Greiner / Kalle | Fallsammlung Schuldrecht I | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 308 Seiten

Greiner / Kalle Fallsammlung Schuldrecht I

Allgemeines Schuldrecht und Vertragsschuldverhältnisse

E-Book, Deutsch, 308 Seiten

ISBN: 978-3-7557-3139-9
Verlag: Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Das Buch ist ursprünglich als begleitendes Fallskript zur Vorlesung "Schuldrecht I - Allgemeines Schuldrecht und vertragliche Schuldverhältnisse" konzipiert worden. In Kombination mit einem Lehrbuch ermöglicht es aber auch den autodidaktischen Einstieg in dieses zentrale Teilgebiet des Bürgerlichen Rechts, indem es die Strukturfragen des Schuldrechts anhand von Fallbeispielen mit ausführlichen Lösungshinweisen darstellt.

Diese Fallsammlung verfolgt das Anliegen, die notwendigen methodischen Kenntnisse der Fallbearbeitung zu vermitteln. Ihr Schwerpunkt liegt darauf, aufzuzeigen, wie sich Falllösungen im Schuldrecht effizient und zugleich überzeugend strukturieren und formulieren lassen. Inhaltlich fokussiert sich die Fallsammlung auf die Grundstrukturen des Schuldrechts. Primäre Zielgruppe sind daher die Einstiegssemester. Viele Fälle behandeln allerdings Vorschriften und Fragestellungen, die auch in Examensklausuren regelmäßig relevant sind. Einige Fälle sind zudem an Examensklausuren angelehnt. Daher unterstützt die Fallsammlung auch fortgeschrittene Semester in der Vorbereitung auf das Erste Staatsexamen.
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Fall 1: Computer
Themenschwerpunkte: Abgrenzung von absolutem und relativem Fixgeschäft, Grundzüge der vertraglichen Schadensersatzhaftung, Differenzhypothese, Schuldnerverzug, Unmöglichkeit a) Keksfabrikant K kauft von V einen Computer, den er in seiner Fabrik einsetzen will. Als Liefertermin vereinbaren beide den 1. Juni. Die Lieferung erfolgt jedoch nicht. Hierdurch kommt es zu Produktionsausfällen, wodurch dem K ein Verzögerungsschaden in Höhe von 1.000 € entsteht. b) K kauft von V einen weiteren Computer. Bei diesem handelt es sich um ein einzigartiges, nicht ersetzbares Unikat, das einen Wert von 1.000 € hat. Das Gerät wird jedoch vor Lieferung durch ein Verschulden des V zerstört. Welche Ansprüche stehen dem K gegen den V in den beiden Varianten jeweils zu? Lösungsskizze: Variante a: I. § 433 I 1 BGB (+): 1. Vertragsschluss (+). 2. Kein Ausschluss des Anspruchs nach § 275 I BGB (+): P: Abgrenzung von absolutem und relativem Fixgeschäft. II. §§ 280 I 1, II, 286 I BGB (+): 1. Schuldverhältnis (+). 2. Pflichtverletzung (+). 3. Vertretenmüssen (+). 4. Schuldnerverzug (+): a. Fälliger, durchsetzbarer Anspruch (+). b. Mahnung (+). c. Vertretenmüssen (+). 5. Schaden (+): P: Differenzhypothese. Variante b: I. § 433 I 1 BGB (-): P: Unmöglichkeit. II. §§ 280 I 1, III, 283 S. 1 BGB (+): 1. Schuldverhältnis (+). 2, Pflichtverletzung (+). 3. Vertretenmüssen (+). 4. Unmöglichkeit (+). 5. Schaden (+). Lösung der Variante a: I. K könnte gegen V einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Computers aus § 433 I 1 BGB haben. 1. K und V schlossen einen Kaufvertrag ab, wodurch der K gegen V einen Anspruch auf Verschaffung des Computers erwarb. Hinweis: Der Sachverhalt deutet keine Probleme im Hinblick auf das Zustandekommen des Kaufvertrags an. Daher wäre eine nähere gutachterliche Prüfung der Voraussetzungen des Vertragsschlusses an dieser Stelle verfehlt. 2. Dieser Anspruch könnte jedoch durch die Versäumung des vereinbarten Liefertermins wegen subjektiver Unmöglichkeit nach § 275 I BGB ausgeschlossen sein. Subjektive Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Schuldner die von ihm geschuldete Leistung nicht erbringen kann. Unmöglichkeit könnte sich daraus ergeben, dass K nicht rechtzeitig zum 1. Juni leistete. Eine nicht rechtzeitige Leistung führt zur Unmöglichkeit der Leistungspflicht, wenn ein absolutes Fixgeschäft vorliegt. Ein solches Geschäft entsteht, wenn die Parteien vereinbaren, dass der Vertrag mit der rechtzeitigen Leistung stehen und fallen soll, weil das Erbringen der Leistung nach dem vereinbarten Termin wegen der Verspätung für den Gläubiger wertlos ist. In diesem Fall wäre es dem Schuldner durch eine verspätete Lieferung nicht möglich, das Leistungsinteresse des Gläubigers zu befriedigen. Absolute Fixgeschäfte liegen etwa regelmäßig bei der Buchung einer Reise oder der Anstellung eines Künstlers für ein bestimmtes Ereignis vor (weitere Beispiele bei Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 5. Aufl. 2017, Rn. 373). Vorliegend bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine verspätete Leistung für den V keinerlei Wert hatte. Daher liegt kein absolutes Fixgeschäft vor. Hinweis: Begriffe wie „hier“ oder „vorliegend“ werden in Klausuren häufig als bloße Füllwörter genutzt, ohne dass sie einen Mehrwert brächten. Daher empfiehlt es sich grundsätzlich, auf solche Begriffe zu verzichten. Ausnahmsweise können sie dem Korrektor allerdings das Nachvollziehen der Klausurbearbeitung erleichtern, wenn sie an Stellen genutzt werden, an denen der Autor von der abstrakten Beschreibung von Rechtsprinzipien oder Meinungen zur konkreten Subsumtion übergeht. Somit ist die Leistungspflicht des V mangels subjektiver Unmöglichkeit nicht nach § 275 I BGB ausgeschlossen. 3. K hat gegen V einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Computers aus § 433 I 1 BGB. II. K könnte zudem gegen V einen Anspruch auf Zahlung von 1.000 € aus §§ 280 I 1, II, 286 I 1 BGB haben. 1. Zunächst müsste ein Schuldverhältnis zwischen K und V bestehen. Hierunter versteht man gemäß § 241 I 1 BGB eine privatrechtliche Sonderverbindung zwischen mindestens zwei Personen, die eine Partei berechtigt, von der anderen eine Leistung zu fordern. Der Kaufvertrag begründete wechselseitige Leistungsansprüche zwischen K und V. Daher handelt es sich um ein Schuldverhältnis. 2. Des Weiteren müsste V eine Pflicht aus diesem Schuldverhältnis verletzt haben, also sein Pflichtenprogramm nicht vollständig erfüllt haben (ausführlich zum Begriff der Pflichtverletzung Lorenz JuS 2007, 213). Eine Pflichtverletzung könnte in der Nichtlieferung des Computers zum 1. Juni liegen. Im Vertrag verpflichtete sich V, zu diesem Termin zu liefern. Indem er dies nicht tat, erfüllte er seine Hauptleistungspflicht nicht rechtzeitig, verletzte also eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis. 3. V müsste die Pflichtverletzung zu vertreten haben. Gemäß § 276 I 1 BGB hat der Schuldner grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten (ausführlich zum Vertretenmüssen Lorenz JuS 2007, 611). Gemäß § 280 I 2 BGB wird das Vertretenmüssen widerleglich vermutet. Um diese Vermutung zu entkräften, muss der Schuldner gemäß § 292 S. 1 ZPO beweisen, dass ihm weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zur Last fällt. Der V führte keinen entsprechenden Beweis. Mithin hat er die Pflichtverletzung zu vertreten. 4. Da K Ersatz eines Verzugsschadens begehrt, müssten gemäß § 280 II BGB zusätzlich die Voraussetzungen des § 286 I 1 BGB vorliegen (ausführlich zur Systematik des vertraglichen Schadensersatzes Lorenz JuS 2008, 203). V müsste sich also in Schuldnerverzug befunden haben. a. Zunächst bedarf es hierfür einer fälligen und durchsetzbaren Leistungspflicht des V. V hatte sich durch Abschluss des Kaufvertrags gegenüber K verpflichtet, diesem Computer zu übereignen. Diese Pflicht war gemäß § 271 I BGB am 1. Juni fällig sowie mangels hemmender Einreden des V durchsetzbar. b. Ferner bedarf es einer Mahnung. Eine Mahnung ist eine einseitige empfangsbedürftige Aufforderung des Gläubigers an den Schuldner, die geschuldete Leistung zu erbringen (BGH NJW 1998, 2132 f.). Der Gläubiger muss somit eindeutig zum Ausdruck bringen, dass er die geschuldete Leistung verlangt. Da er die Leistung erst ab Fälligkeit verlangen kann, kann seine Mahnung nur dann wirksam sein, wenn sie nach Fälligkeit erfolgt. K mahnte den V nicht. Möglicherweise war die Mahnung allerdings nach § 286 II Nr. 1 BGB entbehrlich. Dazu müssten K und V für die Leistung einen bestimmten Zeitpunkt vereinbart haben, der sich nach dem Kalender bestimmen lässt. Die ratio dieser Ausnahme ist, dass der Schuldner, dem ein Leistungszeitpunkt genannt wird, weiß, wann er die Leistung erbringen muss, sodass er keines Schutzes durch das Mahnungserfordernis bedarf. Einen solchen Zeitpunkt vereinbarten K und V mit dem 1. Juni. Daher bedurfte es keiner Mahnung durch K. c. Überdies müsste V die Verzögerung zu vertreten haben. Gemäß § 286 IV BGB wird dies vermutet. V konnte diese Vermutung nicht widerlegen. Daher hat er die Verzögerung zu vertreten. d. Folglich befand sich V ab dem 1. Juni in Schuldnerverzug. 5. Schließlich müsste dem K aufgrund der verzögerten Leistungserbringung ein Schaden entstanden sein. Ein Schaden ist eine unfreiwillige Einbuße an einem schadensersatzrechtlich geschützten Recht, Rechtsgut oder Interesse (vgl. Weiler, Schuldrecht AT, 6. Aufl. 2022, § 45 Rn. 1; Förster JA 2015, 801; vertiefend Mohr/Kalina/Bürger AL 2017, 51 ff.). Sein Vorliegen ist nach der Differenzhypothese zu ermitteln. Danach ist die gegenwärtige Vermögenslage mit der zu vergleichen, die ohne das schädigende Ereignis bestünde; in der Differenz liegt der Schaden. Die Produktionsausfälle führten bei K zu einer Vermögenseinbuße in Höhe von 1.000 €, die andernfalls nicht eingetreten wäre. Da eine Naturalrestitution nach § 249 I BGB unmöglich ist, ist diese Einbuße gemäß § 251 I BGB durch Geldentschädigung zu ersetzen. 6. K hat gegen V einen Anspruch auf Zahlung von 1.000 € aus §§ 280 I 1, II, 286 I 1 BGB. Lösung der Variante b: I. K...


Greiner, Stefan
Stefan Greiner ist Professor für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Bonn.

Kalle, Ansgar
Ansgar Kalle ist Mitarbeiter des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Bonn (Professor Dr. Stefan Greiner).


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