Haas / Starnitzke / Gohde | Diversität und Identität | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 263 Seiten

Haas / Starnitzke / Gohde Diversität und Identität

Konfessionsbindung und Überzeugungspluralismus in caritativen und diakonischen Unternehmen

E-Book, Deutsch, 263 Seiten

ISBN: 978-3-17-029058-7
Verlag: Kohlhammer
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Durch die fortschreitende Pluralisierung und Säkularisierung der Gesellschaft stellt sich für konfessionell gebundene Unternehmen die Frage, wie sie ihre christliche Identität bewahren und auf dieser Basis einen bereits begonnenen Wandlungsprozess im Bereich der Personalentwicklung aktiv weiter gestalten können. Die Gewinnung von Fachkräften ist insbesondere für Unternehmen aus Diakonie und Caritas eine zunehmende Herausforderung, da die Rekrutierung von qualifiziertem Personal mit der Kirchenmitgliedschaft an zusätzliche Bedingungen geknüpft ist. Die Thesen des Brüsseler Kreises stellen hier einen neuen Ansatz vor, der im vorliegenden Band entfaltet wird.
Kernpunkt der Argumentation ist die Überzeugung, dass die konfessionelle Profilierung eine unternehmerische Aufgabe ist und keine individuelle Bedingung der Mitarbeitenden. Namhafte Vertreter aus anderen Religionen und Fachwissenschaftler bereichern die Diskussion dieser Position mit wegweisenden Kommentierungen.
Der Brüsseler Kreis ist ein Zusammenschluss von 13 gemeinnützigen sozial- und gesundheitswirtschaftlichen Unternehmen aus Diakonie und Caritas.
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Entfaltung der Thesen
Hanns-Stephan Haas Dierk Starnitzke
  Konfessionsbindung als Identitätsmerkmal
Präambel: Die Unternehmen des Brüsseler Kreises (BK) stehen in einer Bindung an ihre jeweiligen Konfessionen und Kirchen. Diese Bindung ist über die geschichtliche Tradition und die rechtliche Verfassung hinaus ein wesentliches Merkmal der unternehmerischen Identität. Diese Identität ist dabei nicht einfach gegeben, sondern unter Berücksichtigung der jeweiligen kontextuellen Bedingungen aufgegeben. Um dieser Aufgabe nachzukommen, möchte der BK mit folgenden Überlegungen einen Diskurs anregen, der über die positionelle Selbstvergewisserung hinaus dem Gespräch mit den jeweiligen Kirchen dienen soll. Präambeln sind bedeutungsschwer und strapazierfähig. Sie bringen häufig „Richtigkeiten“ in sprachliche Gestalt, beschwören den „Basiskonsens“,7 auf dessen Herleitung und Begründung man im folgenden Text ebenso verzichten kann wie auf konsequente Ableitungen. Je höher der axiomatische Gehalt einer Präambelformulierung ist, desto größer ist die Versuchung, den entsprechenden Text eher zu überfliegen, um dann zum Eigentlichen zu kommen. Die Präambel der vorgelegten Thesen ist dieser Problematik ebenfalls unterworfen. Sie liefe damit Gefahr, die eigentliche Spitze ihres Grundgedankens unkenntlich werden zu lassen: Die Konfessionsbindung ist für die Unternehmen des Brüsseler Kreises ein wesentliches Merkmal der unternehmerischen Identität. Dieser Grundgedanke ist keineswegs selbstverständlich und bedarf der Entfaltung. Kaum strittig dürfte sein, dass die konfessionelle Bindung eine historische Wurzel caritativer und diakonischer Unternehmen ist. Bei aller Unterschiedlichkeit sind sie entstanden durch die Initiative einzelner oder mehrerer Menschen, die in ihrer jeweiligen Konfession gegründet waren. Ebenso unstrittig ist, dass es in diesem Unternehmen eine rechtliche Anbindung an die jeweilige Konfession gibt. Die Unternehmen des BK gehören den beiden konfessionellen Wohlfahrtsverbänden an und sind über diese in die jeweiligen Kirchen eingebunden. Die eigentliche Spitze der Präambel liegt aber in der Behauptung der Konfessionsbindung als Identitätsmerkmal der genannten Unternehmen. Konfession wird dabei im doppelten Sinne als Bekenntnis und als Kirchenzugehörigkeit verstanden. Ob es darüber hinaus weitere Identitätsmerkmale gibt, ist nicht gesagt. Jedenfalls sind weitere nicht explizit genannt. Diese besondere Bedeutung wird dabei durch das Attribut „wesentlich“ unterstrichen. Die Frage nach der Identität von Unternehmen hat bereits seit Jahrzehnten Hochkonjunktur.8 In ihr bildet sich die Notwendigkeit ab, dass sich Unternehmen in einem wachsenden Wettbewerbsumfeld als unterscheidbare Anbieter mit einer klaren Botschaft zu erkennen geben müssen. Die Beantwortung beispielsweise der Fragen „Wer sind wir?“, „Was tun wir?“, „Woher kommen wir?“, „Wohin wollen wir?“ richtet sich gleichermaßen nach innen wie nach außen. Kunden kaufen nicht einfach nur ein Produkt, Mitarbeitende suchen nicht einfach nur eine Lohnstelle und das Umfeld eines Unternehmens achtet sehr genau darauf, wofür ein Unternehmen steht. Unternehmen werden deshalb nicht nur als austauschbare Produktionsstätten von Waren und Anbieter von Dienstleistungen gesehen, sondern als gesellschaftlich relevante Akteure, als Markenträger und „Sinngemeinschaften“9. Die Diskussion um die Identität von Unternehmen wird vor allem unter dem Stichwort der „Corporate Identity“ geführt. Da dies ein Begriff ist, der in seiner Managementverwendung aus anderen Wissenschaften (Philosophie, Psychologie und Soziologie) entlehnt ist, ist es nicht erstaunlich, dass es keine einheitliche Definition gibt und der Themenumfang unterschiedlich weit bestimmt wird. In der Außen- und Innenorientierung kann Corporate Identity so nicht nur das Erscheinungsbild (corporate design), die Kommunikation (corporate communication) und das Verhalten von Unternehmen (corporate behaviour) umfassen, sondern ebenso auch die Kultur (corporate culture) einer Organisation umschließen. Als personale Kategorie spiegelt der Begriff der Unternehmensidentität gewisse semantische Unschärfen, sofern er voraussetzt, dass ein Unternehmen eine eigene Persönlichkeit hat und aus einer inneren Einheit handelt. Viele der gängigen Definitionen von Corporate Identity überwinden diese Grenzen der Übertragbarkeit, indem sie eine stark funktionale Dimension in ihre Definition übernehmen. So definieren etwa Birkigt e. a. Corporate Identity als „die strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und Verhaltensweise eines Unternehmens nach innen und außen auf Basis einer festgelegten Unternehmensphilosophie, einer langfristigen Unternehmenszielsetzung und eines definierten (Soll-)Images mit dem Willen, alle Handlungsinstrumente des Unternehmens in einheitlichem Rahmen nach innen und außen zur Darstellung zu bringen.“10 Gleichgültig ob in einem engeren oder weiteren Verständnis, es hat sich heute als Konsens herausgebildet, dass auch Unternehmen besondere erkennbare Einheiten sind (und sein müssen), die der Persönlichkeit eines Individuums vergleichbar in einer besonderen Erscheinung, einer spezifischen Kommunikation und einem bestimmten Verhalten erkennbar werden. Diese Unternehmensidentität ist, wie auch das Thesenpapier des BK verdeutlicht, nicht einfach eine stabile statische Größe, sie ist, auch darin der menschlichen Identität vergleichbar, stets in Bezug auf sich verändernde Rahmenbedingungen neu zu entwickeln und zu entfalten. Dieses dynamische Verständnis gilt auch für den Bezug von Corporate Identity und Konfession. Dies trifft schlicht auch deshalb zu, weil auch Kirchen organisationalem Wandel unterworfen sind und Bekenntnisse an aktuellen Herausforderungen ausgerichtet werden müssen. Von daher könnte es treffend sein, für die Verhältnisbeziehung von Corporate Identity und Konfession zwei Klärungen einzufügen, die es ermöglichen, die Beziehung zwischen Konfession und Unternehmensidentität in einem dynamischen Verständnis zu entfalten. Die eine Klärung ist dem philosophischen Identitätstheorieinventar entnommen. In der Tradition der Hegelschen Philosophie, mit maßgeblichem Einfluss auch auf Pädagogik, Psychologie und Theologie, bildet sich nämlich das Selbst oder die Identität eines Menschen an einem Gegenüber (dem Anderen seiner selbst) aus.11 Die Sprache, die wir sprechen, nennen wir unsere Muttersprache. Der Name, mit dem wir uns vorstellen, ist zunächst unser Rufname, den wir gehört haben. Unser Selbstbewusstsein bildet sich zunächst in der symbiotischen Einheit mit der Mutter aus. Zahlreich sind so die Hinweise dafür, dass sich Identität in einem komplizierten Wechselspiel von außen und innen herausbildet. Identität ist immer auch zugesprochene Identität und damit wesentlich bestimmt durch ihre Externalität. In vergleichbarer Weise gilt dies auch für die Identität von Organisationen. Sie bildet sich heraus durch Zuschreibungen von außen. Das Image und die Rollenzuschreibungen bleiben auch einem Unternehmen dabei nicht äußerlich. Sie bestimmen wesentlich darüber, was man von einem Unternehmen erwartet und ihm umgekehrt zugesteht. Im Folgenden möchten wir Konfession als Hinweis auf die besondere Externalität caritativer und diakonischer Unternehmen verstehen. Wenn, wie später zu zeigen sein wird, im Zentrum der christlichen Konfessionen das Gotteshandeln steht, bedeutet dies: Ein Unternehmen von Caritas und Diakonie ist in seiner Identität wesentlich bestimmt durch das Handeln Gottes. Freilich nicht in dem Sinne, dass die Identität des christlichen Unternehmens unmittelbar durch das Handeln Gottes gestiftet wäre (dies wäre schlichte Blasphemie!). Wohl aber so, dass sich die Identität des christlichen Unternehmens unmittelbar daran auszubilden hat, dass Gott in der Welt gehandelt hat und handelt. Die zweite Klärung betrifft das Rahmenverständnis von Corporate Identity. Im Folgenden wird diese im Sinne eines konzentrischen Kreismodells dargestellt, das es ermöglicht, unterschiedliche Bestandteile und Treiber der Corporate Identity zu erkennen und zuzuordnen: Den inneren Kreis bildet der Identitätskern. Entsprechend dem oben dargelegten Identitätsverständnis entsteht dieser Kern am „Anderen seiner selbst“. Identität ist damit zugeschriebene und zugesprochene Identität, theologisch gesprochen zugesagte und geschenkte Identität. Sie ist nicht selbstreferentiell, sondern entwickelt sich an einem Gegenüber. Für ein christliches Unternehmen bedeutet dies, dass es durch das Handeln Gottes bestimmt ist. So wie dieses Handeln nie verfügbar ist, ist auch die...


Prof. Dr. Hanns-Stephan Haas, Exec. MBA Universität St. Gallen, Direktor und Vorstandsvorsitzender der Ev. Stiftung Alsterdorf in Hamburg. Prof. Dr. Dierk Starnitzke, Vorstandssprecher der Diakonischen Stiftung Wittekindshof.


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