Grutzpalk | Polizei.Wissen | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1/2019, 73 Seiten, Format (B × H): 210 mm x 297 mm

Reihe: Polizei.Wissen

Grutzpalk Polizei.Wissen

Ethik für die Polizei
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-86676-700-3
Verlag: Verlag für Polizeiwissenschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Ethik für die Polizei

E-Book, Deutsch, Band 1/2019, 73 Seiten, Format (B × H): 210 mm x 297 mm

Reihe: Polizei.Wissen

ISBN: 978-3-86676-700-3
Verlag: Verlag für Polizeiwissenschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



In der Lehre an Polizeiaus- und fortbildungseinrichtungen fallen immer wieder Themen an, die verschiedene Perspektiven
auf sich zulassen. Das können z.B. die juristische, soziologische und die polizeipraktische Sichtweisen sein. Die
Zeitschrift macht sich nun zur Aufgabe,
a) eine Mannigfaltigkeit an Sichtweisen
b) in kurzen Texten
zusammenzuführen. Dadurch soll eine Diskussion möglich werden, die ansonsten nur schwer zu organisieren wäre und die
sehr lange dauern könnte.
Grundsätzlich wird in den Themenheften, ein Thema von verschiedenen Seiten beleuchtetet.
Dabei wird jeweils besonders der polizeilichen Lehre als auch der polizeilichen Praxis Raum zur Aussprache eingeräumt.

Grutzpalk Polizei.Wissen jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Einleitung des Heftherausgebers
(M. Borowski)

Meinung und Wissen in der polizeilichen Berufsethik
(E Bohlken)

Über zwei Voraussetzungen der Ethik
(T. Trappe)

Menschenrechte als Moral: Normative Grundlagen für die Menschen(rechts)bildung der Polizei des 21. Jahrhunderts
(D. und M. Borowski)

Individuelle Freiheit als Konstitutionsbedingung für Freiheitschützendes Polizeisein
(M. Freitag)

„Im Polizeigewahrsam“ – Zur Bedeutung der Ethik für die Polizeipraxis
(J. Tielkemeier)

Zur einsatztaktischen, organisationssoziologischen und ethischen Problematik der NSU-Fälle
(V. Salzmann und F.A. Kurbacher)

Machiavellis Ethik: Eine polizeiliche Klugheitslehre?
(J. Grutzpalk)

Racial Profiling: Ein effektives Ermittlungsinstrument?
(P. Krüger)

Loyalität unter Polizisten: Haben Polizeibeamte eine moralische Verpflichtung, das Fehlverhalten von Kollegen zu verschweigen?
(M. Maiwald)

Polizeiliche Einsätze anlässlich von drohendem Suizid in ethischer Perspektive
(P. Winkler)

Ist es ethisch vertretbar, dass die Polizei einen suizidgefährdeten Menschen vor seinem tödlichen Handeln rettet?
(A. Bentrup)

Nicht Leichensache, sondern Mensch! Zum polizeilichen Umgang mit Verstorbenen
(C. Giersch)

“Could be Worse!” Adventures in Maximum Security Prisons
(T. Waters)

Polizeiliche Berufsethik: Versuch einer Neuausrichtung
(M. Borowski)


Meinung und Wissen in der polizeilichen Berufsethik


von Eike Bohlken*

Auf den ersten Blick spielt der Begriff der Meinung in der polizeilichen Berufsethik keine besondere Rolle, jedenfalls nicht im Denken der Lehrenden. Bei den Studierenden verhält es sich hingegen deutlich anders. Nach meinen bisherigen Erfahrungen im Fach Ethik vertreten viele von ihnen einen Subjektivismus, der darauf hinausläuft, dass in moralischen Fragen jede/r seine eigene Meinung hat bzw. „selbst wissen müsse“, wie er oder sie sich entscheidet. Zwar diskutieren auch die betreffenden Studierenden durchaus kritisch miteinander, scheinen dabei aber davon auszugehen, dass es – vielleicht mit Ausnahme krasser Extrempositionen – jedem überlassen bleibt, seine Meinung zu ändern oder auch nicht.

„Die Thematisierung des Gewissens sollte so gestaltet sein, dass sie zu der klaren Differenzierung zweier Stufen führt, nämlich des Gewissens als moralischem Gefühl auf der einen und als Vermögen einer kritisch reflektierten Entscheidung auf der anderen Seite.“

Ein solcher Subjektivismus ist insofern problematisch, als er den Zugang zur Ethik als einer an objektiven Kriterien ausgerichteten kritischen Hinterfragung moralischer Positionen blockiert. Die Vorstellung eines in der polizeilichen Berufsethik erwerbbaren (Orientierungs-)Wissens wird damit darauf beschränkt, moralische Problemsituationen schon einmal geistig vorweggenommen zu haben und möglichst viele Sachinformationen dazu zu sammeln. Das macht tatsächlich einen nicht unerheblichen Bestandteil polizeilicher Berufsethik aus. Was dabei aber zu sehr in den Hintergrund rückt, ist das, was in der Modulbeschreibung als „Sinn der Ethik“ bezeichnet wird. Dieser besteht meiner Auffassung nach darin, eigene wie andere Positionen kritisch zu hinterfragen, d.h. sie daraufhin zu überprüfen, ob sie sich mit guten Gründen gegenüber weiteren Akteuren als verbindlich rechtfertigen lassen. So wichtig es ist, auf dieses Problem hinzuweisen, so sollte aber darüber nicht übersehen werden, dass die studentische Auffassung von ‚persönlicher Meinung‘ auch positive Aspekte enthält, die es zu würdigen und zu verstärken gilt und an die sich didaktisch anknüpfen lässt.

„Ich habe versucht, Stationen eines Weges zu zeichnen, der vom Subjektivismus der persönlichen Meinung hin zur (Polizei-)Ethik als wissenschaftlicher Disziplin führt. Dieser Weg lässt sich mit Platon als Weg von der Meinung hin zum Wissen beschreiben.“

So kann die Gegenüberstellung verschiedener Meinungen zu moralischen Problemen erstens die Pluralität von Stimmen innerhalb der Polizei sichtbar machen, die nach außen hin oft verdeckt ist. Zu realisieren, dass es auch in der Organisation Polizei eine Vielfalt kontroverser Stimmen gibt, ist deshalb wichtig, weil es die Einsicht fördert, dass Polizei keineswegs den monolithischen Block einer nach außen hin zu vertretenden Einheitsmeinung darstellt, an die sich junge Polizisten/innen anzupassen hätten! Das Wissen um die Pluralität der Meinungen innerhalb der Polizei kann die Scheu davor verringern, sich in der Diskussion mit Kollegen/innen auch mit einer (echten oder vermeintlichen) Minderheitsposition einzubringen. Das ist aus zweierlei Gründen ethisch relevant: Nach innen bedeutet das Vertreten verschiedener Meinungen einen wichtigen Schritt zur kritischen Selbstreflexion polizeilichen Handelns – denn Diskussionen machen deutlich, dass man Situationen, Personen und Gruppen sowohl anders sehen oder beurteilen als auch unterschiedlich auf sie reagieren kann. Nach außen hin wird es damit wahrscheinlicher, dass problematische Phänomene wie Vorurteile gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen oder der sogenannte „Code of silence“ weiter aufgebrochen werden, sodass es besser möglich wird, Klagen von Bürgern/innen über polizeiliches Fehlverhalten zu überprüfen (Stichwort: Fehlerkultur).

Ein zweiter positiver Aspekt des von vielen Studierenden vertretenen Subjektivismus der persönlichen Meinung liegt in der Auffassung, dass moralische Entscheidungen individuell verantwortet werden müssen (Stichwort: Gewissen). Wichtig daran ist die Einsicht, dass moralische Verantwortung nicht an Andere abgegeben werden kann, sondern letztendlich immer beim Einzelnen bleibt. Nach meinen Beobachtungen ist diese Einsicht allerdings meistens mit einer Art ‚Privatismus‘ verbunden. Nach dem Motto „Dienst ist Dienst und Gewissen ist Gewissen“ besteht die Lösung von Gewissenskonflikten, die sich im Dienst ergeben, bei vielen primär darin, „sich das vorher zu überlegen“ – meint: am besten vor der Berufswahl. Wer trotzdem Probleme mit bestimmten Anweisungen hat, soll dies zu Hause mit sich selbst ausmachen. Auch hier liegen Verstärkungs- und Kritikwürdiges eng beieinander: Auf der einen Seite gilt es eine Vorstellung davon zu entwickeln, dass es für das effektive Funktionieren der Organisation Polizei oftmals wichtig ist, eigene Belange zurückzustellen und ein entsprechendes Berufsethos zu entwickeln. Auf der anderen Seite steht das Ideal des mündigen und kritischen Polizisten, der Anweisungen nicht nur passiv entgegennimmt und stumpf ausführt, sondern mitdenkt und seine Vorgesetzten gegebenenfalls auf problematische rechtliche oder ethische Aspekte aufmerksam macht. Hier geht es um die Mitverantwortung der Polizeibeamten/innen für jede durchgeführte polizeiliche Maßnahme, darum zu verhindern, dass das Wissen um die Weisungsgebundenheit in blinden Gehorsam kippt.

Ausgehend von der kurzen Diskussion der positiven Aspekte, die sich mit dem Begriff der Meinung verbinden lassen, möchte ich nun auf die Kritik zu sprechen kommen, die der Subjektivismus der persönlichen Meinung erfahren muss, um den „Sinn der Ethik“, d.h. deren Anspruch auf Objektivität, hinreichend deutlich werden zu lassen. Es sind vor allem zwei Themenfelder, auf denen sich eine Kritik des Subjektivismus anbietet: erstens das Gewissen und zweitens der ethische Pluralismus.

Die Thematisierung des Gewissens sollte so gestaltet sein, dass sie zu der klaren Differenzierung zweier Stufen führt, nämlich des Gewissens als bloßer Intuition, als moralischem Gefühl, auf der einen und des Gewissens als Vermögen einer kritisch reflektierten, Vernunftgründe einbeziehenden Entscheidung auf der anderen Seite. Mit Hilfe dieser Differenzierung lässt sich verstehen, dass das Gewissen zwar zunächst etwas Subjektives ist, das von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausfallen kann. Ebenso klar werden sollte aber auch, dass dieses erste Gefühl noch weiter klärungsbedürftig und - fähig ist. Helfen können dabei etwa Hinweise auf Kants Vorstellung des Gewissens als eines inneren Gerichtshofes der Vernunft oder auf die Gewissensforderung, etwas als geboten Präsentiertes nicht (nur) deshalb zu tun, weil es als Gebot auftritt, sondern (auch) deshalb, weil man es als gut, d.h. als mit guten Gründen rechtfertigungsfähig, versteht.

Schwieriger verhält es sich mit dem ethischen Pluralismus. Auf den ersten Blick scheint er Wasser auf die Mühlen des ethischen Subjektivismus zu gießen: So sehen viele Studierende zunächst keinen Unterschied zwischen dem Pluralismus moralischer Auffassungen und einem Pluralismus ethischer Theorien. Daraus geht hervor, dass die zu Beginn der Vorlesung eingeführte Unterscheidung zwischen Moral und Ethik nicht wirklich bei den Studierenden angekommen ist. Die gegen den Subjektivismus der persönlichen Meinung in Stellung gebrachte Unterscheidung zwischen einer Vielzahl unterschiedlicher Moralen in verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen (Sozialmoralen) und der Ethik als kritischer Disziplin, die mit dem Anspruch auftritt, diese Moralen auf ihre Vertretbarkeit und Rechtfertigungsfähigkeit gegenüber Anderen zu prüfen, wird zur Kenntnis genommen, aber offenbar nicht verinnerlicht. Um dem Subjektivismus entgegenzuwirken, kann im Anschluss an die Gegenüberstellung von Pflichtethik und konsequenzialistischer Ethik darauf hingewiesen werden, dass der Anspruch der Ethik auf Objektivität mit der Konkurrenz dieser beiden ethischen Ansätze keineswegs verschwindet. Denn beide suchen nach einem übergeordneten objektiven Prinzip und erkennen damit die Notwendigkeit eines solchen an. Dass die Konkurrenz verschiedener Theorien es nicht notwendig macht, auf den wissenschaftlichen Anspruch auf Objektivität zu verzichten, kann mit der Gegenüberstellung von Ethik als wissenschaftlicher Disziplin und exakten Wissenschaften, wie z.B. Mathematik oder Physik, veranschaulicht werden: So wird einerseits deutlich, was von der Ethik nicht erwartet werden kann – nämlich Beweise nach mathematischem Vorbild oder experimentell bestätigte Theorien. Andererseits kann daran erinnert werden, dass es z.B. auch in der theoretischen Physik durchaus konkurrierende Theorien etwa zur Entstehung des Universums gibt, die aber anders als nichtwissenschaftliche Vorstellungen zu diesem Thema bestimmten methodischen Anforderungen gerecht werden müssen.

Ich habe anhand von Erfahrungen, die ich mit mehreren Einsatzjahrgängen im GS 1 an der FHöV NRW im...



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