E-Book, Deutsch, 407 Seiten, eBook
Grunden Politikberatung im Innenhof der Macht
2009
ISBN: 978-3-531-91355-1
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Zu Einfluss und Funktion der persönlichen Berater deutscher Ministerpräsidenten
E-Book, Deutsch, 407 Seiten, eBook
Reihe: Studien der NRW School of Governance
ISBN: 978-3-531-91355-1
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Jeder Regierungschef versammelt Berater um sich, die Entscheidungsoptionen ausloten und Handlungsstrategien ausarbeiten. Der Erhalt und der Ausbau der Macht ihres Chefs stehen dabei stets im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Wer sind diese Berater? Was kennzeichnet ihre Arbeitweise, und wie groß ist ihr Einfluss auf das Regierungshandeln? Die vorliegende Studie geht diesen Fragen nach. Durch die vergleichende Analyse der Beraterkreise von drei deutschen Ministerpräsidenten erschließt sie eine weitere Dimension des informellen Regierens. Die Studie untersucht die mikropolitischen Instrumente und Techniken des Regierens und fragt nach der Bedeutung von Personen und Führungsstilen im Vergleich zu institutionellen Faktoren. Darüber hinaus gewährt sie einen tiefen Einblick in Entscheidungsprozesse hinter den Kulissen, einen Einblick in die Innenhöfe der Macht.
Dr. Timo Grunden ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Duisburg-Essen. Er ist der stellvertretende Leiter der Forschungsgruppe Regieren und Dozent an der NRW School of Governance.
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Vorwort;7
2;Inhalt;9
3;I Untersuchungsrahmen;15
3.1;1 Gegenstand der Untersuchung und Stand der Forschung;15
3.1.1;1.1 Politische Rationalität;19
3.1.2;1.2 Politikberatung von innen;22
3.2;2 Theoretischer Rahmen: Politik- und Informationsmanagement;50
3.2.1;2.1 Institutionen und Akteure;53
3.2.2;2.2 Macht und Einfluss;58
3.2.3;2.3 Formales und informelles Regieren;60
3.3;3 Analysezugang und Methode;65
3.3.1;3.1 Zusammenfassung der Grundannahmen und Grundbegriffe;67
3.3.2;3.2 Strukturmerkmale des Regierens;68
3.3.3;3.3 Institutioneller Kontext und zeitgeschichtlicher Kontext;69
3.3.4;3.4 Begründung der Fallauswahl;71
3.3.5;3.5 Materialbasis;75
3.3.6;3.6 Datenerhebung und Datenauswertung;75
4;II Systemische Rahmenbedingungen: Strukturmerkmale des Regierens in deutschen Bundesländern;78
4.1;1 Ministerpräsidentendemokratie;79
4.1.1;1.1 Die Dominanz des Ministerpräsidentenprinzips;79
4.1.2;1.2 Der Dualismus von Regierungskoalition und parlamentarischer Opposition;80
4.1.3;1.3 Die enge Anbindung des Ministerpräsidenten an seine Partei;81
4.1.4;1.4 Das hohe Prestige des Ministerpräsidenten;82
4.2;2 Verhandelnde Wettbewerbsdemokratie;83
4.2.1;2.1 Vertikale Verhandlungssysteme;83
4.2.2;2.2 Horizontale Verhandlungssysteme;86
4.3;3 Parteiendemokratie;87
4.3.1;3.1 Die vertikale und horizontale Fragmentierung;87
4.3.2;3.2 Ziele und Interessen;90
4.3.3;3.3 Führung, Handlungsfähigkeit und Einfluss auf die Regierungstätigkeit;91
4.4;4 Koalitionsdemokratie;93
4.4.1;4.1 Kooperationszwang trotz fortdauernder Konkurrenz;94
4.4.2;4.2 Instrumente der Konfliktregulierung;95
4.5;5 Mediendemokratie;97
4.5.1;5.1 Mediendemokratie auf Landesebene;98
4.5.2;5.2 Regieren in der landespolitischen Mediendemokratie;99
4.6;6 Zwischenfazit: Regieren als Komplexitätsmanagement;103
5;III Der zeitgeschichtliche und institutionelle Kontext;106
5.1;1 Der zeitgeschichtliche Kontext: Demoskopische Performanz, Regierungsalltag und politische Herausforderungen;106
5.1.1;1.1 Der Prototyp des rot-grünen Projekts: Die Regierung Eichel in Hessen (1991-1999);106
5.1.2;1.2 Das Wagnis des Magdeburger Modells: Die Regierung Höppner in Sachsen-Anhalt (1994-2002);120
5.1.3;1.3 Das konservative Vorzeigeland: Die Regierung Biedenkopf in Sachsen (1990-2002);135
5.2;2 Der institutionelle Kontext: Machtzentren und Entscheidungsfindung;145
5.2.1;2.1 Die Kabinette: Ein Machtzentrum, ein „Notariat“ und eine „Beratungskommission“;145
5.2.2;2.2 Die Parteien und Fraktionen: Aufsichtsräte und konsensuale Vetospieler;152
5.2.3;2.3 Freiwillig formalisierte Entscheidungsverfahren: Koalitionsausschuss, „Montagsrunde“ und „Fünf-plus-Fünf- Gespräche“;161
5.3;3 Zwischenfazit: Anknüpfungspunkte für die empirische Analyse;169
6;IV Personelle Faktoren der Politikberatung von innen IV. Personelle;178
6.1;1 Zusammensetzung, Qualifikation und Rekrutierung;178
6.1.1;1.1 Die Büros der Ministerpräsidenten;179
6.1.2;1.2 Die Führung der Staatskanzlei;184
6.1.3;1.3 Die Regierungssprecher;190
6.1.4;1.4 Die Partei- und Fraktionsführung;197
6.1.5;1.5 Vergleichende Zwischenbetrachtung;202
6.2;2 Funktion, Aufgaben und Arbeitsweise;210
6.2.1;2.1 Ministerpräsidentendemokratie: Richtlinien durchsetzen, Themen generieren und Netzwerke pflegen;214
6.2.2;2.2 Verhandelnde Wettbewerbsdemokratie: Verhandeln im Schatten des Chefsachenmythos;249
6.2.3;2.3 Parteien- und Koalitionsdemokratie: Die hohe Kunst der gespielten Kohärenz;259
6.2.4;2.4 Mediendemokratie: „ L´ état c´est lui “;289
6.2.5;2.5 Vergleichende Zwischenbetrachtung;326
6.3;3 Einfluss und Binnenkommunikation;332
6.3.1;3.1 Beraterkreise auf dem Kontinuum des formalen und informellen Regierens: Informationsknotenpunkte, „Task Forces“ und Machtzentren;333
6.3.2;3.2 Der labile Status als Machtzentrum: Zu den Konsequenzen institutioneller und personeller Veränderungen;343
6.3.3;3.3 Vergleichende Zwischenbetrachtung;373
7;V Fazit: Personelle Faktoren im Politikmanagement von Ministerpräsidenten und theoretische Einordnung der Arbeitsergebnisse;384
8;Abbildungsverzeichnis;402
9;Literaturverzeichnis;409
Untersuchungsrahmen.- Gegenstand der Untersuchung und Stand der Forschung.- Theoretischer Rahmen: Politik- und Informationsmanagement.- Analysezugang und Methode.- Systemische Rahmenbedingungen: Strukturmerkmale des Regierens in deutschen Bundesländern.- Ministerpräsidentendemokratie.- Verhandelnde Wettbewerbsdemokratie.- Parteiendemokratie.- Koalitionsdemokratie.- Mediendemokratie.- Zwischenfazit: Regieren als Komplexitätsmanagement.- Der zeitgeschichtliche und institutionelle Kontext.- Der zeitgeschichtliche Kontext: Demoskopische Performanz, Regierungsalltag und politische Herausforderungen.- Der institutionelle Kontext: Machtzentren und Entscheidungsfindung.- Zwischenfazit: Anknüpfungspunkte für die empirische Analyse.- Personelle Faktoren der Politikberatung von innen.- Zusammensetzung, Qualifikation und Rekrutierung.- Funktion, Aufgaben und Arbeitsweise.- Einfluss und Binnenkommunikation.- Fazit: Personelle Factoren im Politikmanagement von Ministerpräsidenten und theoretische Einordnung der Arbeitsergebnisse.
3 Einfluss und Binnenkommunikation (S. 331-332)
Im vorangegangenen Unterkapitel standen die individuellen Aufgaben und Arbeitsweisen der einzelnen Berater im Vordergrund. Aus ihrer systeminternen Handlungsexpertise wurden fallübergreifende Funktionen der Politikberatung von innen für das Politikmanagement von Ministerpräsidenten destilliert. Durch den punktuellen Rückgriff auf ihre feldinterne Reflexionsexpertise konnten zudem Handlungsressourcen für persönliche Berater herausgearbeitet und bereits Hinweise auf ihren Einfluss gegeben werden.
Dieser Aspekt wird im folgenden Unterkapitel vertieft und abschließend systematisiert. Die Analyse richtet sich auf den Einfluss von persönlichen Beratern, sowohl im Hinblick auf die Entscheidungsfindung des Ministerpräsidenten als auch im Hinblick auf das Handeln und die Performanz der gesamten Regierungsformation. Dabei soll zwischen dem individuellen Einfluss einzelner Berater und dem kollektiven Einfluss des Beraterzirkels unterschieden werden. Zur Erinnerung: Einfluss ist die Möglichkeit, einen Akteur, der über formale institutionelle Handlungsressourcen verfügt, durch Realitätsdeutungen und Handlungsempfehlungen zur Auswahl einer Handlungsstrategie zu bewegen, die dieser Akteur ohne die Deutungen und Empfehlungen nicht hätte auswählen müssen. Einfluss ist ein Machtderivat:
Je mehr die persönlichen Berater über Deutungs- und Kommunikationsleistungen die Steuerungsfähigkeit ihres Regierungschefs verbessern, desto größer werden dessen autonome Handlungsressourcen und damit auch der Einfluss auf das Regierungshandeln der Berater selbst (Kapitel I.2). Zum Ende dieses Kapitels werden sieben Machtderivate persönlicher Beratung von Ministerpräsidenten identifiziert und die Frage beantwortet, welchen machtpolitischen Stellenwert Beraterkreise in Abhängigkeit institutioneller Kontexte und individueller Führungsstile des Regierungschefs auf dem Kontinuum des formalen und informellen Regierens inne haben. Zunächst wird in Unterkapitel 3.1 Die fallübergreifende Rolle der Beraterkreise auf dem Kontinuum des Regierens herausgearbeitet: Sie bilden den Informationsknotenpunkt einer Regierungsformation und agieren als „Task Forces", die kontinuierlich bei allen relevanten Teilakteuren intervenieren, zwischen diesen vermitteln und deren Handeln koordinieren.
In Unterkapitel 3.2 werden die Beraterzirkel der drei Ministerpräsidenten gesondert untersucht: Es wird die jeweilige Arbeitsteilung und die Zusammenarbeit der Berater nachgezeichnet (Binnenkommunikation). Nicht alle Berater verfügten gleichermaßen und kontinuierlich über alle identifizierten Handlungsressourcen. Hinzu kommt, dass die individuelle Repräsentation unterschiedlicher und sich zuweilen widersprechender Teilrationalitäten zu Konkurrenzen führen konnte. Umso wichtiger war die Fähigkeit zu interner Abstimmung und Konfliktregulierung. Um den Einfluss der Berater und Beraterzirkel zu messen, wird mit Hilfe des Vergleichs von Selbst- und Fremddeutungen die in den Interviews erhobene feldinterne Reflexionsexpertise zur dominierenden Empirie für die Analyse.
3.1 Beraterkreise auf dem Kontinuum des formalen und informellen Regierens: Informationsknotenpunkte, „Task Forces" und Machtzentren
Auf der Grundlage des empirischen Materials soll im Folgenden das Einflusspotential von Beraterkreisen als Kollektivgremium auf das Handeln einer Regierungsformation eingekreist werden. Dazu sei noch einmal an die Funktion informeller Entscheidungsprozesse erinnert, wie sie in Kapitel I.2.3 herausgearbeitet wurde: Durch Unsicherheitsreduktion, Informationsselektion und Legitimationssicherung gewährleisten informelle Entscheidungsverfahren die Entscheidungsfähigkeit in formalen Entscheidungsinstitutionen. Jede untersuchte Regierungsformation zeichnete sich durch einen eigenen institutionellen Kontext aus, dessen Ausprägung von der Anzahl der relevanten Teilakteure und den Machtrelationen zwischen ihnen abhängig war (Kapitel III.2).
Entsprechend unterschiedlich war sowohl die Anzahl von informellen Entscheidungsverfahren, die zur Gewährleistung der Entscheidungsfähigkeit als Regierungsformation etabliert wurden, als auch der Formalisierungs- und Verbindlichkeitsgrad der dort gefassten Beschlüsse oder Absprachen. Je höher der Formalisierungsgrad war, desto kleiner wurden die Chancen für spätere Kurskorrekturen und desto weniger Entscheidungsoptionen besaß der Ministerpräsident. Umso wichtiger war es, im Vorfeld von Koalitionsausschüssen, „Fünf-Plus-Fünf-Gesprächen" oder „Montagsrunden" die inhaltlichen Positionen, Interaktionsorientierungen und Handlungsspielräume zu sondieren und ggf. zu beeinflussen.