Häupl | Freundschaft | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Häupl Freundschaft

Autobiografie
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7106-0605-2
Verlag: Brandstätter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Autobiografie

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-7106-0605-2
Verlag: Brandstätter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Was muss passieren, damit ein niederösterreichischer Lehrersohn aus christlich-sozialem Haus Bürgermeister des Roten Wien wird? Michael Häupl erzählt in diesem Buch von seinen schwierigen Klosterschul-Jahren, von seiner Lebensentscheidung zwischen Wissenschaft und Politik, von seinem Aufstieg und von schmerzlichen Niederlagen. Er nimmt uns mit hinter die Kulissen der österreichischen Innenpolitik und beschreibt, woran die roten Kanzler Gusenbauer, Faymann und Kern gescheitert sind.
Erstmals geht Häupl auch auf die turbulenten Auseinandersetzungen in der Wiener SPÖ vor seiner Amtsübergabe an Michael Ludwig ein. Und er schreibt über die schwere Erkrankung nach seinem Rückzug aus der Politik. Michael Häupls klare politische Überzeugungen und private Einblicke machen klar, warum die Popularität des längstdienenden Bürgermeisters bis heute ungebrochen ist.

Häupl Freundschaft jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


ZEITENWENDE IN DER SPÖ
Dieses Jahr 1983 war eine Zäsur. Die SPÖ hatte bei den Nationalratswahlen die absolute Mehrheit verloren, Kreisky zog sich zurück, fädelte aber noch die Koalition mit der FPÖ ein. Auch für mich persönlich war das Jahr 1983 ein Einschnitt: Ich bekam ein Mandat im Wiener Landtag. Gleichzeitig zogen meine Freunde aus der VSStÖ-Zeit, Gitti Ederer und Josef Cap, in den Nationalrat ein, Cap mit einer Vorzugsstimmen-Kampagne, weil er auf keinen sicheren Listenplatz gesetzt worden war. Ich schied etwa gleichzeitig mit meinem Einzug in den Landtag als Vorsitzender der Wiener JG aus. Es gab zwar den Plan, ich könnte noch Bundesvorsitzender der Jungen Generation werden, aber das wollte ich nicht. Nach drei Monaten im Wiener Landtag beriet ich mich mit meinen Freunden im Naturhistorischen Museum. Ich sagte, ich könne nicht gleichzeitig ernsthafter Wissenschaftler und ernsthafter Politiker sein. Das sei vom Zeitaufwand her nicht möglich. Außerdem gab es im Museum einen fachlich ausgezeichneten Kollegen, der meine Stelle übernehmen konnte. Ich ließ mich also nach dem Dienstrecht karenzieren. Karenzierung bedeutet eine Dienstfreistellung ohne Bezüge, aber mit Rückkehrrecht, wenn auch nicht in dieselbe Position. Ich wusste ja nicht, ob ich nach der nächsten Wahl in fünf Jahren wieder ein Mandat bekomme. Wäre das nicht der Fall gewesen, wäre ich ins Naturhistorische Museum zurückgekehrt. Wenige Monate nach meinem Einzug ins Stadtparlament begann das Tauziehen um das geplante Donaukraftwerk bei Hainburg. SPÖ und Gewerkschaft waren eindeutig auf der Seite des Verbundkonzerns, des Bauherrn und künftigen Betreibers. Der niederösterreichische Umwelt-Landesrat, er kam von der SPÖ, hatte den positiven Naturschutz-Bescheid erlassen. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Wiener JG-Vorsitzender, aber ich verfasste eine fünfseitige Expertise für den JG-Vorstand mit einer Empfehlung für eine Position. Ich war nicht grundsätzlich gegen Wasserkraft, ich befürwortete sie sogar, sprach mich in meiner Stellungnahme aber gegen das Projekt bei Hainburg aus. Diese Position erlaubte es mir, wenige Jahre später für die Staustufe Wien zu sein. Warum gegen Hainburg, aber für die Staustufe Wien? Die Donau bei Wien war schon damals „Natur aus zweiter Hand“, wie der Biologe Bernd Lötsch, eine maßgebliche Größe in der Hainburg-Debatte, das genannt hat. „Natur aus zweiter Hand“ deshalb, weil die Donau im Bereich der Hauptstadt ja schon im 19. Jahrhundert begradigt worden war. Hier mussten für das Kraftwerk keine Auwälder gefällt werden, es gab ein breites Überschwemmungsgebiet, es gab verlassene Lagerhäuser, Reste von während des letzten Kriegs errichteten Baracken und rostenden Boots-Anlegestellen. Das Donauufer war in diesem Gebiet unweit des Praters ein Schandfleck der Stadt. In Hainburg war das anders. Ich war also in der Frage des Baus des Donaukraftwerks Hainburg ganz anderer Meinung als die Mehrheit in meiner Partei und auch in meiner Gemeinderatsfraktion. Damals war der spätere Finanzstadtrat und nachmalige Finanzminister Rudi Edlinger Klubobmann im Rathaus. Rudi war einer meiner ältesten Freunde in der Partei, er ist inzwischen leider verstorben. Ich bin also zu Edlinger gegangen und habe gesagt: „Du, ich sehe das mit Hainburg anders als die Mehrheit hier.“ Er hat gemeint: „Täte mich ja auch wundern, wenn du einmal etwas genauso siehst.“ Sage ich: „Ja, mit meiner nun schon 15-jährigen Berufserfahrung als Biologe könnte ich dir das durchargumentieren. Aber das wird dich nicht interessieren. Dich interessiert die Politik dabei, was ich nachvollziehen und verstehen kann. Aber ich bitte dich, wir kennen uns ja ewig, glaub mir, ich weiß, was ich inhaltlich vertrete.“ Sagt er: „Gut, wenn du mir jetzt diese lange Biologie-Erklärung ersparst, okay. Aber mach keinen Wirbel!“ Sage ich: „Was verstehst du unter Wirbel?!“ „Na ja, halt keine Rede im Gemeinderat gegen Hainburg.“ Sage ich: „Entschuldige, Reden teilst eh du als Klubobmann ein. Ich weiß ja auch, was Disziplin heißt. Aber ich sage dir gleich: Ich habe für die JG eine Stellungnahme verfasst, die sie sicher den Zeitungen zuspielen wird. Und diese Stellungnahme spricht sich im Endeffekt für Wasserkraftwerke, aber gegen dieses konkrete Projekt Hainburg aus. Mit einer für ein politisches Gutachten ewig langen Begründung.“ Das wurde akzeptiert und tags darauf wurde die Stellungnahme tatsächlich in der „Kronen Zeitung“ veröffentlicht, die ebenfalls heftig gegen den Bau des Kraftwerks war. Dann kam bekanntlich der von Bundeskanzler Sinowatz ausgerufene Weihnachtsfrieden, der im Prinzip bis heute andauert: Das Projekt Hainburg war damit sanft entschlafen. Im Hainburg-Jahr 1984 gab es aber noch ein anderes, besonders für Wien einschneidendes Ereignis: Bürgermeister Leopold Gratz und seine Vizebürgermeisterin Gertrude Fröhlich-Sandner wechselten in die Bundesregierung. Gratz hatte in den Umfragen trotz seiner Wahlniederlage immer noch gute Persönlichkeitswerte, aber damit allein ließen sich die Verluste der SPÖ bei Landtagswahlen nicht aufhalten. Er war jetzt zehn Jahre im Amt und hatte das Gefühl, es sei Zeit für einen Wechsel. Außerdem war nun sein enger persönlicher Freund Fred Sinowatz Bundeskanzler. Sinowatz berief Gratz auf dessen Wunsch hin ins Außenministerium. Damit war der Bürgermeistersessel vakant und es gab bald mehrere Interessenten für diesen Job, womit Turbulenzen garantiert waren. Der logische Plan war, dass es einfach einen Funktionswechsel gibt: Gratz wird Außenminister, der amtierende Außenminister Erwin Lanc wird Bürgermeister. Das hatte insofern eine gewisse Logik, als Lanc als Bezirksobmann der SPÖ Margareten seit vielen Jahren fest in der Wiener Partei verankert war. Sowohl das Präsidium als auch der Vorstand der Wiener SPÖ sprachen sich daher für Erwin Lanc als Bürgermeister aus. Der entscheidende Wiener Ausschuss der SPÖ, das größte Gremium, das die Letztentscheidung zu treffen hatte, sah das anders. Es gab ja noch einen zweiten Kandidaten, den damaligen Unterrichtsminister Helmut Zilk, der statutengemäß von jemandem, der im Parteipräsidium saß, dem Wiener Ausschuss vorgeschlagen worden war: von Hans Mayr, der wenige Jahre später Parteiobmann wurde. Über die Kandidaten wurde im Wiener Ausschuss nicht offen diskutiert. Es wurde auch keine Kritik an Erwin Lanc geübt, sondern jemand hat einfach eine geheime Abstimmung verlangt. Wer das war, weiß ich nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt sind der neben mir sitzende SJ-Obmann Werner Faymann und ich hellhörig geworden. Im Wiener Ausschuss durften wir ja als Jugendvertreter dabeisitzen, aber wir waren nur kooptiert und hatten kein Stimmrecht. Später habe ich herausgefunden, dass bei dieser Abstimmung zum Teil noch uralte Konflikte aus den Nachkriegsjahren ausgetragen wurden. Erwin Lanc gehörte damals mit einigen anderen dem linken Flügel der Sozialistischen Jugend an und hatte aus dieser Zeit immer noch Widersacher. Ich hielt es nicht für möglich, dass solche Dinge so lange eine Rolle spielen, und habe erst jetzt begriffen, welch kollektives Elefantengedächtnis es in der SPÖ gibt. Ich habe das bald danach noch einmal erlebt: Wir saßen bei einer Veranstaltung der Kinderfreunde in Ottakring und haben Würstel gegessen. Es herrschte eine entspannte Stimmung, als plötzlich ein heftiger Disput zwischen zwei wichtigen Proponenten der Partei ausbrach: Bezirksvorsteher Alfred Barton und Bezirksparteiobmann und Vizebürgermeister Hubert Pfoch hatten noch einmal die Olah-Affäre exhumiert, die damals auch schon zwei Jahrzehnte zurücklag, und waren einander darüber heftig in die schütteren Haare geraten. Zilks Wahl zum Bürgermeister war jedenfalls für uns Jüngere eine Überraschung. Viele im Wiener Ausschuss, die für ihn gestimmt haben, werden wohl angenommen haben, mit Zilk habe die SPÖ ein besseres Verhältnis zu den Medien, zum ORF und vor allem zur „Kronen Zeitung“. Mit Zilk werde man daher eher eine Wahl gewinnen als mit Lanc, und schließlich saßen ja auch die meisten Mitglieder des Wiener Ausschusses auf einem Mandat. Und man sollte in der Politik nie die persönlichen Interessenlagen unterschätzen. Viele dieser Funktionäre waren davon überzeugt, dass Zilk die bessere personelle Antwort auf Erhard Busek sei als Erwin Lanc, was bei all meiner großen Sympathie und Hochachtung für Erwin Lanc möglicherweise keine ganz falsche Überlegung war. Ich weiß nicht, ob Erwin Lanc, der mit seriöser, sozialdemokratischer Politik dem frühen Populisten Busek Widerstand leisten wollte, entsprechenden Erfolg gehabt hätte. Es ist im Prinzip heute auch vollkommen müßig, darüber Vermutungen anzustellen, weil mit der Entscheidung für Helmut Zilk...


Michael Häupl, geb. 1949, studierte Meeresbiologie und begann eine wissenschaftliche Karriere im Naturhistorischen Museum, bevor er sich ganz auf das Wirken in der Politik konzentrierte. 1994 folgte er Helmut Zilk als Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien nach und lenkte die Geschicke der Stadt auch in wechselhaften Zeiten wie kein anderer.

Nach 23 Jahren, sechs Monaten und 16 Tagen in diesem Amt zog er sich 2018 aus der Politik zurück und ist heute in zahlreichen Funktionen tätig, u.a. als Präsident der Volkshilfe Wien und des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds.

Dr. Herbert Lackner, geboren in Wien, studierte Politikwissenschaft und Publizistik, war stellvertretender Chefredakteur der ArbeiterZeitung und danach 23 Jahre lang Chefredakteur des Nachrichtenmagazins profil. Er ist Autor zahlreicher zeithistorischer Beiträge in profil und Die Zeit.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.