Gray | Sarajevo Disco | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 496 Seiten

Gray Sarajevo Disco


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-86532-598-3
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

E-Book, Deutsch, 496 Seiten

ISBN: 978-3-86532-598-3
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



In einem Hamburger Club wird ein Türsteherboss ermordet. Kurz darauf wird die Leiche eines Mitglieds der Hells Angels gefunden. Alles weist auf einen Vergeltungsschlag hin. Lewis Boyle, Leiter der Hamburger Mordkommission, will einen Kiezkrieg mit allen Mitteln verhindern. Während fieber­haft nach den Mördern gesucht wird, geht Kommissarin Jale Arslan Hinweisen auf eine neue Droge nach, die gratis an die Junkies der Stadt verteilt wird. Der Druck auf die Polizei nimmt zu, als immer mehr Konsumenten daran sterben. Haben die Kiezmorde mit der neuen Droge zu tun? Können Boyle und Arslan den Wahnsinn stoppen, bevor es zu einem brutalen Bandenkrieg kommt?


Mit „Sarajevo Disco“ ist David Gray ein rasanter Polizei­thriller vor realistischem Hintergrund gelungen.
Nach „Kanakenblues“ der zweite Band der Boyle-Reihe.

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Autoren/Hrsg.


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September 1984 Teddy war zäh und sehnig. Boyle war einen Kopf größer und hatte deutlich mehr Muskelmasse auf den Knochen. Sie hatten an diesem Abend jeder einen Boxkampf im Club ausgefochten. Teddy gewann seinen durch k.o., Boyle verlor knapp nach Punkten. Als er, zerschlagen und mit einer geklammerten Augenbraue, nach fast zwei Stunden Bus- und S-Bahnfahrt nach Hause kam, fand er seine Mutter betrunken auf dem Küchenboden. Sie lag auf dem Bauch und trug ein Nachthemd mit Micky Maus darauf. Es roch, als hätte sie sich eingepinkelt. Am Küchentisch saß ein Fremder, der ungerührt eine Zigarette rauchte und den letzten Rest Aldi-Wodka gleich aus der Flasche trank. Der Fremde war etwas älter als Boyles Mutter, sein Vokuhila blond gefärbt und das Netzhemd, das er zur Jeans trug, spannte sich über seiner Brust und an den Oberarmmuskeln. Er sah Boyle an und sagte: „Hallo. Du musst der Sohn sein. Sie hat mir vorhin von deinem Alten erzählt. Beinah wäre mir deswegen das Ficken vergangen. Hast du Kohle?“ Der Fremde hob die Wodkaflasche etwas an. „Wir brauchen Nachschub.“ Er war vielleicht Ende dreißig, trank und rauchte und sah nicht so aus, als ob er außer Hanteln zu stemmen sonst noch irgendetwas tat, um sich fit zu halten. Der Mann wies auf Boyles zerschlagenes Gesicht. „Fresse vollgekriegt? Passiert den Besten von uns.“ Boyle beugte sich herab, drehte seine Mutter sanft auf den Rücken, prüfte, ob ihr Atem regelmäßig ging. Dann sah er zu dem Fremden am Küchentisch auf. „Sie hat sich bepisst und es ist kalt auf dem Fußboden. Warum hast du ihr nicht geholfen?“, fragte er. Der Mann zuckte mit den Achseln. „Ich bin hier zum Saufen und zum Ficken. Dafür hab ich die Schlampe bezahlt. Kann ich doch nix für, wenn sie nix verträgt. Was ist mit meinem Nachschub? Sie hat meine Kohle irgendwo versteckt.“ Boyle bemerkte blaue Flecken auf den Schenkeln seiner Mutter. Sie konnte sie sich geholt haben, als sie vom Stuhl kippte. Doch es konnte auch sein, dass sie von Schlägen stammten. Oder davon, dass der Fremde sie vergewaltigt hatte. „Was ist Junge, wo bleibt der Alk?“, fragte der Fremde und erhob sich drohend. Boyle war an diesem Morgen um sechs Uhr aufgestanden, zehn Kilometer gelaufen, dann zur Schule gegangen und am Nachmittag zum Boxclub gefahren, um vor seinem Kampf eine Runde leichtes Training zu absolvieren, einige Stunden später in den Ring gestiegen und nach der bisher härtesten Tracht Prügel, die er je bei einem Fight hatte einstecken müssen, trotzdem nur zweiter Sieger geworden. Es gab keinen Muskel an ihm, der ihm nicht wehtat. Aber jetzt lag seine Mutter hier vollgepinkelt und mit blauen Flecken auf dem Küchenboden und dieser Typ, der sich nicht einmal vorgestellt hatte, versuchte ihn dazu zu bringen, noch mehr VON DIESER FLÜSSIGEN SCHEISSE zu beschaffen, an der seine Mutter allmählich krepierte. „Was jetzt? Wo bleibt mein Nachschub?“, brüllte der Mann. Boyle sah rot. Zwei Minuten lang funktionierte er nur noch – tat, was er im Ring und am Sandsack gelernt hatte. Doch er tat es mit mehr Zorn und mehr Aggressivität als je zuvor. Der Vokuhila stöhnte auf dem Küchenboden blutend vor sich hin. Boyle versetzte ihm einen Nachtritt ins Gesicht, hob seine Mutter auf, trug sie ins Schlafzimmer und legte sie in ihr zerwühltes Bett, das nach Sex und Schnaps stank. Als Boyle in die Küche zurückkehrte, warf er einen langen Blick auf den blutenden Mann am Boden. Dann griff er nach dem Telefonhörer, um Teddy anzurufen. Das Telefon blieb stumm. Die Rechnung war nicht bezahlt. Also zog Boyle seine Jacke an, beugte sich über den Mann und tastete dessen Jeanstaschen ab. Da war eine Geldbörse. Boyle öffnete sie, zog die drei Zwanziger darin heraus und steckte sie ein. Dann packte er den Typen am Arm und schleifte ihn hinter sich her zur Wohnungstür, ins Treppenhaus und zu dem Lift, der mit Parolen und Telefonnummern beschmiert war, und schickte Vokuhila in den Keller. Eine breite Blutspur zog sich von seiner Wohnung über das Treppenhaus bis zum Aufzug. Verdammt. Boyle lehnte sich an die Korridorwand und schloss die Augen. Sein erster Impuls war, sich zu bewegen, in die Wohnung zurückzukehren und das Blut wegzuwischen. Dann jedoch dachte er, dass es sowieso keine Rolle mehr spielte. Er war der Einzige auf seinem Gymnasium, der aus den Betonbunkern stammte, weder seine Mitschüler noch seine Lehrer hatten ihn je wirklich in ihr Herz geschlossen. Dazu war er zu klug, zu arrogant, zu sperrig, hatte den falschen Namen und die völlig verkehrte Hautfarbe. In drei Wochen begannen die Abiturprüfungen. Doch Boyle bezweifelte, dass er daran noch teilnehmen würde, nachdem er diesem Fremden derart die Fresse poliert hatte, dass der von Glück reden konnte, falls er irgendwann mal wieder als Mensch durchging. Er sank zu Boden und legte seine Hände aufs Gesicht. Der Schmerz in seinem linken Handgelenk steigerte sich von einem dumpfen Pochen zu einem stetigen Stechen. Er erwachte aus seiner Starre, weil Teddy sich über ihn beugte und ihn an der Schulter rüttelte. „Ich wusste es, Mann! Du hast dem Wichser, den die Bullen gerade aus dem Keller schaffen, die Fresse poliert!“ Teddy wies auf die Blutspur am Korridorboden. „Los, beweg dich! Wir müssen hier weg!“ Boyle hätte sowieso nicht gewusst, wohin er gehen sollte. Zurück in die Wohnung zu seiner Mutter? Das hätte er nicht ertragen. Abgesehen davon hätten ihn die Bullen dort zuerst gesucht. Es war furchtbar genug, sie so gesehen zu haben – vollgepinkelt und zerschlagen auf dem Boden. Teddy warf ein Beutelchen Pillen auf Boyles Schoß. „Die Erste geht aufs Haus, Schnarcho! Ist gut gegen Schmerzen.“ Teddy hatte sie von einem der Punker, mit denen er nachmittags zwischen den Betonburgen abhing, seit er kurz vorm Abschluss von der Hauptschule geflogen war. Boyle warf eine der Pillen ein. Sie machte seinen Kopf leer und half gegen das Stechen in seinem Handgelenk. Teddy und Boyle liefen die Treppe herunter und durch den Haupteingang auf den grauen Betonparkplatz. Da stand ein Krankenwagen und zwei Streifenpolizisten hantierten bei ihrem Grün-Weißen mit dem Funkgerät herum. Teddy schlug vor, einen Wagen zu klauen und nach Hamburg zu fahren, eine Punkband namens Paranoia spielte in einem illegalen Club in der Bernhard-Nocht-Straße. Aber Boyle hatte keinen Bock auf Autoklau und meinte, sie könnten auch die S-Bahn nehmen und auf dem Weg ein paar Bier drücken. Teddy fand, dass S-Bahn scheiße sei. Dazu waren sie viel zu cool. Er knackte deswegen nur drei oder vier Häuser weiter einen Scirocco mit Kieler Nummer. Aber der Wagen sprang nicht an, also warfen sie einen Papierkorb in dessen Heckscheibe und rannten davon. In einem Imbiss kauften sie von Boyles Geld einen Kasten Bier, eine Flasche Racke Rauchzart und nahmen dann doch die S-Bahn nach Hamburg hinein. Sie waren so aufgedreht von den Pillen, dem Bier und dem Whisky, dass sie einen Kontroletti mit leeren Flaschen bewarfen. Einer der übrigen Passagiere zog die Notbremse. Der Zug hielt kurz vor dem neuen Bahnhof Hammerbrook auf offener Strecke. Teddy und Boyle verpissten sich in die Dunkelheit. Hammerbrook war noch beschissener als Harburg und sie hatten keinen Bock, den Bierkasten weiter mit sich herumzuschleppen, zumal Boyle genug Kohle von dem Fremden geklaut hatte, um einen neuen zu kaufen, falls sie irgendwo einen Laden fanden, der noch geöffnet war. Also bewarfen sie einige Straßenlaternen mit den restlichen Bierflaschen. Jeder hatte drei Schuss, beide schafften es, jeweils eine Laterne auszuknipsen. Die Bullen erwischten sie in der Nähe des S-Bahnhofs. Teddy wehrte sich nicht, als man ihn festnahm. Aber Boyle rannte davon, geriet in einen Innenhof, aus dem es keinen Ausweg gab und ergab sich schließlich dem Bullen, der ihn verfolgt hatte. Während er Boyle Handschellen verpasste, atmete er so heftig, als stünde er kurz vor einem Herzinfarkt. Sein Kollege knallte gerade Teddys Kopf auf die Dachkante des Streifenwagens, als Boyle dort ankam. Kein guter Start. Auf dem Weg ins Revier würgte Teddy so lange herum, bis er es schließlich ganz ohne den Finger in den Hals zu stecken fertigbrachte, den Streifenwagen vollzukotzen. An seiner Stirn wuchs eine mächtige Beule und eine Hälfte seines Gesichts war bläulich angelaufen. Für die Polizei waren Jugendliche, die nach Punk aussahen, leichte Beute. Keiner machte den Beamten einen Vorwurf, falls sie härter zupackten. Oft nicht einmal die Eltern der Kids. Teddy sah mit seinem grünlichen Haarschopf schwer nach Punk aus und Boyle trug eine alte Lederjacke, auf die er mit einem weißen Edding „Fuck Future“ geschrieben hatte. Für die Revierpolizisten war das genug an einschlägiger Symbolik, um die beiden als Abschaum abzuhaken und für mehr als drei Stunden in Zellen wegzuschließen. Der Bulle, der sie dann verhörte, trug einen Anzug und stellte sich als Heinz Becker vor. Er setzte sich ihnen gegenüber an den Tisch in dem Verhörraum und starrte sie einfach wortlos abwechselnd an. Boyle, der sich so zerschlagen und fertig fühlte wie nie zuvor in seinem Leben, wäre es lieber gewesen, in die Zelle zurückgebracht zu werden. Dort konnte er wenigstens schlafen. Teddy markierte den Harten und provozierte den Kripobullen. Der ging jedoch nicht auf dessen Masche ein. Was Teddy wiederum als Herausforderung begriff und ihn dazu brachte, den Kripomann nur noch mehr...


David Gray wurde 1972 in Leipzig geboren. Er nahm an der friedlichen Revolution teil, arbeitete für verschiedene regionale Tageszeitungen und machte anschließend eine Ausbildung zum Drehbuchautor in Berlin. Sein historischer Roman „Wolfswechsel“ war ein eBook Verkaufshit. Bei Pendragon ist mit „Kanakenblues“ der erste Band der Boyle-Reihe erschienen.



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