Gurt | Bündner Irrlichter | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Gurt Bündner Irrlichter

Kriminalroman
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96041-582-4
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-96041-582-4
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der kalte Atem des Todes
Ein Kriminalroman wie ein Film inmitten der Alpen - packend und emotional tiefgründig.

Frühling im Bündnerland. In der hereinbrechenden Dämmerung geschehen in Chur unglaubliche Verbrechen. Die einzige Überlebende und Zeugin dieser Taten ist eine schwer demente ältere Frau. Giulia de Medici, Chefermittlerin der Kantonspolizei Graubünden, verfolgt eine Spur, die sie zwingt, ihre eigene Familie mit neuen Augen zu sehen …

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Prolog Der weisse Geländewagen wirbelte eine dichte Staubwolke hinter sich auf, die sich nur langsam in der trägen Luft auflöste. Bei jedem Aufprall in einem Schlagloch, der den Wagen durchschüttelte, kreischten die vier Insassen auf. AC/DC lärmte aus den Lautsprechern: «Highway to Hell». Sie grölten hingebungsvoll mit. Andrin schob seine Sonnenbrille zurecht und reichte Fadri, dem Fahrer, ein weiteres Bier aus der Kühlbox nach vorne. Der lachte und stimmte nach einem kräftigen Schluck wieder in den gemeinsamen Gesang ein. Bigna, die neben ihm auf dem Beifahrersitz sass, schüttelte im Rhythmus der Musik ihr langes blondes Haar so wild, dass sie ihr Wodka-Red Bull verschüttete. Auf der Rückbank sassen Andrin und seine Freundin Mia. Andrins rechte Hand steckte in ihrem Höschen, das sie unter kurzen beigen Shorts trug. Durch die heruntergekurbelten Fenster kühlte der Fahrtwind die erhitzten Gesichter ein wenig. Mias Augen glänzten, als ihre Blicke sich wieder trafen, der Fahrtwind wirbelte ihr dabei das pechschwarze Haar ins Gesicht. Sie küssten sich, als sie den nächsten Höhepunkt erreichte. Die Musik dröhnte weiter, Mia liess sich entspannt in den Sitz sinken, um den Moment auszukosten, während Andrin wieder in den Gesang einstimmte und ein neues Bier öffnete. «Afrika ist so schön!» Mia dachte an die vergangenen zwei Wochen in Kenia und liess ihren Blick über die endlos scheinende Savanne schweifen. Die Wolkenbänder, die langsam durch das Blau des Himmels zogen, spiegelten sich im Glanz ihrer Augen wider. Diese Farben, die Landschaft, Erde und Himmel leuchten liessen. Die Menschen und das unfassbar schöne Licht auf diesem Schwarzen Kontinent. Afrika! Wildnis, Safari, Tiere … feiern und sich lieben. Seit ihrer Kindheit waren die vier beste Freunde – im selben kleinen Dorf in Graubünden aufgewachsen – und so fest zusammengeschweisst, als hätten die steilen Bergflanken im engen Tal ihre Freundschaft all die Jahre hindurch bewahrt. Diese hatte sich auch gehalten, als sie sich, wie die meisten jungen Leute, ausbildungsbedingt im Unterland einleben mussten. Sie trugen in ihren Herzen die Heimat, das Tal mit, das umrahmt war von den in den Himmel ragenden Berggipfeln. Im August leuchtete das Abendrot in den Felswänden. Und wenn die Hitze beim Bergheuen in den stotzigen Wiesen den Schweiss über ihre tief gebräunten, erhitzten Gesichter trieb, dann wurde der hauseigene Most in bauchigen, mit Bast umwickelten Flaschen gereicht und löschte erlösend den brennenden Durst. Salsiz, Brot und Käse stillten den Hunger. Am späten Abend, die Grillen zirpten in der Dämmerung, der Mond hing über der Ostflanke einer Felswand, der Wind blies wohltuend das Tal hoch, brachten sie mit dem Aebi-Transporter die letzte Fuhre ins kleine Dorf hinunter. Der Motor knatterte gleichmässig, keiner sagte ein Wort. Sie waren alle erschöpft. Es duftete nach Heu und feuchter Wiese. Eine leichte Abendfrische lag in der Luft. Der kleine Bach, der sich bei heftigen Gewittern wie eine Lawine ins Tal zu stürzen vermochte, trollte sich friedlich rauschend ins Tal. Mutter Laraina hatte Rösti und Capuns auf dem Herd und wischte sich die Hände an der Schürze ab, als sie ins Haus kamen. Eine Schüssel mit selbst gemachtem Joghurt für das Dessert stand wie immer auf dem kleinen Holztisch neben dem Kühlschrank. Stets gab es zuerst Suppe mit viel Schnittlauch und Peterli aus dem eigenen Garten. Dann kam der Moment, den Mia immer magisch fand: Wenn alle am Tisch Platz genommen hatten, sprach der Vater ein Gebet, brach das selbst gebackene Brot und reichte jedem ein Stück davon. Tee und Most wurden eingeschenkt. Schweigsam löffelten alle die würzige Suppe, dabei schlugen die Löffel hell klingend an die Teller. Wenn der Letzte seine Suppe aufgegessen hatte, stand die Mutter auf, stellte die Schüsseln mit der Hauptspeise auf den Tisch und der Vater schöpfte jedem etwas davon. Jetzt begannen sie alle zu reden – über den Tag, die Geschichten im Dorf, das Wetter, den letzten Lawinenwinter, den Bau der kleinen Holzbrücke oben bei der Schreinerei, über die Tiere, die Ernte und die Politik unten in Bern. Wenn Kaffee, Nusstorte und die Schüssel Joghurt auf dem Tisch standen, sprachen sie dann über den nächsten Tag. Punkt zweiundzwanzig Uhr schaltete der Vater wie jeden Abend Radio SRF I ein für den Wetterbericht. Nach und nach leerte sich dann der Tisch. Nach einer erfrischenden Dusche lag Mia im Bett. Wie jeden Abend wollte sie noch lesen, doch sie war hundemüde und schaffte nicht mehr als ein paar Seiten. Afrika! Auf diesen Trip hatten sie sich lange gefreut. Afrika war anders, aufregend, geheimnisvoll. Heute waren sie in der Busch- und Grassavanne der Masai Mara unterwegs, einem riesigen Naturschutzgebiet der Serengeti. Morgen früh würde sie der Flieger schon wieder zurück in die Enge der Schweiz bringen, deshalb wollten sie es noch mal so richtig krachen lassen. Mia döste ein, ihr Körper wurde leicht wie Luft, der warme Wind umschmeichelte ihre glühenden Wangen, ihre Augen waren hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen. Der Wagen rumpelte weiter die Naturstrasse entlang. Bigna und Andrin würden heute sowieso erst mit dem Trinken aufhören, wenn sie sich gemeinsam ins Koma gesoffen hätten. Das war bei den beiden schon immer so gewesen, wenn sie beim Feiern einen gewissen Punkt überschritten hatten. Mia hörte die Musik und das Singen und Gelächter der anderen wie durch einen Schleier. Alles schien weit weg, so als würde in der Ferne ein Zug einsam durch die Nacht rattern. Müde schweifte ihr Blick aus halb geöffneten Augen über die endlose Ebene mit den Kampferbüschen, die überall wuchsen. Fadri fuhr zu schnell. Auch wenn sie wussten, dass ihnen ein kleiner Bus des Hotelanbieters mit weiteren Touristen folgte, da sich aus Sicherheitsgründen mindestens zwei Fahrzeuge auf Safari begeben sollten, war es nicht gut, ein zu grosses Risiko beim Fahren einzugehen. Ein Defekt am Wagen war hier draussen nicht so schnell zu beheben. Mias Kopf schlug beim nächsten Schlagloch so hart an das Seitenfenster, dass sie aufschrie. «Fadri! Verdammt noch mal, fahr endlich langsamer! Ich will ein bisschen chillen.» Sie brüllte in die ausgelassene Stimmung hinein und kam sich dabei schon fast wie eine Spiesserin vor. Fadri lachte auf wie ein Motor, der kurz im Leerlauf hochgedreht wird, und hob spöttisch den Zeigefinger, als er unvermittelt voll auf die Bremse trat, denn ein paar Ziegen rannten hinter einigen Kampferbüschen hervor auf den Feldweg. Alle im Wagen schreckten hoch, als dieser auf die kleine Herde zuschoss, die von drei kleinen dunkelhäutigen Jungen geführt wurde. Die Kinder blieben mit weit aufgerissenen Augen stehen, in ihren kleinen Gesichtern stand nacktes Entsetzen. Wie in Zeitlupe pflügte der Jeep, nach einem harten Aufprall an den wuchtigen vorderen Stossfängern, die Ziegen fort. Fadri versuchte nach rechts hinein ins Grasland zu steuern und schaffte es gerade noch, zwei der Jungen auszuweichen. Der dritte wurde nach einem dumpfen Aufprall vom Wagen weggeschleudert. Der Geländewagen schlug neben der Strasse auf einem grossen Stein auf und überschlug sich mehrmals. Fadri und Bigna wurden hinausgeschleudert und vom Wagen erdrückt, Mia und Andrin wild durchs Wageninnere geworfen. Bierdosen, Wasserflaschen und Proviant lagen rund um das auf dem Dach liegende Gefährt verstreut im Gras. Andrin kroch mit einer blutenden Kopfwunde aus dem Wageninneren. Mia wand sich benebelt aus einem zerbrochenen Seitenfenster und spürte nicht, wie sie sich dabei an der beschädigten Karosserie eine tiefe Schnittwunde am Bein zuzog. Es herrschte eine tiefe Stille. Es war, als hätte der laute Knall ihr Gehör betäubt. Alles wirkte zeitlos. Doch dann hörte Mia die verletzten Tiere blöken, und die beiden Jungen schrien mit ihren hellen Stimmen auf, dass es beinahe die Luft zerschnitt. Der Boden wankte unter ihren Füssen, als sie durchs Grasland humpelte. Einige Ziegen lagen blutüberströmt und mit verrenkten Gliedern verstreut am Boden, ihre geschlitzten Pupillen starr ins Nirgendwo gerichtet. Andere wiederum versuchten, sich in ihrer Panik aufzurichten, um zu fliehen – aufgrund der zerschmetterten Gliedmassen jedoch vergebens. Dann sah Mia den Jungen. Sein Gesicht zum Himmel gerichtet, lag er im dürren Gras, als ruhe er sich aus. Seine Augen waren weit geöffnet, die Hand hatte er schwach zur Faust geballt, als würde sie noch immer den Holzstecken halten, mit dem er gerade die Ziegen geführt hatte. Er atmete nicht mehr. Mia konnte ihren Blick nicht von dem kleinen Körper wenden. Der Junge trug keine Schuhe, das T-Shirt mit der verblichenen Coca-Cola-Werbung war fleckig, die kurze Hose an verschiedenen Stellen aufgerissen. Das Gesicht des Kleinen drehte sich wie eine Spirale in ihr Innerstes. Er hätte doch noch sein ganzes Leben vor sich gehabt. Sie waren schuld. Sie war schuld! Dann vernahm sie in der Nähe das mächtige Brüllen eines Löwen. Seine tiefe, heisere Stimme liess die Luft vibrieren und alles andere verstummen. Mia drehte sich vorsichtig um. In unmittelbarer Nähe, auf einem roten Felsen, der sich einsam vom Horizont absetzte, sah sie die Silhouette eines kraftvollen Männchens mit riesiger Mähne, das sein Haupt zum Himmel emporrichtete, um nochmals aus tiefstem Rachen zu brüllen. Nahezu gleichzeitig erhob sich, einer anrollenden Welle gleich, lautes Geschrei: «Abuu!» «Abuu! Abuu!» «Abuu!», hörte sie immer wieder eine Frauenstimme rufen....


Philipp Gurt wurde 1968 als siebtes von acht Kindern in eine Bergbauernfamilie in Graubünden geboren. Er wuchs in verschiedenen Kinderheimen auf. Früh begann er mit dem Schreiben. Zwölf seiner Bücher wurden bisher veröffentlicht, darunter mehrere Schweizer Bestseller. 2017 erhielt er den Schweizer Autorenpreis. Er lebt in Chur im Kanton Graubünden.



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