihre prominenten Kunden heikle Probleme diskret aus dem Weg räumt, soll er den verschwundenen Sohn einer bekannten Politikerin finden. 'Bambi', so der Spitzname des Vermissten, galt als attraktiv, sympathisch und treuherzig. Doch dann stößt Petersen bei seinen Ermittlungen auf ein Netz aus Intrigen und undurchsichtigen Verstrickungen, die von der schwulen Szene um den Nollendorfplatz bis ins Berliner Regierungsviertel reichen. Als eine übel zugerichtete Leiche im Tiergarten gefunden wird, kommt es zu einer dramatischen Wendung - und Sören gerät selbst ins Visier seiner Ex-Kollegen vom Landeskriminalamt. Doch seine Auftraggeberin hält schützend ihre einflussreichen Hände über ihn. Und so stellt sich Petersen bald die Frage, welche Rolle Constanze Stark in diesem Fall zukommt. Ist er nur eine ihrer Marionetten in diesem tödlichen Spiel?

Roland Gramling, geboren 1982 in einem kleinen Dorf im bayerischen Unterfranken, lebt seit vielen Jahren in Frankfurt und Berlin. Bis jetzt im Querverlag erschienen: Frankfurt 30 Grad (2008), Sehnsucht nach Sonne (2010) und Auf dem Sprung (2012). In seiner "Ackerpflaumenallee-Trilogie" malt Gramling ein temporeiches, buntes und nicht zuletzt liebesvolles Bild urbanen Großstadtlebens und setzt der Stadt Frankfurt am Main ein literarisches Denkmal.

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2
Nach einem weitgehend ereignislosen Donnerstag, den Sören mit etlichen Zigaretten und einem zu frühen Gin Tonic am späten Nachmittag – er trank aus Prinzip vor zwanzig Uhr kein Bier – in seinem Büro überdauerte, machte er sich widerstrebend auf den Weg zum Nollendorfplatz. Er war mit Mara Bella vor ihrem Schichtbeginn im BdW zu einem Sun-Downer verabredet. Obwohl er sich aufgrund der vergangenen Nacht nach der Ruhe und Abgeschiedenheit seiner Wohnung sehnte, brachte er es nicht übers Herz abzusagen. Er hatte sie in den vergangenen Wochen immer wieder versetzt. Meist ohne richtigen Grund, sondern einfach nur, weil er nicht in der Stimmung war, sich ihrer guten Laune und ihrem sonnigen Gemüt auszusetzen. Ich leide unter einer beginnenden Depression, schoss es ihm wie beiläufig durch den Kopf. Doch so schnell diese Selbsterkenntnis aufblitzte, so rasch versank sie wieder in den trüben Untiefen seines Verstands. Er kannte Mara seit achtzehn Jahren. Damals hieß sie offiziell noch Hartmud und stand kurz vor Beginn ihrer Geschlechtsangleichung. Inzwischen kam ihre Beziehung einer Freundschaft ziemlich nahe. Wahrscheinlich hätte sie ihn auf Nachfrage als enge Vertrauensperson oder gar Familienersatz bezeichnet und wäre über Sörens einschränkende, zögerliche Zustimmung ehrlich entrüstet und verletzt. Wer mit Mara verabredet war, musste sich auf mindestens fünfzehn Minuten Wartezeit einstellen. Gerne auch etwas mehr. Von daher machte es sich Sören zur Angewohnheit, leicht verspätet einzutreffen. Zugleich wählte er öffentliche Treffpunkte wie Bars oder Restaurants aus. Niemals eine Bushaltestelle oder Straßenkreuzung. So konnte er sich die Zeit immerhin mit einem ersten Getränk verkürzen. Komme etwas später. Hatte bis eben Klavierunterricht im Grunewald. Die Nachricht leuchtete auf, als Sören an einer Ampel am Nollendorfplatz stand. Er schmunzelte stumm in sich hinein. Übersetzt bedeutete das, sie war dabei, Schminke aufzulegen, und würde mindestens noch dreißig Minuten brauchen. Alles wie immer. Sören zündete sich eine Zigarette an und schlenderte gemütlich die Motzstraße hinunter zum Hafen, einer kleinen Bar im Herzen des schwulen Kiezes. Bereits auf dem Weg kam es ihm vor, als wären mehr Männer unterwegs als gewöhnlich. Vor allem Fetisch-Kerle in Lederhosen oder Uniformen. Sein Eindruck bestätigte sich, als der Hafen in Sichtweite kam. Auf dem Bürgersteig hatte sich eine beachtliche Menschentraube gebildet. Er bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge ins Innere. „Was ist denn hier heute los?“, fragte er den Barkeeper, einen blonden Adonis, der seine im Vergleich zum Oberkörper viel zu dünnen Beinchen in eine Röhrenjeans gezwängt hatte. „Ey, am Wochenende ist Folsom Street Fair. Die ersten Touris sind schon in der Stadt“, bekam er als Antwort, wobei der Tonfall des Jünglings verdeutlichte, wie unnötig er die Frage fand. „Entschuldige meine Uninformiertheit“, grummelte Sören, schnappte sich sein Bier und ging wieder nach draußen. Das Folsom-Straßenfest hatte sich in den vergangenen Jahren zu einer festen Größe im schwulen Kalender der Stadt entwickelt. Anhänger des Fetisch-Kults aus aller Welt pilgerten dann nach Berlin, in das aktuell unangefochtene, globale Mekka dieser Szene. Die einschlägigen Clubs und Bars würden in den kommenden Tagen aus allen Nähten platzen. Wenngleich Sören kein Fan von Großveranstaltungen war – sein letzter Gaypride lag einige Jahre zurück und er war nur seinem Ex-Mann Than zuliebe hingegangen –, mochte er die erwartungsvolle Atmosphäre, die sich in den Tagen vor solchen Events wie ein feiner Nebelschleier über die Straßen rund um den Nollendorfplatz legte. Berlin. Das war, nicht nur, aber gerade für Schwule aus aller Welt ein Sehnsuchtsort. Eine Pilgerstätte. Eine Verheißung. Etwas zwischen Tempel und Moloch. Und für nicht wenige auch ein Hort der Freiheit. Während er sein Bier hinunterstürzte – das erste ging immer am schnellsten –, erfasste ihn eine zarte Andeutung von Glückseligkeit. Er sah in die Gesichter all dieser Männer. Sie waren vorfreudig, hoffend. Viele von ihnen waren extra für dieses Wochenende angereist, um ihren Vorlieben und Fetischen zu frönen, die sie zu Hause – egal, ob in der deutschen Provinz oder in der russischen Taiga – wenn überhaupt nur im Geheimen auslebten. Wer konnte schon sagen, was ihnen allen in den kommenden Tagen widerfahren sollte. Enttäuschte Erwartungen und geplatzte Träume würden erst am Montagmorgen bittere Realität. Bis dahin war alles möglich, hier in Berlin, in dieser Stadt, in der jeder so sein konnte, wie er wollte. Und das nicht nur am Folsom-Wochenende. Ja, die große Freiheit war an die Spree zurückgekehrt und zelebrierte ihr Comeback seit vielen Jahren voller Hingebung. Es wurde gefeiert, getanzt und gevögelt. Vor hundert Jahren war auf die Party ein böses, dunkles Erwachen gefolgt. Und Sören glaubte, Kulturpessimist wie er nun einmal war, auch heute wieder den aufziehenden Sturm zu spüren. Ewig konnte diese Sause nicht andauern. Jede Feier musste einmal zu Ende gehen. Die Frage war nur, wie schlimm der Kater am kommenden Morgen ausfiel. „Was schaust du denn so grimmig?“ Maras Stimme beförderte ihn ins lärmende, gut gelaunte Hier und Jetzt der Motzstraße zurück. „Wenn du mich warten lässt, muss ich eben über den unheilvollen Weltenlauf sinnieren“, erwiderte er. „Du kennst mich doch.“ Sie lächelte milde. „Entschuldige die Verspätung. Aber ich musste mit dem kleinen Ben-Jonas noch ein Stück fertig proben. Er soll es beim Geburtstag seiner Großmutter zum Besten geben. Die arme Partygesellschaft!“ Sie setzte einen gequälten Gesichtsausdruck auf, um Mitleid oder zumindest Verständnis heischend. Um ihr Auskommen aufzubessern, gab Mara seit einigen Monaten Klavierunterricht. Durchaus erfolgreich. Dabei kam ihr sicherlich zugute, dass ihr altes Ich, in ihrem alten Leben, Musik studiert und jahrelang an einer Volkshochschule unterrichtet hatte. „Jetzt muss also ein mittelmäßiger Nachwuchspianist schon als Ausrede für deine Verspätung herhalten“, frotzelte Sören. „Mittelmäßig? Das wäre ein Fortschritt. Ich befürchte, der Junge sollte sich später darauf konzentrieren, gut auszusehen und in seiner Indie-Pop-Band den Bass zu zupfen. Beides wird er sicherlich mit Bravour hinbekommen. Ganz anders als das Klavierspielen“, erwiderte Mara streng. So nett und verständnisvoll sie als Privatperson war, so unnachgiebig war sie gegenüber ihren Schülern. Elegant, ohne sich wie Sören zum Tresen vorkämpfen zu müssen, schwebte sie davon, um eine Bestellung aufzugeben. Die Menschenmassen teilten sich vor der beeindruckenden Erscheinung wie das Meer im Angesicht eines Propheten. Als sie mit ihrem Drink in der Hand wieder nach draußen kamen, fegte gerade eine Windböe durch die Baumkronen. „Es scheint aufzufrischen“, stellte Sören unnötigerweise fest. Mara lachte glucksend. „Machst du Witze? Heute keine Nachrichten geschaut? Es gibt eine Unwetterwarnung für weite Teile Deutschlands. Ein Sturm zieht auf. Es soll heute Nacht und morgen in Berlin richtig abgehen. Starkregen. Gewitter. Hagel. Orkanböen.“ „Kein gutes Wetter für das Straßenfest.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich kann bei jeder Witterung ficken und feiern.“ Sören lachte glucksend. Daran hatte er keinerlei Zweifel. „Da wir gerade bei Schlüpfrigkeiten sind: Ich habe heute erfahren, Deutschlands schwule Familie wird bald Zuwachs bekommen.“ Sie benutzte diese Formulierung stets, um ein Promi-Outing anzukündigen. Wobei Sören in aller Regel mit den genannten Namen nichts anzufangen wusste. Zumeist waren es drittklassigen Stars und Sternchen aus schlechten Fernsehformaten. Oder schlimmer: YouTube-Influencer. „Diesmal ist es ein echter Hammer!“, bekräftigte Mara, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Verschwörerisch beugte sie sich zu ihm herüber und senkte ihre Stimme. „Ich war heute mit einem schwulen Journalisten Mittag essen. Sein Blatt bereitet eine große Homo-Homestory mit Jan Bergmann vor.“ „Der Politiker?“ „Genau der! Ich hatte zwar schon zuvor davon gehört, wäre aber niemals auf die Idee gekommen, er könnte öffentlich dazu stehen. Er hat sich in den vergangenen Jahren schließlich redlich um eine Positionierung als konservatives Arschloch bemüht.“ „Es wird dich vielleicht überraschen, aber ich bin nicht überrascht“, erklärte Sören mit mehr als einem Hauch von Genugtuung in seiner Stimme. „Du wusstest es!“, kreischte Mara aufgeregt. „Hast du ihn gefickt?“ Er lächelte vielsagend und schüttelte genussvoll den Kopf. „Nope. Mehr kann ich nicht sagen. Dienstgeheimnis.“ Tatsächlich hatte Bergmann von einigen Jahren gegen einen Stricher Anzeige wegen schweren Diebstahls erstattet, diese jedoch schnell wieder zurückgezogen. Wahrscheinlich aus Angst, die Geschichte könnte an die Medien durchgestochen werden. „Nicht dein Ernst! Du kannst mich nicht erst anfüttern und dann am ausgestreckten Arm verhungern lassen!“ „Wie gesagt …“ „Dienstgeheimnis“, äffte ihn Mara nach. „Ich seh schon, einmal Bulle, immer Bulle.“ Sören verspürte einen kurzen Stich. Er war seine Dienstmarke seit zwei Jahren los. Doch es tat noch immer weh. Auch wenn er damals, nach der...



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