Hacker / Bennett | Die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 585 Seiten

Hacker / Bennett Die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-534-73967-7
Verlag: wbg Academic in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg)
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

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ISBN: 978-3-534-73967-7
Verlag: wbg Academic in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg)
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Der Philosoph Hacker und der Neurowissenschaftler Bennett liefern in diesem Band eine umfassende Darstellung der philosophischen Fragen und Probleme, die mit der Hirnforschung verbunden sind. Mit Berücksichtigung sowohl der historischen Entwicklung als auch der aktuellen Diskussion werden zentrale Aspekte wie z. B. das Verhältnis von Geist und Gehirn bzw. Leib und Seele, die Rolle der Wahrnehmung, der Status von Gedanken oder die Idee der Willensfreiheit erörtert. Die gleichberechtigte Diskussion von neurowissenschaftlichen Forschungsergebnissen einerseits und philosophischen Argumentationen andererseits ermöglicht eine differenzierte Sichtweise. Dieser interdisziplinäre Ansatz erinnert an das bekannte Werk von K. R. Popper und J. Eccles, ›Das Ich und sein Gehirn‹. Mit dem vorliegenden Handbuch ist damit ein Grundlagenwerk entstanden, das auch in zukünftigen Diskussionen eine wichtige Rolle spielen wird.

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Vorwort
Philosophie im Zeitalter der Neurowissenschaften
In aller Regel wird das „Leib-Seele-Problem“, das Kernstück einer umfassenden Anthropologie, als Rätsel eingeschätzt, das schwer oder überhaupt nicht lösbar ist. Diese Einschätzung hat dazu Anlass gegeben, ausgehend von unterschiedlichen philosophischen Positionen und auf der Basis differenter ontologischer Optionen Lösungsvorschläge zu entwickeln. Das wiederum hat die Autoren der Untersuchung über die Philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften dazu herausgefordert, die Triftigkeit solcher Vorschläge kritisch zu prüfen. Interessant ist vor allem die Kooperation zwischen dem renommierten australischen Neurowissenschaftler Max R. Bennett und dem Oxforder Philosophen Peter Michael Stephen Hacker. So gelingt es, die Tradition der Philosophy of Mind nicht nur klar darzustellen, sie für die aktuelle Konfrontation mit und Kontraposition zu den Naturwissenschaften zu erschließen, sondern zugleich die philosophischen Anleihen der Neurowissenschaften und deren (zumeist fatale) Folgen aufzudecken. Das Problemfeld: Menschliches Verhalten wird hier wie dort – in der Neurowissenschaft wie der philosophischen Bestimmung des Menschen, der Philosophy of Mind oder auch der Psychologie – auf seine Bedingungen, Gründe und Ursachen bezogen und gedeutet. Daraus scheint sich der Anspruch sowohl der Neurowissenschaften als auch der Philosophie zu rechtfertigen, dass jede von ihnen eine umfassende und unstrittig gültige Erschließung des „Geheimnisses Mensch“ durch eine spezifische Analyse seiner Vermögen bzw. Funktionsbedingungen oder sogar durch eine substanzmetaphysische Letztbegründung vorlegen kann. Allerdings soll dieser Anspruch durch unvereinbare Ergebnisse der Neurowissenschaften – sofern auf ihrer Grundlage eine Anthropologie, eine Theorie des Erkennens, Wollens, Fühlens entwickelt wird – und der Philosophie, die sich den nämlichen Aufgaben widmet, eingelöst werden. Die unterschiedlichen, teilweise widersprüchlichen Resultate nötigen zur Prüfung, wie weit unbewusst und zumindest unthematisiert Vorurteile mit einfließen, die als methodische Vorentscheidungen Aufbau und Weg der Untersuchungen festlegen. Dieser Blick hinter die Kulissen der funktionierenden Neurowissenschaften zeigt, dass Ergebnisse bereits durch die Art des experimentellen Zugriffs prädestiniert sein können und in aller Regel auch weitgehend vorgefertigt sind. Die hinführenden Überlegungen der Untersuchung zu den philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften weisen eine solche Verflechtung wissenschaftlicher Experimente mit jeweils unterschiedlichen philosophischen Ansätzen nach – so zunächst mit der aristotelischen ganzheitlichen Bestimmung des Menschen, dann aber vor allem mit dem cartesischen Dualismus. Das cartesische Problem, wie sich die Interaktion von Körper und Geist denken lasse, wird perpetuiert. Mit den Worten Charles Sherringtons: „Dem menschlichen Verstehen bot sich die Welt hartnäckig als doppelt dar“ (S. 58)1, was schließlich zu dem durch die philosophische Konzeption Poppers beeinflussten „interaktiven Dualismus“ führt, den J. Eccles vertritt und der auch in der deutschen Debatte Raum gewinnt. Die Frage, „wie eine immaterielle Entität wie der Geist mit Neuronen interagieren könne“ (S. 66), wird hier durch abenteuerliche Zusatzannahmen – wie der eines „Liaison-Gehirns“ (i.e. der dominanten linken Hemisphäre), das mit dem „selbstbewussten Geist in unmittelbarem Zusammenhang“ (S. 69) stehen soll, beantwortet. Es ist weder sinnvoll, eine solche (noch) an Descartes orientierte Zuschreibung menschlicher Fähigkeiten wie Wahrnehmen, Fühlen, Denken, Wollen an den Geist als eigene Substanz vorzunehmen, noch, wie es F. Crick oder L. Weiskrantz tun, sie kurzerhand dem Gehirn zuzurechnen. Denn beide Versuche gehen von den nämlichen ungeprüften Annahmen aus: einer ontologischen Unterstellung zweier Substanzen und somit selbständiger Entitäten und einem Verständnis des Menschen, dessen Fähigkeiten im Prinzip entweder der einen oder der anderen Entität oder beiden aufgrund nicht weiter bestimmbarer Kooperationsformen zuerkannt werden. Hier deckt die Untersuchung einen fatalen Mechanismus auf, der dann in eine ausführliche Kritik der im Wesentlichen angelsächsischen Versuche, das Leib-Seele-Problem zu lösen, mündet. Die entscheidende Kritik wird bereits gegen die Neurowissenschaften selbst vorgebracht durch den Vorwurf eines „mereologischen Fehlschlusses“ (S. 87ff. und passim). Dieser besteht im Kontext der Neurowissenschaften wie der anschließenden philosophischen Diskussion in der Zurechnung von Fähigkeiten (Vermögen) eines Lebewesens zu Teilen seines Organismus – so etwa zum Geist als der steuernden Instanz oder in den „Verfallsform[en] des Cartesianismus“ (S. 92) zum Gehirn als dem maßgeblichen materiellen Steuerungsorgan. Im Gefolge dieser Fehlzuschreibung entstehen eben die Missverständnisse sowohl der Neurowissenschaften als auch der Neurophilosophie: Psychologische Attribute werden fehlalloziert. Sie werden entweder dem Gehirn (also der wissenschaftlich erschließbaren Sphäre beobachtbarer, weil materieller Phänomene) oder der so genannten mentalen Sphäre, einem nur privat verfüg- und erschließbaren Inneren des Menschen zugeschrieben. Damit sind die alternativen Extrempositionen umrissen, die sich in der angelsächsischen Literatur in zahlreichen Mischformen und Differenzierungsversuchen wiederentdecken lassen. Letztlich ist durch diese Kritik auch die aktuelle Debatte im deutschen Sprachraum mit betroffen, selbst wenn hier mit den Arbeiten von G. Roth und W. Singer ein ontologischer Materialismus (selbstverständlich unter der Hand und nie explizit diskutiert) bevorzugt wird. Das Leib-Seele-Problem scheint gelöst – allerdings auf kostenträchtige Weise, nämlich durch den von Bennett und Hacker plausibel kritisierten „mereologischen Fehlschluss“. Die deutsche Neurophilosophie beendet die Diskussion durch die Definition des Menschen, die lautet, er sei „sein Gehirn“. Diese Radikalisierung der Anthropologie ermöglicht natürlich eine ebenso radikale Lösung des Leib-Seele-Problems. Da sich alle Fähigkeiten des Menschen mit Gehirnaktivitäten verknüpfen lassen, ja entsprechenden Hirnsphären zugeordnet werden können, und es zudem als nachgewiesen gilt, dass sie den bewusst erfahrenen „mentalen Ereignissen“ zeitlich vorausgehen, wird diese Lösung nicht nur als plausibel, sondern als zwingend dargestellt. Gegen Kants Mahnung, nicht da Kausalität zu unterstellen, wo nur ein „post hoc“ beobachtbar ist, hat sich diese Theorie immun gemacht. Zudem wird Kausalität, kausale Verursachung, als die einzig wissenschaftlich legitime Bezugnahme unterstellt und der Mensch als Marionette seines Gehirns definiert. Die Kritik, die sich in der Abhandlung zu den philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften durchweg findet, fällt hier auf keinen fruchtbaren Boden. Es wird sowohl einem – wenn auch dem komplexesten – Teil eines Organismus das zugeschrieben, was der Organismus nur als ganzer vermag, und es wird übersehen, dass es neben einer kausalen Verursachung auch konditionale Beziehungen gibt, also Bedingungen, die vorausgesetzt werden müssen, will man bestimmte Fähigkeiten des Menschen erklären. Das Gehirn ist als materielles Steuerungsorgan eine solche Bedingung (condition), keine Ursache. Kritische Anmerkungen, dass es sowohl für die Analyse menschlichen Verhaltens als auch für die des Handelns sinnvoller sei, von Gründen anstatt von Ursachen2 auszugehen, werden in dieser Diskussion kurzerhand vom Tisch gewischt. Denn – so das von G. Roth vorgebrachte „Argument“ – es lässt sich auch für das Finden von Gründen wie für alle mentalen Ereignisse die Vorgängigkeit einer Gehirnaktivität nachweisen. Diese wird dann als ein Suchen von Gründen durch das Gehirn gedeutet. Ersichtlich verleitet ein methodischer Fehler nicht nur dazu, ausgesprochen weitreichende und begründungsbedürftige ontologische Optionen einfach vorauszusetzen, sondern führt – wie sich in der aktuellen Diskussion zeigt – auch zu Schlussfolgerungen, die das menschliche Zusammenleben insgesamt radikal verändern würden, wollte man den Begründungsanspruch und die (vermeintliche) wissenschaftliche Gewissheit der Neurophilosophie akzeptieren und auf der Basis einer solchen praktischen Einsicht entsprechende Veränderungen vornehmen. Die Annahme, Bewusstsein, Selbstbewusstsein, die eigenen emotiven sympathischen oder antipathischen Hinwendungen und nicht zuletzt der freie Willensentschluss würden nicht von uns selbst oder den Menschen, mit denen wir interagieren, sondern von neurophysiologischen Prozessen in deren Inneren gesteuert, führt auf der einen Seite zu nicht geringfügigen Irritationen, auf der anderen Seite sogar zu weitreichenden Forderungen der Umorganisation unseres gesellschaftlichen Systems. Es zeigt sich, dass eine auf den ersten Blick beinahe kleinlich, weil eben nur philosophisch motiviert anmutende Kritik, nämlich die an mereologischen Fehlschlüssen, bei Nichtbeachtung radikale und fatale Konsequenzen...


Hacker, Peter
Peter M. S. Hacker, geb. 1939, ist Emeritus Research Fellow für Philosophie am St. John’s College der University of Oxford. Er hat zahlreiche Veröffentlichungen, vor allem zur Philosophie des Geistes und zu Ludwig Wittgenstein vorgelegt.

Bennett, Maxwell
Maxwell R. Bennett, geb. 1939, ist Professor für Neurowissenschaften und Direktor des „Brain and Mind Research Institute“ an der University of Sydney. Bennett ist Mitglied vieler Kommissionen zur wissenschaftlichen und ethischen Bedeutung der Hirnforschung, er hat mehrere Veröffentlichungen in diesem Feld vorgelegt.

Peter M. S. Hacker, geb. 1939, ist Emeritus Research Fellow für Philosophie am St. John's College der University of Oxford. Er hat zahlreiche Veröffentlichungen, vor allem zur Philosophie des Geistes und zu Ludwig Wittgenstein vorgelegt.

Maxwell R. Bennett, geb. 1939, ist Professor für Neurowissenschaften und Direktor des "Brain and Mind Research Institute" an der University of Sydney. Bennett ist Mitglied vieler Kommissionen zur wissenschaftlichen und ethischen Bedeutung der Hirnforschung, er hat mehrere Veröffentlichungen in diesem Feld vorgelegt.



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