Haarmann | Lexikon der untergegangenen Völker | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 1643, 297 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Haarmann Lexikon der untergegangenen Völker

Von Akkader bis Zimbern
2. Auflage 2012
ISBN: 978-3-406-63563-2
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Von Akkader bis Zimbern

E-Book, Deutsch, Band 1643, 297 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-63563-2
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses Lexikon beschreibt in rund 200 Artikeln knapp und allgemeinverständlich die wichtigsten untergegangenen Völker der Erde, die spätere Völker und Kulturen nachhaltig beeinflußt haben. Je nach unserem Wissensstand informiert es über Geschichte, Verbreitungsgebiet und Migrationen eines Volkes, die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Organisation, Kultur und Religion sowie Sprache und Schrifttum. Überblicksartikel zu Kontinenten und Großregionen erleichtern die Orientierung über benachbarte und miteinander verwandte Völker und erschließen zahlreiche kleine Gruppen, die keinen eigenen Artikel haben. Ein unentbehrliches Nachschlagewerk für alle, die sich jenseits von ideologischen Vereinnahmungen für alte Völker und ihr kulturelles Erbe interessieren.

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Vorwort


Daß Völker wie die Etrusker oder Angeln «untergegangen» sind, würde wohl kaum jemand bezweifeln. Schaut man aber genauer hin, ist die Abgrenzung «untergegangener» Völker von «lebenden» gar nicht so einfach. Deutliche Spuren der Sprachen und Kulturen der Angeln und Etrusker haben sich bis heute erhalten. Die Menschen, die diesen Völkern angehörten, sind nicht ohne Nachkommen gestorben, so daß sie genetisch bis heute zahlreiche Nachfahren haben. Einen bestimmten historischen Moment auszumachen, wann diese Völker untergegangen sind, ist kaum möglich. Die Übergänge zwischen lebenden und untergegangenen Völkern sind vielmehr fließend. Daher arbeitet dieses Lexikon mit einer pragmatischen Definition: Völker sind dann untergegangen, wenn ihre Nachkommen keine politische, kulturelle und sprachliche Einheit in Abgrenzung von anderen Völkern mehr bilden. Dabei müssen nicht alle Kriterien gleichzeitig zutreffen: Völker können nach dem Verlust ihrer politischen Selbständigkeit auch als kulturelle (das heißt auch: religiöse) und/oder sprachliche Gemeinschaft in Abgrenzung von anderen Kulturen überleben. Aber meist geht mit dem Verlust politischer Selbständigkeit auch die Assimilation an Kultur und Sprache der neuen Mehrheitsgesellschaft einher. «Assimilation» bedeutet nicht, daß die eigene Kultur ganz aufgegeben wird, aber sie geht im Schmelztiegel einer beherrschenden Kultur auf, in der sie mehr oder weniger kräftig ihre Spuren hinterläßt. So verlor sich etwa das Volk der ? Sumerer irgendwann im Alten Vorderen Orient. Ihr kulturelles Erbe aber ist lebendig geblieben und hat das Kulturschaffen vieler Völker nach ihnen geprägt.

Die ältesten, mit einiger Sicherheit identifizierbaren Akkulturationsprozesse fanden im Kontakt zwischen Proto-Indoeuropäern und Proto-Uraliern statt und gehen auf das 6. Jahrtausend v. Chr. zurück (? Europa). Als die ? Indoeuropäer – von Südosteuropa her kommend – im 2. Jahrtausend v. Chr. nach Kleinasien vordrangen, assimilierten sie dort die bodenständige, nicht-indoeuropäische Bevölkerung. Eines dieser Völker waren die ? Hattier, die vor den ? Hethitern in der Königsstadt Hattusa herrschten. Antike Autoren, vor allem griechische und römische Historiographen, haben in ihren Werken zahlreiche Völker erwähnt, die später in Vergessenheit geraten sind, weil sie sich irgendwann assimiliert und bereits nach der Einschätzung der Zeitgenossen ihre Eigenständigkeit verloren hatten. So gingen etwa die ? Iberer, ? Gallier, Etrusker und ? Daker in der Romanität der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung auf. Während des frühen Mittelalters akkulturierten sich viele germanische Völker, etwa die ? Franken und ? Burgunder in Nordfrankreich, die Westgoten (? Goten) und ? Sueben in Spanien, die ? Langobarden in Italien.

Es genügt allerdings nicht, daß ein Volk politisch und kulturell unbedeutend wird, um es als «untergegangen» zu bezeichnen. Von den ? Maya – und ähnlich von den ? Azteken – wird beispielsweise oft behauptet, sie seien von den spanischen Konquistadoren im 16. Jahrhundert ausgerottet worden. Tatsächlich aber leben mehr als eine Million Maya in Dutzenden regionaler Gruppen zerstreut in den Staaten Mittelamerikas. Diese modernen Maya haben ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprachen bewahrt. Das Mißverständnis über ihren Untergang entstand, als die Europäer von den Massenmorden an der indianischen Bevölkerung erfuhren. Zwar wurden dabei die Elite der präkolumbischen Maya-Gesellschaft sowie ihre Hochkultur liquidiert, die einfache Bevölkerung jedoch fristete ihr Leben als Arbeitssklaven spanischer Großgrundbesitzer und hielt an der hergebrachten Sprache und Alltagskultur fest.

Auch von anderen Völkern glaubte oder glaubt man zu Unrecht, sie seien untergegangen; tatsächlich sind sie aber nur in Vergessenheit geraten, weil die Geschichtsschreibung eines herrschenden Volkes sie nicht mehr erwähnt hat. Dieses Schicksal erlitten zum Beispiel die Etrusker, ? Karthager und ? Illyrer. Aber noch lange, nachdem diese Völker von römischen Autoren nicht mehr erwähnt wurden, lebte ihre Kultur weiter. Ähnliches gilt auch für die neuzeitliche Geschichtsschreibung. Für die ? Hunnen, die länger als hundert Jahre in Südungarn und Transsylvanien herrschten, interessierte sich die europäische Geschichtsschreibung lange Zeit nur bis zu ihrer Niederlage gegen die germanischen ? Gepiden im Jahr 455, als sei dieses Volk danach von der Bildfläche verschwunden. Tatsächlich aber zogen sich die Hunnen nach der verlorenen Schlacht in die russische Steppe zurück, wo sie ein neues Reich gründeten (? Protobulgaren). Ähnlich ignorierten Historiker lange Zeit verschiedene Regionalkulturen der Antike. Das Reich von Palmyra in Syrien war für viele Historiker nur im Zusammenhang mit der römischen Herrschaft im Nahen Osten von Interesse. Nach 272, als die gegen Rom rebellierende Königin Zenobia besiegt und nach Rom verschleppt wurde, bricht die Geschichtsschreibung meist ab. Das von den Römern zerstörte Palmyra wurde jedoch wiederaufgebaut und gewann überregionale Ausstrahlung zurück. Die Palmyrener entwickelten ihren eigenen Schreibstil, die palmyrenische Schrift, auf der Basis der syrischen Schrift. Erst als Palmyra im 7. Jahrhundert seine Tore den islamischen Eroberern öffnete, endete die Geschichte der palmyrenischen Regionalkultur.

Nicht zuletzt spielt es für die Frage, ob ein Volk untergegangen ist, eine Rolle, ob es Menschen gibt, die sich weiter in der Tradition dieses Volkes sehen. Die Ainu etwa gehören zwar zu den bedrohten Völkern, ihre Kultur ist gefährdet, und nur noch sehr wenige beherrschen die Sprache ihrer Vorfahren. Viele der hergebrachten Traditionen wie Kleidung, Bärenjagd und -kult sowie traditionelle Architektur sind zugunsten japanischer Lebensweisen aufgegeben worden. Aber vieles vom sozialen Brauchtum ist erhalten geblieben, und naturreligiöse Glaubensvorstellungen sind weiter vital. Vor allem aber fühlen sich die Ainu als ein Volk in Abgrenzung von den Japanern. Hier spielt also die Selbstwahrnehmung eine herausragende Rolle.

Der Begriff des Volkes wird in diesem Lexikon in erster Linie in kultureller und sprachlicher Hinsicht verstanden. Meist ist mit eigenständigen Kulturen auch eine selbständige politische Organisation verbunden. Das gilt vor allem für alte Völker, die uns oft durch die mit ihnen verbundenen Reiche bekannt sind. Aber Staatlichkeit und Volkstum sind nicht deckungsgleich. Von einem Volk der antiken Athener würden wir zum Beispiel nicht sprechen, denn die Athener gehörten sprachlich und kulturell zum Volk der Griechen und haben sich auch selbst in Abgrenzung von den «Barbaren» so verstanden. Auch ein «Volk der ? Römer» hat es nicht gegeben. Während ein Römer zunächst ein Bewohner Roms war, wurde der Begriff später im Sinne einer Staatsbürgerschaft verstanden. Zu den Trägern der römischen Kultur gehörten außer den ? Latinern, den Bewohnern der historischen Landschaft Latium, andere ? italische Völker wie ? Umbrer, ? Sabeller oder ? Pikener, andere indoeuropäische Völker wie ? Gallier, ? Lepontier oder ? Veneter sowie Völker nicht-indoeuropäischer Herkunft wie Etrusker, Iberer oder ? Paläosarden. Um derartige Zusammenhänge klarzumachen, wurde in diesem Lexikon den Römern dennoch ein eigenes Stichwort gewidmet, ähnlich wie auch den ? Babyloniern oder ? Kanaanitern.

Auch genetische Kriterien spielen in diesem Lexikon keine zentrale Rolle für die Definition einer Gruppe als Volk. Zwar hat die Humangenetik in letzter Zeit faszinierende und überraschende Erkenntnisse über die lange Kontinuität genetischer Zusammengehörigkeit gewonnen. So wurde etwa vermutet, daß das Erbgut der Etrusker – gleichsam als genetisches Substrat – bis heute in der Toskana und hier wiederum in einem bestimmten Ort, in Murlo, konzentriert ist. Aber man würde deshalb nicht davon sprechen, daß das Volk der Etrusker bis heute lebendig ist. Ähnlich verhält es sich bei lebenden Völkern: Humangenetiker führen das Erbgut der Basken auf Völker im Kaukasus zurück, die dort vor 35.000 bis 40.000 Jahren gelebt haben. Trotzdem kann keine Rede davon sein, daß es bereits ein baskisches Volk war, das aus dem Kaukasus nach Nordspanien gewandert ist, sondern dieses hat sich erst in Spanien als kulturelle und politische Einheit gebildet. Ethnische Gruppierungen mit gleicher Abstammung sind diffuse Konglomerationen, aus denen Völker mit einer gemeinsamen kulturellen, sozialen und sprachlichen Infrastruktur hervorgehen können. Immerhin gibt es aufschlußreiche Übereinstimmungen zwischen genetischer Verwandtschaft einerseits und kultureller, vor allem sprachlicher, Verwandtschaft andererseits, die zum Beispiel Rückschlüsse auf die Migrationen von Völkern erlauben. Daher wird in vielen Artikeln dieses Lexikons auch auf die Erkenntnisse der Humangenetik Bezug genommen.


Harald Haarmann, geb. 1946, gehört zu den weltweit bekanntesten Sprachwissenschaftlern.



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