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E-Book, Deutsch, 216 Seiten

Hahn Der Dämon der Zarin

Leben und Sterben des Grigorij Jefimowitsch Rasputin
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7427-5022-8
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Leben und Sterben des Grigorij Jefimowitsch Rasputin

E-Book, Deutsch, 216 Seiten

ISBN: 978-3-7427-5022-8
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



St. Petersburg zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Ein Dämon beherrscht die Familie des Zaren und damit die ganze Hauptstadt. Er ist düster und hässlich wie der Tod, und doch werden ihm wundertätige Kräfte nachgesagt, und seiner finsteren Ausstrahlung verfallen Menschen in den allerhöchsten Kreisen. Sein Name wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt: Rasputin. Der Bauernsohn, der den Zarewitsch von einer unheimlichen Krankheit geheilt haben soll und der seitdem der Zarin seinen Willen aufzwingt.

'Es ist Opium für die Seele', das sagt Josef Hahn über seine schriftstellerische Tätigkeit. Unter verschiedenen Pseudonymen schreibt er seit Jahren Theaterstücke, Balladen und Bücher mit abwechselnden Themen. Nach dem Marketingstudium ging er in die Versicherungsbranche und wagte dann den Schritt in die Selbstständigkeit. Jahrelang betrieb er auch eine Kleinkunstbühne in Wien. Heute lebt er in Thailand. Seine Titel zeichnen sich durch besonders exakte Recherchen und ungewöhnliche Lösungen aus.
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1869


Der 10. Januar 1869 war für den Bauern Jefim Jakowitsch ein aufregender Tag. Und auch ein saukalter! Eisiger Wind pfiff über das kleine Dorf Pokrovskoye hinweg und Schneekristalle tanzten hin und her.

Sonja Kuroda, die Hebamme, hatte ihn mit rüden Worten aus dem Haus geschmissen. Es sei völlig unmöglich, dass ein Mannsbild beim Eintauchen eines neuen Menschleins ins Leben anwesend wäre! Er möge sich gefälligst und rasch schleichen!

Murrend war er der Hebamme gefolgt und hockte seitdem auf der roh geschnitzten Bank vor dem Haus und fror entsetzlich. Gott sei Dank hatte er sich ein Fläschchen Wodka mit nach draußen genommen. Ab und zu trank er einen Schluck davon und freute sich, wenn die milde Flüssigkeit ihn ein wenig erwärmte.

Er wunderte sich bereits zum dritten Mal, wie lange so eine menschliche Geburt dauert.

Anna Wasiljewna, seine Frau lag seit Stunden in den Wehen. Ihr Schreien und Stöhnen war bis nach draußen zu hören. Warum stellen sich die Weiber nur so kompliziert an, dachte er? Gut, es war erst ihr drittes Kind. Vielleicht würde es bei den - hoffentlich noch - folgenden weniger kompliziert werden.

Bei seinen Viechern ging das wesentlich rascher und einfacher. Da gab es auch keine Hebamme, die einen hinauswerfen konnte. Keinem Tierarzt würde sowas in den Sinn kommen; glaubte er. So einen konnte man sich aber ohnehin nicht leisten. Der schickte ihn auch nicht weg.

Warum, so überlegte Jefim weiter, hat es der allmächtige Gott so eingerichtet, dass das Herauskommen eines Menschen aus dem Mutterleib so kompliziert ist? Und warum holt er danach einige der neuen Menschen gleich wieder zu sich?

Er fand darauf keine Antwort. Mit dem Popen konnte er darüber nicht reden. Der würde ihn niederbrüllen, ihn eine unverschämte und dumme Sau nennen und ihm unterstellen, er zweifle an der Weisheit des Herrn.

Nein!

Jefim zweifelte keineswegs daran. Aber er konnte es nicht kapieren, dass der Herr seine beiden ersten beiden Kinder so früh schon zu sich gerufen hatte. Hoffentlich würden sie das dritte Kind behalten dürfen. Er sprach ein kurzes Gebet, seufzte laut, trank das Fläschchen leer und fror weiter.

Jefims Familie gehörte zu den alteingesessenen Bauern des Dorfes mit - nach sibirischen bäuerlichen Verhältnissen - einigem Vermögen und respektablem Ansehen. Sie waren Bauern und besaßen eigenes Land sowie mehrere Kühe und Pferde.

Jefims Vorfahren waren als >Rosputin< im 17. Jahrhundert zugewandert. Wegen eines schlampigen Beamten in der Kreisverwaltung Tjumen wurde später daraus dann >Rasputin<. Das fiel aber niemandem auf. Die Kunst des Schreibens und Lesens war für die einfachen Bauern sowieso eine nutzlose. Also wozu, wie und vor allem wo, das erlernen?

Das riesige Reich des Zaren war in diesen Jahren aus einem langen mittelalterlichen Schlaf erwacht und man bemühte sich nach Kräften, sich an den westlichen Staaten zu orientieren. Frankreich und Deutschland waren die großen Vorbilder der zaristischen Verwaltung. Die Kräfte dazu reichten aber nicht aus. Die Reformen erreichten nie das ganze weite Reich.

Die Region Tjumen etwa – wo sich unser Dorf befindet - war etwa 2.100 Kilometer von der Hauptstadt St. Petersburg entfernt. Wie konnte Väterchen Zar also wissen, wie es da zuging und wie es sich da lebte?

Wichtig für das Väterchen waren doch nur die eingetriebenen Abgaben, ob in Naturalien oder in Rubel. Einmal, als Jefim nichts abliefern konnte, sperrte man ihn für einige Tage sogar in den Schuldturm. Das ganze Dorf musste seine Frau damals anbetteln. Welch eine Schande!

Auch waren die meisten Muschiks Leibeigene4 geblieben, ohne zu wissen, dass sie gar keine mehr waren. Niemand war da, es ihnen begreiflich zu machen und die adeligen Großgrundbesitzer hüteten sich davor, ihre Bauern aufzuklären. Sie würden sich doch nicht ins eigene Fleisch schneiden!

So war es auch in Pokrovskoye.

In den etwa zweihundert Häusern lebten damals ungefähr eintausend Menschen. Man hatte eine Kirche, einen Popen, sogar einen Laden, indem man einkaufte - wenn man die nötigen Rubel hatte - und ein Wirtshaus mit einigen Gästebetten. Aber Gäste kamen ohnehin fast nie.

Was hätten sie auch in dem Kaff anstellen sollen? In den kurzen Sommern terrorisierten Myriaden von Mücken und Moskitos Mensch und Vieh und im Winter gefror sogar die Milch zu kalkig weißen Blöcken.

Viermal im Jahr tauchte ein mürrischer Fuhrmann und Händler auf und versorgte den kleinen Dorfladen mit Nachschub.

Grigorijs frühe Jahre verliefen ebenso wie die der anderen Bauernkinder: Mithilfe bei allen möglichen Tätigkeiten am Feld und im Stall. Willig erledigte er alles, was ihm Jefim, der Vater, auftrug. Nichts Besonderes zeichnete ihn damals aus.

Die Bauern lebten mit ihren Familien in kleinen, einfachen Häusern aus Holz. Holz gab es in den Wäldern genug, so dass immer reichlich Material zum Bauen und Heizen vorhanden war. In die Zwischenräume der Häuser füllten sie geflochtene Birkenzweige und dichteten die Wände mit Lehm und Stroh ab. Meistens gab es im Haus nur einen einzigen Raum, in dem alle wohnten.

Ein gemauerter Kamin aus Lehm stand in der Mitte des Raumes, auf dem gekocht und geheizt wurde. Die Dächer hatten keine Schornsteine, so dass der Rauch nur durch kleine Schlitze abziehen konnte. In den Häusern war es daher meist sehr rauchig und stickig.

Für die Gesundheit war der dauernde Rauch auch nicht gerade förderlich.

Rund um den Ofen schlief man im Winter, meist auf Stroh. Auch die Dächer waren mit Strohgedeckt. Richtige Fußböden aus Stein oder Teppiche hatten die Menschen nicht zur Verfügung. Sie nutzten gestampfte Erde für ihre Fußböden, die sie mit Stroh bedeckten. 

Charakteristisch für diese Katen waren die sehr kleinen Fensteröffnungen, die im Winter mit Stroh oder Häuten verschlossen wurden. Glas konnte sich ein einfacher Bauer nicht leisten; das war nur der feinen Gesellschaft vorbehalten und in Sibirien auch für diese nur sehr schwer zu bekommen. In dem Kaff gab es aber ohnehin keine feine Gesellschaft.

Möbel gab es sehr wenige. Ein rohgezimmerter Tisch, ein paar Hocker oder Schemel, vielleicht noch eine Bank und eine Truhe. Schränke kannte man nicht.

In dieser einfachen und auch öden Umgebung verlebte Grigorij Rasputin die stumpfen ersten Jahre. Am Ort gab es keine Möglichkeiten zur Schulbildung. Wie schon erwähnt: wozu auch? Lesen und Schreiben brachte sich Rasputin ansatzweise später selbst bei.

Neben den immer präsenten Kosaken gab es die verhassten Beamten, die in der Verwaltung tätig waren. Sie waren vor allem mit der Tributeinziehung betraut. Daneben hatten sie sich auch um Gesundheitspflege, Bildung und Rechtsprechung zu kümmern.

Dieses >Kümmern< hielt sich aber in sehr engen Grenzen; neben dem Woiwoden und dessen Stellvertreter gab es einen Sekretär und zwei Kanzleiangestellte.

Oft waren diese Beamten aus dem europäischen Russland wegen Disziplinarvergehen nach Sibirien strafversetzt. Dennoch galt der Dienst da als lukrativ; die bei allen übliche Korruption bot viele Bereicherungsmöglichkeiten.

Wie konnte auch die Kontrolle der Zentralregierung effektiv seien, wenn ein Abgesandter des Zaren dorthin ein Jahr lang unterwegs war?

Der Staat hielt sich aber ohnehin mit Investitionen im Bildungsbereich Sibiriens zurück. Lediglich Spenden sibirischer Unternehmer in das Schul- und Bibliothekswesen trugen zu einer kleinen Modernisierung des rückständigen Gebietes bei.

Unter den Lehrerinnen, die in Sibirien in der Volksaufklärung tätig waren, befand sich auch eine gewisse Nadežda Krupskaja, die spätere Frau Lenins.

Das Unglück war Hausgast bei den Rasputins: Die Mutter starb recht früh, die Schwester ertrank bei einem epileptischen Anfall im Fluss Tura, im Alter von etwa acht Jahren und im Jahr 1877 stürzten er und sein Bruder Michail beim Spielen in den Fluss. Michail fand dabei den Tod durch Ertrinken.

Grigorij hingegen wurde gerettet und erkrankte an einer schweren Lungenentzündung. Im Fieberwahn erschien ihm eine schöne blonde Frau in einem weißblauen Kleid und befahl ihm, schleunigst wieder gesund zu werden. Solchen Erscheinungen maß man immer höchste Bedeutung zu.

Der eilig herbeigerufene Dorfpope wertete das als Erscheinung der Gottesmutter. Für die abergläubischen und frommen Bauern war das ein deutlicher Hinweis, dass der Himmel seine schützende Hand über den Knaben gehalten hatte.

Später erzählte auch Grigorij immer wieder, dass er nur durch die Fürbitten der Gottesmutter Maria am Leben geblieben war.

Vermutlich waren es die Verlusterlebnisse und die überstandene schwere Krankheit, die bei ihm zu einer psychischen Instabilität führte, die mit den Jahren immer ausgeprägter wurde. Aus dem tiefgläubigen charismatischen Mann konnte im Handumdrehen ein brutaler Sexist, Säufer und Vergewaltiger werden und umgekehrt.

Als Halbwüchsiger galt er als ausgesprochener Tunichtgut. Er hätte gut zu irgendeiner Rockerclique gepasst, wenn es eine solche damals schon gegeben hätte. Mehrere Anzeigen wegen Mädchenschändung und Diebstahl lagen gegen ihn vor. Verurteilt wurde er aber nie.

Er hatte seiner Umgebung schon mit sechszehn Jahren seine ungewöhnlichen Fähigkeiten demonstriert: Er heilte die Wunde einer stark blutenden Frau nur durch Handauflegen und Gebete.

Für die Muschiks und die Obrigkeit war das ein Wunder! Und wer wollte schon so einen, von Gott mit außergewöhnlichen Fähigkeiten bedachten, Übeltäter anklagen? Konnte man denn wissen, wie es einem verurteilenden Richter...



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