Gruberová / Zeller | Geboren im KZ | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1998, 215 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Gruberová / Zeller Geboren im KZ

Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I

E-Book, Deutsch, Band 1998, 215 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-62108-6
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Als am 29. April 1945 die Amerikaner das Lager Dachau befreien, stoßen sie zu ihrer größten Überraschung auf sieben Frauen mit Babys. Ein Wunder wird bestaunt inmitten der Zerstörung. Das Buch von Eva Gruberová und Helmut Zeller erzählt die unglaubliche Geschichte von Eva und Miriam, zwei dieser sieben jüdischen Mütter, die verschiedene KZs durch viele glückliche Zufälle überstehen konnten und heute in Kanada und in der Slowakei leben.
Das Buch beginnt mit den frühen 40er Jahren, als die beiden jungen Frauen in Ungarn hoffnungsvoll ihr Leben planen und sich verlieben. Beide werden in den ersten Wochen ihrer Schwangerschaft nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Ohne voneinander zu wissen, durchlaufen Eva und Miriam noch zwei weitere KZs, bis ihre Schwangerschaft Ende November 1944 von der SS entdeckt wird. Sie werden in das Dachauer Außenlager Kaufering I gebracht, wo sie sich kennenlernen. Die Nachricht über die Geburt der Kinder im Winter 44/45 sorgt im Lager, in dem täglich Menschen an Hunger, Typhus, Kälte und Folter sterben, für starke emotionelle Reaktionen. Niemand weiß, warum die SS die Frauen und Babys nicht töten lässt. Während der Evakuierung des Lagers überstehen die Frauen mit ihren Babys auf dem Arm einen Luftangriff der Alliierten und werden schließlich in Dachau befreit. Eva erfährt, dass ihr Mann Géza nicht überlebt hat. Miriam hat mehr Glück, sie wandert mit ihrem Mann und dem Baby nach Kanada aus. Aber alle sieben Mütter finden sich nach dem Krieg wieder.
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Vorwort
Ich kann nicht», sagte Eva Fleischmannová während des ersten Treffens in der Wohnung ihrer Tochter Marika im slowakischen Dunajská Streda. Damals, im Oktober 2007, war Eva 83 Jahre alt. Noch nie hatte sie über die Vergangenheit gesprochen, sogar ihre Tochter wusste nur, dass sie in einem deutschen Konzentrationslager geboren worden war. Fast wäre Eva nicht zu dem vereinbarten Gespräch gekommen, noch dazu mit jemandem, der ausgerechnet in Dachau lebt. Aber sie kam dann doch, weil sie nicht unhöflich erscheinen wollte, bereitete Kaffee und Kuchen, zog sich hübsch an – und schwieg. Erst als sie das Foto mit fünf Frauen und ihren Babys, eine Kopie des Fotos aus der KZ-Gedenkstätte Dachau, sah, brach sie ihr Schweigen. «Ja, das bin ich, die Frau in der Mitte.» Dann beantwortete sie zurückhaltend einige Fragen, sprach von der Selektion an der Rampe von Auschwitz-Birkenau, der ständigen Angst vor der Entdeckung ihrer Schwangerschaft durch die SS und versank wieder in Schweigen. Auf die Frage nach der Geburt Marikas reagierte sie mit einem Achselzucken. «Normal, wie bei jeder Frau.» Sie war offenbar überrascht, dass jemand aus Deutschland anreist, um eine solche Frage zu stellen. Aber so ist Eva Fleischmannová eben. Eine bescheidene Frau, die um ihre außergewöhnliche Geschichte nie Aufhebens gemacht hat. Gerade mal eine halbe Stunde dauerte das erste Gespräch. Dann sagte sie wieder: «Ich kann einfach nicht.» Sie gab uns aber eine Telefonnummer, von Miriam Rosenthal in Toronto, die wie sie und fünf weitere jüdische Frauen im Winter 1944/45 im Dachauer KZ-Außenlager Kaufering I ein Kind zur Welt brachten und überlebten. Miriam und Eva sind heute die letzten, die noch am Leben sind. Nur durch einen Zufall ist das einzige Foto aller sieben Frauen und ihrer Babys gerettet worden. Es ist das Foto auf dem Umschlag dieses Buches. Eigentlich wollte die Besitzerin, eine Unbekannte, den Karton mit dieser Fotografie und ungefähr 25 anderen eines Tages, es war Anfang der 1980er-Jahre, wegwerfen. Aber dann gab sie sie dem Sanitärfachmann McLaughlin, der gerade in Oster Bay in New York auf dem Gehsteig vor ihrem Haus arbeitete. Der Mann behielt aus einer Laune heraus die Fotos und vergaß sie. Zwanzig Jahre später zeigten er und seine Frau an ihrem Alterssitz in Florida das Foto einem jüdischen Nachbarn. Auf sein Drängen hin schenkte Dorothy McLaughlin im Juni 2005 das Foto dem United States Holocaust Museum in Washington. Dann, an einem Tag im Januar 2008, starrte eine Internetbesucherin, Lilian Rosenthal, wie gebannt auf die Website des Museums, fassungslos, dort ein Foto ihrer Mutter zu entdecken, die einzige erhaltene oder bekannte Aufnahme von Miriam Rosenthal, die wenige Wochen nach der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau am 29. April 1945 aufgenommen worden war. Nur wenige Tage später, wir konnten nicht wissen, dass die Aufregung der Familie über den sensationellen Fund sich gerade gelegt hatte, riefen wir zum ersten Mal Miriam an. Schon nach den ersten Minuten unseres Gesprächs waren wir von ihr begeistert. Miriam ist charmant, herzenswarm und scharfsinnig – und trotz allem, was sie erlitten hat, tritt sie dem Leben und den Menschen aufgeschlossen und tolerant gegenüber. Dispute über den Glauben nach dem Holocaust beendet die strenggläubige Miriam allerdings ziemlich rasch: «Ich habe einen Sohn aus der Hölle zurückgebracht. Wie sollte ich da nicht glauben!» Noch heute, inzwischen braucht sie eine Gehhilfe, kümmert sie sich um die Bewohner eines Altenheimes. Ihrer großen Tanzleidenschaft, Swing und Foxtrott, kann sie heute nicht mehr huldigen – aber sie geht noch schwimmen, zwei-, dreimal die Woche. Und bei jedem Besuch empfängt sie uns in ihrem Haus in Toronto mit dem bezauberndsten Lächeln, das man sich überhaupt vorstellen kann. Dabei können Miriam und Eva wie alle Holocaust-Überlebenden nicht vergessen. Schrecken, Demütigung und Hunger verfolgen sie in ihren Träumen bis heute. Miriam und Eva sind sich in zwei Punkten sehr ähnlich: Sie haben eine starke Persönlichkeit und sind der Mittelpunkt ihrer Großfamilien mit vielen Enkeln und Urenkeln. Evas Leben nach 1945 war alles andere als leicht. Bis auf ihre Schwester wurde die ganze Familie, auch der Vater ihres Kindes, ermordet. Sie blieb im fremden Land allein, mit einer unehelichen Tochter, von der keiner glauben wollte, dass sie in einem KZ geboren wurde. Sie fand dennoch die Kraft weiterzuleben, vielleicht auch deshalb, weil sie vom Leben nicht mehr viel erwartete. Sie heiratete wieder, bekam ein zweites Kind, aber ihr Mann starb früh, und sie musste hart arbeiten und ihre Kinder allein aufziehen. Schließlich erkrankte sie und wurde frühpensioniert. An all diesen Schicksalsschlägen ist sie nicht zerbrochen, auch von dem Antisemitismus in der kommunistischen Tschechoslowakei ließ sie sich nicht unterkriegen. Sie war und blieb eine stolze, warmherzige und humorvolle Frau, die nie ihr Judentum verleugnete. Welche Folgen die Begegnung mit den beiden Frauen für sie, ihre Familien und uns hatte, ahnte damals keiner der Beteiligten. Nach der Ausstrahlung der WDR-Dokumentation «Geboren im KZ» (Eva Gruberová und Martina Gawaz) in der ARD am 28. April 2010 und der daraus folgenden Ausstellung «Sie gaben uns wieder Hoffnung» (Dr. Sabine Schalm und Eva Gruberová) an der KZ-Gedenkstätte Dachau folgt nun dieses Buch, das in beiden Familien mit Freude erwartet wird. Aufgeregt berichtete Eva bei unserem letzten Besuch, dass jetzt sogar ihre 16-jährige Urenkelin immer öfter Fragen stelle. Weder Miriam noch Eva gehören zu den Zeitzeugen, die in Schulen gehen und über ihr Schicksal erzählen. Nach dem Krieg wollten beide vergessen, waren wie die meisten Überlebenden von Schuld- und Schamgefühlen geplagt, weil sie, aber Millionen andere nicht, überlebt hatten. Sie wollten ihre Kinder vor dem Schmerz schützen und fürchteten sich vor der abweisenden Reaktion der Umwelt. Heute gehen sie mit dem Trauma unterschiedlich um. «Ich muss erzählen», sagt Miriam. Eva fällt es noch immer schwer, über die Vergangenheit zu sprechen. Häufig brach sie während unserer Gespräche den Satz plötzlich ab, ein oder zweimal berichtete uns ihre Tochter, dass ihre Mutter nach unseren Treffen den ganzen Abend geweint habe. Dieses Schweigen wollten wir respektieren. Es war ihre Art, Zeugnis abzulegen. Dass sie sich dann im Verlauf der Gespräche doch dazu entschied, mehr und mehr preiszugeben, hat uns sehr berührt, aber auch in einen Konflikt gebracht. Durften wir sie bedrängen und damit ihrem Leid noch einmal aussetzen? Wir haben keine Antwort darauf. Aber wir wissen, Eva und Miriam wollen und hoffen, dass die Leser aus ihrer Geschichte vielleicht lernen – Toleranz und Achtung für die Menschen und das Leben. Deshalb wollte Eva wohl weiter erzählen. Wenn sie dann von ihrem Elternhaus, der Liebe zu Géza und der Kraft, die ihr die Geburt ihrer Tochter im Lager gab, sprach, strahlten ihre Augen wie bei einem jungen Mädchen, und Kinder und Enkelkinder lauschten gebannt ihrer Erzählung. Immer wieder wird die Frage nach dem Grund für das Überleben der Frauen und ihrer Babys gestellt. Man ist versucht, von einem Wunder zu sprechen. Die Nationalsozialisten betrieben den Massenmord an den europäischen Juden als staatliche Politik. Der industriellen Vernichtung in Todesfabriken fielen auch eineinhalb Millionen Kinder zum Opfer. Schwangere und Mütter mit Babys und Kleinkindern wurden nach ihrer Ankunft in Auschwitz-Birkenau sofort vergast. Eva Schwartz, wie sie damals noch hieß, Miriam Rosenthal, Dora Löwy, Ibolya Kovács, Elisabeta Legmann, Magda Schwartz und Sara Grün brachten Kinder im Konzentrationslager zur Welt und retteten sie in die Freiheit. Diese Frauen gehörten zu den etwa 437.000 ungarischen Juden, die Mitte 1944 nach Birkenau deportiert und zum größten Teil getötet wurden. Das Überleben der Frauen hing wie bei allen Verfolgten vor allem von Glück und Zufall ab. Der Überstellungsbefehl von Kaufering I nach Bergen-Belsen und damit in den sicheren Tod war bereits ausgestellt, konnte aber in den Wirren der letzten Kriegswochen nicht mehr ausgeführt werden. Gewiss, da gab es den letzten Lagerführer von Kaufering I, der in der Nacht einige Lebensmittel brachte. Er tat dies, nach allem was wir wissen, um angesichts der militärischen Niederlage Deutschlands seine Haut zu retten. Aber die Geschichte von Eva und Miriam erzählt vor allem von der Solidarität und dem Widerstand jüdischer Häftlinge. Der polnische Kapo Heinrich Reichsfeld, der ungarische Gynäkologe Ernö Vadász und viele andere halfen unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Wenig nur wissen wir über den Küchenkapo in Kaufering I, David Witz aus Litauen. Sein Widerstand gegen den Rassenwahn der Nazis darf aber nicht vergessen werden. «Es sind schon so viele jüdische Kinder gestorben. Eure müssen am Leben bleiben», erklärte er den Müttern seine Hilfe inmitten des Todes im Lager. Jüdische Neugeborene und Kinder hatten so gut wie keine Überlebenschancen. Vermutlich deshalb sind Überlebende wie Uri Chanoch von dieser Geschichte so berührt. Der Vorsitzende der israelischen Vereinigung der ehemaligen Kaufering-Häftlinge...


Eva Gruberová ist freie Journalistin und Filmautorin. Helmut Zeller ist Redaktionsleiter der 'Dachauer Süddeutschen Zeitung'.


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