Hauser / Winkler / Schultz | Gehört werden | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 187 Seiten

Hauser / Winkler / Schultz Gehört werden

Neue Wege der Bürgerbeteiligung

E-Book, Deutsch, 187 Seiten

ISBN: 978-3-17-041680-2
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Rarely have citizens been as sceptical of politics and state institutions as they are today. Many people think politicians in particular are capable of doing anything & and they don=t trust them an inch. They regard the state as being in the hands of corporate lobbyists and elites, and believe their own interests are never taken into account. At the same time, there have probably never been so many opportunities available for people to participate in political processes. In Getting a Hearing, contributors from academia and practical work explore the causes of this contradictory development and describe the forms of participation available, ranging from local authorities to the level of the European Union. Do these serve only as a fig leaf to back up political and bureaucratic activity, or do they create genuine participation and thus open up opportunities to close the gap between citizens and the state, at least to some extent?
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Einleitung: Augenschein im modernen Babel
Thomas Hauser, Daniela Winkler
Entdecke die Herausforderung: Demokratie ist perfekt, wenn alle gefragt werden und mitentscheiden dürfen, aber das einzig Richtige schnell durchgesetzt wird. Wer sich dem Thema Bürgerbeteiligung nähern will, wird allenthalben auf solche Widersprüche stoßen. Demokratien sind in der Regel repräsentativ organisiert, das heißt Bürger:innen entscheiden nicht direkt, sondern wählen Vertreter:innen in Parlamente, die dort für sie entscheiden – im besten Fall in ihrem Sinn. Ein wesentlicher Grund dafür liegt auf der Hand: Gemeinschaften, die in Millionen zählen, sind keine entscheidungsfähige Menge. Deren Willensbildung muss also institutionalisiert werden. Diese Parlamente aber beschließen nicht nur Gesetze, sondern überwachen auch die von ihnen gewählten Regierungen und die von diesen geleiteten staatlichen Institutionen. So weit, so idealtypisch. Die Wirklichkeit ist deutlich komplexer, weniger perfekt und wird immer unübersichtlicher. In Deutschland zum Beispiel gibt es nicht nur einen Bundestag, sondern auch 16 Länderparlamente, die in Teilbereichen, wie z. B. der Bildung, für ihr Land allein entscheiden oder in vielen anderen Fragen über ihre Landesregierungen im Bundesrat mitwirken. Unterhalb der Landesebene gibt es Gemeinden, Kreise und Regierungsbezirke mit jeweils eigenen Entscheidungskompetenzen. In immer mehr Politikbereichen wurde die Regelungskompetenz auf die Europäische Union übertragen, wo aber das eigentliche Machtzentrum nicht im Europäischen Parlament oder in der EU-Kommission, sondern in den Räten liegt, in denen die Regierungschef:innen oder ihre Fachminister:innen zusammensitzen. Zwischenstaatliche und multinationale Verträge haben die Kompetenzen nationaler Parlamente zusätzlich verwässert. Multinational agierende Firmen oder Organisationen können sich an nationalstaatlichen Regelungen vorbeischlängeln oder Staaten gegeneinander ausspielen. Die politischen Entscheidungshierarchien, das hat sich aktuell in der Corona-Pandemie gezeigt, können so komplex werden, dass am Ende alle mitentscheiden, aber niemand mehr Verantwortung trägt. Neben diesen Institutionen buhlen immer mehr zivilgesellschaftliche Organisationen um Macht und Teilhabe. Die Liste ist bunt und lang und reicht von Bewegungen wie Fridays for Future, zahllosen Bürgerinitiativen mit ihren klassischen oder in die digitale Welt transformierten Formen, Druck zu erzeugen (Petitionen, Demonstrationen, …), professionell organisierten Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace, Lobby Control oder Transparency international bis hin zu finanzstarken Lobbygruppen mit ökonomischen Interessen. Aber die Vielfalt täuscht: Der Einfluss der Wirtschaftslobby ist in der Regel deutlich größer als der der meisten anderen Interessenvertretungen, wenn es auch bei solchen mit ökologischem, sozialem oder kirchlichem Hintergrund einflussreiche Akteure gibt. Einige Lobbyist:innen haben es gar geschafft, ihre Leute direkt in Ministerien zu platzieren, um dort an der Formulierung von Gesetzen mitzuwirken. Schätzungen zufolge sollen in Berlin auf eine:n Abgeordnete:n neun Lobbyist:innen kommen. Wissenschaftliche Beiräte und externe Gutachter:innen haben sich in fast allen Ministerien mit unterschiedlichen Wirkungsgraden etabliert. Gewiss: Demokratie ist immer auch Ringen um Einfluss und Mehrheiten. Aber dieser Prozess sollte transparent ablaufen und die Chancen, Gehör zu finden, sollten einigermaßen gerecht verteilt sein. Es muss um die Überzeugungskraft der Argumente gehen, nicht um die Finanzkraft der Argumentierenden. Davon aber kann in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden: An einer Lobby der Bürger:innen fehlt es bisher. Erschwerend kommt hinzu, dass Krisenzeiten Zeiten der Exekutive sind. Hier ist häufig rasches Handeln erforderlich. Langwieriges parlamentarisches Ringen bremst in solchen Fällen eher. Und Krisen gab es im bisherigen Verlauf des 21. Jahrhunderts reichlich: Terrorismus, Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise, Corona-Pandemie, … Ob die Sachzwänge dabei immer real oder nur konstruiert sind, darüber kann man trefflich streiten. So oder so verstärkt dies den Trend, dass Parlamente immer seltener das Zentrum des demokratischen Diskurses sind. Der findet, wenn überhaupt, in den Talkshows oder sozialen Netzwerken statt und ist in unzählige digitale Milieus fragmentiert. Er ist auch weitaus weniger rational und vom Ringen um die besten Argumente bestimmt, als dies idealtypisch sein sollte. Stattdessen ist er als eine Art ›Dauererregung‹ konzipiert, in der Emotion und individuelle Betroffenheit oft wichtiger sind als Relevanz und Lösungsorientierung. Immer mehr Bürger:innen verfolgen Politik deshalb irritiert bis verärgert – wenn sie diese denn überhaupt noch verfolgen. Parteien verlieren an Bindungskraft oder gewinnen diese, wie die AfD, durch populistische Verheißungslügen, nicht nur die Schuldigen des Schlamassels, sondern auch einfache Lösungen zu kennen. Das heißt, der rationale Input einer kritischen Öffentlichkeit versiegt, Regierende und Regierte entfremden sich. Nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer Anfang Mai 2021 haben 53,5 % der Befragten in Deutschland nicht so großes und 9,2 % gar kein Vertrauen in die Politik. Das schwindende Vertrauen in die Demokratie als Staatsform, das zeigt eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2020, muss ebenfalls Besorgnis erregen. Dieses Szenario, aus dem Legitimationskrisen demokratischer Institutionen gemacht sind, wird in der Wissenschaft von vielen Autoren (u. a. Claus Offe, Jürgen Habermas, Samuel Huntington, Ralf Dahrendorf) zum Teil schon seit Jahrzehnten mit wechselnder Dringlichkeit beschrieben. Der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch hat diese und ähnliche Befunde in seinem gleichnamigen Buch unter dem Stichwort Postdemokratie (2004) popularisiert. Und Autoren wie David von Rebrouck (2016) sprechen sich gar dafür aus, Wahlen durch Losverfahren zu ersetzen, wie sie zum Teil in der Antike praktiziert wurden. Auch wenn die Schlüsse sich unterscheiden, die Analysen ähneln sich:   Immer mehr Bürger:innen fühlen sich ohnmächtig, ziehen sich zurück oder gehen in Opposition zum System.   Immer mehr Bürger:innen fühlen sich sozial abgehängt. Das Aufstiegsversprechen, ein wichtiger Kitt demokratischer Gesellschaften, funktioniert kaum noch. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst.   Viele Gruppen haben das Gefühl, ungerecht behandelt oder gar diskriminiert zu werden und mit ihren speziellen Interessen nicht ernst genommen und gehört zu werden. Sie fühlen sich als Opfer (hier ist eine Basis der aktuellen Diskussion um Identitätspolitik).   Tempo und Vielfalt der politischen, technischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen Veränderungen überfordern immer mehr Menschen.   Propaganda und Fake News nicht nur im Internet erschweren Orientierung zusätzlich. Die Öffentlichkeit ist in mehr oder weniger hermetische Argumentationsmilieus fragmentiert. Die Kompetenz im Umgang mit Medien hält mit deren neuer Vielfalt nicht Schritt.   Politische Weichenstellungen wandern immer häufiger in supranationale Institutionen mit minderer demokratischer Legitimation ab. Der Nationalstaat verliert seine ursprüngliche Bedeutung, ohne dass eine vergleichbare Institution dessen Regelungskompetenz und Akzeptanz übernehmen könnte.   Politische Prozesse werden undurchsichtiger und oft nur als Exekution von Sachzwängen oder ökonomischen Diktaten wahrgenommen.   Die Bindungskraft gesellschaftlicher Institutionen wie Kirchen, Parteien, Vereine lässt nach und macht einer Individualisierung Platz, die zwischen Selbstgenügsamkeit und Suche nach Alternativen schwankt, in der Alles und Jedes als »Community« inszeniert wird.   Das Misstrauen gegen die Politik und den Staat wächst. Vor allem rechts-, aber auch linkspopulistische Gruppierungen gewinnen an Zulauf. Solche Befunde sind in Summe alarmierend. Und doch gab es auf der anderen Seite wahrscheinlich selten so viele und vielfältige Aktivitäten einer kritischen und vitalen Zivilgesellschaft, aber auch unzählige Elemente von Bürgerbeteiligung auf allen politischen Ebenen und Ansätze von direkter oder deliberativer Demokratie. Kommunal und regional sind bei allen größeren Vorhaben institutionalisierte Anhörungen und Einspruchsmöglichkeiten vorgesehen. Bebauungspläne müssen öffentlich ausgelegt werden. Über Petitionen können Beratungen erzwungen, über Bürgerbegehren Bürgerentscheide mit bindender Wirkung erreicht werden....


Thomas Hauser was formerly editor of the Badische Zeitung and is the author of several books. Prof. Daniela Winkler teaches public law at the University of Stuttgart.


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