Hedlund | Ein Bräutigam aus gutem Haus | Buch | 978-3-86827-458-5 | www.sack.de

Buch, Deutsch, 336 Seiten, PB, Format (B × H): 139 mm x 205 mm, Gewicht: 395 g

Hedlund

Ein Bräutigam aus gutem Haus


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86827-458-5
Verlag: Francke Buchhandlung GmbH

Buch, Deutsch, 336 Seiten, PB, Format (B × H): 139 mm x 205 mm, Gewicht: 395 g

ISBN: 978-3-86827-458-5
Verlag: Francke Buchhandlung GmbH


Michigan 1881, in einer Gemeinde von deutschen Auswanderern: Annalisas Mann kommt auf mysteriöse Weise ums Leben. Da die junge Mutter die Farm allein nicht halten kann, lässt ihr Vater in der alten Heimat nach einem neuen Ehemann für sie suchen. Eines Tages erscheint der galante Carl Richards auf ihrer Farm. Er hat zwei linke Hände, zieht Annalisa aber mit seiner charmanten und fürsorglichen Art in den Bann. Durch ihn begegnet Annalisa etwas von der Liebe Gottes, auf die sie schon nicht mehr zu hoffen wagte. In dieser Situation kommt die Ankunft von Annalisas Zukünftigem äußerst ungelegen. Und leider ist Carl nicht der, für den alle ihn halten … (675 Z.)

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Kapitel 1

Herbst 1880
Forestville, Michigan

Hans hatte das ganze Eiergeld gestohlen. Schon wieder.
Annalisa Werners raue Finger hielten den ausgefransten Saum der Schürze, die sie als Korb benutzte, zitternd fest. Unter dem Gewicht der Walnüsse spannte sich das dünne Leinen und protestierte mit einem leichten Ächzen.
Dieses Mal war ihr Mann zu weit gegangen.
„Ich halte seine Verantwortungslosigkeit keinen Tag länger aus.“ In der Stille des dichten Wäldchens hallten die Worte in ihrer deutschen Muttersprache hart wider. Trotzdem waren sie verglichen mit dem lauten Aufschrei ihres besorgten Herzens nur ein Flüstern.
Gretchen legte den Kopf schief, während ein sanfter Wind mit ihren seidenweichen, blonden Haaren spielte. „Mama?“ Die Zweijährige schaute mit ihren vertrauensvollen Kinderaugen zu ihr hinauf.
„Ach, Schatz.“ Annalisa zwang ein Lächeln auf ihre müden Lippen. „Hast du noch eine Nuss für Mama gefunden?“
Das kleine Mädchen hielt ihr eine hellgrüne Kugel hin.
„Du bist Mama eine große Hilfe.“ Annalisa nahm die Nuss und legte sie zu dem Haufen in ihrer Schürze. „Findest du noch eine?“
Sie würden jede Nuss brauchen, die sie sammeln konnten, wenn sie den herannahenden harten Winter in Michigan überleben wollten. Jetzt, da Hans den Tonkrug gefunden hatte, der von ihr in der dunkelsten Ecke ihrer kleinen Holzhütte unter dem Bett versteckt worden war, bräuchten sie die Nüsse erst recht.
Sie schüttelte so ärgerlich den Kopf, dass der lange Zopf auf ihrem Rücken heftig schaukelte. Schon wieder hatte ihr Mann ihr ganzes Geld verspielt. „Wer ist jetzt der Dumme? Wer?“
Sie war die Dumme. Sie hätte es besser wissen müssen.
Sie hatte gedacht, sie hätte endlich ein gutes Versteck gefunden, in dem sie ihre kümmerlichen Ersparnisse davor retten könnte, dass ihr Mann sie sinnlos vergeudete. Außerdem hatte sie gehofft, er hätte seine Lektion gelernt, nachdem er den größten Teil ihrer Einnahmen von der letzten Ernte verspielt und vertrunken hatte.
Aber als sie vor einer Weile aus der Stadt zurückgekommen war, um das Geld, das sie durch den Verkauf von Eiern und Butter verdient hatte, hineinzulegen, hatte sie entdeckt: Alles, was sie im Laufe des Sommers gespart hatte, war fort!
Er hatte keinen Cent übrig gelassen.
Genauso wie das letzte Mal.
Ja, sie war die Dumme.
Das trockene Herbstlaub knirschte unter den Schwielen ihrer nackten Füße, während sie Gretchens unbeschwerten Kinderschritten folgte. Wie sollte sie ihrer lieben, kleinen Tochter eine bessere Zukunft ermöglichen, wenn sie nicht verhindern konnte, dass Hans ihre Ersparnisse verspielte?
Ein stummer Verzweiflungsschrei wollte sich aus Annalisas Brust heraus Bahn brechen.
Wenn sie doch nur keinen Mann bräuchte!
„Nuss, Mama.“ Gretchen hob die nächste Nuss auf. Das bräunlich grüne Fruchtfleisch war weggefressen und nur eine verfaulte, leere Hülle war übrig geblieben.
„Diese Nuss ist nicht gut.“ Annalisa schüttelte den Kopf. „Irgendein wildes Tier hat die Nuss schon gefressen.“
Die Oktobersonne schien durch die absterbenden Blätter, die über ihnen im Wind tanzten, und ihre Strahlen berührten Gretchens Haare. Sie schimmerten im gleichen weichen Gold wie die Butter, die Annalisa heute Morgen gemacht hatte.
„Deine Haare haben die gleiche Farbe wie Rapunzels Haare.“ Dieses Mal schenkte sie ihrer Tochter ein echtes Lächeln, das ihre tiefe Mutterliebe zeigte.
Gretchen ließ die Nuss wieder fallen und schaute sie mit einem strahlenden Gesicht an. „Märchen?“
Annalisa strich ihrer Tochter die losen Haarsträhnen aus der Stirn und sah in Gretchen ein Spiegelbild von sich selbst. Von den Sommersprossen auf ihrer Nase über die großen, blauvioletten Augen bis hin zu ihren goldenen Haaren.
Ihre Tochter war ihr in so vielem ähnlich, sogar in ihrer Sehnsucht nach Märchen von schönen Prinzessinnen, mutigen Prinzen und wahrer Liebe. Der Unterschied war, dass Gretchen im Gegensatz zu Annalisa noch nicht gelernt hatte, dass Märchen nur Träume waren. Der Satz „Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende“ wurde nur in Märchen wahr.
„Nein, Schatz. Kein Märchen. Jetzt nicht.“ Annalisa richtete sich auf und hatte mit einer plötzlichen Übelkeit zu kämpfen. „Heute Abend. Vor dem Einschlafen. Dann erzähle ich dir die Geschichte von der Prinzessin, die Gänse hütet.“
Gretchen klatschte in die Hände und lächelte. „Ich mag ‚Die Gänsemagd‘.“
„Du magst alle Geschichten gern.“ Annalisa stupste das Mädchen liebevoll an der Nase. Dann richtete sie sich auf und atmete tief ein. Der Rauchgeruch von verbrannten Sträuchern lag in der Luft.
Der Rauch beunruhigte sie nicht. Im Gegenteil, die schwarzen Wolken, die südlich des Maisfeldes aufstiegen, weckten nur neuen Ärger in ihr.
Wenigstens wusste sie jetzt, wo sie Hans finden würde. Falls sie ihn überhaupt finden wollte.
Ähnlich wie die anderen Einwanderer auf den umliegenden Farmen verbrachte Hans einen Teil seiner Zeit damit, mehr Land zu roden, damit sie im Frühling eine größere Fläche hätten, die sie anbauen könnten. Aber er hatte von den sechzehn Hektar, die er vor vier Jahren auf Kredit gekauft hatte, längst nicht so viel gerodet wie ihre Nachbarn.
Wenn er nur nicht bei jeder Gelegenheit in den Spielsalon laufen würde! Wenn er nur begreifen würde, dass ihr und Gretchen wegen seiner Verschwendungssucht wieder ein karger Hungerwinter bevorstand!
Vielleicht sollte sie hinübergehen, wo er arbeitete, und ihn wegen des Geldes zur Rede stellen. Sie hatte ihre Träume von einem Leben wie im Märchen vor langer Zeit aufgegeben, aber das durfte nicht bedeuten, dass Gretchen leiden musste.
Annalisas Finger verkrampften sich wieder um den ausgefransten Saum ihrer Schürze.
Wagte sie es, ihm ihre Sorgen zu sagen? Wie sollten sie ihren Hof behalten können, wenn sie immer nur schwieg? Wie sollten sie überleben?
„Komm mit, Gretchen.“ Mit einer Hand umklammerte sie die Schürze mit den Walnüssen, die andere Hand hielt sie Gretchen hin und bemühte sich, ihr Zittern zu unterdrücken. „Gib Mama die Hand. Wir machen einen kleinen Spaziergang.“
Gretchens kleine Finger legten sich in ihre Hand. „Gehen wir zum Fluss?“
„Vielleicht später.“ Sosehr der Fluss, der durch ihr Land floss und ihnen die ganzen Probleme mit E. B. Ward und Hans’ Spielsucht bescherte, sie auch störte – die Freude, die Gretchen am Wasser hatte, war nicht zu übersehen. Aber auch für sie war das Flussufer immer ein Platz zum Ausruhen, ein Ort, an dem sie ihre schmerzenden Füße abkühlen konnte, und ein Ort, an dem sie ihren Sorgen entfloh, wenn auch nur für kurze Zeit.
„Nein, zuvor müssen wir mit deinem Papa sprechen.“ Annalisa ging los, verlangsamte aber ihre Schritte, um sie dem Tempo ihrer kleinen Tochter anzupassen. Gretchen war barfuß wie sie, und obwohl die Haut an ihren Füßen nach dem Sommer ohne Schuhe dick und abgehärtet war, wählte Annalisa ihren Weg über die spitzen Zweige und durch das raschelnde Herbstlaub mit Vorsicht.
„Wir müssen dir bald Schuhe besorgen“, sagte sie, obwohl sie nicht wusste, wie sie sich jetzt ein neues Paar leisten sollten. Hans hatte sie nie mit so grundlegenden Dingen wie Schuhen versorgt. Ihm war es wichtiger, dass das Pferd neu beschlagen wurde, als seiner Tochter Schuhe zu kaufen. Er hatte einmal gesagt, dass ein Pferd für den Hof wichtiger sei als ein Mädchen.
Am Rand der Lichtung blieb Annalisa stehen und atmete tief die rauchige Luft ein. Sie atmete aus, wurde aber erneut von einer starken Übelkeit und einem heftigen Schwindelgefühl überrollt.
„Ach.“ Sie schluckte schwer und kämpfte gegen das unangenehme Gefühl an. Sie konzentrierte sich auf das Feld, das vor ihr lag.
Sie hatten einen Hektar Mais angebaut, da Mais zwischen den Baumstümpfen wachsen konnte, die nach der Abholzung des Waldes das Gelände übersäten. Natürlich hatten sie einen Teil der Ernte an Rehe, Waschbären und wilde Truthähne verloren, aber sie hatten trotzdem eine beträchtliche Menge in den Hafen von Forestville bringen können, von wo aus der Mais nach Detroit verschifft wurde.
Auf der gerodeten Fläche, die näher bei der Hütte und beim Stall lag, hatten sie auch Weizen und Hafer angebaut. Die Ernte war gut gewesen und hatte ihnen das Geld eingebracht, das sie so dringend benötigten.
Doch dann war Hans so dumm gewesen, das ganze Geld zu verspielen.
Ihr Brustkorb zog sich vor Schmerz zusammen. Sie musste sich auf die Möglichkeit einstellen, dass sie in einem Jahr vielleicht obdachlos wären. Wie sollten sie das Darlehen abzahlen, das im nächsten Herbst fällig war, wenn Hans weiterhin ihr sauer verdientes Geld sinnlos verschleuderte?
Wenn sie ihn vielleicht anflehte, damit aufzuhören …
„Komm, wir suchen deinen Papa.“ Annalisa zwang sich weiterzugehen, obwohl sie vor Sorge am ganzen Körper zitterte. Sie wusste nicht, wie sie ihn daran hindern sollte, ihnen noch mehr Schaden zuzufügen, als er es ohnehin schon getan hatte.
Konnte sie ihren Mann wirklich zur Rede stellen?
Falls sie das wagte, würde er wieder wütend werden. In den drei Jahren ihrer Ehe hatte er noch nie körperliche Gewalt angewendet. Aber er würde nicht zögern, sie auf andere, genauso schmerzhafte Weise zu bestrafen, wie er das immer tat, wenn ihm etwas nicht gefiel.
Erst gestern Abend hatte er sie gezwungen, nichts zu essen, weil sie vergessen hatte, eine seiner Fallen zu schmieren. Es hatte ihn nicht interessiert, dass sie den ganzen Tag gearbeitet und das letzte Wurzelgemüse – Karotten, Rote Bete und Steckrüben – geerntet und in ihrem flachen Keller mit Sand bedeckt hatte, damit sie im Winter etwas zu essen hätten.
Ihr Bruder Uli hatte mitbekommen, dass Hans ihr nichts zu essen gab, und hatte ihr später etwas gebracht. Aber sollte sie es riskieren, Hans wieder zu verärgern?
Gretchen stolperte neben ihr. Annalisa hielt ihre Tochter gut fest, damit sie sich nicht wehtat. Dicke Lehmbrocken übersäten die Erde, als wollten sie Annalisa daran hindern, zu ihrem Mann zu gehen. Vertrocknete Maisstiele zerrten wie scharfe Fingernägel an ihrem Rock und machten ihr das Fortkommen schwer.
„Gott, hilf mir.“ Sie blieb mit Gretchen an der Hand stehen. Warum glaubte sie eigentlich, Hans würde interessieren, was sie sagte?
„Beten, Mama?“ Gretchen schaute zu ihr hinauf.
„Ja, wir sollten beten.“ Annalisa schloss die Augen. Aber obwohl ihre Seele zu Gott schrie, erstarb ihr Gebet auf ihren Lippen. Gott kümmerte sich bestimmt nicht um die Probleme einer jungen Frau an einem Herbstnachmittag, und schon gar nicht um die Sorgen einer armen Einwanderin, wie sie es war. Wenn Gott so war wie alle anderen Männer in ihrem Leben, hatte er Wichtigeres zu tun.
Gott war wahrscheinlich auf dem Hof auf der anderen Straßenseite und half ihrer Familie, besonders ihrem Vater. Schließlich war ihr Vater ein guter Lutheraner und verdiente Gottes Hilfe.
„Schau.“ Gretchen zupfte an Annalisas Hand. „Papa schläft.“
Annalisa öffnete die Augen und richtete sich ruckartig auf. „Was? Dein Papa schläft? Unmöglich.“
Sie schaute in die Richtung, in die Gretchens Finger deutete, und wurde schlagartig aus ihren aufgewühlten Gedanken gerissen.
Neben einem Haufen brennender Maisstiele und Zweige lag Hans. Von der Mitte des Maisfeldes aus sah es tatsächlich so aus, als hätte er beschlossen, sich ein wenig schlafen zu legen.
Doch warum sollte er etwas so Unverantwortliches tun, während die Flammen neben ihm loderten und die Funken in die Luft flogen?
Genauso wie alle Siedler wusste er um die Gefahr, dass ein Feuer schnell außer Kontrolle geraten und sich ausbreiten konnte.
„Komm, Schatz.“ Sie ging schneller, aber Gretchens kurze Beine hatten Mühe, mit ihr Schritt zu halten. „Vielleicht geht es ihm nicht gut.“
Warum sollte Hans mit dem Schlafen Zeit vergeuden, wenn er sich doch anders vergnügen konnte, wie zum Beispiel mit Kartenspielen und Trinken?
Es sei denn, er war krank.
Als sie den Rand des Maisfeldes erreichte, blieb sie so abrupt stehen, dass Gretchen von hinten gegen sie lief.
Sie betrachtete die hellen Flammen, die in dem Gestrüpp und den Zweigen von den Sträuchern und Büschen tanzten, die zu großen Haufen aufgeschichtet waren. Das brennende dürre Holz knisterte und knallte wie Gewehrschüsse in der stillen Nachmittagsluft.
Das Schimpfen und Schnattern einer Schar Zugvögel hallte in der Stille wider. Aber ansonsten war alles viel zu still, viel zu regungslos.
„Hans?“ Sie konnte sich nicht überwinden, noch weiter auf ihn zuzugehen.
„Wach auf, Papa.“ Gretchen ließ ihre Hand los und hüpfte weiter. Obwohl Hans seine Tochter kaum beachtete, liebte das Mädchen seinen Vater sehr.
Aber noch während Gretchen sich vorbeugte, um seinen Rücken zu streicheln, mahnte etwas in Annalisas rumorendem Magen sie zur Vorsicht. „Rühr ihn nicht an!“
Auf ihren scharfen Befehl hin zog Gretchen die Hand zurück, als hätte sie sich die Finger verbrannt.
„Rühr ihn nicht an“, sagte Annalisa noch einmal und versuchte ihre Stimme zu einer Ruhe zu zwingen, nach der ihr überhaupt nicht zumute war.
Gretchen wich zurück. Angst trat in ihre großen Augen.
Annalisa zwang sich weiterzugehen, bis sie über ihrem Mann stand. „Hans? Geht es dir nicht gut?“
Er rührte sich nicht.
Sie beugte sich hinab und berührte das raue Leinen seines selbst gesponnenen Hemdes. „Wenn du dich nicht gut fühlst, kann ich mich um das Feuer kümmern.“
Er gab immer noch keine Antwort.
Ihr Herz hämmerte. Vorsichtig berührte sie seinen Arm. Da rutschte der Arm plötzlich von seinem Gesicht weg und sie sah, dass seine Gesichtshaut ganz verkohlt war. An einigen Stellen schimmerte sogar der Knochen durch. Seine Augen starrten leer in die Ferne.
Ein Schrei entrang sich ihrer Kehle. „Gott, steh uns bei!“ Sie taumelte zurück und ließ ihre Schürze los, sodass die Nüsse auf die Erde fielen. Sie stolperte und landete schmerzhaft auf dem Boden. „Oh, Gott, steh uns bei!“
Gretchen wollte sich ihrem Vater nähern.
„Nein!“ Annalisa packte Gretchen und vergrub das Gesicht ihrer Tochter in ihrer leeren Schürze. „Nein! Schau nicht hin!“
Was war mit Hans passiert?
Ein plötzlicher Schüttelfrost erfasste ihren Körper. Sie wollte weglaufen und sich verstecken, aber ihr Blick wanderte immer wieder zu dem furchtbaren Anblick hinüber.
Blut lief aus einer tiefen Wunde an seinem Haaransatz. Seine sonst sandblonden Haare waren von Blut so verklebt, dass sie braun wie Lehm aussahen.
So wütend Annalisa auch auf Hans war, sosehr sie sein Verhalten auch verabscheute, hätte sie ihm dennoch nie den Tod gewünscht.
Denn ohne Mann könnte sie nicht überleben. Nicht in dieser Wildnis. Nicht als Frau allein mit sechzehn Hektar Land.
Galle stieg in ihrer Kehle auf.
Eine Fliege summte über dem verkohlten Gesicht des Leichnams.
Annalisas Magen rebellierte. Sie wandte sich ab und übergab sich auf der harten, kahlen Erde.

„Annalisa braucht einen neuen Mann.“ Vaters Stimme übertönte die lauten Diskussionen, die den Raum erfüllten, seit sich die Männer in der Hütte ihrer Eltern zum Essen gesetzt hatten.
„Das sehen wir auch so, Peter.“ Der Herr Pastor nahm sich noch eine Scheibe von dem kräftigen, braunen Brot auf dem Teller in der Tischmitte.
Mit der Butterdose in einer Hand und der Kaffeekanne in der anderen, eilte Annalisa zum Herrn Pastor. Sie stellte ihm die Butter hin.
„Danke, Annalisa.“ Er lächelte und hielt ihr seine Tasse hin, damit sie ihm neu einschenken konnte. Der Bart um seinen Mund herum war gespickt mit Krümeln von allem, was er schon gegessen hatte.
Sie nickte, konnte aber ihre Lippen nicht zu einem Lächeln zwingen, nicht einmal zum schwachen Ansatz eines Lächelns. Seit sie Hans gestern gefunden hatte, konnte sie nicht mehr lächeln.
Einige Nachbarn waren zu der Schlussfolgerung gekommen, dass es einfach ein Unfall gewesen war. Hans hatte sich wohl den Kopf angeschlagen und war bewusstlos ins brennende Feuer gefallen. Aber andere, darunter ihr Vater, vertraten die Meinung, dass der habgierige Geschäftsmann E. B. Ward ihren Mann ermordet hatte. Seit Langem schon wollte er das Land, um darauf sein Sägewerk bauen zu können.
Bei der Beerdigung am Nachmittag und jetzt beim Leichenschmaus war über nichts anderes gesprochen worden. Die Männer saßen auf den selbst gebauten Bänken und den wenigen Stühlen, die um den langen Tisch herum standen.
„Wir widersprechen dir nicht“, wiederholte der Herr Pastor. „Ich sage nur, dass wir vielleicht überlegen sollten, einen gottesfürchtigen Mann aus unseren eigenen Reihen zu finden. James McCann ist zwar Ire, aber er ist Protestant und ein fleißiger Mann …“
„Auf keinen Fall!“ Vater schlug auf den Tisch. Die Löffel und Messer klirrten. Kaffee schwappte aus den großen Tassen. Schweigen breitete sich in dem voll besetzten Raum aus. Selbst die Frauen, die neben dem Holzofen zusammenstanden, unterbrachen ihre leisen Gespräche.
Die säuerliche Ausdünstung in dem engen Raum voll schwitzender Männer, die nach einem langen, schweren Arbeitstag ungewaschen zusammensaßen, machte Annalisa erneut schwer zu schaffen. Ihr Magen zog sich vor Übelkeit zusammen. Die stickige Hitze, der würzige Kümmelduft von Mutters Rostbratwurst, der durchdringende Sauerkrautgeruch – das alles verstärkte ihr Unwohlsein.
Dazu kam noch, dass sie das Thema dieser Diskussion war.
„Nein! Darüber werden wir nicht mehr reden.“ Vater deutete mit dem Stummel seines fehlenden Zeigefingers warnend auf den Herrn Pastor. „Sie können froh sein, dass Sie ein Mann Gottes sind. Sonst würde ich Ihnen Beine machen wie damals Simson den Philistern.“
Annalisa lehnte sich an die kühle Holzwand, die mit Lehm- und Stroh gefüllt war, und hoffte, dass sie die Hitze in ihrem Rücken abkühlen würde. Sie sehnte sich danach, Gretchen, die mit den anderen Kindern auf dem Dachboden spielte, auf die Arme zu nehmen, mit ihr nach Hause zu gehen und sich ins Bett zu legen.
Es hatte sie müde gemacht, zuzuhören, wie alle über Hans’ Tod diskutierten. Die Sorgen, wie es nun weitergehen sollte, lasteten schwer auf ihr.
Aber sie konnte nicht heimgehen, ohne herausgefunden zu haben, welches Schicksal ihr Vater für sie bestimmen würde.
So unerträglich es auch mit Hans gewesen war, wusste sie, dass es schlimmere Männer gab, die nicht zögern würden, sie oder Gretchen zu schlagen.
Der Herr Pastor biss in sein Brot und wirkte von Vaters Wutausbruch völlig unbeeindruckt. Von den ganzen Männern im Raum war Pfarrer Hermann Loehe der Mann mit der höchsten Bildung. Er sprach so gut Englisch, dass er sich mit den Einheimischen unterhalten konnte. Er hatte schon in Forestville gewohnt, als ihre Gemeinde sich hier angesiedelt hatte. Unzählige Male hatte er ihnen schon auf die verschiedenste Weise geholfen.
Seine Frau, die Frau Pastor, löste sich von der Frauengruppe in der Ecke und kam mit mehr Kartoffelsuppe an den Tisch.
„Ich könnte meiner früheren Gemeinde unten in Frankenlust schreiben“, bot der Herr Pastor an. „Vielleicht gibt es dort einen unverheirateten Mann, der bereit wäre, nach Forestville zu ziehen.“
„Eine gute Idee, Liebling“, sagte die Frau Pastor, während sie Suppe in seine Schüssel füllte. Ihre runden Wangen waren gerötet und verzogen sich zu einem Lächeln. Sie war die einzige Frau, die es wagte, sich in die Gespräche der Männer einzumischen. „In der dortigen Gemeinde gibt es bestimmt einen Mann, der unserer lieben Annalisa würdig wäre.“
„Ein vollkommen Fremder ist nicht gut“, knurrte Vater und hielt Mutter seinen Teller hin.
Als hätte Mutter nur darauf gewartet, eilte sie gehorsam zum Tisch und füllte seinen Teller auf. Sie trug immer noch dasselbe wollene Bauernkleid, das sie aus der alten Heimat mitgebracht hatte. Das schlichte, braune Kleid und das Kopftuch hatte sie schon vor sechs Jahren getragen, als sie mit dem Schiff aus Hamburg ausgelaufen waren.
Auch in den langen Monaten, in denen sie zunächst mitten in Detroit hatten wohnen müssen, bevor sie Land kaufen konnten, hatte Mutter ihr sackähnliches Kleid getragen. Die meisten anderen Deutschen hingegen hatten sich schnell dem amerikanischen Kleidungsstil angepasst, als sie wegen ihrer schweren Wollkleidung verspottet wurden.
Nicht so Mutter. Sie käme niemals auf die Idee, auch nur ein kleines Stück Faden zu vergeuden, um ihre Kleider zu ändern.
„Es ist zu schade, dass Leonard der letzte Mann in unseren Reihen war, der eine Frau brauchte.“ Vater faltete die Hände hinter dem Kopf. Sein Hemd zeigte unter den Achseln deutliche Schweißflecken. Seine verschwitzten Haare klebten auf seiner breiten, von der Sonne gebräunten Stirn. Obwohl die Tür offen stand und die kühle Abendluft hereinließ, waren die Fenster statt mit Glas mit geöltem Papier bedeckt und die angenehme frische Luft konnte nicht in die Hütte ziehen.
Am Ende des Tisches rülpste Leonard. „Vielleicht ist es noch nicht zu spät, um zu tauschen, Herr Bernthal.“
Vater schnaubte nur und bewegte die Hand in Mutters Richtung, um sie aufzufordern, sich mit seinem zweiten Wurstteller zu beeilen.
„Ich gebe euch Irene zurück“, fuhr Leonard fort, „und nehme dafür Annalisa.“
Annalisa erstarrte. Irene, die neben ihr stand, sog scharf die Luft ein.
„Irene ist eine faule Frau und sie hat keine Erfahrung mit Kindern.“
Vater beugte sich vor und schaute Leonard über den Tisch hinweg drohend an. „Was redest du da für einen Unsinn? Keines meiner Kinder ist faul. Ich habe sie alle zu fleißigen Menschen erzogen.“
Annalisa tastete nach Irenes Fingern. Mit ihren siebzehn Jahren war ihre Schwester nur zwei Jahre jünger als sie. Aber am Hochzeitstag fünf Kinder zu bekommen, wäre auch für die erfahrenste Frau eine große Herausforderung. Ihre Schwester gab ihr Bestes. Konnte Leonard das denn nicht sehen?
„Eine Kuh käme mit meinen Kindern besser zurecht als sie“, knurrte Leonard.
Annalisa fühlte, wie sich Irenes Finger verkrampften. Das hübsche Gesicht ihrer Schwester errötete und sie beugte sich vor, als wolle sie sich verteidigen.
„Dann hätte ich dir vielleicht statt meiner Tochter eine Kuh geben sollen.“ Vater bedachte Leonard mit einem finsteren Blick.
„Sie wird sich eingewöhnen“, sagte der Herr Pastor schnell. Seine buschigen Augenbrauen hatten sich streng zusammenzogen und er blickte Vater und Leonard ernst an.
„Ja, lass dem Kind Zeit“, fügte die Frau Pastor hinzu. „Seit der Hochzeit sind ja noch nicht einmal drei Wochen vergangen. Sie ist jung, nicht viel älter als deine Kinder. Und so etwas ist nicht leicht.“
„Ich gebe mein Bestes“, mischte sich Irene ein.
Annalisa wusste, dass sie Irene hindern sollte, ihrem Mann zu widersprechen. Aber das konnte sie nicht, da sie Irenes Mut und Klugheit immer bewundert und sich gewünscht hatte, sie könnte selbst wenigstens ein bisschen vom Mut ihrer Schwester aufbringen.
Irene hob trotzig das Kinn und fuhr fort: „Und ich tue alles, was man mir sagt.“
Leonard verdrehte die Augen. „Das ist ja das Problem. Ich brauche eine Frau, die selbst sieht, was getan werden muss, und es erledigt, ohne dass man es ihr wie einem Kind sagen muss.“
„Du musst sie liebevoll unterweisen“, ermahnte ihn der Herr Pastor. Aber seine Worte gingen im Gelächter und in den lauten Protesten der anderen Männer am Tisch unter. Der Rat des Pastors war ihnen genauso fremd wie viele Sitten in Amerika.
Irene sah finster zu Leonard hinüber. „Er ist ein Unmensch“, flüsterte sie Annalisa zu. „Du kannst froh sein, dass du deinen Mann los bist.“
Froh sein? Annalisa wusste, dass das nicht stimmte. Einen schlechten Mann zu haben war besser, als keinen Mann zu haben. Welche Zukunftsaussichten hatte sie ohne Mann?
Mehrere Minuten lang redeten alle Männer laut lärmend durcheinander.
Schließlich schluckte Vater das letzte Stück seiner Wurst hinunter und schob seinen Teller in die Tischmitte. „Ich habe das Problem, was wir wegen Annalisa tun sollen, immer noch nicht gelöst.“
Annalisa wünschte sich in diesem Moment, dass sie einen goldenen Apfel oder eine goldene Gans oder irgendetwas anderes Goldenes aus einem Märchen der Gebrüder Grimm in ihrem Besitz hätte. Dann könnte sie Gretchen ein besseres Leben bieten.
Vaters Stimme übertönte alle anderen. „Ohne Mann verliert sie das Land.“
„Warum verkauft sie es nicht einfach an Ward? Ward will es doch sowieso haben“, schlug jemand vor.
„Nein, ich verkaufe nicht …“ Annalisa brach ab und schluckte ihre Worte hinunter, obwohl sich alles in ihr gegen diesen Vorschlag sträubte. Wie konnte sie tatenlos danebenstehen und zulassen, dass sie ihr Zuhause und ihr Land an einen Verbrecher wie Ward verkauften? Wo sollten sie und Gretchen dann wohnen? Was sollte sie dann machen? Sie hatte keinen Beruf erlernt und war nicht zur Schule gegangen. Wie sollte sie den Lebensunterhalt für Gretchen aufbringen?
Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. Vielleicht gab es bald sogar noch ein zweites Kind, für das sie sorgen musste. Die häufige Übelkeit und die Empfindlichkeit in ihrer Brust legten die Vermutung nahe, dass sie schwanger war. Jetzt war kein guter Zeitpunkt für eine Schwangerschaft. Aber sie war sicher, dass sie ein zweites Kind genauso leidenschaftlich lieben würde wie Gretchen.
Nach allem, was sie erlebt und bei anderen gesehen hatte, waren Kinder das einzige Gute, das aus einer Ehe heraus entstand.
Ein zweites Kind zu ernähren, das würde bedeuten, dass sie sich noch mehr anstrengen müsste. Doch wie könnte sie das, wenn sie Ward ihr Land überließ?
Zum Glück schüttelte ihr Vater bereits den Kopf. „Dieser Idiot ist genauso schlimm wie der Pharao, der die Israeliten als Sklaven hielt. Wir haben schwer gekämpft, um uns von der Unterdrückung der Herzöge und Barone in Deutschland zu befreien, und wir lassen nicht zu, dass uns irgendjemand erneut versklavt.“
Ein einstimmiges Jawohl und heftiges Nicken ging als Antwort auf seine Worte durch den Raum.
„Ich werde diesem Mann nicht die Genugtuung geben, Hans’ Land zu kaufen, selbst wenn er mir ein Gewehr an den Kopf hält.“ Vaters gut genährtes, rundliches Gesicht legte sich in wütende Falten. „Wenn wir ihn dieses Sägewerk bauen lassen, wird er uns keinen Gefallen tun. Er zieht uns dann nur das Geld aus der Tasche, weil er überhöhte Preise für das Holz verlangt.“
Genauso wie jeder andere im Raum wusste Annalisa, dass der Hass ihres Vaters sich nicht so sehr gegen Ward richtete als vielmehr gegen Baron von Reichart, dessen Egoismus und Herzlosigkeit Vater das Leben seines ältesten Sohnes gekostet hatte.
Wenn Baron von Reichart nicht gewesen wäre, hätten sie ihre Heimat und ihre Familie vielleicht nie verlassen.
Wenn Baron von Reichart nicht gewesen wäre, hätten sie vielleicht den Bergbau nicht aufgeben und sich nicht in einem fremden Land ein völlig neues Leben aufbauen müssen.
Wenn Baron von Reichart nicht gewesen wäre, hätte Vater nicht nur einen, sondern zwei geliebte Söhne.
„Nein“, sagte Vater. „Wir finden eine Möglichkeit, dass Annalisa das Land behalten kann.“
„Warum sollen wir uns die Mühe machen, ihr zu helfen?“, warf Leonard ein. „So rücksichtslos wie Hans war, wird sie das Darlehen im nächsten Herbst sowieso nicht zurückzahlen können.“
Annalisa zog den Kopf ein und wandte sich ab. Selbst im Tod beschämte Hans sie noch. Sie eilte zum Regal, in das sie ihre Kuchen, die sie von zu Hause mitgebracht hatte, zum Abkühlen gestellt hatte. Dabei vermied sie es, den anderen Frauen in die Augen zu schauen.
Niemand musste etwas dazu sagen, denn alle wussten, was Leonard meinte: Hans war verantwortungslos mit ihrem Geld umgegangen.
„Wenn sie das Land im nächsten Herbst verliert, soll es so sein“, erklärte ihr Vater. „Aber dann geht das Land an Jacob Buel zurück und Jacob ist ein guter Mann. Er verabscheut Ward genauso sehr wie wir. Ich bezweifle nicht, dass er dann einen anderen Deutschen finden wird, dem er es verkauft.“
Irene war ihr zu den Kuchen gefolgt und flüsterte ihr ins Ohr: „Hör nicht auf sie. Sie sind alle Dummköpfe.“ Annalisa war erschrocken, dass Irene den Tonfall ihres Vaters nachahmte.
Unter normalen Umständen hätte Irenes fröhliches Geplänkel Annalisa aufgemuntert. Aber heute war das nicht der Fall. Sie war müde und ihr war übel … und sie machte sich große Sorgen. Sie war zwar von Hans und seiner Spielsucht befreit, aber nun hatte sie noch viel größere Probleme.
Ihr blieb genau ein Jahr, um das restliche Darlehen für das Land zurückzuzahlen, oder sie würde alles verlieren. Das Darlehen war auf vierhundert Dollar plus Zinsen festgelegt worden und sie musste immer noch über hundert Dollar abzahlen.
Nachdem Hans ihre Einnahmen sinnlos verspielt hatte, lag sie mit dem, was sie verdienen musste, bereits zurück. Ohne die Hilfe eines starken Mannes auf dem Hof war sie zum Scheitern verurteilt.
Annalisa schob die Hand unter den Kuchen, den sie mit den letzten Äpfeln, die von ihr und Gretchen am Morgen gesammelt worden waren, gebacken hatte. Die irdene flache Schüssel lag warm auf ihrer Hand und sie atmete den Zucker-Zimt-Duft tief ein.
„Komm, wir verstecken die Kuchen.“ Irene nahm den zweiten Kuchen. „Dann können wir ihn später selbst essen.“
„Ach, du bist albern wie immer.“
Irene grinste sie verschmitzt an.
Aber Annalisas Lippen waren genauso starr und hart wie die Kruste eines alten Brotes. Ihre Schwester versuchte natürlich nur, sie etwas aufzuheitern, doch wie sollte sie je wieder lächeln können? Es stand so viel auf dem Spiel.
Sie bahnte sich ihren Weg zum Tisch der Männer und stellte den Kuchen neben dem Herrn Pastor ab. Dann trat sie zurück und beobachtete sein Gesicht.
Seine Augen leuchteten auf und er rieb sich seinen Kinnbart, als wolle er dort Platz für weitere Krümel schaffen. „Annalisa, du backst die besten Kuchen, die ich je gegessen habe.“
Die lobenden Worte erwärmten wie immer ihr Herz. Was hatte sie falsch gemacht, dass Hans sie nie gelobt hatte?
Sie schob eine Gabel unter den perfekt gebackenen, lockeren Kuchen und holte ein Stück für den Pastor heraus. Sie hatte ihre Gabel kaum zurückgezogen, als er den Kuchen auch schon kostete.
Vater nahm seinen Teller und sah sie mit zusammengekniffenen, ernsten Augen an. „Jetzt weiß ich, was ich tue: Mir bleibt nichts anderes übrig, als meinem Bruder Matthias in Essen zu schreiben. Ich werde ihn bitten, einen jungen Mann aus unserer Verwandtschaft zu finden, der nach Amerika kommt und Annalisa heiratet.“
Die anderen Männer stimmten ihm lautstark zu.
Ihre Rufe bestätigten ihren Vater in seinem Entschluss. „Herr Pastor“, sagte er. „Können Sie den Brief noch heute Abend schreiben? Dann können wir ihn morgen zur Post bringen.“
Ein Mann aus ihrer eigenen Verwandtschaft? Aus ihrer Heimat? Annalisa ließ diesen Gedanken auf sich wirken. Natürlich hatten sie viele Verwandte, die noch in Deutschland lebten. Wären ihre Probleme gelöst, wenn sie einen entfernten Verwandten heiratete?
„Matthias ist ein kluger Mann. Er wird jemanden finden, der gut zu Annalisa ist.“ Vater nickte ihr zu, als wollte er ihr damit sagen, dass er verstehe, welche Probleme sie mit Hans hatte ertragen müssen. Anscheinend hoffte er, dass sie dieses Mal einen besseren Mann für sie fänden. „Wenn wir viel Glück haben, kommt er rechtzeitig, um im Frühjahr die Felder zu bestellen.“
Sie nickte. Sie wusste, dass ihr Vater das tat, was seiner Meinung nach das Beste für sie war. Und sie würde sich seiner Autorität beugen. Aber sie wünschte sich immer noch, es könnte irgendwie anders sein. Sie wünschte sich, dass sie den Männern in ihrem Leben wichtiger wäre, dass sie sie dazu bringen könnte, sie zu lieben. Und sie hoffte, sie würde eine Möglichkeit finden, sich Gottes Aufmerksamkeit zu verdienen.
Wenn sie vielleicht eine bessere Tochter oder Ehefrau gewesen wäre …
„Bis dahin“, sagte der Herr Pastor mit vollem Mund, „müssen wir alle mit anpacken, um Annalisa durch den Winter zu helfen.“
Sein Vorschlag erntete nur verhaltene Zustimmung von den Männern.
„Du hast recht, Liebling.“ Die Frau Pastor tätschelte ihrem Mann mit einer Zuneigung die Wange, die Annalisa bei den beiden schon oft beobachtet hatte, die sie aber nicht verstand. „Es gefällt mir nicht, dass Annalisa ganz allein sein wird. Wir wissen alle, dass E. B. Ward nicht zu trauen ist.“
Vater schob sich ein Stück von dem Kuchen in den Mund, den Irene ihm auf den Teller gelegt hatte. „Ich schicke Uli und Elisabeth hinüber. Sie sollen regelmäßig nach ihr sehen und ihr helfen.“
Die Anspannung in Annalisas Rücken ließ nach.
Ihre jüngere Schwester wäre bald im heiratsfähigen Alter und könnte ihr bei der Frauenarbeit helfen. Und wenn auch ihr Bruder, obgleich er erst zwölf war, mitarbeitete, würde sie es schaffen. Hoffentlich.
Wenigstens, bis ihr Bräutigam käme.


Jody Hedlund lebt mit ihrem Mann, den sie als ihren größten Fan bezeichnet, in Michigan. Ihre 5 Kinder werden zu Hause unterrichtet. Die Zeit, die ihr neben
dieser Tätigkeit noch bleibt, widmet sie dem Schreiben.



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