E-Book, Deutsch, 260 Seiten
Gstättner Der Untergang des Morgenlands
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-7117-5072-3
Verlag: Picus Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Geschichten von verlorenen Posten
E-Book, Deutsch, 260 Seiten
ISBN: 978-3-7117-5072-3
Verlag: Picus Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Egyd Gstättner, geboren 1962, lebt als freier Autor in seiner Heimatstadt Klagenfurt. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Im Picus Verlag erschienen unter anderem »Ein Endsommernachtsalbtraum«, »Das Geisterschiff«, »Karl Kraus lernt Dummdeutsch«, »Wiener Fenstersturz« und »Die Familie des Teufels. Allein gegen die Literaturgeschichte«, »Mein Leben als Hofnarr. Es ist verdammt hart, Egyd Gstättner zu sein« (2019), »Klagenfurt. Was der Tourist sehen sollte« (2020) sowie »Leopold der Letzte« (2021). Im Herbst 2022 erschienen seine tolldreisten Erzählungen »Ich bin Kaiser«.
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(S. 118-119)
Es sind grauenvolle Bilder, die dieser Siebenjährige Freitag früh im Schlafzimmer seiner Eltern in einem Reihenhaus im Klagenfurter Stadtteil Feschnig zu sehen bekam – Bilder, die ihn sein ganzes Leben lang nicht loslassen werden. Er wollte Mama und Papa wecken und fand beide blutüberströmt in ihren Betten. Der Bub griff zum Telefon und alarmierte die Polizei: »Der Papa liegt im Blut«, stammelte er. Sein Papa Walter (38) hatte Mama Andrea (39) mit einem fünfzehn Zentimeter langen Küchenmesser hingerichtet. Und danach sich selbst. »Es ist furchtbar. Wir können das alles gar nicht glauben.
Es war eine so harmonische, eine so anständige Familie«, sagen die langjährigen Nachbarn dem akribisch mitschreibenden Kriminalassistenten Wunderbaldinger bei der ersten Einvernahme am Tatort. Was dieses Drama ausgelöst hat, blieb ihnen allen verborgen. Chefermittler Johann Sichalich, eben erst von Emilio Sapperlotti, eigentlich Emil August Wagenheber, einem österreichischen Kochschriftsteller, zum Fischessen im knapp zwei Autostunden entfernten adriatischen Küstenort Grado eingeladen und eiligst an den Tatort berufen, zum Hergang der Tragödie: »Wie es aussieht, hat Walter K. mit einem fünfzehn Zentimeter langen Küchenmesser auf seine Frau Andrea mehrmals eingestochen und sich anschließend die Pulsadern aufgeschnitten.
Schade um die Scampi busara!« So geschehen in der Nacht zum Freitag, als der gemeinsame Sohn des Unternehmer-Ehepaars ein paar Meter weiter seelenruhig schlief. Als der Bub gegen fünf Uhr früh aufwachte und seine Eltern wecken wollte, brach für ihn eine Welt zusammen. Er fand seine Mutter blutüberströmt auf dem Boden liegend, die Leiche seines Vaters lag auf dem Bett. Der Siebenjährige versuchte noch mit seinen Eltern zu sprechen – vergeblich. Er lief zum Telefon und alarmierte Polizei und Rettung: »Der Papa liegt im Blut«, rief er. Während die Ermittler ihre Arbeit aufnahmen, kam der Bub bei einer Nachbarin unter. Er steht unter schwerem Schock und wird von einer Tante und einigen Psychologen betreut.
»Mama und Papa sind tot!«, stammelte er nur immer wieder, während versucht wurde, ihn mit Computerspielen ein wenig abzulenken. Über das Motiv von Walter K. herrscht großes Rätselraten. Dass er mit seiner Fleischhauerfirma aus der Markthalle ausziehen musste, war Nachbarn zufolge sicher nicht der Grund. »Er hatte ja schon eine neue Lagerhalle gefunden und alles geplant. Es gab keine finanziellen Probleme.« Wunderbaldinger sah Ziervogel ungläubig an und kratzte sich am Hinterkopf, genau über dem Kleinhirn. Doch womöglich kam Walter K. mit seiner Krankheit nicht mehr klar.
Vor zehn Jahren bekam der Achtunddreißigjährige eine neue Niere und musste seitdem eine Unmenge an Medikamenten nehmen. »Zuletzt ging es ihm sichtlich schlechter. Er blieb zu Hause und musste ständig erbrechen. Aber mir wäre nie aufgefallen, dass er depressiv gewesen war«, so ein guter Freund des achtunddreißigjährigen gebürtigen Steirers. Diese Bluttat widmeten Ihnen die Neue Sonnenzeitung und Euromillionen (»Toitoitoi. Glaub ans Glück«) »Fall gelöst.« Wunderbaldinger und Ziervogel, Dr. Waldemar Umschaden und Chefermittler Sichalich klatschten ab. Gut gelaunt bestieg Sichalich seinen alten Honda, schaltete den Auto-CD-Player ein, in den er sein Lieblingslied, die österreichische Bundeshymne, eingelegt hatte, und er grölte auf der Fahrt vollmundig mit: »Heimat bist du großer Söhne. Volk begnadet für das Schöne.« Er war so richtig in Länderspielstimmung.




