Hailbronner / Boecken / Korioth | Asyl- und Ausländerrecht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 611 Seiten

Hailbronner / Boecken / Korioth Asyl- und Ausländerrecht

E-Book, Deutsch, 611 Seiten

ISBN: 978-3-17-039706-4
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Das Lehrbuch stellt das gesamte Ausländer- und Asylrecht auf dem Stand Mitte/Ende 2020 in kompakter Form dar. Den Kern des asylrechtlichen Teils bilden die zahlreichen Änderungen, die als Folge der Flüchtlingskrise des Jahres 2015/2016 im Aufenthaltsrecht, Asylverfahrensrecht und Integrationsrecht bis Ende 2019 beschlossen worden sind. Im Zentrum des Aufenthaltsrechts stehen die gesetzlichen Maßnahmen zur Einschränkung illegaler Zuwanderung und die Neuregelung des Rechts der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, insbesondere durch das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom April 2019. Ein weiterer großer Bereich betrifft die Erleichterung der Zuwanderung fachlich qualifizierter Ausländer durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vom August 2019 und des Zugangs von geduldeten Ausländern zur Ausbildung und zum Arbeitsmarkt durch das Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom Juli 2019. Aktuelle Entwicklungen beim Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern und britischen Staatsangehörigen und im Recht der Abschiebungshaft (Erweiterte Vorbereitungshaft für Asylbewerber) sind bis Dezember 2020 durch das Gesetz zur aktuellen Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes vom 12.11.2020 und Art. 3 des Gesetzes zur Verschiebung des Zensus in das Jahr 2022 und zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes vom 3.12.2020 berücksichtigt.
Wie bisher ist besonderer Wert auf praxisnahe Erläuterungen gelegt. Fallbeispiele und Schemata sollen das Verständnis und die Anwendung eines komplexen und nicht selten intransparenten Normengefüges in der Verschränkung von Völkerrecht, Unionsrecht und nationalem Recht soweit wie möglich erleichtern.
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A.Allgemeiner Überblick
§ 1Migration – Zahlen und Fakten zur Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland
1Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor durch eine anhaltende Einwanderung insbes. als Folge der großen Migrationsbewegungen geprägt. Am 31.3.2019 wurden in Deutschland im Ausländerzentralregister 10.999.325 Ausländer, davon 56.2 % Drittstaatsangehörige (Nicht-EU-Mitgliedstaaten) registriert. Die Zahl der im Bundesgebiet lebenden Ausländer ist damit von 6.75 Mill. im Jahr 2010 innerhalb kurzer Zeit bis 2020 um ca. 55 % gestiegen. Der Anteil der Personen mit „Migrationshintergrund“1 an der Gesamtbevölkerung betrug im Mikrozensus des Jahres 2017 mit 19.3 Mill. 23.6 %, davon deutsche Staatsangehörige 9.8 Mill. und Ausländer 9.4 Mill.2. Ca. zwei Drittel aller Personen mit Migrationshintergrund sind Migranten erster Generation (d.?h. nach Deutschland zugewandert), während knapp ein Drittel bereits in Deutschland geboren wurde (zweite oder Folgegeneration). Unionsbürger, die innerhalb der Europäischen Union Personenfreizügigkeit genießen, sind mit 43.8 % an der ausländischen Gesamtbevölkerung von 10.99 Mill. beteiligt3. Der weitaus größte Teil der Zuwanderung entfällt auf die irreguläre Zuwanderung durch Asylbewerber. Zwar sind nach der großen Migrationsbewegung des Jahres 2015 mit einer Nettozuwanderung von 1.139.402 die Zahlen von Ausländern, die über einen Asylantrag nach Deutschland eingereist sind, deutlich zurückgegangen. Gegenüber 745.545 registrierten Asylbewerbern im Jahr 2015 wurden im Jahre 2019 165.938 Personen gezählt4. Angesichts einer geringen Zahl freiwilliger Rückkehrer dieses Personenkreises und der anhaltend geringen Erfolgsquote bei der Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer5 ist bis auf weiteres davon auszugehen, dass ein Anstieg der Personen mit „Migrationshintergrund“ weiterhin das Migrations- und Integrationsgeschehen in Deutschland maßgeblich prägen wird. 2Nach wie vor bildet die gesteuerte Zuwanderung in der Form der Erteilung von Aufenthaltstiteln zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit einen eher geringen Teil des Migrationsgeschehens. Von den im Jahre 2018 insgesamt 562.329 förmlich registrierten Zuzügen von Drittstaatsangehörigen (Nicht-EU-Bürger und deren freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige) ins Bundesgebiet (ohne Rücksicht auf sonstige im Bundesgebiet aufhältige Drittstaatsangehörige) werden in der Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit mit 60.838 ausgewiesen, während Aufenthaltstitel zum Familiennachzug mit 97.129, für sonstige humanitäre Gründe mit 25.568, Aufenthaltsgestattungen für Asylbewerber mit 60.389 und Duldungen mit 20.754 zu Buche schlagen6. Es ist das erklärte Ziel des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, die Relation zwischen im Wesentlichen ungesteuerter Migration von Drittstaatsangehörigen zugunsten einer gesteuerten Einwanderung von Fachkräften zu verbessern. 3Bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht zeigt sich eine bislang unverändert große Lücke zwischen der Zahl an sich ausreisepflichtiger Ausländer, die nach negativem Ausgang des Asylverfahrens grundsätzlich zur Rückkehr in ihre Heimatstaaten verpflichtet sind und der geringen Zahl von Ausländern, die entweder freiwillig ausreisen oder abgeschoben werden. Die faktische Situation ist bislang dadurch gekennzeichnet, dass der längerdauernde Aufenthalt im Bundesgebiet im Anschluss an eine illegale Einreise nicht selten in Folge von häufig selbst geschaffenen Abschiebungshindernissen zu einem Aufschub der Vollziehung und letzlich zu einer Legalisierung durch einen humanitären Aufenthaltststitel oder als Vorstufe der Legalisierung zu einer Duldung führt. Einen wesentlichen Anteil an dieser Situation hat das europäische Asylrecht, das ungeachtet der in der Regel primären Zuständigkeit anderer EU-Mitgliedstaaten nach der Dublin III VO Nr. 604/2013 zu einer massenhaften irregulären Weiterwanderung von Migranten nach Deutschland geführt hat. Dies wurde begünstigt durch die bis Anfang 2020 exzellente Wirtschaftslage Deutschlands, ein hohes Steueraufkommen, einen wachsenden Bedarf an Arbeitskräften, ein umfassendes Integrationsversprechen und vergleichsweise gute Chancen für die Verbesserung der Lebensverhältnisse für die nach Deutschland einreisenden Migranten und Flüchtlinge in Verbindung mit der schrittweisen Legalisierung an sich ausreisepflichtiger Drittstaatsangehöriger und eine weitgehende faktische Nichtanwendung des geltenden deutschen und europäischen Ausländer- und Asylrechts, soweit es um die Ergreifung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und die Rückführung von Drittstaatsangehörigen in zuständige EU-Mitgliedstaaten ging. 4Wie sich der dramatische Einbruch der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse in Deutschland und den EU-Mitgliedstaaten insgesamt als Folge der Corona-Pandemie und eines dramatischen Einbruchs der Wirtschaftskonjunktur mit hohen Arbeitslosenzahlen auf die weitere Entwicklung der Migrations- und Beschäftigungspolititik ab 2020 auswirken wird, ist derzeit nicht absehbar. Schon jetzt dürfte aber feststehen, dass der unter „Schönwetterbedingungen“ geschmiedete rechtliche Rahmen des von einem Mangels an Fachkräften bestimmten Arbeitsmarkts nach der massenhaften Freisetzung unqualifizierter oder nur gering qualifizierter vorwiegend ausländischer Arbeitskräfte auch in der Folgezeit nach der Corona Pandemie Änderungen sowohl bei der Rechtsanwendung als auch bei der Rechtsetzung in den Bereichen des Beschäftigungsrechts und der bislang großzügigen Zulassung illegal eingereister ausreisepflichtiger Drittstaatsangehöriger zu Integrationsleistungen und zu Legalisierungsprogrammen nach sich ziehen dürfte. 5Fragen der Integration der im Bundesgebiet lebenden ausländischen Bevölkerung sind dessen ungeachtet ein bleibender zentraler Problembereich des Aufenthaltsrechts, der die Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts und des Rechts der Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer in erheblichem Maß beeinflusst. Das Dilemma, in dem sich Politik und Rechtsanwender befinden, wird schlaglichtartig durch die Funktionsveränderung der Duldung beleuchtet, die einerseits der Durchsetzung der Ausreisepflicht zu dienen bestimmt ist, andererseits aber in Form privilegierter Duldungen zum Zweck der Ausbildung und Beschäftigung zunehmend den Charakter eines Quasiaufenthaltstitels annimmt und damit in prinzipiellem Gegensatz zur effektiveren Durchsetzung der Ausreisepflicht steht. Die Integration als „Querschnittsaufgabe“ des Migrationsverwaltungsrechts7 hat nicht nur zahlreiche Initiativen auf der Ebene von Bund, Ländern und Gemeinden zur Integrationsförderung hervorgerufen, sondern bestimmt in vielfacher Weise die Entwicklung des Staats-, Verwaltungs- und Sozialrechts. Sie steht gleichzeitig in einem gewissen Gegensatz zur Intention des Gesetzgebers, die Anreize für eine irreguläre Zuwanderung zu reduzieren, die freiwillige Rückkehr von Ausländern in ihre Heimatstaaten zu fördern und die zwangsweise Rückführung von Personen, die ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen, zu erleichtern. Hinzu kommen weitere konkurrierende Perspektiven, die die rechtliche Steuerung der Migration bestimmen8. Der Zuzug von insgesamt 44.752 Drittstaatsangehörigen mit einem Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 18 AufenthG a.?F. speist sich im Jahr 2018 in Deutschland überwiegend aus Ausländern, von denen etwas mehr als die Hälfte eine qualifizierte Beschäftigung in Deutschland aufnehmen9. Die Zahl der Personen mit einer Beschäftigung, die keine qualifizierte Berufsausbildung erfordert, ist gegenüber den Vorjahren deutlich gewachsen. Die größten Gruppen der im Jahr 2018 zu Erwerbszwecken eingereisten Personen waren Staatsangehörige aus Serbien, Bosnien-Herzegowina, den USA, Kosovo, Mazedonien, Albanien und Indien. Hinzu kommen 12.015 zur Ausübung einer Beschäftigung mit akademischer Ausbildung nach § 19a (Blaue Karte) eingereiste Drittstaatsangehörige, 434 Forscherinnen und Forscher, 1.080 unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer sowie 1.718 Personen, denen eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck einer selbstständigen Tätigkeit erteilt wurden10. 6Insgesamt lebten am 1.1.2019 in Deutschland nur eine vergleichsweise geringe Zahl von 161.973 Ausländern mit einem Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit nach § 18 AufenthG a.?F., gegenüber der wesentlich größeren Zahl von Ausländern, die sich aufgrund eines anderen nicht spezifisch zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung ausgestellten Aufenthaltstitels oder einer Duldung im Bundesgebiet aufhalten und einer Erwerbstätigkeit nachgehen (z.?B. aufgrund von Familiennachzug oder eines humanitären Aufenthaltsrechts). Dabei ist zu beachten, dass Unionsbürger keines Aufenthaltstitels für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bedürfen und Drittstaatsangehörige schon bisher in weitem Umfang von der Pflicht, eine besondere Arbeitserlaubnis einzuholen, weitgehend durch ein gesetzliches Erwerbstätigkeitsrecht befreit waren. Der Gesetzgeber des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes gibt im Grundsatz jedem Inhaber eines Aufenthaltstitels das Recht, eine Beschäftigung im Bundesgebiet aufzunehmen. Die Zahl der zum Zweck der Erwerbstätigkeit ausgestellten Aufenthaltstitel sagt daher über die Berechtigung, in Deutschland einer Beschäftigung nachzugehen und die Erwerbsquote der im Bundesgebiet lebenden ausländischen Bevölkerung nichts aus, gibt aber Hinweise auf die Steuerungsfähigkeit des deutschen Systems der...


Prof. Dr. Dr. h. c. Kay Hailbronner, em. Ordinarius für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht und Gründer und Mitglied des Direktoriums des Konstanzer Forschungszentrums zum internationalen Ausländer- und Asylrecht.


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