E-Book, Deutsch, 148 Seiten
Hartmann Der Krieg um den Wald
1. Auflage 2017
ISBN: 978-80-272-3873-6
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Historischer Roman - Historie aus der Zeit des östreichischen Sueeessionskriegs
E-Book, Deutsch, 148 Seiten
ISBN: 978-80-272-3873-6
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Krieg um den Wald' ist ein Muss für alle Leser, die historische Fiktion und spannende Erzählungen lieben. Mit einer packenden Handlung, authentischen historischen Details und einer meisterhaften Darstellung des 19. Jahrhunderts wird das Buch die Leser in eine faszinierende Welt voller Intrigen, Kämpfen und politischer Machenschaften entführen. Moritz Hartmanns Werk ist ein Meisterwerk der historischen Literatur, das sowohl unterhalten als auch zum Nachdenken anregen wird.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Zweites Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Einige hundert Schritte hinter dem Dorfe Duschnik, wenn man dem Laufe der Litivka folgt, auf dem schmalen Striche zwischen dem Bache und dem steil ansteigenden Felsen, durch Ulmen, Erlen und Weidenbäume verdeckt, liegen mehrere Eisenhütten, eng aneinander gedrängt. Obwohl die hölzernen Wände und Dächer auf steinernen Grundmauern ruhen, zittern sie doch ununterbrochen von dem Schlage der mächtigen Hämmer vom Grunde bis zum Giebel und die Wetterfahnen drehen sich bebend, auch wenn nicht das leiseste Lüftchen zieht. Haben die Hütten in ihrem dunkeln, einsamen Versteck, von dumpfem Geklopfe durchhallt, von Kohlenstaub bedeckt, an sich schon etwas Unheimliches, so bekommen sie erst noch ein schauerliches Ansehen, wenn im Frühling und im Sommer, sobald die Sonnenstrahlen wärmend niederfallen, die unzähligen Schlangen aus ihren Löchern im Felsen hervorkriechen, sich die Wände hinanwinden und von den Dächern züngelnd herabhängen gleich roten, grünen, silbernen Bändern, die der Wind bewegt. Die Eisenarbeiter lächeln über die gewohnte Gesellschaft, die sie nicht fürchten, und wundern sich auch nicht, wenn sich dann und wann ein vorwitziges Schlänglein ganz nahe dem Hammer neben der glühenden Eisenstange hinstreckt oder sich im Herde mitten im Funkenregen wärmt. Aber der Wanderer erschrickt vor den Hütten wie vor der Wohnung eines Zauberers. Aber es wohnt hier auch ein Zauberer. Hart am Felsen in der verstecktesten und ärmlichsten unter den versteckten und ärmlichen Hütten wohnt der alte Buresch, der Wunderdoktor, der Prophet, der ausgerenkte Arme und Beine einrichtet, allerlei Salben bereitet, das Gras wachsen hört, die Stimmen der Tiere versteht, geheimnisvolle Übel bespricht, Träume deutet, neugeborenen Kindern nach den Sternen ihr Schicksal bestimmt und jedem auf Begehren die Zukunft deutet – der alte Buresch, der Alte vom Hammer. Seine geheimen Wissenschaften hat er sich, wie man's erklärt, aus dem Lande der Türken und Heiden geholt, wo er lange Zeit vor vielen Jahren unter Prinz Eugen, dem edlen Ritter, als Soldat gedient hat. Später war er Altgeselle im Hammer; jetzt, in seinem hohen Alter aß er nur noch das Gnadenbrot in der einsamen Hütte. Er hauste dort ganz allein, da sein Sohn Peter Buresch sich als Wilddieb in den fernen Wäldern umhertrieb, ja sogar unter die Zigeuner gegangen sein soll. In seiner Einsamkeit beschäftigte ihn die Zubereitung der Wundersalben und seine Schlangen. Die Schlangen waren seine liebste Gesellschaft und danach hatte er auch seine Stube eingerichtet. Überall in den Wänden nahe am Boden waren Löcher angebracht, daß sie ohne Hindernis ein- und ausschlüpfen und sich die Würmer holen konnten, die er ihnen jeden Morgen hinlegte. – Da sah es denn auch so schreckhaft in seiner Stube aus, daß nur wenige Menschen es wagten, sie zu betreten, und darum saß er auch den ganzen Tag vor der Schwelle seiner Hütte und sonnte sich und sah zu, ob jemand komme, seinen Rat zu holen. Zum Zeitvertreibe hatte er neben einem Rosenkranze eine Schlange in der Hand, mit der er spielte, die er steif zu machen verstand, die er tanzen lehrte, um den Hals band wie einen Strick oder auch, wenn er genug gespielt hatte, in den Busen steckte, wo sie sich warm und behaglich fühlte. Die Leute aus dem Dorfe, die ihn näher kannten, behaupteten, er denke, während er da so spiele, den ganzen Tag an seinen Sohn Peter Buresch, den Wilddieb, den er leidenschaftlich liebte und aus dem er gerne einen großen, mächtigen Herrn machen möchte. So saß er wieder da wie immer auf der Schwelle der Hütte, und spielte mit dem Rosenkranze und der Schlange wie immer und lächelte, etwas grinsend, vor sich hin, wie immer. Es war früh am Morgen. Da sah er Liduschka, die junge Schnurdes alten Richters, über den Steg auf sich zukommen. Der Alte freute sich augenscheinlich bei diesem Anblick, verbarg die Schlange unter dem Hemde, um das junge Weib nicht zu erschrecken und gab sich Mühe, ein freundliches Gesicht zu machen. – »Brächtest du mir etwas, murmelte er, womit ich deinem alten Friedensprediger einen rechten Tort antun könnte, solltest du mir willkommen sein.« Er meinte den alten Richter, den er haßte, weil er mit ihm seinen Einfluß im Dorfe teilen mußte und weil er wohl fühlte, daß er selbst, gefürchtet und gescheut, nur in der höchsten Not aufgesucht wurde, der alte Richter aber in hohem Ansehen stand wie ein Priester oder Vater. Liduschka, als sie des Alten vom Hammer ansichtig wurde, schlug furchtsam die Augen nieder und um ihre Angst zu verhüllen, begann sie den Inhalt ihres Körbchens, Brot, Eier und etwas Mehl, zu ordnen, und wäre am liebsten zurückgekehrt, da ihr plötzlich ihr Gang als sündhaft und der Alte so unheimlich erschien. Aber er rief ihr schon von ferne zu: Willkommen Liduschka! Dich drückt ein geheimes Weh – komm, daß ich dir helfe. Das junge Weib konnte nicht mehr zurück und sagte, indem sie sich näherte: Gewiß, ein großes Weh, und Ihr sollt mir davon helfen mit Eurem klugen Rat, und wenn Ihr mir noch sagen wollt, wie es in der Zukunft wird mit den Duschnikern und den Obtschovern und mit meinem Vater und mit meinen Brüdern, so habe ich Euch dafür alles mitgebracht, was ich im Haushalt entbehren und was ich Euch in dieser Jahreszeit bringen kann. Der Alte warf nur einen kurzen Blick auf das Körbchen, aber einen langen und prüfenden auf das unausgeschlafene kummervolle Gesicht der armen Liduschka, aus deren Worten er schon ihr Anliegen erraten hatte. Er lächelte und sagte mit blinzelndem Auge, als ob er sie seiner Allwissenheit versichern wollte: Gelt, du plagst dich der Obtschover Händel wegen, du fürchtest, es wird blutige Köpfe geben, daß dein Vater schlecht davonkommen wird – und dazu hast du so böse Träume und du bist allein und verlassen, du armer kleiner Vogel? Erzähle, erzähle! Jesus Maria, ja so ist es! Ihr habt es schon alles erraten – sagte Liduschka, indem sie über die Sehergabe des Alten ein Frösteln überlief. Und sie erzählte ihm lange und ausführlich von den bösen Träumen, die sie plagten, von den schlechten Namen, mit denen man ihren Vater im Dorfe benenne, von allem, was gestern beim alten Richter vorgegangen war und wie das ganze Dorf in Aufregung sei und daß man heute in den Wald ziehen wolle. Der Alte hörte ihr aufmerksam zu und unterbrach sie nicht in ihrer langen und ausführlichen Erzählung. Nur daß er manchmal mit einem »Hm, Hm« in Nachdenken versank, sich lächelnd die Hände rieb und: »es wird gehen, es wird gehen« zwischen den Zähnen murmelte. Liduschka, die es bemerkte, wurde ängstlich zumute und sie fragte mit zitternder Stimme: Vater Buresch, ich glaube, Ihr freut Euch über das alles? Aber anstatt aller Antwort sprang der Alte von der Schwelle auf und eilte in die Stube, aus welcher er nach wenig Augenblicken, wie zu einer Reise gerüstet, wieder herauskam. Ein alter, brauner Ungarmantel hing um seine Schulter, schief auf dem Kopfe saß der breitkrempige, durch allerlei Risse gezackte Hut, ein gewaltiger Rosenkranz mit braunen großen Kugeln hing ihm um den Nacken vorn auf die Brust herunter, und in der linken Hand hielt er einen Stock, der so hoch war wie er selbst und oben ein großes, eisernes Doppelkreuz trug. Die Augen des Alten blitzten, er schien plötzlich um einen Kopf höher geworden zu sein, seine Muskeln spannten sich und nach dem Dorfe gewendet, rief er mit einer Stimme, die den Lärm der Hämmer weit übertönte: Ja, es wird blutige Köpfe und Wunden und Tod geben! Das Maß ist voll, bald wird es überlaufen! Bald soll es auf eueren Feldern aussehen, o Duschnik, und du, o Obtschov, wie auf der Walstatt nach einer Türkenschlacht! Und ich will euch einen Führer geben, von dem in hundert Jahren noch die Steine erzählen sollen und die verbrannten Häuser! – Dann sprang er mit der Kraft eines Jünglings über den Bach, eilte über die Wiesen hin und verschwand im Dunkel des Waldes. Liduschka, die bleich und an allen Gliedern bebend dastand und noch immer die Worte des Alten hörte, die ihr Herzblut gerinnen machten, faßte sich endlich und rief entsetzt: Jesus Maria, er holt seinen Sohn, Peter Buresch, den Wilddieb. Dann setzte sie sich hin und weinte bitterlich. Indessen herrschte im Dorfe die höchste Aufregung. Unter dem großen Kastanienbaume, der die Statue des heiligen Johann von Nepomuk beschattete, versammelten sich die Männer – fluchend, schreiend, Weiber und Kinder zurückstoßend, die sich neugierig umherstellten und der Verwirrung zusahen. Hirten hatten die Nachricht gebracht, daß die Obtschover wieder am Kreuz beim heiligen Antonius von Padua Holz fällten. Man wollte den gestern gefaßten Beschluß in Ausführung bringen. Der alte Richter erschien in der Tracht, in welcher er sonst zu Amte zu gehen pflegte – langer grüner Tuchrock, der mit weißem Schafpelze ausgelegt und vorn mit langen seidenen Schnüren zusammengehalten wurde, Schuhe mit weißen Schnallen, hohe schwarze Strümpfe – auf dem dicht von weißen Locken umwallten Haupte die grüne, pelzumsäumte Samtmütze, in der Hand das hohe, fast bis ans Kinn reichende spanische Rohr mit gelbem Beschlage. Er stellte sich an die Spitze der Bauern und schritt dem Walde zu. Aber als sie an die Brücke kamen, die über die Litawka führt, da stand schon Kinnich an der Spitze einer großen Schar von Bauern, die sämtlich mit Waffen aller Art, Heugabeln, alten Spießen, Säbeln und Feuergewehren ausgerüstet waren. Der alte Richter blieb erschrocken stehen. Was soll dieser Aufzug? rief er unwillig aus. Es steht geschrieben, du sollst hingehen und den Fehlenden dreimal ermahnen, daß er vom Unrecht abstehe, und ihr wollt Blut vergießen? Das ist nicht gut getan,...