E-Book, Deutsch, Band 3, 480 Seiten
Reihe: Die AMANI-Reihe
Hamilton AMANI - Heldin des Morgenrots
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-641-17248-0
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Spektakuläre Fantasy in einer magischen Welt aus 1001 Nacht
E-Book, Deutsch, Band 3, 480 Seiten
Reihe: Die AMANI-Reihe
ISBN: 978-3-641-17248-0
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Sultan vor Miraji steht kurz vor dem Sieg. Die Rebellen sind in alle Winde zerstreut, der Prinz ist in Gefangenschaft und Amani bleiben nur wenige Verbündete im Kampf gegen den unerbittlichen Tyrannen. Nur mit ihrem Revolver und ihren Demdji-Kräften bewaffnet muss sie einen Weg durch die Wüste in die sagenumwobene Stadt Eremot finden, die nicht einmal auf der Landkarte existiert. Als immer mehr Gefährten ihr Leben verlieren, verzweifelt Amani fast: Führt sie die Rebellen unaufhaltsam ins Verderben? Wird es ihr gelingen, den Prinzen zu befreien?
Alwyn Hamilton wurde in Toronto geboren, doch ihre Familie pendelte zwischen Kanada, Frankreich und Italien hin und her, bis sie sich schließlich in Frankreich niederließ. Sie studierte Kunstgeschichte in Cambridge, wo sie 2009 ihren Abschluss machte. Heute wohnt sie in London und arbeitet dort für das Auktionshaus Christie’s. Ihr Debüt Rebellin des Sandes ist ein National Indie- und New York Times-Bestseller und gewann 2016 den Good Reads Debut Choice Award.
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Ich erwachte aus einem Albtraum, als jemand meinen Namen rief.
Automatisch griff ich nach meiner Pistole, doch dann erkannte ich Saras Gesicht über mir. Ich war so erschöpft, dass es immer wieder vor meinen Augen verschwamm.
Ich nahm den Finger vom Abzug. Kein Feind, nur Sara, Hausherrin im Versteckten Haus. Sie hatte eine kleine Lampe dabei, die nur ihr Gesicht beleuchtete, sodass es für einen Moment aussah, als sei sie ein in der Dunkelheit schwebender, körperloser Kopf. So wie die Köpfe in meinem Traum, der jetzt mit meinem Erwachen verblasste.
Ich hatte von Imin geträumt, die mit Ahmeds Gesicht freiwillig zum Richtblock gegangen war.
Von meiner Cousine Shira, die ihren Trotz hinausschrie, als man sie vor dem Block zum Niederknien zwang.
Von Ayet mit dem irren Blick, der man die Seele aus dem Leib gefoltert hatte und die jetzt auf den Tod wartete.
Von der kleinen Ranaa, einem Demdji, die die Sonne in ihren Händen gehalten hatte und in einem Gefecht, in das sie nicht hätte verwickelt werden dürfen, durch einen Querschläger ums Leben kam.
Von Bahi, der durch die Hand meines Bruders vor meinen Augen verbrannte.
Von meiner Mutter, die damals in Dustwalk erhängt wurde, weil sie ihren Ehemann erschoss, der nicht mein Vater war.
Alles Menschen, die ich sterben sah. Menschen, die ich sterben ließ. Ihre Anklage stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
Aber Sara war nicht aus meinem Traum. Sara lebte noch. Wie andere auch.
Als der Sultan das Rebellenlager überfiel, wurden viele Rebellen gefangen genommen. Aber nur eine Einzige wurde hingerichtet.
Imin. Unsere Demdji-Gestaltwandlerin.
Ahmed lebte noch, weil Imin sein Gesicht angenommen, so den Sultan und ganz Izman getäuscht hatte und an seiner Stelle gestorben war. Und weil Delila mit ihnen in Gefangenschaft war und es ihr gelang, Ahmed so lange für aller Augen unsichtbar erscheinen zu lassen, dass Imin zum Richtblock geführt werden konnte.
Deshalb war Ahmed noch am Leben. Genau wie Shazad, unsere »Generalin«, obwohl sie es hasste, wenn wir sie so nannten. Sie war unentbehrlich im Kampf gegen den Sultan. Ebenso wie Rahim, ein Sohn des Sultans, der einen tiefen Groll gegen unseren erlauchten Herrscher hegte, da der Sultan den Tod seiner Mutter zu verantworten hatte. Rahim war der Garant dafür, dass sich uns vielleicht bald eine ganze Armee aus den Bergen anschließen würde. Soldaten, die dem Sultan nie treu gewesen, dafür aber Rahim ergeben waren.
Und jetzt war es an mir, sie und all die anderen gefangenen Rebellen zu retten. Also, an mir und einer Handvoll anderer, die sich der Gefangennahme entziehen konnten. Jin, unser widerstrebender Prinz, unsere für gewöhnlich anstrengende Demdji Hala mit der goldfarbenen Haut, unsere Zwillinge Izz und Maz, beides Gestaltwandler, und unser nur an manchen Tagen zuverlässiger fremder Dieb Sam. Nicht gerade eine Armee, aber wir waren die Übriggebliebenen.
Ich war in irgendeiner Ecke des Versteckten Hauses auf einem Stuhl eingeschlafen. Das Versteckte Haus war unsere letzte Zuflucht in Izman. Hierher hatten sich alle, die von der Rebellion noch übrig waren, zurückgezogen. Ein schwacher Lichtschein von draußen huschte über Saras Gesicht, hell genug, um zu erkennen, wie besorgt sie war. Ihr Haar war nach einem unruhigen Schlaf zerzaust und der dunkelrote Morgenmantel, den sie über ihren Nachtkleidern trug, hing an ihr, als hätte sie ihn in aller Eile übergeworfen.
Der Tag musste bereits angebrochen sein, doch meine Glieder waren noch schwer vor Erschöpfung, als hätte ich nur wenige Stunden geschlafen. Aber wahrscheinlich könnte ich ein Jahr lang schlafen und diese Müdigkeit steckte mir immer noch in den Knochen. Es war die Erschöpfung aus Schmerz und Trauer. In meinem Bauch pochte es noch von der Anstrengung, die mich der Einsatz meiner Kräfte vor wenigen Stunden gekostet hatte, und eine Sekunde lang kippte die Welt gefährlich auf die Seite, als könnte ich das Gleichgewicht verlieren.
»Was ist los?«, krächzte ich, als ich meinen schmerzenden Körper reckte. Erst tags zuvor hatte meine Tante mir die Metallplättchen herausgeschnitten, und mir tat noch alles weh. »Ist schon Morgen?«
»Nein, es ist noch mitten in der Nacht. Ich bin aufgewacht, weil das Baby unruhig war.« Als meine Augen sich langsam an das Dämmerlicht gewöhnten, sah ich, dass sie ein schlafendes Kind im linken Arm hielt. Es war der kleine Fadi, der neugeborene Sohn meiner Cousine Shira und ein Demdji. Er war jetzt in Saras Obhut, da Shira enthauptet worden war. Ich erinnerte mich an Shiras anklagenden Blick in meinem Albtraum, weil ihr Sohn allein meinetwegen ohne seine Mutter aufwachsen musste. »Und als ich aufstand, war da …« Sara stockte. »Am besten schaust du es dir selbst an.«
Das klang nicht gut. Ich presste die Handflächen auf meine müden Augen. Was hatte in den letzten paar Stunden denn noch alles schiefgehen können? Hinter meinen Augenlidern sah ich noch einmal Imins Kopf auf diese Plattform fallen. Ich ließ die Hände sinken. Es war besser, sich der Wirklichkeit zu stellen als den Albträumen. Langsam stand ich auf. »Gut. Geh du voraus.«
Mit dem kleinen blauhaarigen Demdji im Arm führte Sara mich die dunkle Wendeltreppe zum Dach hinauf, das dem Versteckten Haus seinen Namen gegeben hatte. Der Garten auf dem Flachdach war auf allen vier Seiten von dicht bewachsenen Rankgittern umgeben, die das Haus vor neugierigen Blicken schützten und Sara und all den Frauen unter ihrer Obhut Schutz gewährten.
Noch bevor wir ganz oben angelangt waren, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Es war fast Mitternacht, doch draußen herrschte ein gedämpftes Licht, ähnlich dem Rot einer verhangenen Morgendämmerung. Das ergab keinen Sinn um diese Uhrzeit, nicht einmal im Sommer.
Sara war vor mir auf dem Dach und trat rasch zur Seite, damit ich einen freien Blick hatte. Und ich sah, was sie angedeutet hatte.
Über der Stadt wölbte sich eine Feuerkuppel.
Flackernde Flammen hingen über mir und umgaben uns von allen Seiten wie eine riesige über die Stadt gestülpte Halbkugel. Dahinter konnte ich gerade eben die Sterne erkennen, doch es war, als schaute ich durch eine Glasscheibe mit unregelmäßiger Struktur. Sie waren unscharf gezeichnet und verschwammen. Im Westen bog sich das Feuer zur Stadtmauer hinunter und im Norden fiel es zum Meer hin ab. Unvermittelt tauchte in meiner Erinnerung das Bild meiner Mutter auf. Sie stand in unserer Küche, als ich noch klein war, und fing einen Käfer, der über den Tisch kroch, indem sie ihm ein Glas überstülpte. Neugierig hatte ich beobachtet, wie das Insekt hektisch und verwirrt an der Innenseite des Glases hinaufgekrabbelt war. Es saß in der Falle. Als ich jetzt hinaufstarrte zu der Feuerkuppel über uns, konnte ich es dem kleinen Käfer aus Dustwalk nachfühlen.
Sara blickte grimmig durch die schimmernden Flammen hinauf zu den Sternen. »Zauberei«, stellte sie fest.
»Nein.« Früher hätte ich das vielleicht auch geglaubt, doch jetzt erkannte ich dieses flackernde, zu helle, nicht ganz und gar natürliche Feuer wieder. Es war dasselbe, das ich in den Kellergewölben unter dem Palast gesehen hatte, als Fereshteh starb. Dasselbe gestohlene Feuer, das vor meinen Augen die Abdale erstrahlen ließ, die immer noch in den Straßen unter uns patrouillierten und dafür sorgten, dass die Ausgangssperre eingehalten wurde. »Sondern der Trick einer Erfinderin.« Eine neue Schöpfung Leylas, der Tochter des Sultans, dazu erdacht, uns am Verlassen der Stadt zu hindern. Noch nie dagewesen und zugleich seltsam bekannt.
Und siehe, eine gewaltige Feuerwand umschloss den Berg, sodass sie bis in alle Ewigkeit darin gefangen war.
Diese Stelle aus den Heiligen Büchern kam mir im vollen Wortlaut in den Sinn. Dustwalk hatte mir in den ersten sechzehn Jahren meines Lebens die heiligen Schriften eingehämmert. Wie jeder andere kannte ich die Geschichte von Ashras Wand und wusste um die gewaltige Flammenbarriere, die die Weltenzerstörerin am Ende des Ersten Krieges einschloss.
Unsterbliche umbringen und sich bei den heiligen Schriften bedienen. Der Sultan spielte wirklich Gott.
Nur dass uns dies hier nicht vor einem großen Übel bewahren sollte und weit davon entfernt war, etwas Heiliges zu sein.
Das große Übel selbst hielt uns gefangen.
Ich weckte nicht das ganze Haus auf, nur Jin. Bis ich ihn in einem der vielen Zimmer des Hauses endlich entdeckte, dauerte es allerdings länger, als mir lieb war. Er war, vollständig angezogen, auf einem ungemachten Bett eingeschlafen, einen Arm über dem Gesicht, um das Licht auszublenden. Ich musste ihn nicht einmal wach rütteln. Meine Fingerspitzen hatten kaum seine Schulter berührt, als er mit einem Ruck die Augen öffnete. Seine Hand schloss sich schmerzhaft um mein Handgelenk. Gerade noch rechtzeitig erkannte er mich, sonst hätte er es mir gebrochen.
Er fluchte auf Xichain, ließ mich rasch los und setzte sich auf. Durch seine Erschöpfung hindurch kämpfte er sich wach.
»Du hast mich erschreckt, Bandit.«
»Du wirst mir doch nicht erzählen wollen, dass du zum ersten Mal mitten in der Nacht von einem Mädchen geweckt wurdest.« Meine Lockerheit war gespielt. Mit der Hand strich ich ihm eine lange dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht, damit ich ihn richtig ansehen konnte. Er hätte einen Haarschnitt vertragen können, aber es war lange her, seit wir Zeit für solche Nichtigkeiten gehabt hatten. Nicht mehr, seit wir aus dem Lager in der Wüste vertrieben worden waren.
Er ergriff wieder meine Hand, behutsamer dieses...




