Buch, Deutsch, Band 3, 240 Seiten, Format (B × H): 134 mm x 203 mm, Gewicht: 418 g
Reihe: Die Brautschiff-Saga
Buch, Deutsch, Band 3, 240 Seiten, Format (B × H): 134 mm x 203 mm, Gewicht: 418 g
Reihe: Die Brautschiff-Saga
ISBN: 978-3-96362-246-5
Verlag: Francke-Buch GmbH
Britisch-Kolumbien, 1863: In ihrer Heimat hält sie nichts mehr: In der Textilfabrik in Manchester arbeitslos geworden, will die junge Zoe Hart ihr Glück in der Neuen Welt versuchen. Sie hofft darauf, hier einen passenden Ehemann zu finden, mit dem sie eine gemeinsame Zukunft aufbauen kann. Doch zuerst muss sie eine alte Schuld begleichen und ihren Bruder Zeke finden, der nach Britisch-Kolumbien geflohen ist. Ihr Anfang in der neuen Heimat gestaltet sich unerwartet dramatisch: Sie verliert ihre beste Freundin und ist plötzlich verantwortlich für ein kleines Mädchen, dessen Mutter, eine Ureinwohnerin, verstorben ist. Unterstützung erhält sie bei dieser ungewohnten Aufgabe von Pastor Abe Merivale, der die Minenarbeiter betreut. Um ihrem Pflegekind ein gutes Zuhause zu geben, will Zoe schließlich auf den Heiratsantrag eines Minenarbeiters mit zweifelhaftem Ruf eingehen, der ihr verspricht, ihren Bruder zu finden. Doch das kann Abe nicht zulassen: Um sie zu schützen, bietet er Zoe eine Zweckehe an. Wie wird sie sich entscheiden?
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Kapitel 1
Vancouver Island
12. Januar 1863
»Ich schaffe es nicht, Zoe.«
»Rede keinen Unsinn.« Zoe Hart drückte die Hand ihrer Freundin noch fester, als könnte sie Jane dadurch bei sich behalten.
Ein weiterer Hustenanfall erfasste Jane und sie hielt schnell ein Tuch vor ihren Mund. Damit konnte Jane zwar vielleicht das tiefe Rasseln dämpfen, aber das leuchtende Rot, das das Leinen tränkte, konnte sie nicht verstecken.
Zoe legte einen Arm auf den Rücken ihrer Freundin, um sie zu stützen, und versuchte zu ignorieren, dass sie jede einzelne Rippe fühlte. Eigentlich brauchte Jane ihre Hilfe nicht, da sie noch kräftig genug war. Aber es war schwer, sich auf dem schaukelnden Dampfer in den unruhigen Gewässern vor Vancouver Island auf den Beinen zu halten.
»Wenn wir an Land sind, wird es dir gleich viel besser gehen«, sagte Zoe so laut, dass Dr. Ash, der in der Nähe auf dem Deck stand, sie hören konnte. »Du brauchst nur wieder festen Boden unter den Füßen, das ist alles.«
Der Schiffsarzt, der sich unter seinem langen grauen Bart am Kinn kratzte und leise und eindringlich mit dem Kommandanten der HMS Grappler, Kapitän Verney, sprach, ließ sich nicht anmerken, ob er Zoe gehört hatte.
Sie hatte Dr. Ash schon vor einigen Stunden unmissverständlich gesagt, was sie dachte, und würde nicht zögern, ihre Worte, wenn nötig, zu wiederholen. Sie wollte Jane bei sich behalten. Sie waren während der gesamten Schiffsreise unzertrennlich gewesen, seit sie im September Manchester verlassen und in Gravesend an Bord der Robert Lowe gegangen waren. Und sie sah nicht ein, warum sie sich jetzt trennen sollten, da Jane doch nur von diesem überfüllten, schaukelnden Schiff herunterkommen müsste und ein paar Tage Ruhe bräuchte, um wieder zu Kräften zu kommen.
Nach 114 Tagen auf dem Meer brauchten sie alle ein paar Tage Zeit, um sich zu erholen. Ja, die Überfahrt aus England über den Atlantik, um Südamerika herum und dann den Pazifik hinauf bis nach Vancouver Island war ohne besondere Zwischenfälle und – laut der Schiffsbesatzung – sogar einfach verlaufen. Trotzdem hatte die lange Schifffahrt ihren Tribut gefordert, da viele Frauen, genauso wie Zoe, schon vor Antritt der Reise halb verhungert gewesen waren.
Obwohl die Lebensmittel auf der Robert Lowe in der letzten Woche stark zur Neige gegangen waren und jeder Passagier nur knappe Rationen zugeteilt bekam, knurrte Zoes Magen bei Weitem nicht so wie in ihren letzten furchtbaren Monaten in Manchester, als alle am Hungertuch genagt hatten.
Kapitän Verney nickte Dr. Ash ernst zu, bevor er sich aufrichtete und seine blaue Jacke mit ihren goldenen Streifen und Biesen glatt strich. Der rund fünfzigjährige Mann ließ seinen Blick über die 38 Frauen wandern, die auf dem Deck des Brautschiffs zusammenstanden. Obwohl er nichts sagte, spürte Zoe seine Missbilligung. Seine zusammengezogenen Brauen und seine geschürzten Lippen sprachen eine deutliche Sprache.
Die Tynemouth, ein anderes Brautschiff der Columbia-Missionsgesellschaft, das einige Monate zuvor nach Vancouver Island gefahren war, hatte offenbar eine Mischung aus armen Arbeiterinnen aus London und einer genauso hohen Anzahl reicher Damen aus der Mittelschicht befördert.
Falls Kapitän Verney wieder eine solche Kombination erwartet hatte, war es kein Wunder, dass er enttäuscht war, weil er eine Schiffsladung arbeitsloser Frauen erhalten hatte, die früher in Baumwollfabriken gearbeitet hatten. Sie waren vorher schon ausgemergelt gewesen, aber die Monate auf dem Meer hatten sie noch stärker ausgelaugt und geschwächt.
Vielleicht befürchtete der Kapitän, dass keiner der Männer in der Kolonie die Frauen haben wollte, weil sie nicht attraktiv genug waren. Vielleicht hatte er beschlossen, sie nach England zurückzuschicken.
Zoe schob eine Strähne ihres dunklen Haars unter ihren gestrickten Schal und berührte ihre Wangen. Sie hoffte, sie sähe nicht genauso schmutzig aus wie ihre Begleiterinnen, befürchtete aber, dass die lange Seefahrt auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen war. Sie bräuchten eine Gelegenheit, sich etwas frisch zu machen, bevor sie Heiratsanwärter trafen. Vielleicht sollte sie dem Kapitän der Grappler einen entsprechenden Vorschlag machen.
»Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?« Kapitän Verneys Stimme klang befehlend.
Die Frauen verstummten und drehten sich zu ihm herum. Das Dröhnen des Motors unter ihren Füßen und das Krachen der Wellen gegen den Schiffsrumpf füllten das Schweigen. Aus dem Schornstein stieg schwarzer Rauch auf und verfärbte die tief hängende Wolkendecke in ein schmutziges Grau.
Seit sie vor zwei Tagen durch die Juan-de-Fuca-Straße gesegelt waren, wurden sie von einem eiskalten Regen begleitet, der dafür sorgte, dass die Passagiere die meiste Zeit in ihren Kabinen blieben, obwohl alle gern an Deck gegangen wären, um die Aussicht auf ihr atemberaubendes neues Zuhause genießen zu können. Zoes Blick wanderte zu den Bergen auf dem Festland. Die Gipfel waren schneebedeckt und mit dichten dunkelgrünen Kiefern bewachsen.
Die Berge. Das Fraser River Valley. Und hoffentlich Zeke.
Bevor ihr Bruder vor über einem Jahr geflohen war, hatte er gesagt, dass er zu den Goldminen im Fraser River Valley in British Columbia wolle. Und wenn er nie dort angekommen war oder die Goldsuche aufgegeben hatte und sich ganz woanders aufhielt? Sie konnte nur beten, dass sie ihn finden würde, damit sie ihm die befreiende Nachricht überbringen könnte. Und vielleicht – nur vielleicht – würde er ihr dann vergeben, dass sie dazu beigetragen hatte, dass er von zu Hause hatte weglaufen müssen.
Sie drückte die Hand auf die eingenähte Tasche in ihrem Rock, um sich zu vergewissern, dass sie Zekes Anhänger nicht verloren hatte, den sie bei sich trug, seit er ihn ihr vor die Füße geworfen hatte und weggelaufen war.
»Wir werden in Kürze in der James Bay eintreffen«, erklärte Kapitän Verney. »Aber nachdem mich Dr. Ash über die Krankheit in Ihrer Mitte informiert hat, habe ich beschlossen, dass wir uns erst dann ausschiffen werden, nachdem die Kranken das Schiff verlassen haben, um ins Krankenhaus in West Bay gebracht zu werden.«
»Jede von uns leidet an irgendetwas, Herr Kapitän«, platzte Zoe heraus. »Heißt das, dass Sie uns alle ins Krankenhaus bringen?«
»Zoe, bitte versuchen Sie, diese Entscheidung zu verstehen.« Dr. Ash, dessen gegerbtes Gesicht von tiefen Falten durchzogen war, zupfte wieder an seinem Bart. »Wenn Jane und Dora nicht in Quarantäne kommen, kann der Rest Ihrer Gruppe nicht an Land gehen, ohne Unruhe zu verbreiten.«
»Keiner weiß, wer das Fieber sonst noch hat«, beharrte Zoe. Baumwollfieber war unter den Arbeiterinnen in den Textilfabriken weitverbreitet, aber das war kein Grund, sich zu schonen. Sie mussten weiterarbeiten und konnten nur hoffen, dass es besser werden würde. Wenn sie sich jedes Mal, wenn sie einen Husten hatten, Sorgen machen würden, hätten sie schon vor langer Zeit aufgegeben.
»Miss, ich hätte gute Lust, Sie alle unter Quarantäne zu stellen.« Kapitän Verney sah Zoe streng an. »Aber wenn ich ohne Frauen in Victoria ankomme, gibt es einen Aufstand unter den wartenden Männern. Sie haben sich heute Morgen schon geprügelt, als die Emily Harris die anderen Fahrgäste an Land brachte.«
Nachdem sie den Sonntag an Bord der Robert Lowe in Esquimalt Harbor verbracht hatten, konnten sie es alle kaum erwarten, am Montagmorgen an Land zu gehen. Die Emily Harris hatte einen Teil der Neuankömmlinge in den Hafen von Victoria gebracht. Zoe und die anderen Frauen hatten enttäuscht und sehnsüchtig zugesehen, wie der Dampfer ohne sie losgefahren war.
Nun, da sie auf der Grappler waren und so kurz davorstanden, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen, wollte Zoe keine weiteren Verzögerungen heraufbeschwören. Trotzdem konnte sie nicht zulassen, dass man Jane wegbrachte!
»Ich gehe ins Krankenhaus.« Jane riss sich von Zoe los.
Zoe wollte Jane am Arm packen, aber ihre Freundin warf ihr einen warnenden Blick zu, in dem so viel Leben und Energie steckten, wie Zoe seit Tagen nicht mehr bei ihr gesehen hatte.
»Ich kann mich im Krankenhaus genauso gut ausruhen wie irgendwo anders.« Jane schloss ihre Finger um das blutgetränkte Tuch, als wollte sie es verstecken.
Zoe zögerte, denn sie wollte ihre Freundin nicht gehen lassen. In Krankenhäusern starben Menschen; das wusste doch jeder.
»Ich kümmere mich persönlich um die Frauen«, versprach Dr. Ash, als könnte er Zoes Gedanken lesen.
»Das Königliche Krankenhaus ist eine gute Klinik«, ergänzte der Kapitän. »Dort werden die Frauen eine gute Pflege bekommen.«
Zoe betrachtete liebevoll Janes Gesicht, die Blässe, die tief in ihren Höhlen liegenden Augen und die ausgezehrten Gesichszüge. Von der kräftigen jungen Frau, die Zoe an ihrem ersten Tag in der Fabrik kennengelernt hatte, war nicht mehr viel zu sehen. Damals war Zoe für ihre eigene Mutter in der Baumwollfabrik eingesprungen.
Jane hatte nicht nachgefragt, woher Zoe plötzlich kam, und Zoe hatte ihr nicht verraten müssen, wer sie wirklich war. Stattdessen hatte Jane ihr unauffällig jeden Schritt der Arbeit, wie die Baumwollfasern gekämmt und gereinigt werden mussten, gezeigt und sich damit Zoes grenzenlose Bewunderung zugezogen. Und seit Jane so getan hatte, als würde sie Zoes Tränen nicht bemerken, als ihre Mutter gestorben war, besaß sie Zoes ewige Zuneigung. Der Vorarbeiter hatte erst Wochen später gemerkt, dass Zoe heimlich den Platz ihrer Mutter eingenommen hatte. Bis dahin hatte sie die Arbeit jedoch so effizient beherrscht, dass er sie behalten hatte.
Zoe schluckte einen plötzlichen Kloß in ihrer Kehle hinunter. Janes Körper war vielleicht nur noch ein Schatten dessen, was er früher gewesen war, aber der liebevolle Geist ihrer Freundin blieb unverändert.
»Glaube nicht, dass du mich so leicht loswirst.« Zoe wickelte Jane ihren bunten Schal um den Hals. Sie hatte die farbenfrohe Kreation auf der Überfahrt aus Wollresten gestrickt. Wenn sie doch nur mehr Wolle gehabt hätte, um Jane einen dicken Pullover zu stricken! »Ich besuche dich, sooft ich kann.«
»Nein«, sagte Jane mit einem zittrigen Lächeln. »Du wirst alle Hände voll zu tun haben, um dich gegen den Ansturm an Männern zu wehren, die dich zur Ehefrau wollen.«
Zoe zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln. »Ich werde dir auf jeden Fall einen aufheben.«
Jane nickte, doch dann musste sie wieder husten. Sie taumelte und wäre gestürzt, wenn Dr. Ash sie nicht aufgefangen hätte. Sanft führte er sie weg, während der Verantwortliche für die Frauen, Mr Reece, und seine Frau Dora die andere kranke Frau nach Steuerbord brachten.
Zoes Kehle schnürte sich erneut zu. Vor ihrem geistigen Auge tauchten Bilder auf, wie ihr Vater ihre Mutter die Straße hinab zur Arztpraxis geführt hatte. Die Schultern ihrer Mutter waren von ihren Hustenanfällen ganz gekrümmt gewesen. Es war das letzte Mal gewesen, dass Zoe sie lebend gesehen hatte.
Einige Frauen tätschelten Zoes Arm oder versuchten, sie mit freundlichen Worten zu trösten. Aber die Resignation, die aus ihren Augen sprach, machte Zoe wütend. Jane würde wieder gesund werden! Nach allem, was sie in den Monaten der Arbeitslosigkeit und dann auf dem Meer durchgemacht hatten, würde Zoe alles tun, um Jane eine gute Zukunft zu ermöglichen.
Als die Grappler die letzte Biegung in die James Bay umrundete, befahl der Kapitän den Frauen, unter Deck zu gehen und zu warten, bis Jane und Dora von einem Beiboot der Königlichen Marine weggebracht worden waren. Vermutlich wollte der Kapitän den Stadtbewohnern den Eindruck vermitteln, die kranken Frauen wären vom Rest der Gruppe getrennt gewesen. Sie hatten jedoch während der gesamten Überfahrt alle zusammen in beengten Kabinen der dritten Klasse gelebt. Sie waren alle der Krankheit ausgesetzt gewesen und daran ließ sich jetzt nichts mehr ändern.
Der Motor des Dampfschiffs verstummte und Zoe war genauso überrascht wie alle anderen Frauen, als sie plötzlich laute Jubelrufe und begeisterte Pfiffe hörte.
»Sind das die Männer, die auf uns warten?«, fragte eine der Frauen, aus deren großen Augen eine Mischung aus Aufregung und Angst sprachen.
»Ich habe Kapitän Verney sagen hören, dass Hunderte Männer am Ufer stehen«, sagte eine andere.
»Mir reicht einer«, bemerkte Zoe keck. »Wenn er der Richtige ist.«
»Soll er gut aussehen?«
»Ja, ich will einen attraktiven Mann, der gut küssen kann.«
Über diese kühnen Worte mussten die anderen Frauen kichern.
»Woher willst du wissen, ob er gut küssen kann?«
»Ich muss ihn testen.«
Diese Bemerkung brachte ihr noch mehr Gelächter ein.
Sie grinste. »Natürlich muss er auch reich sein. Und er muss bereit sein, mich in die Berge hinaufzubringen, damit ich Zeke finden kann.«
»Du könntest ja ein Schild schreiben, auf dem du deine ganzen Anforderungen auflistest«, zog eine andere Frau sie auf.
»Vielleicht«, erwiderte sie scherzhaft. Mit ihren neunzehn Jahren war Zoe nicht die jüngste Frau in der Gruppe, aber auch nicht die älteste. Mit ihren langen rabenschwarzen Haaren und leuchtend grünen Augen hatte sie viel Ähnlichkeit mit ihrer Mutter, die als eine der schönsten Frauen in ganz Manchester gegolten hatte. Selbst als sie auf dem Sterbebett dahingesiecht war, war ihre Mutter immer noch schön gewesen.
Vermutlich hatte der Tod ihrer Mutter ihren Vater deshalb so schwer getroffen. Seine Frau war inmitten der Mühen und des grauen Alltags eine Quelle der Schönheit gewesen. Sie hatte nicht nur eine äußere Schönheit, sondern auch eine innere Schönheit besessen, die der ganzen Familie Mut gemacht hatte. Als sie nicht mehr da gewesen war, hatten sie das Gute verloren, das sie zusammengehalten hatte. Ohne sie hatte sich ihre Familie in Einzelfäden zerfasert wie ein alter Baumwollstoff.
»Du wirst im Handumdrehen einen attraktiven Mann finden«, sagte Kate, die neben Zoe auf der untersten Stufe des Decks stand, wo sie alle darauf warteten, nach oben zu gehen.
»Du auch.« Zoe zupfte an einem der langen blonden Zöpfe des Mädchens, was ihr ein Lächeln einbrachte. Kate Millington war ein Jahr jünger als Zoe. Sie waren im selben Viertel aufgewachsen und Kate war immer wie eine kleine Schwester für sie gewesen. Zoe konnte kaum glauben, dass Kate schon alt genug war, um sich einen Mann zu suchen.
»Wirklich schade, dass Jeremiah nicht wohlhabender war«, überlegte Kate laut. »Dann hättest du ihn heiraten können und nicht weggehen müssen.«
Kates älterer Bruder, Jeremiah, war ein guter Mann gewesen, einer von Zekes besten Freunden. Aber Zoe hatte weder ihm noch irgendeinem anderen Mann viel Beachtung geschenkt, da die Arbeit in der Baumwollfabrik ihre ganze Energie gekostet hatte. Und nachdem sie genauso wie all die anderen Frauen entlassen worden war, waren ihre Tage damit ausgefüllt gewesen, sich um Eve, das Baby ihrer Schwester Meg, zu kümmern und zu versuchen, den Hunger und die Zornausbrüche ihres betrunkenen Vaters zu überleben.
»Wir sind im Hafen!«, rief jemand vom Deck herunter. Innerhalb weniger Minuten versammelten sich die Frauen an der Reling und ließen den Anblick ihrer neuen Heimat auf sich wirken: die kleine, aber stetig wachsende Stadt Victoria, die sich hinter dem Hafen ausbreitete, und die stattlichen Kiefern, die alles zu bedecken schienen, was nicht abgeholzt worden war, um der neuen Kolonie Platz zu machen.
Zoe suchte panisch die Boote und Schiffe im Hafen ab, in dem reger Betrieb herrschte, bis sie das Beiboot der Königlichen Marine entdeckte, das mit zwei Frauen, die beide den Kopf und die Schultern hängen ließen, davonruderte.
»Jane!«, rief sie, obwohl ihre Freundin sie bei dem Lärm der vielen Menschen, die das Ufer säumten, unmöglich hören konnte.
Ein dumpfer Schmerz setzte an Zoes Schläfe ein. Sie holte tief Luft und begann, die Stelle zu massieren. Sie hatte keine Zeit für Kopfschmerzen. Diese Schmerzen konnte sie heute wirklich nicht gebrauchen. Sie musste eine Möglichkeit finden, zum Krankenhaus zu kommen und alles zu tun, um ihre Freundin zu retten. Sie durfte Jane nicht verlieren, denn sie hatte schon so viel verloren.




