Hauptmann / Schulze | Atlantis | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 413 Seiten

Reihe: Klassiker bei Null Papier

Hauptmann / Schulze Atlantis

Roman
Überarbeitete Fassung
ISBN: 978-3-95418-872-7
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 413 Seiten

Reihe: Klassiker bei Null Papier

ISBN: 978-3-95418-872-7
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dr. Friedrich von Kammacher ist am Ende. Sein bester Freund ist tot, seine Ehefrau dem Wahnsinn verfallen, und seine wissenschaftliche Reputation durch Eigenverschulden zerstört. Da er nichts mehr zu verlieren wähnt, schifft er sich auf das nächste Boot nach Amerika ein. An Bord kann er auch das Ziel seiner Begierde im Auge behalten: Eine 16-jährige Tänzerin, der er verfallen ist. Die Schiffsreise wird keine Vergnügungsfahrt. Aufgerieben zwischen den alten Ansichten eines im Verfall begriffenen Europas und der Hoffnung auf die 'Neue Welt' entstehen Spannungen zwischen den verschiedenen, zusammengepferchten Passagieren. Mitten auf dem Ozean kommt es zu einer schweren Kollision mit einem Schiffswrack. Unter den Passagieren entsteht Panik. Wer kann sich retten? Null Papier Verlag

Gerhart Hauptmann (15. November 1862 - 6. Juni 1946) war ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller. 1912 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Er gilt als der bedeutendste deutsche Vertreter des Naturalismus, hat aber auch andere Stilrichtungen in sein Schaffen integriert.
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1


Der deutsche Post- und Schnelldampfer »Roland« verließ Bremen am 23. Januar 1892. Er war eines der älteren Schiffe der Norddeutschen Schiffahrtsgesellschaft unter denen, die den Verkehr mit New York vermittelten.

Die Bemannung des Schiffes bestand aus dem Kapitän, vier Offizieren, sechs Maschinisten, einem Proviant- und einem Zahlmeister, einem Proviant- und einem Zahlmeister-Assistenten, dem Obersteward, dem zweiten Steward, dem Oberkoch und dem zweiten Koch und schließlich dem Arzt. – Außer diesen Leuten, denen das Wohl des gewaltigen schwimmenden Hauses anvertraut war, waren Matrosen, Stewards, Stewardessen, Küchengehilfen, Kohlenzieher und andere Angestellte an Bord, mehrere Schiffsjungen und eine Krankenpflegerin.

Das Schiff führte von Bremen aus nicht mehr als hundert Kajütpassagiere. Das Zwischendeck war mit etwa vierhundert Menschen belegt.

Auf diesem Schiff wurde für Friedrich von Kammacher von Paris aus telegraphisch ein Kajütplatz belegt. Eile tat not. Der junge Mann mußte, kaum anderthalb Stunden, nachdem ihm ein Platz gesichert war, den Schnellzug besteigen, mit dem er dann gegen zwölf Uhr nachts in Le Havre anlangte. Von hier aus trat er die Überfahrt nach Southampton an, die ohne Zwischenfall vor sich ging und die er in der Koje eines schrecklichen Schlafsaales verschlief.

Bei Morgengrauen war er an Deck, als die Küsten Englands sich, einigermaßen gespenstisch, mehr und mehr annäherten, bis schließlich der Dampfer in den Hafen Southamptons einlief, wo Friedrich den »Roland« erwarten sollte.

Im Schiffsbüro sagte man ihm, es liege am Kai ein kleiner Salondampfer zur Abfahrt bereit, die dann erfolge, sobald der »Roland« draußen gesichtet werde. Man empfahl Herrn von Kammacher, sich gegen Abend mit Sack und Pack auf ebendiesem Salondampferchen einzufinden.

Er hatte nun viele müßige Stunden vor sich, in einer fremden und öden Stadt. Dabei war es kalt, zehn Grad unter Null. Er entschloß sich, ein Gasthaus aufzusuchen und, wenn irgend möglich, einen beträchtlichen Teil der Zeit zu verschlafen.

In einem Schaufenster sah er Zigaretten von Simon Arzt in Port Said ausgelegt. Er ging in den kleinen Laden, den gerade eine Magd auskehrte, und kaufte mehrere hundert Stück davon.

Dies war eigentlich mehr ein Akt der Pietät, als daß er besondere Raucherfreuden gesucht hätte.

Friedrich von Kammacher trug ein Portefeuille aus Krokodilshaut in der Brusttasche. Dieses Portefeuille enthielt, unter andren Papieren, auch einen Brief, den Friedrich vor kaum vierundzwanzig Stunden erhalten hatte. Er lautete so:

Lieber Friedrich!

Es hat nichts geholfen. Ich bin aus dem Sanatorium im Harz als ein verlorener Mann in das Haus meiner Eltern zurückgekehrt. Dieser verfluchte Winter im Heuscheuergebirge! Ich hätte nicht sollen nach meiner Rückkehr aus tropischen Gegenden gleich einem solchen Winter in die Klauen geraten. Das Schlimmste war allerdings der Pelz meines Kollegen, dieses verfluchte Möbel, das der Oberteufel in der Hölle besonders verbrennen soll und dem ich den ganzen Hundejammer verdanke. Lebwohl! Ich habe mich natürlich auch mit Tuberkulin spritzen lassen und daraufhin beträchtlich Bazillen gespuckt. Enfin: es sind noch genug zurückgeblieben, um mir den baldigen Exitus letalis zu gewährleisten.

Nun aber das Wesentliche, mein guter Freund. Ich muß meinen Nachlaß regeln. Da finde ich nun, ich schulde Dir dreitausend Mark. Du hast es mir seinerzeit ermöglicht, mein ärztliches Studium zu vollenden, das mich nun allerdings recht elend im Stiche läßt. Doch dafür kannst Du natürlich nichts, und es ist auch kurios genug, daß jetzt, wo alles verloren ist, mich gerade die schlimme Erkenntnis besonders quält, Dir leider gar nichts vergelten zu können. – Sieh mal: mein Vater ist ein städtischer Hauptlehrer, der seltsamerweise etwas erspart, aber dafür auch, ohne mich, fünf unversorgte Kinder hat. Er betrachtete mich als sein Kapital und wandte an mich beinahe mehr, als zulässig war, in der Hoffnung auf reichliche Zinsen. Heute sieht er, als praktischer Mann, Kapital und Zinsen verloren.

Kurz, er ängstet sich vor Verbindlichkeiten, die leider nicht mit mir hinübergehen in die – pfui! pfui! pfui! (dreimal ausspucken!) – bessere Welt. Was soll ich tun? Würdest Du auf die Rückzahlung meiner Schuld verzichten können?

Übrigens war ich schon einige Male fast hinüber, alter Freund. Und es bleiben für Dich Aufzeichnungen über den Verlauf solcher Zustände, die vielleicht wissenschaftlich nicht ohne Interesse sind. Sollte es mir, nach dem großen Moment, aus dem Jenseits irgend möglich sein, mich bemerklich zu machen, so hörst Du später noch mehr von mir.

Wo bist Du eigentlich? Lebewohl! In den fulminanten Orgien meiner nächtlichen Träume schaukelst Du nämlich immer auf hoher See. Willst Du vielleicht auch Seereisen machen?

Es ist Januar. Liegt nicht wenigstens ein gewisser Vorteil darin, wenn man das Aprilwetter nicht mehr zu fürchten braucht? – Ich drück’ Dir die Hand, Friedrich Kammacher!

Dein Georg Rasmussen

Diesen Brief hatte der Empfänger von Paris aus sogleich telegraphisch beantwortet, in einem Sinne, der dem heroisch sterbenden Sohn die Sorge um seinen gesunden Vater vom Herzen nahm.

Im Reading-room von Hofmanns Hotel am Hafen schrieb Friedrich die Antwort für den sterbenden Freund:

Lieber Alter!

Meine Finger sind klamm. Ich tauche eine geborstene Feder unermüdlich in schimmelige Tinte. Wenn ich aber nun nicht schreibe, so kannst Du früher als in drei Wochen von mir keine Nachricht erhalten: denn ich gehe heut abend an Bord des »Roland« von der Norddeutschen Schiffahrtsgesellschaft.

Deine Träume scheinen mir wirklich nicht ohne zu sein, denn es ist ganz ausgeschlossen, daß Dir jemand von meiner Seereise etwas verraten haben kann. Zwei Stunden, bevor Dein Brief mich erreichte, wußt’ ich ja selbst noch nichts davon.

Übermorgen jährt sich der Tag, wo Du nach Deiner zweiten Weltreise direkt von Bremen zu uns in die Heuscheuer kamst, einen Sack voll Geschichten, Photographien und die Zigaretten von Simon Arzt mitbrachtest. Ich hatte kaum den Boden Englands betreten, als ich unsere geliebte Marke, zwanzig Schritt weit vom Landungsplatz, im Schaufenster fand. Natürlich kauft’ ich sie, und zwar sogleich massenweise, und rauche sogar eben eine zur Erinnerung. Leider wird der...



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