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Gruber | Der Anfang der Geschichte | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 188 Seiten

Gruber Der Anfang der Geschichte


1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7481-1366-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 188 Seiten

ISBN: 978-3-7481-1366-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In erschreckend einprägsamen Bildern zeichnet der Roman die Bedingungen einer Zeitenwende nach. Von seinem krankhaften Arbeitseifer angetrieben, verliert sich Roberto in den Wirrnissen einer für zeitlos erachteten Epoche. Was so schön nach Freiheit glänzt, das entpuppt sich immer nur als ein weiteres uneinlösbares Versprechen. Als gäbe es dahinter noch eine andere, unangenehme Wahrheit. 2010 erschien von Frank Gruber der kritische Essay 'Dauerstress im göttlichen Apfelgarten', in dem er erstaunliche Parallelen zwischen der Wirtschaftskrise von 2008 und Richard Wagners Oper 'Rheingold' aufdeckt. Seit 2018 stellt er seine Werke unter dem Label 'édition littoral' einer breiteren Öffentlichkeit vor. Es sind dies Prosatexte, Lyrik, Journale, Zeichnungen und Fotografien.

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Die einsetzenden Kriegshandlungen waren für alle in Bosnien lebenden Menschen ein herannahendes Gewitter, dem man entweder auswich oder sich stellte. Noch bevor es darum ging, eine Seite für die seine zu erklären, war es an jedem Einzelnen zu akzeptieren, dass die Festigkeit unter den Füßen nicht so schnell wieder zurückkehren würde. Denn die Hoffnung, von Kampfhandlungen verschont zu bleiben, schwand mit der Bereitwilligkeit der abtrünnigen Völker, das Festhalten des Bundesstaates an der Einigkeit nicht nur zu ignorieren, sondern ihm seine Sturheit ebenbürtig vergelten zu wollen. Spätestens das erste, auf der Terrasse ihres Vorstadthäuschens vernehmbare Wummern aus den Rohren der Artillerie, trichterte den Jevanovics unmissverständlich ein, dass auch sie sich darum zu kümmern hatten, wie von nun an fortzufahren wäre mit der Arbeit, mit dem Haus, mit ihrem bis dahin gekannten Leben. Im Winter/Frühjahr des Jahres 1993 übernahmen Vuk und seine Schwester Nataša infolge des plötzlichen Todes ihrer Mutter Miroslava das am äußersten Stadtrande, mehr dem Lande schon zugeneigte Haus in Mostar als wertvollsten Teil ihrer Hinterlassenschaft. Mira erlag einer erst bei der Obduktion des Leichnams festgestellten Blutvergiftung unbekannter Herkunft. Dass aufgrund der mysteriösen Umstände ihres Todes allerlei Vermutungen in der Gemeinde kursierten, war eine fast schon verständliche Begleiterscheinung gewesen, wenngleich das wechselseitige Anden-Pranger-Stellen der Ethnien bei dem nachsichtigen Gemüt ihrer Mutter wie aus der Luft gegriffen wirkte. Vieles sprach nämlich dafür, dass der alte, zur schnellen Erfrischung von Mira allein genutzte Hausbrunnen infolge krimineller landwirtschaftlicher Praktiken oder eines durch Beschuss leck geschlagenen Tanks – es sollte dies nie restlos aufgeklärt werden – hochgradig verunreinigtes Grundwasser zu Tage förderte. Sowohl bei Nataša als auch Vukomir erbaute sich kein echtes Bedürfnis, nach Öffnung des Testaments prompt an die Stätte ihrer gemeinsam verlebten Kindheit zurückzukehren. Jedoch war, angesichts der noch nicht abzusehenden Entwicklungen im Land, die Möglichkeit, sich der wiederkehrenden Pflicht des Mietzinses entledigen zu können, nebst der ihre Majka widerfahrenen göttlichen Strenge, auch ein Segen des Himmels. Auf die Belagerung Sarajevos hin durfte Nataša, weit entfernt von ihrer Ausbildung als Sprachgelehrte, dank ihrer erstaunlichen Fähigkeiten im Umgang mit Rindersteaks, Lammfilets und anderen fleischlichen Genüssen – das Zubereiten von deftigen Speisen mit dem gewissen Etwas erlernte sie natürlich bei ihrer Mutter – zumindest dann und wann in einer noch geöffneten Taverne im Stadtzentrum von Mostar für Bagatellabfindungen einspringen. Vukomir war vorerst noch an seinem Hader über Herrn Inic von I&B Haustechnik zugange, für den er zuletzt gearbeitet hatte. Obgleich sie sich in dem familiär geführten Kleinbetrieb vorher dafür ausgesprochen hatten, es den anderen nicht gleich tun zu wollen, setzte dieser ihn überraschend vor die Tür. Das war er also, der Leuchtturm in der wild aufschäumenden Brandung, dem Herr Inic in seiner meist umständlichen Sprache das Wort redete!? Am Ende entpuppte sich also auch er nur als ein Kroate, der einem Serben eins auswischen wollte. Der unerwartete Sinneswandel schockierte Vukomir und ließ seinen bis dato standfesten Optimismus, die Verfeindungen wären immer noch auf Ebene der Diplomatie lösbar, zu einem Nichts schwinden. Wenn die friedfertigsten Zellen der Gesellschaft aufhörten, dem Streit der politischen Eliten entgegenzuwirken, dann waren die zum Äußersten bereiten Kräfte durch niemandes Willen mehr zu kontrollieren. Damit, dass sie sich zu einigen wenigen Zentren bündelten und sie die zahlreichen, kreuz und quer liegenden Meinungen wie ein über sie hinwegschwebender Magnet in eine Strich an Strich, gleichförmig habt Acht befohlene Richtung zogen, errangen sie eine nicht mehr zu bändigende Macht. Auf die Enttäuschung hin verkroch sich Vukomir tagelang in seinem alten Zimmer, versuchte dadurch, den alles an sich reißenden Ideologien so wenig Angriffsfläche wie möglich anzubieten, bis er, dem elenden Grübeln überdrüssig, im Getöse der am Horizont unvermindert heftig kämpfenden Stellungen für die Schwester wenig überraschend vermeldete, dass er sein Glück im Ausland suchen wolle. Zwischen Nataša und Vuk brauchte es nicht viel der Worte, um zu verstehen, was nun bevorstünde. Die Trennung empfanden beide als vernünftige, ihren so unterschiedlichen Wesenszügen entgegenkommende Lösung, von der der eine, im Falle eines Scheiterns des anderen, Profit schlagen würde. Bei weiterer Verheerung des Landes etwa würde der Ausgewanderte der vielleicht lebensrettende Anker für die Zurückgebliebene sein. Anders herum hätte diese den Besitzanspruch der Familie gewahrt, wenn sich im Falle einer Besetzung Mostars (oder durch massives Eingreifen einer noch unentschlossenen vierten Macht) das Schlachtfeld entflechtete. Beides zusammen erhöhte die Wahrscheinlichkeit, nicht ohnmächtig in das Verderben hineingerissen zu werden, in dessen Folge sie womöglich in einem der Auffanglager endeten, wie sie hinter den Staatsgrenzen bereits zügig anschwollen. Man wird darüber erstaunt sein, dass nicht etwa das Ausgeliefertsein den Unbilden autorisierten Tötens es war, das man Nataša hätte ausreden wollen, weil doch die Fluten schon gefährlich weit über den Köpfen der Zivilbevölkerung zusammenschlugen. Nein! Anders als gedacht sollte es Vukomirs Flucht sein, die zur wahrlich filmreifen Zitterpartie auf Leben und Tod geraten sollte. Bevor der eigentliche Plan geschmiedet, hatten seine ersten Überlegungen ergeben, es wäre wohl das Beste, von der nahe gelegenen Küste aus, sich nach Italien hin abzusetzen, um damit den Gefechten in größtmöglichem Bogen auszustellen. Weil er aber beileibe nicht der Einzige war, dem diese Idee als besonders verfolgenswert erschien, entbehrte der vermeintlich gefahrlosere Weg über die Adria nicht eines minder großen Risikos, den Krieg dann nicht seiner selbst wegen, sondern gerade in der Absicht seiner Vermeidung mit dem Leben zu bezahlen. Und nicht gekenterte Boote wurden zumeist von italienischen Patrouillen der »Guardia Costiera« aufgegriffen und in die Häfen von Bari, Pescara oder Ancona geschleppt, wo sich die Freude der Grenzbeamten, zumal über serbische Flüchtlinge, in Grenzen hielt. Nach der anfänglichen Euphorie über sein Vorhaben musste Vukomir feststellen, dass er es überhaupt nicht anzustellen wusste, seinen Entschluss in die Tat zu setzen. Zunächst fiel ihm nichts Besseres ein, als an besagtem Küstenstreifen, von einem der zahlreichen Karstvorsprünge, auf gut Glück nach verdächtigen Schiffen Ausschau zu halten. Aber weder das Gesuchte noch irgendetwas anderes befuhr, soweit er blicken konnte, die See. Nach dem dritten Versuch reichte es ihm, und die Enttäuschung ob seines mangelhaften Vorankommens bei dem Wunsche, schon demnächst aus Mostar verschwinden zu können, begann sich langsam in Verzweiflung niederzuschlagen. Es fehlte nicht mehr viel und Vuk hätte auf eigene Faust hin das dinarische Alpenland zu überqueren gesucht, als er durch Zufall in einem Bushäuschen zwei serbische Landsleute über einen ihm bekannt vorkommenden Plan sich unterhalten hörte. Er spitzte die Ohren, um sich dessen zu vergewissern. Der Bus, auf den er wartete, kam ohnehin nicht. Die beiden Männer hörten nach einer Weile auf zu reden, weil sie sich wegen Vuks offensichtlichem Interesse unwohl fühlten. Vuk wiederum bemerkte, dass das Gespräch seinetwegen stockte. Er musste etwas tun. »Dobar dan! Waren Sie schon einmal in Österreich? Es soll dort sehr schön sein!« »So etwas kam uns zu Ohren«, sagte der von beiden grimmiger Dreinschauende nach einer kurzen Pause. Und der andere setzte leise hinzu: »Eine beschwerliche Reise gerade in Zeiten wie diesen, nicht wahr?« Vorsichtig hatte man in der Folge die Ansichten zum Wetter nach und nach gegen Argumente für und wider die politische Lage eingetauscht, bis man sich sicher sein konnte, keinem Nationalisten gegenüberzusitzen. Denn auch wenn sie sich darin einig waren, nichts mehr zu tun haben zu wollen mit den ihren, so entsprach es noch immer der Logik des Krieges, dass der Fahnenflüchtige Verrat an seinem Land begeht. Im Grunde bezweckt er mit seiner Entscheidung ja nichts Geringeres als den Bruch des durch Geburt mit demjenigen Orte verbürgten Bundes, genannt Heimat. Zumal das Ganze in einem Bürgerkrieg für Freund und Feind gleichermaßen zu behaupten wäre, sodass es also gefährlicher ward, dem Krieg gleichgültig gegenüberzustehen, als ihn zur eigenen Sache zu erklären. Antonije und Željko gehörten zu einer Gruppe von Serben, die sich seit Wochen um eine Aufenthaltsbewilligung in Österreich bemühten, weil dort die Einreise wegen der sogenannten »Bosnien Sonderaktion« vergleichsweise einfach geworden war....



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