E-Book, Deutsch, Band 1885, 144 Seiten
Reihe: Julia
Grey Süße Sehnsuchtsmelodie
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-86295-424-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1885, 144 Seiten
Reihe: Julia
ISBN: 978-3-86295-424-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
India Grey liebte schon als kleines Mädchen romantische Liebesgeschichten. Mit 13 Jahren schrieb sie deshalb das erste Mal an den englischen Verlag Mills & Boon, um die Writer's Guidelines anzufordern. Wie einen Schatz hütete sie diese in den nächsten zehn Jahren, begann zu studieren ... und nahm sich jedes Jahr aufs Neue vor, eine Romance zu schreiben. Doch zuerst einmal trat ihr eigener Held in ihr Leben, sie beendete die Universität, und bekam kurz hintereinander drei Töchter. Und wieder gab es Ausreden, den langen Vorsatz nicht umzusetzen. Doch irgendwann war es soweit. India schickte ihre erste Romance an Mills & Boon - und war erfolgreich. Aber nicht nur ihre Leserinnen lieben sie: Ihre Romance "Süße Sehnsuchtsmelodie" (JULIA 1885) wurde 2009 von der Romantic Novelists' Association zu dem Liebesroman des Jahres gekürt.
Autoren/Hrsg.
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1. KAPITEL Ein Jahr später Es war noch nicht hell, als Rachel aus dem alten Pfarrhaus trat und die Tür leise hinter sich schloss. Feuchter, klammer Morgennebel umfing sie. Ihr Atem stieg in der kalten Februarluft in kleinen Wölkchen auf. Im Haus ging es schon geschäftig zu. Eine Putzkolonne entfernte die Spuren der Party, die am Abend zuvor stattgefunden hatte, und die Mitarbeiter vom Partyservice bereiteten bereits alles für die heutigen Feierlichkeiten vor. Rachel bewegte sich vorsichtig über das Gras. Sie wusste nicht, warum, aber sie spürte, dass sie diesem Haus entfliehen musste. Sie wollte endlich aufatmen können. Und für einen Moment hinter sich lassen, was doch nicht mehr abzuwenden war. Sie hatte eine halb volle Flasche Champagner in der Hand, die sie im Vorbeigehen von dem Tischchen in der Eingangshalle mitgenommen hatte. Der Polterabend gestern, zu dem Carlos eine Handvoll der einflussreichsten Persönlichkeiten der Musikindustrie eingeladen hatte, hatte offensichtlich bis in die Morgenstunden gedauert. Sie selbst war schon um Mitternacht zu Bett gegangen. Zweifellos war Carlos wütend auf sie, weil sie nicht geblieben war, um „Eindruck zu machen“ oder sich mit seinen wichtigen Freunden zu unterhalten. Doch ihr Kopf schmerzte, und ihr Herz war erfüllt von tiefer Angst vor dem kommenden Tag. Sie gab vor, müde zu sein. Doch dann lag sie wach und lauschte, wie die letzten Gäste um drei Uhr morgens laut mit den Autotüren schlugen und sich verabschiedeten. Sie hatten Carlos in das vornehme Schlosshotel gebracht, in dem er die letzte Nacht seiner langen Junggesellenzeit verbringen würde. Rachel schlüpfte durch einen schmalen Durchgang in der Buchenhecke und fand sich auf dem Kirchhof wieder. Dünner Nebel hing über dem Boden und verlieh diesem Ort einen gespenstischen Anflug von Melancholie, der genau zu ihrer Stimmung passte. Fröstelnd zog sie die Ärmel ihres dicken Kaschmirpullis über die Hände, presste die Flasche an sich und ging langsam um die Seite der Kirche herum, die man vom Haus aus nicht sehen konnte. Das frühe Morgenlicht überzog alles mit einem grau-schwarzen und silbrigen Schimmer. Sie legte den Kopf in den Nacken und schaute hoch zu dem bleifarbenen Himmel. Dunkel hob sich die Kirchturmspitze dagegen ab, um die ein paar Saatkrähen kreisten. Rachel erschauerte. Sie spürte nichts als Verzweiflung. Sie fürchtete sich vor dem, was dieser Tag bringen würde. Und die kommende Nacht. Eine eisige Windböe wehte ihr die Haare ins Gesicht. Weiter vorne, im Schatten einer alten Eibe, ein Stück abgesetzt von den anderen Gräbern, befand sich die eindrucksvollste Gruft. Ein imposanter Engel aus Stein stand oben auf dem Grabmal. Seine gemeißelten Flügel bogen sich leicht nach innen, sein Gesicht neigte sich nach unten. Rachel spürte, wie sie fast magisch von ihm angezogen wurde. Unter dem dichten Nadeldach der Eibe war der Engel vor der kalten Witterung geschützt. Mit leeren Augen schaute er auf Rachel hinab. Der Ausdruck auf seinem Gesicht schien von unendlichem Mitgefühl und Vergebung zu sprechen. Er hat all das schon gesehen, dachte sie niedergeschlagen. Diese fahlen Augen waren Zeuge gewesen von endlosen Hochzeiten und Begräbnissen, von überschäumender Freude und tragischem Verlust. Rachel fragte sich, ob es hier jemals eine Braut gegeben hatte, die lieber zu ihrem eigenen Begräbnis als zu ihrer Hochzeit gegangen wäre. Kraftlos sank sie auf die trockene Erde zwischen den kalten, bleichen Füßen des Engels und trank einen Schluck Champagner, dann lehnte sie ihren Kopf gegen den bemoosten Stein. Reihen von Namen und Jahreszahlen waren seitlich in der Gruft eingemeißelt, manche von ihnen bis zur Unkenntlichkeit verblasst. Doch der Name, der ihr am nächsten war, war noch deutlich zu lesen. Vorsichtig fuhr sie mit dem Finger über die Buchstaben. Felix Alexander Winterton Gestorben im Kampf für sein Land ER GAB SEIN LEBEN FÜR UNSERE ZUKUNFT Tränen schimmerten in Rachels Augen, als sie zum Engel hochschaute und lächelte. Sie hob die Champagnerflasche. „Auf dein Wohl, Felix“, flüsterte sie. „In meinem Fall ist das allerdings vergebens.“ Orlando spürte die Kälte kaum, als er aus dem Wagen stieg und zum Kirchhof ging. Die Kälte schien ohnehin seit einiger Zeit zu ihm selbst zu gehören. Eisige Kälte, und zunehmende Dunkelheit. Sein letzter Besuch bei Andrew Parkes hatte ihm keine guten Neuigkeiten beschert. Sein Sehvermögen verschlechterte sich schneller, als der Augenarzt zu Anfang vorausgesagt hatte. Dr. Parkes hatte Orlando den dringenden Rat gegeben, nun auch das Autofahren aufzugeben. Und dem würde er nachkommen. Heute war das letzte Mal, dass er mit Höchstgeschwindigkeit über die Privatwege brauste. Heute, da sich Felix’ Todestag zum ersten Mal jährte. Noch immer konnte Orlando weiter entfernte Gegenstände einigermaßen deutlich erkennen. Doch alles, was direkt vor ihm, im Zentrum seines Blicks lag, war nur noch ein nebliges Grau. Es waren die Details, die ihm immer mehr zu entgleiten drohten: Er konnte nicht länger in den Mienen anderer Menschen lesen. Und auch all die vielen kleinen alltäglichen Dinge, die er sonst verrichtet hatte, ohne darüber nachzudenken, wollten ihm nicht mehr gelingen. Die Knöpfe an seinem Hemd schließen. Kaffee machen. Seine Post lesen. Doch er wollte lieber sterben, als andere davon wissen zu lassen. Aus diesem Grund war Orlando nach Easton Hall gekommen. Allein. Im Schutz des Friedhofstors blieb er stehen und schaute hinauf. Ein paar Saatkrähen flogen um die Kirchturmspitze. Ihre metallisch glänzenden Flügel hoben sich schwarz gegen den bleigrauen Himmel ab. Alles verschwimmt zu einem einfarbigen Gemälde, dachte Orlando finster, kniff die Augen ein bisschen zusammen und ließ seinen Blick über den Kirchhof schweifen. Die Grabsteine hoben sich fahl gegen die kahlen Bäume und das ausladende Dach der Eibe über der Gruft der Wintertons ab. In diesem Moment sah er etwas Rotes im Nebel aufblitzen. Reglos stand er da und legte den Kopf in den Nacken, um herauszufinden, was es sein könnte. Ein Fuchs vielleicht, der nach der nächtlichen Jagd zurück in seinen Bau schlich? Das Rot blitzte erneut auf. Und jetzt sah er, was es war. Eine Frau. Eine rothaarige Frau. Sie saß auf Felix’ Grab. „Was, zum Teufel, machen Sie hier?“ Abrupt schaute Rachel hoch. Ein groß gewachsener Mann mit dunklem Haar stand vor ihr. Mit seinem langen schwarzen Mantel sah er sehr attraktiv und gleichzeitig bedrohlich aus. Seine Miene wirkte genauso hart und kalt wie der steinerne Engel, doch fehlte ihr jede Spur von Mitgefühl. „Ich … nichts. Ich wollte nur …“ Sie versuchte aufzustehen, doch ihre Beine waren zu steif. Sie hatte so lange auf dem Boden gekauert; ihre Füße waren taub vor Kälte. Im nächsten Moment merkte sie, wie seine Hände sich um ihre Arme schlossen und sie hochzogen. Für einen Moment wurde sie gegen den Fremden gedrückt und spürte die wunderbare Wärme und Kraft seines Körpers. Dann stieß er sie von sich. Eine Hand umklammerte ihren Oberarm immer noch wie einen Schraubstock, während der Fremde ihr mit der freien Hand den Champagner entriss. Er schwenkte die Flasche hin und her, wohl um herauszufinden, wie viel noch übrig war. „Das erklärt wohl alles.“ Seine Lippen kräuselten sich vor Abscheu. „Ist es nicht ein bisschen zu früh dafür? Oder haben Sie etwas zu feiern?“ „Nein.“ Sie lachte kurz auf und schlug dann schnell die Hand vor den Mund, da ihr Lachen in ein Schluchzen überzugehen drohte. „Ich habe wirklich nichts zu feiern. Ich wollte mir nur ein wenig Mut antrinken. Oder vergessen.“ Es war ihr peinlich, dass Tränen über ihre kalten Wangen liefen. Entschuldigend lächelte sie und strich mit der Hand über den verwitterten Stein. „Stilles Vergessen. Zusammen mit dem wunderbaren, tapferen Felix hier.“ Der geheimnisvolle Mann erwiderte ihr Lächeln nicht, ließ sie jedoch so abrupt los, dass sie taumelte. Sie musste sich am Grabstein festhalten, um nicht zu fallen. „Er wird begeistert sein zu hören, dass eine Kleinigkeit wie der Tod ihn nicht seiner Anziehungskraft auf die Frauen beraubt hat.“ Die Verbitterung, die sich in seine schmalen Gesichtszüge eingegraben hatte, war unübersehbar. Jetzt fielen Rachel auch die dunklen Schatten unter seinen Augen auf. Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine tiefe Falte eingegraben. Ihm war offensichtlich großes Leid widerfahren. Und dann dämmerte ihr eine entsetzliche Erkenntnis. „Oh Gott! Es tut mir sehr leid … Sie kannten ihn?“ Einen langen Augenblick war es totenstill. Dann streckte er seine Hand aus, und sein verhaltenes Lächeln ließ kurz die unverfälschte Schönheit seines Gesichts aufleuchten. „Orlando Winterton. Felix’ Bruder.“ Als sie seine Hand nahm, spürte sie wieder seine Wärme und Kraft. Für einen kurzen Moment schlossen sich seine Finger um ihre und drückten sie, und Rachel wünschte sich, er würde sie nie wieder loslassen. Schließlich zog er seine Hand zurück, und sie spürte, dass sie leicht errötete. „Ich bin Rachel. Und es tut mir leid … wegen Ihres Bruders. Ist er Soldat gewesen?“ „Er war Pilot bei der Royal Air Force. Abgeschossen im Nahen Osten“, erwiderte Orlando knapp. „Wie furchtbar“, sagte sie leise. Dort, wo er sie berührt hatte, spürte sie ein seltsames Kribbeln. Gelassen zuckte er mit den Schultern. „So etwas...