E-Book, Deutsch, 400 Seiten
Heib Die Stille vor dem Sturm
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-86532-668-3
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller
E-Book, Deutsch, 400 Seiten
ISBN: 978-3-86532-668-3
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
EIN TÖDLICHER TÖRN IN DIE KARIBIK
VIER FRAUEN, DREI MÄNNER
UND EIN SCHIFFBRÜCHIGER
WER WIRD ÜBERLEBEN?
Die drei Söhne eines Kieler Reeders freuen sich auf einen sommerlichen Segeltörn mit Freunden. Doch von Anfang an läuft es anders als geplant. Einer der Söhne erscheint nicht beim Ablegen auf den Kapverden, in der Gruppe gibt es Spannungen und schon kurz nach Reisebeginn muss ein Schiffbrüchiger aufgenommen werden. Dann geschieht ein Mord. Angst und Misstrauen machen sich breit. Und es gibt keine Verbindung zur Außenwelt. Schnell fällt der Verdacht auf den Fremden an Bord. Doch ist er wirklich der Mörder? Als erneut jemand getötet wird, übernimmt Panik das Ruder ...
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Einige Wochen zuvor: Die Einladung Ein Sommersturm näherte sich über der Nordsee. Dunkle Wolken ballten sich bedrohlich am Horizont, Wind setzte ein, wurde stärker, begann zu jaulen, zu brausen und zu tosen, drehte, wendete, schwieg kurz, um dann mit verstärkter Macht aufzubrüllen. Möwen flogen wie Fetzen durch die Luft. Bleigraue Wassermassen rollten mit ungestümer Wucht gegen das Gestade und zogen Sand, Muscheln, Steine, Geröll und alles, was zuvor an den Strand gespült worden war, wieder mit zurück in die schwarze Tiefe. Das Meer schien in epileptischer Raserei, türmte sich in Wellenbergen, die Gischt wirkte wie Schaum vor dem Mund eines wütenden Ungeheuers. In den Dünen standen zwei Spaziergänger, die sich geduckt dem Toben des Windes entgegenstemmten, die Hände in Hosen- oder Jackentaschen versteckt, die Schultern nach vorne gebeugt. Übermütige Sturmsucher, die ihre Kräfte mit der Gewalt der Natur messen wollten. Trutz, blanke Hans! Von weitem grollte ein Donner, wenige Sekunden darauf zuckten grelle Blitze über die See und tauchten die Szenerie für einen Augenblick in gespenstisches Licht. Ein plötzlich einsetzender Starkregen trommelte auf das Meer und schlug auf den Strand ein wie die Bleikugeln eines Schrapnells. Nach etwa 30 Minuten war der Spuk vorbei. Der Himmel riss auf, die Wolken zogen sich langsam an den Horizont zurück, wo sie schließlich ganz verschwanden, als wären sie draußen, weit weg in die offene See abgetaucht. Das Firmament erstrahlte in einem frisch gewaschenen Babyblau, die Sonne flimmerte heiß durch die feuchte Luft und machte sich daran, den schweren, nassen Sand zu trocknen. Dünengräser richteten sich langsam auf, letzte Regentropfen liefen glitzernd an ihnen herab, um im Sand zu versickern. Die beiden Spaziergänger richteten sich ebenfalls auf, leckten sich die Lippen, um noch etwas von dem Salz zu schmecken, das der Wind ihnen ins Gesicht gepeitscht hatte. Sie legten schützend ihre Hände vor die Augen, blinzelten in die Sonne und suchten das Meer nach Zeichen des vorangegangenen Infernos ab. Vergeblich. Die See lag jetzt ruhig und weich bewegt, die Wasseroberfläche wogte sanft, schaukelte, glitzerte, das Bleigrau wich Meter für Meter einem satten, dunklen Blaugrün. Nichts als pure Schönheit, Grenzenlosigkeit, Ewigkeit. Trügerische Stille. Marie blickte zu den Spaziergängern und sah, dass sie endlich weitergingen. Nun war sie ganz allein mit dem Meer. Sie betrachtete es voller Abscheu. Obwohl sie auf einer friesischen Hallig geboren und aufgewachsen war, die Nordsee also ständig vor Augen und in der Nase und das Salzwasser im Blut gehabt hatte, weigerte sie sich stur, in die allgemein übliche Begeisterung einzustimmen. Wenn ihr ein zumeist binnenländischer Tourist das mit bedeutungsschwangeren Metaphern aufgeblähte Loblied des Meeres sang und darauf hoffte, dass sie einstimmte, zuckte sie nur mit den Schultern und zitierte in einer kleinen Abwandlung Kurt Tucholsky: „Das Meer liegt da und sieht aus.“ Auch wenn sie es besser wusste, viel besser. Mehr gab es für sie dazu nicht zu sagen. Falls sie überhaupt etwas dazu sagte. Auch jetzt stand sie wortlos in den Sylter Dünen. Klatschnass und schwer atmend beobachtete sie das Naturschauspiel. Der Sturm und die aufgepeitschte See hatten sie in Panik versetzt, doch sie hatte nicht in die Sicherheit des Hotels fliehen wollen, um mit Henning an der Bar einen Cocktail zu schlürfen und in entspannter Ablenkung herumzualbern, bis der Wind sich wieder legte. Sie hatte standgehalten. Dennoch zitterten noch immer ihre Hände, ihr Puls war erhöht, und sie wusste nicht, ob das Tosen des Meeres in ihren Ohren nachhallte oder sie nur das rhythmische Rauschen ihres Blutes hörte. Marie atmete tief durch, drehte sich um und stapfte langsam zurück, um sich zu duschen und für den Abend umzukleiden. Der Türsteher der Bar sah Henning Wendelstein und Marie Brodersen schon von weitem und winkte die beiden mit fast devoter Geste heran. Henning zog Marie an der langen Schlange junger Menschen vorbei, die geduldig auf ihren Einlass warteten. Einige murrten lautstark, andere tuschelten verhalten. Marie hörte, wie ein junger Mann zu seiner Begleiterin sagte: „Scheiß Wendelsteins. Die glauben, ihnen gehört die halbe Welt!“ „Und die andere Hälfte den Brodersens …“, antwortete seine Freundin. Dabei warf sie einen begehrenden Blick auf Henning. Der scherte sich nicht um das Fußvolk und drängelte Marie fröhlich vorwärts. „Jetzt komm endlich, bevor der Pöbel über uns herfällt!“ Auch wenn Marie der arrogante Auftritt ihres Freundes unangenehm war, so war sie dennoch erleichtert über seine gute Laune. Tagelang hatte er sich maßlos darüber geärgert, dass sein Bruder Sören ihn ohne Erklärung für ein Wochenende nach Sylt in ein Luxushotel und für diesen Abend in den angesagtesten Club der Insel beorderte. Marie freute sich über die kleine Auszeit vom Alltag. Henning jedoch hatte sich nur über den Kommandoton seines älteren Bruders echauffiert und ihr damit die Vorfreude vermiest. Inzwischen schien er sich jedoch auf die Zusammenkunft zu freuen. Also verdrängte Marie die ihr peinliche Bevorzugung, die sie beim Türsteher genossen hatten, und folgte Henning bereitwillig in den Club. Sie war fest entschlossen, den Abend zu genießen. Der Club war brechend voll mit amüsierwilligen jungen Leuten, die sich am Tresen und auf der Tanzfläche drängten. Es lief entsprechend des Kuba-Mottos dieser Nacht karibische Steel-Drum-Musik. Die Einrichtung präsentierte sich in einem edlen, satt-sündigen Rot. Henning wurde von dem Club-Besitzer mit einer Umarmung begrüßt und zu einem reservierten Tisch auf einer halbwegs ruhigen Empore geleitet. Sofort kam ein Kellner, der ihre Getränkewünsche aufnahm. Marie sah sich angetan um. Die Atmosphäre gefiel ihr, die Musik ebenso. Nur das Gedränge auf der Tanzfläche verursachte ihr Beklemmungen. Sie war froh, von ihrem Sitzplatz aus das wilde Treiben der Partygäste beobachten zu können, ohne sich ins Getümmel stürzen zu müssen. „Wieso sind wir noch nie hier gewesen? Ich find’s sehr nett!“, sagte sie. „Nett ist die kleine Schwester von scheiße.“ Henning sah auf die Uhr. „Typisch, Sören lässt mich warten. Seine blöden Machtspielchen gehen mir dermaßen auf den Wecker! Aber scheiß drauf, heute Abend wird gefeiert!“ Er zog Marie in seine Arme und küsste sie stürmisch. Marie lachte. „Fragt sich nur, was wir feiern?“ „Dass du mit mir zusammen bist? Dass wir jung, reich und schön sind und uns die Welt offensteht? Dass die Pappnasen da drüben vor Neid grün und gelb sind, wenn sie sehen, wie ich meine Zunge in deinen Hals stecke?“ „Sei nicht so ein blöder Macho, Henning Wendelstein!“ Henning antwortete nicht, denn er entdeckte Tim, den jüngsten der drei Wendelstein-Brüder. Ungestüm winkte Tim schon von der Tür, bahnte sich seinen Weg durch die Menge und strahlte dabei unbekümmert wie immer. Als er am Tisch ankam, riss er Marie aus den Polstern, küsste sie auf beide Wangen und klopfte Henning auf die Schulter. „Hey, Leute, bin gerade über Hamburg mit der Bimmelbahn angekommen. Sachen im Hotel abgeworfen und zack, hierher. Alles frisch bei euch?“ Ein Nicken von Henning genügte ihm als Antwort, er sprudelte temperamentvoll weiter. „Ich muss euch unbedingt was erzählen, ich bin echt hin und weg, aber ich halte meine Klappe, bis Sören da ist. Sonst muss ich euch zwei Mal voll labern. Mann, hab ich’n Brand, wo is’n der Mundschenk? Henni, weißt du, was unser Großer hier für einen Aufriss macht? Geht’s um Papas Geburtstag?“ „Das würde mich auch interessieren.“ Hinter Tim war ein großer, breitschultriger Typ mit wirren, hellbraunen Locken und einer sexy gekleideten, zierlichen Blondine an den Tisch getreten. Er gab allen die Hand, wirkte dabei aber mürrisch. Henning stellte vor. „Marie, das sind Mike und Julia. Ich hab dir von ihnen erzählt. Mike, Julia, das ist Marie. Tim kennt ihr ja.“ Tim begrüßte die beiden lachend. „Hey, Julia, du schärfste Schulfreundin ever! Du bist immer noch mit diesem Kerl aus dem kanadischen Holzfällerbilderbuch zusammen?!“ Mike runzelte die Stirn, er konnte mit Tims Humor offensichtlich wenig anfangen. Tim zog Julia mit zum Tresen, um ein paar Cocktails zu holen. Mike setzte sich zu Henning und Marie und musterte die beiden. Marie fühlte sich unwohl, sie fand Mikes durchdringenden Blick unhöflich und seine deutlich schlechte Laune minimierte ihre Neugier auf ihn. Tim und Julia waren noch am Tresen, als Sören eintraf. Genau wie Henning zog er die Blicke vieler Frauen und Männer auf sich, als er den Raum durchquerte. Bei Henning lag dieser Effekt an seinem auffallend guten Aussehen. Bei Sören war es die Präsenz, die er ausstrahlte. Dass sie Wendelsteins waren, tat sein Übriges. Sören ignorierte Hennings sarkastische Bemerkung über seine Verspätung geflissentlich. Er war gut drauf und begrüßte auch Julia und Tim erfreut, als die beiden mit einem Tablett voller Sex-on-the-Beach-Cocktails zurückkamen. Die Margaritas, die inzwischen vor Marie und Henning standen, schob Tim achtlos beiseite. „Alle da? Super! Sören, bevor du loslegst: Ich will was verkünden! Ihr werdet es nicht glauben! Ich habe die Frau meines Lebens kennengelernt!“ Sören und Henning stöhnten synchron auf. „Nicht schon wieder!“ „Dieses Mal ist sie es wirklich! Ich schwör’s bei meiner Red Corvette!“ Julia nickte lachend. „Er hat mich schon am Tresen voll gelabert … Wie schön, sanft, klug, lieb sie ist … Britt! Und ausnahmsweise keine...