Grober | Die Sprache der Zuversicht | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Grober Die Sprache der Zuversicht

Inspirationen und Impulse für eine bessere Welt
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-96238-922-2
Verlag: oekom verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Inspirationen und Impulse für eine bessere Welt

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-96238-922-2
Verlag: oekom verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Angesichts zahlreicher Krisen droht sich ein dumpfes Gefühl von Resignation breitzumachen. Was wir jetzt brauchen, ist neue Kraft - und vor allem Zuversicht. Die Quelle dafür tragen wir in uns: unsere Sprache. Sie hat die Macht, Dinge in Dunkelheit oder Licht zu kleiden, mit Beklemmung oder Hoffnung zu füllen. In seinem neuen Buch begibt sich Ulrich Grober auf eine unterhaltsame und philosophische Reise durch unsere Sprache und feiert die Magie, die ihr innewohnt. Er legt die Tiefenschichten elementarer Wörter offen, erinnert an ikonische Bilder und lotet das Potenzial von Redewendungen aus, unsere Vorstellungskraft in Gang zu setzen und der Zukunft eine neue Richtung zu geben. Aus dem Verborgenen der Wörter eröffnet er überraschende Zugänge zu den Herausforderungen unserer Zeit: die Kunst, mit wenig auszukommen. Das Vermögen, sich von der Welt verzaubern zu lassen. Empathie. Nachhaltigkeit. Furchtlosigkeit. Kapitel für Kapitel webt er so ein Netz der Zuversicht für diese höchst prekären Zeiten.

Ulrich Grober arbeitet als Publizist und Buchautor auf dem Themenfeld Ökologie & Nachhaltigkeit. Sein besonderes Anliegen ist die Verknüpfung von kulturellem Erbe und Zukunftsvisionen. Er schrieb für DIE ZEIT, taz, greenpeace magazin, Deutschlandradio, WDR und viele andere Medien. Seine Vortragstätigkeit führte ihn quer durch Deutschland und die europäischen Nachbarländer. Bei oekom erschien zuletzt »Der leise Atem der Zukunft« (2018).
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Annäherungen


Die Zeit, so scheint es, ist aus den Fugen. Die Schocks der laufenden Ereignisse lösen Tag für Tag neues, lähmendes Entsetzen aus. Sie bringen uns dazu, die dunkelsten Bilder aus dem kollektiven Gedächtnis abzurufen. Etwas Kostbares droht hier und jetzt zu zerbrechen: der Glaube an die Zukunft. Dieses Buch möchte einladen, innezuhalten und einen Schritt zurückzutreten, um zu versuchen, aus der Distanz eine neue Perspektive zu gewinnen.
An jenem Wintermorgen 2022, als Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, gab es das Gefühl, man sei in einer anderen Welt aufgewacht. Die Regierung rief eine Zeitenwende aus. Mit anderer Welt verband ich bis dahin – und verbinde ich immer noch – Bilder von jungen Menschen mit leuchtenden Augen. Ich höre ihre Sprechchöre auf den Klima-Demos: »Eine andere Welt ist möglich!« Mit Zeitenwende assoziierte ich die Einteilung der historischen Zeit in vor und nach Christi Geburt. Oder ich dachte an die »Gezeitenwende«, den Wechsel von Ebbe und Flut, wie er sich seit Ewigkeiten in stetem, majestätischem Rhythmus unter dem Einfluss der Mondenergie Tag für Tag und Nacht für Nacht an den Küsten der Ozeane abspielt. Kriege aber sind keine Naturgewalten. Sie sind menschengemacht. So wie Erderwärmung, Artensterben, Pandemien und andere Erscheinungsformen der multiplen Krise, die uns in ihrem Bann hält. Diese Zeitenwende, so scheint mir, ist überhaupt keine Wende. Sie bedeutet vielmehr ein »Weiter so« in alten Mustern, nämlich in der Logik imperialer Geopolitik des 19. und 20. Jahrhunderts. Diese ist heute zutiefst aus der Zeit gefallen. Im 21. Jahrhundert ist sie nicht nur – wie schon immer – zutiefst unethisch, sondern auch zutiefst irrational. Denn angesichts der existenziellen Herausforderungen der Zukunft können wir uns Kriege schlicht und einfach nicht mehr leisten. Es sei denn, wir wollten es tatsächlich auf eine »Endzeit« – Apokalypse – ankommen lassen.
*
Ich bin Wanderer und weiß: Wenn du merkst, dass du die Orientierung verloren hast, dich verirrt hast, ist der erste Impuls, einfach weiterzugehen. Entweder willst du dir aus Trotz und Stolz nicht eingestehen, dass du irgendwann, irgendwo einen Fehler gemacht hast. Oder du bist in eine Art Panik geraten und klammerst dich an die Hoffnung, dass vor dir im nächsten Moment doch wieder vertraute Landmarken in Sicht kommen. Erst jetzt machst du den entscheidenden Fehler. Je länger du dich nämlich in die falsche Richtung bewegst, desto weiter entfernst du dich von deinem Ziel. Kleine Kurskorrekturen helfen da nicht. Das Klügste, was du jetzt tun kannst, ist die Umkehr. Du musst zurückgehen bis zu dem manchmal weit zurückliegenden Punkt, zu der Weggabelung, wo du wieder auf sicherem Gelände bist. Erst von dort aus kannst du dir den richtigen Weg suchen, den du beim ersten Mal verpasst hast. Einen, der dich zum Ziel führt.
*
Mit den Wörtern Wende und Wendezeit verbindet sich eine radikale Hoffnung auf eine tatsächliche Umkehr. Eine solche Zeit nannten die alten Griechen*) Kairos: der günstige Moment, das Zeitfenster, in dem sich neue Möglichkeitsräume auftun. Und damit alternative Pfade in ein unbekanntes Terrain – die Zukunft.
Ein solches Zeitfenster öffnete sich vor jetzt fünfzig Jahren. Es ist ein halbes Jahrhundert, zwei Generationen, her. Auf dem bis heute letzten bemannten Flug zum Mond, im Dezember 1972, kehrten die drei Astronauten ihren Blick um und sahen durch die Schwärze des Weltalls hindurch … »den schönsten Stern am Firmament«. In diesem Moment entstand das ikonische Foto des blauen Planeten. Es war ein epochales Bild: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte sah die Menschheit die Erde, ihren Heimatplaneten, von außen. Die ganze Erde, in ihrer vollen Schönheit, Einzigartigkeit und Zerbrechlichkeit. Magischer Augenblick. Wende zu einer Großen Transformation?
Die Umkehr des Blicks erzeugte ein Wir-Gefühl, das nicht mehr nur auf den Nahraum begrenzt war, sondern die ganze Erde mit einschloss. Das Bild des scheinbar schwerelos im All schwebenden blauen Planeten vermittelte eine Art Flow-Gefühl. Man spürte etwas von der Leichtigkeit des Seins: »Das Leben ist gut.« Nur ein kurzer Satz. »Life is good« prangt in den USA auf T-Shirts und Baseballkappen. Ist das banal? »Wie es auch sei, das Leben, es ist gut«: Diesen Vers schrieb Goethe vor fast zwei Jahrhunderten in dem Gedicht Der Bräutigam. So bekommt die Aussage Tiefe: Das Leben ist es wert, gelebt zu werden. Es ist lebenswert, liebenswert, bejahenswert. Es ist von Bedeutung. Wie es auch sei! Auch mit den unvermeidbaren Anteilen von Leid, Schmerz und Verzweiflung.
Die Erde ist der schönste Stern am Firmament. Und: Das Leben ist gut. Das sind die beiden Setzungen, die dieses Buch vornimmt. Das ist der Rahmen, den dieses Buch vorschlägt. Es ist – unhintergehbar, nicht zu beweisen – der Nullpunkt, den es fruchtbar machen will. In diesen Grundannahmen und diesem Grundvertrauen, denke ich, liegen die Quellen aller positiven Energien. Die anderen Fragen schließen sich an: Was macht das Leben nachhaltig, verleiht ihm Bedeutung? Für was lohnt es sich, mit Hingabe zu arbeiten und manchmal alles einzusetzen, was man hat, kann und ist? Was gibt Zuversicht? Die Überzeugung von der Wirksamkeit des eigenen Tuns ist jedenfalls ein wichtiger Faktor. Eine alte Erfahrung: Erfolgreich kämpfst du nur für etwas, nicht bloß gegen etwas. Lässt sich in einen solchen Rahmen der tagtägliche Horror einordnen – und positiv verarbeiten?
*
Wir erleben gerade, was die Astronauten der Mondmissionen vor 50 Jahren beim Anblick des Planeten mit dem Wort Zerbrechlichkeit ausdrücken wollten: Das »Netz des Lebens«, die Biosphäre, diese hauchzarte Hülle, die alles Leben hält und trägt und immer wieder neu ermöglicht, droht an vitalen Knotenpunkten zu reißen. Lebensspendende Kräfte der Biosphäre wie Klima, Gewässer, Wälder, Böden und Biodiversität könnten bald »Kipp-Punkte« erreichen, von denen aus keine Umkehr mehr möglich ist. In unserer Lebenszeit, unter unseren Augen, live über die sozialen Medien gesendet, könnten lebenserhaltende Systeme kollabieren. Rette sich, wer kann?
Der russische Schriftsteller Daniil Granin zog aus seinen Erlebnissen als Soldat während der mörderischen Belagerung von Leningrad durch die deutsche Wehrmacht einen ganz anderen Schluss: »Diejenigen, die andere retteten, die sich um andere kümmerten, ihnen halfen, … die mit letzter Kraft ihre Pflicht erfüllten … sie überlebten häufiger.« Es stimmt, Horror und Verzweiflung, Gier und Egoismus sind ein Teil der Realität. Schönheit, Empathie, Nachhaltigkeit aber – die Möglichkeitsräume – sind eine mindestens ebenso starke Realität. Eine einfache Feststellung: Die Mehrzahl der Menschen überall auf der Welt ist freundlich, friedfertig und hilfsbereit. Oder?
»Rätta jorden« (Greta Thunberg), die Erde retten, ist möglich. Aber es erfordert das Vertrauen, dass es die Wege gibt, und die Kraft, umzukehren und sie zu betreten. Zuversicht ist eine Ressource, mit der wir in diesem historischen Moment besonders achtsam umgehen, die wir nähren sollten. Denn wir brauchen sie für das, was kommt. Sie darf nicht illusionär sein. Leere Worte helfen nicht weiter. Ein nur gut gemeintes Bla, bla, bla stärkt niemanden. Basis von Zuversicht ist ein Grundvertrauen in die Güte der, wenn man so will, Schöpfung oder der Evolution, ein Grundvertrauen in die Güte des Lebens, in die eigene Kraft und die Kraft des »Wir«. Ein solches Vertrauen zu bilden, muss früh anfangen. Es ist der Kern von frühkindlicher Bildung. Selbst im tiefsten Zweifel, so scheint mir, wäre eine Haltung angebracht, die mittelalterliche Mönche mit dem Satz »credo, quia absurdum« umrissen: Ich glaube es, auch wenn es absurd ist.
*
»Die Zukunft ist ein unbetretener Pfad«, sagt ein tibetisches Sprichwort. Jeder und jede von uns verfügt über ein Navigationssystem, um sich auf diesem Terrain zu bewegen. Davon erzählt dieses Buch. Es handelt von der orientierenden Kraft der Sprache und der Energie ihrer Wörter. »Alle Menschen tragen einen Vorrat an Wörtern mit sich, den sie dazu einsetzen, ihre Handlungen, ihre Überzeugungen, ihr Leben zu rechtfertigen.« Es sind diejenigen Wörter, so der amerikanische Philosoph Richard Rorty, in denen wir »unsere Zukunftspläne, unsere tiefsten Selbstzweifel und höchsten Hoffnungen« formulieren.
Die Sphäre der zwischenmenschlichen Beziehungen lebt von der Sprache und vom Erzählen, von unseren Narrativen, unserem Storytelling. Es führt uns von der Ich-Du-Verbundenheit zum Wir. Von der Familie, der Nachbarschaft, dem lokalen Gemeinwesen bis zum »globalen Dorf«. Unsere Werte und Ideale bilden sich über die Sprache. Auch die Intimität zwischen Mensch und Natur entsteht über die Sprache. Unser Geist entfaltet sich an der lebendigen Natur, der wir zugehören. Selbst deren Stille ist beredt, wenn wir die »Signaturen«, die Zeichensprache der Lebewesen und der Dinge, neu wahrnehmen, deuten, davon erzählen können.
Sprache ist ein offenes System, ein Gemeingut, das Wichtigste, was wir haben. Unser Vokabular lenkt unser Denken. Der gesamte Wortschatz, über den wir aktiv und passiv verfügen, vor allem aber der kleine Vorrat an Wörtern, die man aus dem großen Ganzen im Laufe seines Lebens für sich auswählt und besonders wertschätzt. Lässt sich dieses Vokabular flexibel gestalten, zukunftsfähig machen? Denn was wir als...


Grober, Ulrich
Ulrich Grober arbeitet als Publizist und Buchautor auf dem Themenfeld Ökologie & Nachhaltigkeit. Sein besonderes Anliegen ist die Verknüpfung von kulturellem Erbe und Zukunftsvisionen. Er schrieb für DIE ZEIT, taz, greenpeace magazin, Deutschlandradio, WDR und viele andere Medien. Seine Vortragstätigkeit führte ihn quer durch Deutschland und die europäischen Nachbarländer. Bei oekom erschien zuletzt »Der leise Atem der Zukunft« (2018).



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