Grözinger | Jüdisches Denken: Theologie - Philosophie - Mystik 3 | Buch | 978-3-593-37514-4 | www.sack.de

Buch, Deutsch, 680 Seiten, Format (B × H): 167 mm x 235 mm, Gewicht: 1176 g

Grözinger

Jüdisches Denken: Theologie - Philosophie - Mystik 3

Von der Religionskritik der Renaissance zu Orthodoxie und Reform im 19. Jahrhundert
Nachdruck 2021
ISBN: 978-3-593-37514-4
Verlag: Campus Verlag GmbH

Von der Religionskritik der Renaissance zu Orthodoxie und Reform im 19. Jahrhundert

Buch, Deutsch, 680 Seiten, Format (B × H): 167 mm x 235 mm, Gewicht: 1176 g

ISBN: 978-3-593-37514-4
Verlag: Campus Verlag GmbH


In Band 3 zeigt Karl Erich Grözinger, wie sich das italienische Judentum bereits ab dem 16. Jahrhundert, gut 200 Jahre vor der Aufklärung im mitteleuropäischen Judentum, den modernen Wissenschaften und Künsten öffnete und damit das jüdische Denken in Europa grundlegend veränderte. Verstärkt wurde die daraus resultierende religiöse Unsicherheit noch durch den Zuzug der von der iberischen Halbinsel stammenden sephardischen sowie zwangsgetauften Juden. All dies führte zu einer Religions- und Traditionskritik, die in Spinoza ihren letzten Höhepunkt fand. Parallel entstand, besonders in Osteuropa, eine 'orthodoxe' und zugleich innovative Restrukturierung der rabbinischen Tradition. Die Berliner Aufklärung um Moses Mendelssohn trug die vom Mittelmeerraum ausgegangenen Debatten ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in das deutsche Judentum. Hieraus entstand die in der gesamten Neuzeit virulente Auseinandersetzung um Gesetz oder Glaube als dem Zentrum des Judentums, die in die bis heute andauernde Trennung in Reform und Orthodoxie mündete.

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INHALT

VORWORT 17

EINFÜHRUNG - GESCHICHTE UND KULTUR DES NEUZEITLICHEN JUDENTUMS 21

1. Jüdische Neuzeit zwischen Mittelalter und Aufklärung 21
2. Aufklärung und Emanzipation (1750-1900) 22
3. Die demographische und politische Situation zu Beginn der Neuzeit 23
4. Die kulturelle und mentale Situation des neuzeitlichen Judentums 26
4.1 Historiographische Bewertungskriterien 26
4.2 Sefardim, Aschkenasim, "Marranos" und andere 28
4.3 Universitäten, Wissenschaften, Rabbiner und jüdische Ärzte 30
4.4 Die neuen Wissenschaften im aschkenasischen Raum 32
4.5 Wissenschaft, Philosophie und Theologie 32
4.6 Historiographie, Autobiographie und Kunst 35
4.7 Traditions- und Religionskritik 37
4.8 Die Rolle der Kabbala 38
4.9 Erziehung, Bildung und Sprachen 41
4.10 Musik, Literatur und Theater 42
4.11 Messianische Bestrebungen und Bewegungen 44
4.12 Die Kodifizierung des jüdischen Rechts 45

DAS RINGEN UM DIE VIELFALT WIDERSPRÜCHLICHER WAHRHEITEN IM ITALIEN DER FRÜHEN NEUZEIT 47

I. ERSTE ANZEICHEN DER VERÄNDERUNG - VORBEMERKUNG 47
II. 'ASARJA (BUONAIUTO) DEI ROSSI (CA. 1511 - CA. 1578) UND SEIN ME'OR 'ENAJJIM 49

1. Leben und Werk 49
2. Historiographische Essays aus jüdischen und nichtjüdischen Quellen 50
3. Prisca theologia und historische Wahrheit 51
4. Ideengeschichte 55

III. DIE ENZYKLOPÄDISTEN 59

A. Anlässe und Ziele der Stoffsammlungen 59
B. Josef Schlomo Delmedigo (1591-1655) und 'Elija Delmedigo (1460-1497) 62
1. Vorbemerkung 62
2. 'Elija Delmedigo - Leben und Werk 62
3. Josef Schlomo Delmedigo - Leben und Werk 65
4. Die Schriften Josef Schlomo Delmedigos 66
5. Arten des Wissens - die Lehren von der doppelten und dreifachen "Wahrheit" 68
5.1 Josef Delmedigos Konzeption 68
5.2 'Elija Delmedigos Konzeption 72
6. Josef Delmedigo und die Kabbala 76
7. Das Ende des mittelalterlichen Aristotelismus - Josef Delmedigos Kritik und Neusetzung 79
7.1 Materie, Form und Seele 79
7.2 Die Separaten Intellekte der Aristoteliker 83
C. Tuvja Ha-Kohen (1652-1729) 85
1. Ma'ase Tuvja - eine medizinisch-philosophische Enzyklopädie 85
2. Zielsetzung des Buches - Bildung der Juden 88

TRADITIONS- UND RELIGIONSKRITIK 93

I. LEONE MODENA DI VENEZIA (1571-1648) - ZWISCHEN RABBINISCHER TRADITION, KUNST,

PHILOSOPHIE, KABBALA UND CHRISTENTUM 93

1. Biographische Notiz 93
2. Kol Sachal - Stimme eines Toren 93
2.1 Autorschaft und Geschichte des Buches 93
2.2 Der Charakter der Schrift Kol Sachal 96
2.3 Die philosophische Theologie des Kol Sachal 97
3. Die Offenbarung und die Bedeutung der Tora 108
4. Das Naturrecht 111
5. Die Schriftliche und die Mündliche Tora 114
5.1 Die neue Hermeneutik 114
5.2 Das Fehlen einer ununterbrochenen Traditionskette 117
5.3 Die beschränkte Autorität des Obergerichtshofes in Jerusalem 119
6. Der neue Schulchan 'Aruch 122
7. Vernunft und Offenbarung, ihr Ort im jüdischen Leben 124
7.1 Der biographische Befund 124
7.2 Die Offenbarung 127
7.3 Die Vernunft 130
8. Die Geschichte als hermeneutische Kategorie 133

II. URIEL DA COSTA (ACOSTA) (1583/4-1640) 136

1. Das Exemplarische des Falles Uriel da Costa 136
2. Biographisches - Rückkehr zum Judentum und Konflikt 138
3. Da Costas marranische Religion 142
4. Die Thesen wider die rabbinische Tradition 144
5. Das Naturrecht 150
6. Der Traktat wider die Unsterblichkeit der Seele 152
7. Biblische Literaturkritik 156

III. BENTO BARUCH BENEDICTUS DE SPINOZA (1632-1677) 158

1. Biographisches 158
2. Spinoza - ein Vertreter des jüdischen Denkens? 159
3. Vernunft und Offenbarung 162
4. Die Traditions- und Religionskritik Spinozas 164
4.1 Die Prophetie 166
4.2 Das Zeugnis der Schrift 170
4.3 Die Prophetie nach dem Zeugnis der Schrift 171
4.4 Die Propheten nach dem Zeugnis der Schrift 174
4.5 Das neue Auslegungsparadigma und die neue hermeneutische Technik Spinozas 177
4.6 Biblisch-jüdische Theologoumena im Lichte des spinozanischen Verstehensparadigmas 184
5. Die Philosophie Spinozas 192
5.1 Grundlinien 192
5.2 Die Lehre von der Erkenntnis 196
5.3 Die intelligible und ausgedehnte Substanz 202
5.4 Der Mensch 218

RESTAURATIV-INTEGRATIVE ORTHODOXIE DER VORAUFKLÄRUNG 229

I. VORBEMERKUNG - WAS IST JÜDISCHE ORTHODOXIE? 229

II. DIE HAGGADA ALS THEOLOGISCHE MITTE DES JUDENTUMS -

JEHUDA LIWAJ BEN BEZALEL - MAHARAL VON PRAG (1512/26-1609) 233

1. Der Maharal als Schöpfer des Golem 233
2. Zwischen Worms, Posen, Nikolsburg und Prag 235
3. Die Schriften des Maharal 236
4. Ziele und Positionen: Tradition - Philosophie - Kabbala 237
5. Kritik der Philosophie und "Kritik der reinen Vernunft" 243
6. Natürliche und spirituelle Erkenntnis in einem zweigeteilten Sein - menschlicher und göttlicher Intellekt 246
7. Das zweigeteilte Sein 251
7.1 Das neoplatonische Erbe 251
7.2 Das intelligible Sein - die Tora 252
7.3 Die natürliche Welt und ihre Ursachen 254
7.4 Materie und Form - ontologisch-moralische Qualitäten 256
8. Gott und die Schöpfung 257
9. Der Mensch 261
9.1 Der Mensch als "Ebenbild Gottes" 261
9.2 Körper, Seele und Intellekt 265
9.3 Unvollkommenheit und Vollendung von Welt und Mensch 267
10. Israel 273
11. Der Messias 276

III. TRANSFORMATION DER THEOLOGISCH-PHILOSOPHISCHEN SCHOLASTIK IM RELIGIÖSEN GOTTESDIENST -

MOSES ISSERLES (1525/30-1572) 281

1. Biographisches und Bedeutung 281
2. Die Transformation von Philosophie und Kabbala in Religion 283
3. Die Entsprechung von Tempel und "Sein" - nach dem Bild der mittelalterlichen Ontologie 285
4. Die Kabbala entspricht der Philosophie 289
5. Gott - ein Kaleidoskop verschiedener Traditionen 292
6. Der Mensch und sein Ziel in dieser Welt - das Gesetz 295
7. Die Halacha als Abbild der Schöpfung - halachische Ebenbildlichkeit 298
8. Die "Glaubensartikel" - 'Ikkarim, nach Maimonides, 'Albo und Isserles 300
8.1 Bedingungen des Heils - Grundsätze ('Ikkarim) des Glaubens 300
8.2 Die Prinzipien des göttlichen Rechts nach Josef 'Albo 306
8.3 Die Transformation der theologisch-philosophischen Scholastik in religiösen Gottesdienst bei Moses Isserles 309

IV. TORAFRÖMMIGKEIT - HAJJIM AUS WOLOSCHYN (VOLOZHIN; 1749-1821) 313

1. Biographisches - die neue Jeschiva 313
2. Die Lehren des Rabbi Hajjim 315
2.1 Die Grundlagen 315
2.2 Gott 317
2.3 Der Mensch 324
2.4 Die Tora 331
2.5 Der wahre Gottesdienst - das Studium der Halacha 333
2.6 Studium der Tora um ihrer selbst willen - ist das die Devekut? 335

HASKALA - DIE JÜDISCHE AUFKLÄRUNG 343

I. EINFÜHRUNG 343

II. DER NATURWISSENSCHAFTLICH-EMPIRISTISCHE ANSATZ -

MORDECHAI GUMPEL SCHNABER-LEVISON (1741-1797) 350

1. Biographisches 350
2. Die Beziehungen zur zeitgenössischen Philosophie, insbesondere zu John Locke 351
3. Die neuen Wissenschaften und die Tora 353
4. Physiko-Theologie statt Metaphysik 357
5. Proto-Darwinismus - die Hierarchie der Geschöpfe 363
6. Der Mensch 365
6.1 Der Mensch und seine Seele 365
6.2 Die Auferstehung der Toten 367
7. Gott 368
8. Wahrheit und Glaube 370
8.1 Die Wahrheit 370
8.2 Der Glaube 373
9. Die Prophetie 375
10. Die Notwendigkeit der Tora und ihrer Gebote 377

III. DER RELIGIONSPOLITISCHE ANSATZ - MOSES MENDELSSOHN (1729-1786) 380

1. Biographisches - Konversionsdruck von außen 380
2. Religion und Staat - Definitionen und Aufgaben - die Stellung des Judentums 385
3. Die Religion der Vernunft - oder die natürliche Religion 388
3.1 Die Grundzüge aller vernünftigen Religion 388
3.2 Grundlehren der natürlichen Religion 391
3.3. Der Mensch 396
4. Das Judentum 404
4.1 Judentum als offenbartes Gesetz 404
4.2 Wahrheit und Offenbarung 407
4.3 Die Offenbarung des Judentums 410

IV. DER RELIGIONSWISSENSCHAFTLICHE ANSATZ - SAUL ASCHER (1767-1822) 417

1. Das Wesen des Judentums: Gesetz oder Glaube? - Die Zielsetzung des Leviathan 417
2. Religion als Gegenstand der Religionsphilosophie 420
3. Das Wesen der Religion 421
4. Offenbarungsreligion und der Glaube 425
4.1 Die transzendente Grundlage der Offenbarung 425
4.2 Der menschliche Glaube als Grundlage der Offenbarung 425
5. Der Glaube und die Vernunft - zwei eigenständige Erkenntnisweisen 427
6. Die Phasen und Typen des Glaubens 430
7. Gesetz und Glaube - ihr Verhältnis zueinander 435
8. Die Reform des Judentums - Möglichkeiten und Grenzen 437

V. DER HISTORISCHE ANSATZ - WISSENSCHAFT DES JUDENTUMS - NACHMAN KROCHMAL (1785-1840) 444

1. Vorbemerkung 444
2. Biographisches 444
3. Der More Nevuche ha-Seman - "Führer der Irrenden dieser Zeit" 446
3.1 Charakter und Ziel des Werkes 446
3.2 Die "Irrenden dieser Zeit" 447
4. Die Wege zum neuen Verstehen 450
4.1 Das Wissen um die menschlichen Erkenntnisstufen und um die Geschichte - die Grundwissenschaften 450
4.2 Die Entfaltung und Entstehung des menschlichen Wissens 453
4.3 Das Ziel der Erkenntnis des Menschen - das Geistige 454
5. Der Geist eines Volkes als sein "Gott" - und Israels Gott, der "absolute Geist" 458
6. Gott als neoplatonischer Allgeist in neo-idealistischer Version 462
7. Die Geschichte 466
7.1 Die Geschichte als Lehrstück, das in die Herzen dringt 466
7.2 Die Geschichte der Völker und die Geschichte Israels - ein Lehrstück 467
8. Die Mündliche Tora 471
8.1 Die Halacha 471
8.2 Die Haggada 475

NEUORIENTIERUNG NACH DER AUFKLÄRUNG UND KONFESSIONALISIERUNG DES JUDENTUMS 477

I. SUCHE NACH WEGEN AUS DEM VON DER AUFKLÄRUNG HERBEIGEFÜHRTEN DILEMMA

JÜDISCHER IDENTITÄT 477

1. Idealistische Philosophie und Historiosophie - Wege der Neudefinition des Judentums 477
1.1 Judentum ein Volk oder eine Religion? 477
1.2 Zum Begriff der Religion 480
2. Die Einheit Gottes 484
3. Die geschichtliche Hermeneutik oder die "dogmatische Historiosophie" 485

II. UNBEWUSSTER WANDEL IM SELBSTVERSTÄNDNIS DES JUDENTUMS 489

1. Synagogenordnungen 489
1.1 Gründe für das Entstehen von Synagogenordnungen 489
1.2 Die Selbstbezeichnungen 491
1.3 Der Rabbiner 491
1.4 Die Synagoge 493
1.5 Der Gottesdienst 494

III. JUDENTUM ALS RELIGION DER TORA - DIE NEOORTHODOXIE - SAMSON RAPHAEL HIRSCH (1808-1888) 496

1. Samson Raphael Hirsch, seine Neunzehn Briefe über Judentum und seine Gemeinde 496
1.1 Biographisches 496
1.2 Die Neunzehn Briefe über Judentum und Hirschs Gemeinde 496
2. Die Geschichte als Grundlage des Glaubens 498
3. Die Lehren der Geschichte laut der Bibel 502
3.1 Der Schöpfer und die Schöpfung 502
3.2 Der Sinn der Schöpfung 505
3.3 Der Mensch 507
3.4 Die Menschheitsgeschichte und der göttliche Erziehungsplan 510
4. Kritik an Rabbinismus, Philosophie und Teilen der Kabbala 515
5. Ein Judentum von Gebot mit Geist 516
6. Die Tora als jüdische Lebensregel - der Chaurew 518
6.1 Der Chaurew als literarische Gattung - Sefer ha-Mizwot 518
6.2 Die Systematik der 613 Gebote bei Hirsch 522
6.3 Die Botschaft der sechs Gebotsgruppen 525

IV. JUDENTUM ALS RELIGION DES GEISTES - SALOMON FORMSTECHER (1808-1889) 538

1. Biographisches 538
2. Die Religion des Geistes 538
3. Gott und die Welt 541
4. Natur und Geist 544
4.1 Natur und Geist, deren universale und individuelle Existenz 544
4.2. Die Wirkungen des Geistes in dieser Welt - Wissenschaft und Offenbarung, Ästhetik und Ethik 548
5. Heidentum und Judentum 561
6. Prophetie, Heilige Schrift und Tradition 564
7. Die mosaische Vision der Staatsgründung als Theokratie 565
8. Die Rolle und Bedeutung der Gebote und Zeremonien 567
9. Die Geschichts-Philosophie 569
10. Christentum und Islam als "getarnte" Sendboten des Judentums 574

V. JUDENTUM DES GEFÜHLS, DES BEWUSSTSEINS UND DER THEOLOGISCHEN WISSENSCHAFT - ABRAHAM GEIGER

(1810-1874) 578

1. Biographisches 578
2. Wissenschaft und Jüdische Theologie 579
3. Geigers Judenthum und seine Geschichte als theologisches Werk 582
4. Das Wesen der Religion und das Wesen des Menschen 583
5. Der Mensch als Ebenbild Gottes 591
6. Die Offenbarung - deren anthropologische und ethnische Grundlage 593
7. Das Wirken des Geistes in der Geschichte Israels - Offenbarung und Tradition 601
8. Die theologischen Errungenschaften des Judentums 605
8.1 Gott als Idee der Sittlichkeit 605
8.2 Gott als das "Sein" 607
9. Gebot und Gottesdienst im Dienste des religiösen Bewusstseins 610
10. Die Reform des Gottesdienstes 611
11. Die Stellung der Gebote 613

VI. JUDENTUM ALS RELIGION DER VERNUNFT - HERMANN COHEN (1842-1918) 617

1. Biographisches 617
2. Das Wesen der Religion 619
2.1 Wahre Religion als philosophischer Monotheismus 619
2.2 Der Anteil der Religion an der Logik 619
2.3 Der Anteil der Religion an der Ethik und die "Eigenart" der Religion 623
2.4 Das Verhältnis der Religion zur Ästhetik 627
2.5 Der Anteil der Religion an der Psychologie 628
3. Die Korrelation als methodische Grundlage jeglicher Rede von Gott, Welt und Mensch 630
3.1 Die Lehren von Gott 635
3.2 Der Monotheismus und die Frage der "Schöpfung" 636
4. Der Mensch 640
4.1 Cohens Menschenbild und die Tradition 640
4.2 Der von der Ethik kommende Anteil am Menschenbild 641
4.3 Der von der Religion kommende Anteil am Menschenbild 645
4.4 Vom Messias zur Messiasidee - zum Messianismus 646
4.5 Die Unsterblichkeit der Seele 649
5. Offenbarung und Gesetz 653
5.1 Die Bedeutung von Offenbarung und Gesetz 653
5.2 Der Inhalt der Offenbarung 654

REGISTER 659


Die Zeit, in der man das jüdische Mittelalter mit Moses Mendelssohn oder der Haskala, also der jüdischen Aufklärung, zu Ende gekommen sah, ist endgültig vorüber, dafür ist dieser Band ein eindrückliches Zeugnis. Das europäische Judentum ist nicht nur Judentum in Europa, sondern seinem Wesen und seiner Kultur nach europäisches Judentum. Das hatte zwar schon das in Band eins und zwei Dargestellte gezeigt, aber die innerjüdischen Veränderungen in der Neuzeit bele-gen mit unwiderlegbarem Nachdruck, wie eng verzahnt das europäische Judentum, trotz aller Ausgrenzungen, Vertreibungen und Pogrome, mit der allgemeinen kulturellen Entwicklung in Europa war. Auch wenn die Schrittmacher zuweilen nur Einzelne waren, und sie waren es nicht immer, so war das doch auch im christlichen Europa kaum anders. Das neue Denken in Philosophie, Wissenschaft und anderen Kulturbereichen hielt stets mit der allgemeinen Entwicklung Schritt, so dass sich auch für das europäische Judentum eine klar abgegrenzte Kultur der Neuzeit erkennen lässt, in deren Rahmen die jüdische Aufklärung letztlich nur ein weiterer Schritt war und nicht ein Umbruch von einem angeblich verlängerten Mittelalter. Dem Ende dieser Neuzeit kann indessen eine gewisse Phasenverzögerung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zugebilligt werden, weshalb dieser Band mit dem philosophischen Höhepunkt des deutsch-jüdischen Denkens abschließt, mit dem Marburger und Berliner Neu-Kantianer Hermann Cohen, der im April 1918 gegen Ende des Ersten Weltkrieges gestorben war. Mit den dem Krieg folgenden Umbrüchen, der Weimarer Zeit, dem erstarkenden Antisemitismus, der drohenden Katastrophe und den verstärkten zionistischen Bestrebungen, bricht auch kulturell und philosophisch eine andere Zeit in der Geschichte des jüdischen Denkens an. Mit dem Tod Cohens wurden die mit der Aufklärung gewachsenen optimistischen Aussichten des neuzeitlichen europäischen Judentums zu Grabe getragen.
Das deutliche Profil der jüdischen Neuzeit und die große Fülle an denkerischen Leistungen, von denen hier nur ein bedauerlich schmaler Ausschnitt gezeigt werden kann, hatten zur Folge, dass Autor und Verlag entschieden, dem ur-sprünglich auf drei Bände ausgelegten Werk einen vierten für die Moderne bis zur Gegenwart folgen zu lassen.

Viele bekannte und wichtige Namen, die teilweise wenigstens in der Einfüh-rung oder in den Fußnoten genannt werden konnten, wird man in der hier gebotenen ausführlicheren Darstellung vermissen. Aber das Ziel war, wie in den vorangegangenen Bänden, in einem vertretbaren Umfang ein gewisses repräsentatives Bild zu zeichnen, Grundlinien aufzuzeigen und angesichts der Vielfalt der unterschiedlichen Richtungen und Strömungen eine erste Orientierungshilfe zu bieten und dabei die voranschreitenden und die bewahrenden Kräfte gleichermaßen zu Wort kommen zu lassen. Dies war umso mehr berechtigt, als auch das konservative Bewahren, die "orthodoxe" Einstellung, nicht einfach eine Weitergabe des Überkommenen bedeutete. Auch das Weitergeben und Hüten der alten Werte konnte doch immer nur durch gewissen Neudeutungen gelingen, weshalb diese Richtung hier als "Restaurativ-integrative Orthodoxie" benannt wurde, weil sie, wie dann auch die Neoorthodoxie des 19. Jahrhunderts, doch etwas Neues im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen war.
Das Überraschende wird für manchen Leser sein, dass Baruch Spinoza, den viele wegen seiner Haltung und seinen Lehren aus dem Kanon des jüdischen Denkens ausgeschlossen sehen wollen, nicht als ein einzelner unbegreiflicher Abtrünniger dasteht, sondern als gipfelnder Abschluss einer Linie, die sich im europäischen Judentum als relativ breiter Strom bis ins 16. Jahrhundert hinab verfolgen lässt. Spinoza ist damit, philosophiegeschichtlich gesprochen, ein inte-grales Glied des jüdischen Denkens. Er steht am Ende des zweiten Teiles, der die Überschrift "Traditions- und Religionskritik" trägt. Dieser Phase der Traditions- und Religionskritik ging eine andere des "Ringens um die widersprüchliche Vielfalt von Wahrheiten" voran. In dieser ersten kritischen Phase wurden nicht nur die aristotelischen Lehren des Mittelalters hinterfragt, sondern auch die sich gegenüberstehenden Wahrheiten von rabbinischer Tradition, Kabbala und Philosophie. Hinzu kamen die neuen Wahrheiten der empirischen Wissenschaften, der Astronomie, der Physik, der Medizin und schließlich auch der Geschichts-Wissenschaft, die teilweise als doppelte Wahrheiten oder in enzyklopädischer Pluralität rezipiert wurden.
Die in der Forschung bisher zuweilen als Ende des Mittelalters dargestellte Haskala (Aufklärung) markiert vor diesem Hintergrund letztlich nur eine weitere Etappe, die zum Teil von analogen Personengruppen, wie zum Beispiel von Ärzten, getragen wurde. Die Aufklärung selbst ist darum auch keine einlinige Bewe-gung, sondern verläuft in mehreren parallelen Strängen, die hier als unterschiedliche Ansätze dargestellt wurden, als naturwissenschaftlich-empiristischer Ansatz, als religionspolitischer, als religionswissenschaftlicher und als historischer Ansatz. Das folgende 19. Jahrhundert erscheint demgegenüber als eine Phase der versuchten Konsolidierung, hier als "Neuorientierung nach der Aufklärung" überschrieben. Jetzt wurden neuerliche Gesamtentwürfe der Deutung des Judentums vorgelegt, die zugleich die durch die Aufklärung vorbereitete "Konfessionalisierung" des Judentums verfestigten. Diese vielfältigen Neuentwürfe von Judentum des 19. Jahrhunderts bedienten sich auf breiter Front der in Deutschland und darüber hinaus angebotenen philosophischen Deutungsparadigmen, deren Herkunft durch die Kapitelüberschriften leicht zu erahnen ist: Judentum der Tora (Neoorthodoxie), und die dem Reformlager zuzurechnenden Entwürfe eines Ju-dentums als Religion des Geistes, Judentum des Gefühls, des Bewusstseins und der theologischen Wissenschaft und schließlich Judentum als Religion der Vernunft.
Natürlich hat in der jüdischen Neuzeit die esoterische Theologie, das heißt die Kabbala, und mit ihr verbundene Formen der Mystik gleichfalls eine wesentliche Rolle gespielt. Darauf wurde in der hier folgenden Einführung hingewie-sen, ihre ausführliche Darstellung findet sich jedoch schon im Band zwei des "Jüdischen Denkens". Dort setzt die Neuzeit mit der für diese nicht unspezifischen lurianischen Kabbala ein. Hierher gehören die für die Magiegläubige Renaissance und Neuzeit typischen Ba'ale Schemot, die in der Einleitung zum Stifter der hasidischen Bewegung, Jisrael Ba'al Schem Tov vorgestellt wurden und schließlich der Hasidismus selbst. Eine eigenwillige Tora-Mystik trug auch der hier im dritten Band zur restaurativ-integrativen Orthodoxie dargestellte Hajjim aus Woloschyn vor.
Ich hoffe, mit dieser Auswahl an Denkern einen für diese Zeit repräsentativen Rahmen gesteckt zu haben, der künftigen Arbeiten zu weiteren Autoren als Anhalt dienen mag. Die lange versprochene Bibliographie muss nun allerdings bis zum vierten Band warten und ich bitte die Leser um Nachsicht, wird sie die hier eingebrachte Ernte doch gewiss dafür entlohnen.


Karl Erich Grözinger ist Professor emeritus für Religionswissenschaft und Jüdische Studien an der Universität Potsdam und war Senior Professor am Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Er ist Vorsitzender der Ephraim Veitel Stiftung, der ältesten und von ihm seit 2007 wiederbelebten jüdischen Stiftung in Deutschland.



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