Greggio Mit nackten Händen
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-641-05319-2
Verlag: Diana
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Roman
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-641-05319-2
Verlag: Diana
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Eine Liebe, die Grenzen überschreitet. Die Leidenschaft eines Augenblicks, der zum Verhängnis wird.
Sie ist Anfang vierzig, er knapp fünfzehn Jahre alt. Als Emma und Gio einander nicht widerstehen können, geraten sie in einen Strudel von Ereignissen, durch die sie schmerzvoll Liebe und Verlust erfahren. Es ist die Geschichte einer Hingabe, so voller Leben und doch ein Skandal ...
Emma liebt die Einsamkeit, die Verbundenheit mit der Natur, die Stille. Sie hat das Leben in Paris hinter sich gelassen, ist als Landtierärztin sesshaft geworden und hat endlich auch den Verlust ihrer großen Liebe Raphaël überwunden. Bis eines Tages sein Sohn vor der Tür steht: Gio. Emma ist entsetzt, zu schmerzhaft ist die Erinnerung an damals, als Raphaël sich für eine andere entschied. Doch Gios Offenheit und Neugier faszinieren Emma jeden Tag mehr, und aus dem ungelenken Verführungsspiel wird eine zärtliche, aber auch leidenschaftliche Beziehung. Vielleicht ist der Reiz des Verbotenen treibende Kraft, doch Emma trifft ihre Entscheidung für Gio bewusst und stellt sich den Konsequenzen.
Ein Roman, der ins Herz trifft und nie mehr aus dem Kopf geht.
Simonetta Greggio, 1961 in Padua geboren, lebt seit mehr als zwanzig Jahren in Frankreich. Als Journalistin und Autorin hat sie u.a. für die Kultzeitschrift City gearbeitet sowie diverse Reportagen, Porträts, Gastrokritiken und Reiseführer verfasst.
Weitere Infos & Material
"(S. 76-77)
Was könnte ich mehr über Gio sagen, wenn man mir jetzt dieselben Fragen stellen würde wie beim Prozess? Natürlich war er noch ein Kind. Warum sollte ich mich überhaupt rechtfertigen, wenn ich meine Entscheidungen doch in Kenntnis der Tatsachen getroffen habe? Gio war bald fünfzehn, was hätte er anderes sein können als ein Kind?
Ein intelligentes Kind, gewieft und gerissen, ein Idealist, einer, der sich - selten genug in diesem Alter - in seiner Haut wohlfühlte. Aber man vergisst leicht, wer man eigentlich ist, mit fünfzehn. Mit fünfzehn ist man alt genug, um in manchen amerikanischen Bundesstaaten Auto zu fahren: Man darf sich und andere am Steuer umbringen, aber man darf nirgends ein Bier kaufen. Mit fünfzehn ist es einem in Europa verboten, Pornos zu gucken - das Verbot gilt bis achtzehn -, ein junges Mädchen hingegen hat ab dem fünfzehnten Lebensjahr legalen Zugang zu Verhütungsmitteln, es darf Mutter werden, anonym entbinden, das Kind der Jugendfürsorge überlassen oder selbst das Sorgerecht ausüben, auch ohne elterliche Zustimmung. Mit fünfzehn gehört man weder zur einen noch zur anderen Seite, man steckt mittendrin, auch wenn man schon vieles weiß, manchmal mehr als später.
Gio jonglierte. Er meisterte seinen Alltag zwischen Kindheit und Erwachsenenalter und wusste, wenn es auf der einen Seite Probleme gab, würde er sie auf der anderen schultern müssen. Ich weiß schon lange, dass wir alle einen machtvollen Instinkt in uns tragen: nämlich den, unserem Schicksal entgegenzurasen. Gio und ich rasten, jeder für sich, auf das Schicksal zu, dabei waren unsere Bahnen so unausweichlich vorgegeben wie die Umlaufbahnen zweier Gestirne. Unser jeweiliges Alter war nur eine Komponente dieses Wettlaufs, der zum Zusammenprall führen musste. Was soll ich also noch erwähnen?
Etwa den Milchreis, den er kiloweise zu sich nahm? Seine kurzlebigen Versuche, sich vegetarisch zu ernähren und nichts anderes zu essen als gewaltige Joghurtportionen mit Datteln, Mandeln, bündelweise Bananen und säckeweise Haferflocken? Die dicken Nutellabrote und die Tonnen geriebenen Parmesans? Seine Art, sich so liebevoll wie bissig über mich lustig zu machen, wie beispielsweise am Tag, als ich mich zu einem Friseurbesuch aufgerafft hatte und Gio beim Nachhausekommen davon erzählte, weil ich der Meinung war, für diese seltene Großtat Lob zu verdienen, und er nur sagte: »Du Ärmste, war der Salon geschlossen?«
Da gab es auch seine überstürzten Rückzüge, wenn er sich gerade, nur mit Shorts bekleidet, im Garten befand und ihn wohl ein Gedanke oder auch das Streicheln der Brise auf seiner Haut in Erregung versetzte, das verheerte Badezimmer, wo überall feuchte Handtücher herumlagen, und die Rasiercreme- und Zahnpastaspritzer bis zur Decke reichten, die offenen Schranktüren und aufgezogenen Schubladen, die Vorleger und Teppichläufer, die er auf den Tod nicht leiden konnte und die ich an den unmöglichsten Orten versteckt fand. Und natürlich unsere albernen Schlagabtäusche.




