Buch, Deutsch, 268 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 214 mm, Gewicht: 342 g
Ein internationaler Vergleich
Buch, Deutsch, 268 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 214 mm, Gewicht: 342 g
ISBN: 978-3-593-38434-4
Verlag: Campus
Das Zusammenwachsen Europas ist vor allem ein Projekt der Eliten. Allerdings sind deren soziale Herkunft, Bildungswege und Karrieremuster je nach Land höchst unterschiedlich. Unterschiedlich fällt auch die Einkommens- und Vermögensverteilung in den einzelnen europäischen Ländern aus. Gibt es zwischen der Struktur der Eliten und der sozialen Ungleichheit einen Zusammenhang?
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Einleitung 7
1.1. Armut und Reichtum in Europa 8
1.2. Eliten und Macht 12
1.3. Forschungsfeld und Forschungsmethode 22
2. Die Neuformierung der Eliten nach 1945 30
2.1. Frankreich und Großbritannien - die Sieger des 2. Weltkriegs 32
2.1.1. Die ungebrochene Macht der Public-School-und Oxbridge-Absolventen 33
2.1.2. Grandes Écoles, Grands Corps und Elitenmobilität 39
2.2. Deutschland und Italien - die Verlierer des 2. Weltkriegs 45
2.2.1. Die Restauration der Elitenstruktur in der deutschen Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz 45
2.2.2. Die italienischen Eliten zwischen Veränderung und Restauration 53
3. Kontinuität und Wandel - die westeuropäischen Eliten von den 1960er Jahren bis heute 60
3.1. Die Bildungsexpansion und die Elitebildungsinstitutionen 61
3.1.1. Der Übergang zur Massenuniversität 62
3.1.2. Die französischen Elitehochschulen 67
3.1.3. Die britischen Elitebildungseinrichtungen 72
3.1.4. Die deutsche Exzellenzinitiative 77
3.2. Die Elitecorps der Verwaltung - Frankreich und Spanien 83
3.2.1. Die hohe Homogenität und Mobilität der französischen Eliten 83
3.2.2. Die Elitecorps der Verwaltung und die Eliten in Spanien 102
3.3. Elitebildungseinrichtungen, aber geringe Elitenmobilität - Großbritannien und die Schweiz 107
3.3.1. Eton und Oxbridge - ein Mythos schwächelt 107
3.3.2. Die Schweizer Eliteuniversitäten und Eliten 123
3.4. Eliten ohne Elitebildungseinrichtungen - Deutschland, Italien, Österreich und die Beneluxländer 125
3.4.1. Die Politik 126
3.4.2. Verwaltung und Justiz 139
3.4.3. Die Wirtschaft 144
3.4.4. Geringe sektorübergreifende Elitenmobilität 152
4. Das skandinavische Modell - offene Gesellschaft, offenes Bildungssystem und offene Eliten? 158
4.1. Die soziale Rekrutierung der Eliten in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden 158
4.2. Die Mobilität der skandinavischen Eliten 172
5. Die neuen Eliten in Osteuropa 178
5.1. Kontinuität oder Ablösung - die neuen und die alten Eliten 178
5.2. Die soziale Herkunft der neuen Eliten 183
5.3. "Making Capitalism without Capitalists" 190
6. Europäisierung der Eliten? 195
6.1. Die Europäische Kommission 195
6.2. Europäische Wirtschaftseliten? 204
7. Eliten, Macht und gesellschaftliche Kräfteverhältnisse 214
7.1. Elitenbildung und Elitenhomogenität 214
7.2. Elitenstruktur und soziale Ungleichheit 225
7.3. Elitenmacht und gesellschaftliche Kräfteverhältnisse 238
Literatur 245
Abkürzungen 259
Namensregister 261
Knapp zwei Jahrzehnte nach dem Ende des 2. Weltkriegs hatten sich die Verhältnisse in den vom Krieg betroffenen westeuropäischen Ländern weitgehend stabilisiert. Sah es nach dem Krieg in den meisten Ländern für kurze Zeit noch so aus, als seien der Kapitalismus und mit ihm die herrschenden Klassen und Eliten auf dem Scherbenhaufen der Geschichte gelandet, konnte davon nur gut zehn Jahre später keine Rede mehr sein. Das starke Wirtschaftswachstum und die damit einhergehende deutliche Anhebung des Lebensstandards für die breite Bevölkerungsmehrheit hatten die nach dem Kriege aufgetretenen, zum Teil massiven sozialen Auseinandersetzungen zum größten Teil entschärft. Die (anfangs hohe) Arbeitslosigkeit war rapide gesunken und in einer Reihe von Ländern sogar fast vollkommen verschwunden. Die Zuspitzung des Ost-West-Gegensatzes sorgte gleichzeitig für eine Renaissance konservativer Einstellungen in der Politik wie in der breiten Bevölkerung. Die bis in die erste Hälfte der 1950er Jahre üblichen großen Streiks wurden deutlich seltener. Waren 1950 in Frankreich noch fast zwölf Millionen Arbeitstage durch Streiks verloren gegangen, so sank dieser Wert bis 1960 auf nur noch gut eine Million. In Belgien ging die Zahl von fast 2,8 Millionen auf 334.000 zurück, in Schweden von 41.000 auf 18.000 und in Deutschland sogar von knapp 1,6 Millionen auf nur noch 38.000. Einzig in Großbritannien und Italien blieb das Niveau in etwa gleich hoch (Schmidt 1971: 209f.). Parallel ebbte auch der nach 1945 zu beobachtende steile Anstieg der Gewerkschaftsmitgliedschaft ab, wenn sich der Trend nicht sogar umkehrte.
Politisch hatten so gut wie alle Parteien den Kapitalismus als gesellschaftliche Grundlage akzeptiert und ihre Programminhalte, falls erforderlich, dementsprechend angepasst. Die CDU hatte die sozialistisch klingenden Elemente ihres Ahlener Programms von 1947, das noch Forderungen nach der Überführung von Schlüsselindustrien in gemeinwirtschaftliche Formen und zur Planung der Wirtschaft enthielt, vollständig entsorgt (Gurland 1989: 138ff., 370ff.), die SPD ihr Godesberger Programm verabschiedet. Die kommunistischen Parteien verloren stark an Gewicht, versanken zum Teil fast in der Bedeutungslosigkeit. Selbst die weiterhin großen und einflussreichen kommunistischen Parteien Frankreichs und Italiens begannen ihren scharfen Oppositionskurs nach den schweren Niederlagen in den 1950er Jahren zu überdenken und allmählich zu verändern. Die westeuropäischen Eliten und herrschenden Klassen hatten ihre Macht nach einer kurzen Phase der (mehr oder minder ausgeprägten und tief greifenden) Erschütterung grundlegend konsolidiert. Die Wahlergebnisse demonstrierten das unübersehbar. Abgesehen von den skandinavischen Staaten dominierten so gut wie überall die konservativ-bürgerlichen Parteien. Sie regierten zumeist allein oder aber in einigen Fällen (wie etwa in Österreich) auch mit den Sozialdemokraten als Juniorpartner.
In den 1950er Jahren deutete sich in vielen Ländern allerdings eine Entwicklung vorsichtig an, die Bewegung in die relativ erstarrten Verhältnisse bringen sollte und auch für die Elitenbildung grundsätzlich von großer Bedeutung sein konnte, die Bildungsexpansion im Hochschulsektor. Ab Anfang der 1960er Jahre gewann sie sehr schnell an Geschwindigkeit und Gewicht. Waren die Universitäten bis zu diesem Zeitpunkt Bildungseinrichtungen für durchschnittlich 2 Prozent eines Jahrgangs und durch ihre hohe Selektivität auch eine wichtige Instanz für die Auslese der jeweiligen nationalen Eliten, so sollte sich zumindest die erste Eigenschaft binnen eines guten Jahrzehnts grundlegend wandeln. Der massive Ausbau der Hochschulen erweiterte das Rekrutierungsbecken für die jeweiligen nationalen Eliten ganz beträchtlich. Ob und inwieweit das die Elitenrekrutierung dann tatsächlich verändert oder zumindest deutlich beeinflusst hat, hing und hängt allerdings von der Gesamtsituation in den verschiedenen Ländern ab, wie noch zu sehen sein wird.