Halder | Toteis (E-Book) | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten, PB

Reihe: Rother E-Books

Halder Toteis (E-Book)


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7633-0114-0
Verlag: Rother Bergverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 240 Seiten, PB

Reihe: Rother E-Books

ISBN: 978-3-7633-0114-0
Verlag: Rother Bergverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Karl, Fotojournalist und begeisterter Bergsteiger, macht in den Berchtesgadener Alpen eine erstaunliche Entdeckung. Von einer Felswand aus sieht er einen geheimnisvollen Schatten im Toteis des Watzmannkars: Liegt dort etwa ein Flugzeug?
Bei einem riskanten Alleingang birgt er Artefakte aus dem Eis, die diese Theorie bestätigen. Karl beginnt nachzuforschen: In den letzten Tagen des Dritten Reichs ist ein Flugzeug des Typs Ju 52 mit streng geheimer Fracht an Bord abgestürzt – aber was hatte sie geladen?
Bei seinen Recherchen wird Karl in einen brandgefährlichen Strudel gezogen. Getrieben von seiner Neugier verliert er jede kritische Distanz und lässt sich mit den falschen Leuten ein. Bei einer geheimen Grabung im Kar stößt er tatsächlich auf das verschollene Wrack. Viel zu spät merkt er, dass etwas gnadenlos schiefläuft. Jetzt geht es um Kopf und Kragen - zwanzig Meter tief im Eis.
Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit: Im Watzmannkar finden sich tatsächlich Überreste einer abgestürzten Ju 52. Sie dienten dem Autor zur Vorlage für seinen Roman um ein historisches Geheimnis - exakt recherchiert und spannend erzählt.

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KAPITEL 1
Jahrhundertsommer
Oktober 2006 bis Oktober 2007
… schon wie ich das Wrack gefunden habe, ist eine Geschichte für sich. Das war im Oktober 2006, auf dem Toteisfeld des Watzmannkars, in etwas über zweitausend Meter Höhe. Ich hatte Steigeisen unter den Stiefeln, eine Sonnenbrille gegen das gleißende Nachmittagslicht auf der Nase – und sammelte Abfall ein.
„Math. Hager – Mineralwasserfabrik – Berchtesgaden“. Ein alter Flaschenverschluss, der Drahtbügel war längst weggerostet, er hatte nur braun-goldene Verfärbungen auf dem schneeweißen, glatten Porzellan hinterlassen – aber die Aufschrift war gut erhalten. Solche Verschlüsse hatte ich zuletzt in meiner Kindheit gesehen. Von der Flasche war natürlich nichts mehr übrig – in tausend Scherben zerplatzt, als sie auf das Eis geknallt war, nach hundert, dreihundert, sechshundert Meter im freien Fall. Sie war als lästiger Ballast aus der Kleinen Ostwand geworfen worden, als sie nutzlos, als sie leer gewesen war. Und drei Meter weiter lag eine antike Nivea-Dose auf dem Eis …
Nach einer halben Stunde hatte ich vier dieser Flaschenverschlüsse, einen kleinen Glastiegel mit festsitzendem Blechdeckel, ein einzelnes, zerbrochenes Steigeisen, drei Gewehr-Patronenhülsen, eine Bombennase und zwei handgroße Granatsplitter aufgesammelt. Dazu, so erstaunlich es klingen mag: verwelkte Buchenblätter – auf über zweitausend Meter Höhe. Erinnerungen an einen längst vergessenen Sturm.
Dann begriff ich es: Das hier war eine archäologische Fundstätte, eine, auf der nicht gegraben werden musste – weil die Artefakte von selbst ans Licht kamen. Eingesunken in der Sommerhitze, zugedeckt vom Winterschnee, ins Eis gepresst, tiefgefroren. Nach vierzig, sechzig oder siebzig Jahren wieder ans Licht getaut, als Folge der globalen Erwärmung. Ausgeapert aus altem, totem Eis …
Hier taute offenbar eine Kulturschicht aus dem Boden, die etwa sechzig bis siebzig Jahre alt sein musste – die neunzehnhundertdreißiger und -vierziger Jahre waren das, die hier an die Oberfläche kamen. Ich fand das faszinierend, konnte nicht aufhören, Kreise zu ziehen, auf diesem vier, fünf Fußballfelder großen blauen Eisfladen. Dann ein Teil, das zu groß war, um es einzustecken: aus Blech, verdreht, gestaucht und rotgerostet – keine Ahnung, was das sein könnte. Ich versuchte, die ursprüngliche Form zu erkennen – mehrere gekrümmte Röhren, die zusammenliefen und an einer größeren ansetzten. Ich hatte so was schon mal gesehen, da war ich mir sicher, kam aber nicht drauf wo.
Die Zeit verging, und ich hatte ja noch was anderes vor, das, weshalb ich eigentlich hier heraufgekommen war: Ich wollte mir den Einstieg zu einer Führe durch die Kleine Ostwand des Watzmanns ansehen, die sogenannte „Wiederroute“. Einfach, aber spektakulär schön, sie wird heute nur noch wenig begangen. Die Kopie einer alten Zeichnung hatte ich dabei und mit der war es kein Problem, diesen Einstieg zu finden: Ganz oben im Kar, am oberen Ende eines eisbedeckten Schuttkegels, begann eine steil nach oben führende Rinne. Wir würden Steigeisen brauchen, um sicher den Einstieg zu erreichen. Ab da würde es dann eine reine Genusstour werden …
Anderthalb Stunden hatte ich von der Alm bis hier zum Einstieg gebraucht, ohne meine Extrarunden auf dem Eisfeld. Etwa drei Stunden rechnete ich für die siebenhundert Höhenmeter bis zum Gipfel, wenn man es langsam und gemütlich angehen würde. Dann eine halbe Stunde über den Grat zum Hocheck, anderthalb Stunden runter zum Watzmannhaus, weitere anderthalb für den Abstieg zur Kührointalm. Acht Stunden, ohne die Pausen. Ein wunderschöner, langer Tag in den Bergen, zusammen mit einem guten Freund als Seilpartner. Am Abend auf der Alm dann ein Weißbier als Aperitif und einen Kräuter-Enzian hinterher. Im kommenden Hochsommer oder im frühen Herbst. Herrlich, einfach perfekt.
Ich stieg wieder ab, runter zum Eisfeld. Auf halber Höhe sah ich, dass sich das Oberflächenwasser des Feldes einen Abfluss gefressen hatte, nahe dem Schutthügel, an dem das Eisfeld bergab endete. Ich legte meinen Weg so, dass ich daran vorbei kommen würde.
Ein senkrecht nach unten führender Schacht in wasserpoliertem Eis, gewunden, oben eineinhalb Meter im Durchmesser, nach unten verengte und verzweigte er sich – den Grund konnte man nicht sehen. Da hinein floss das ganze Schmelzwasser des Eisfeldes, ein klarer, gurgelnder Bach, eiskalt, gerade so über der Frostgrenze. Sofort hatte ich Lust, da hinunterzusteigen, mir die Höhle im blauen Eispanzer anzusehen, die das Wasser gefressen hatte. Aber das kam nicht in Frage: Zum einen war ich alleine hier, ich hatte auch weder Eisschrauben noch ein Seil dabei. Außerdem wäre ich patschnass geworden da unten.
Ich umrundete den Schutthügel rechts und stieg ein paar Dutzend Meter am gegenüberliegenden Hang auf, setzte mich auf einen Block, lehnte mich an einen zweiten und holte das Fernglas aus dem Rucksack. Damit und mit der alten Beschreibung der Route versuchte ich, sie in der Wand nachzuvollziehen, ausgehend von der Einstiegsrinne, die ich weiter oben gefunden hatte. Nicht, weil ich aus diesem Winkel viel hätte erkennen können vom Weg durch diese Wand – mehr, um festzustellen, ob meine Beschreibung zutreffend und verlässlich war.
Anscheinend war sie das, zumindest im unteren Drittel der Wand war alles da, wo diese Beschreibung es haben wollte. Zufrieden packte ich ein und machte mich an den Abstieg.
***
Das Kar, eingeklemmt zwischen den hohen Wänden von Hocheck, Mittelspitze und der Watzmannfrau, dem höchsten der Nebengipfel, ist im oberen Drittel eine reine Steinwüste. Mittendrin liegt das Toteisfeld: ein riesiger Fladen aus altem, blauem Eis, das in einer schief gehaltenen Schüssel aus Fels und Steinschutt festgefroren ist. Drumherum ein Durcheinander von Felsbrocken – vom Einfamilienhaus-Format bis runter zum fingernagelgroßen Kiesel. Die größeren Brocken sind an manchen Stellen geradezu übersät mit Fossilien – Muscheln hauptsächlich, die wegen ihrer Form „Kuhtritte“ genannt werden.
Durch dieses Chaos windet sich ein Weg, der oft nur durch kleine Steinmännchen erkennbar ist, aufgeschichtet von den wenigen Wanderern, die noch hier heraufkommen. Vor allem im oberen Teil ist er über weite Strecken kaum erkennbar oder nachvollziehbar – deshalb achtete ich gar nicht groß auf die Markierungen, suchte mir meinen Weg in diesem Fels-Chaos selbst. Das führte mich zu meiner nächsten Entdeckung an diesem Tag.
Eine flache Felsplatte lag da vor mir, staubgrau, wie die ganze Umgebung, aber an der Oberfläche seltsam gleichmäßig strukturiert, wie gestreift. Eine so große Versteinerung? Als ich auf sie trat, erlebte ich eine Überraschung: Das Teil war, obwohl mehr als einen Quadratmeter groß, federleicht und rutschte sofort ein Stück zur Seite, gab dabei einen ganz charakteristischen und unverwechselbaren Ton von sich: Das war kein Fels, das war ein Stück Blech.
Ich ging in die Hocke, sah mir das Ganze aus der Nähe an: ein Stück Wellblech, verdreht und verbogen, fast gefaltet an manchen Stellen – aus zähem Aluminium. Als ich es umdrehte, sah ich profilierte Verstrebungen, Versteifungen und Nietenköpfe.
Wie kam das hierher, wozu hatte das gehört? Ich wusste die Antwort, bevor ich mir die Frage noch richtig gestellt hatte – vor allem wegen des Profils der vorderen, weich gerundeten Kante: Das war ein Teil der Tragfläche eines Flugzeugs. Irgendwann war hier ein Flugzeug abgestürzt, ein altes, vor langer Zeit – und dem Anstrich nach war es vielleicht eine Militärmaschine gewesen. Mit Tragflächen aus kleingewelltem Aluminiumblech.
Ich legte meinen Rucksack ab und untersuchte den Boden im Umkreis. Fast sofort fand ich weitere, kleinere Stücke desselben Materials, vier waren es nach ein paar Minuten. Aber als ich meinen Kreis etwas weiter zog, fand ich nichts mehr. Ich stieg auf den Felsbrocken, an dessen Fuß ich auf das Tragflächen-Teil gestoßen war, und schaute mich aufmerksam um, erst ohne, dann mit dem Fernglas, suchte einen Kreis von etwa hundert Meter ab – und fand nichts weiter.
Natürlich kann man auf diese Weise ein derart chaotisches Gelände nicht vernünftig absuchen. Das erste Teil, immerhin einen Quadratmeter groß, hatte ich erst bemerkt, als ich fast draufgestanden war. Und bei nachlassendem Licht – und das hatten wir jetzt so langsam – macht es noch weniger Sinn. Zwei der kleineren Blechteile packte ich in meinen Rucksack. Dann stieg ich weiter ab.
Beim Abendessen in der Hütte auf der Kührointalm wusste ich es plötzlich: ein Auspufltopf. Das zerrissene, rostrote Röhrengebilde auf dem Eis war Teil der Auspuffanlage eines mehrzylindrigen Verbrennungsmotors gewesen. Und das passte fast schon zu gut zu meiner Tragfläche. Ich überlegte kurz, ob ich die Hüttenbetreiber nach einem Flugzeugwrack im Kar fragen sollte – aber der Chef war nicht da und die jungen Frauen, die bedienten und in der Küche arbeiteten, waren Studentinnen, die ihren Ferienjob hier oben abrissen. Direkt neben der Hütte gab es noch eine Dienststelle des Bundesgrenzschutzes und ein Büro der Nationalparkverwaltung – aber ich sah zu diesem Zeitpunkt keine Veranlassung, so offiziell mit der Sache umzugehen. Ich wollte erst mal für mich recherchieren, mal sehen, was dabei herauskam. Die Verwaltung des Parks wäre dann die nächste mögliche Adresse.
Am Morgen stieg ich ab und fuhr mit Bus und Bahn nach Österreich rüber. Ich hatte noch ein paar Tage frei und bestieg den Hochkönig über eine lange, selten begangene Route von dem Ort Werfen aus. Ich...



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