Heine / Liedtke | Heinrich-Heine-Katechismus | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 204 Seiten

Heine / Liedtke Heinrich-Heine-Katechismus


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-455-00219-5
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 204 Seiten

ISBN: 978-3-455-00219-5
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
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»Man hat mir vorgeworfen: ich hätte keine Religion. Nein, ich hab sie alle«, bekannte Deutschlands amüsantester Klassiker. Jenseits vom Klischee des bloßen Glaubensspötters ist er in diesem Buch als origineller religiöser Denker zu entdecken. Heines Reflexionen über Himmel und Hölle, Priester und Propheten, Glaubenshass und Glaubenszweifel, Moses und Luther sind geprägt von seinen Erfahrungen mit der Verfolgungsgeschichte der Juden und erstaunlich aktuell - nicht nur zum Reformationsjubiläum.

Heinrich Heine, 1797 in Düsseldorf als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren, arbeitete nach Abschluss einer Banklehre und anschließendem Jurastudium ab 1825 als Journalist und Schriftsteller. Nach vielen Zwischenstationen ging er im Mai 1831 nach Paris ins Exil. Etwa vier Jahre später wurden seine Schriften in Deutschland verboten. Heinrich Heine gilt als 'Vollender und Überwinder der Romantik', Wegbereiter eines zeitkämpferischen Journalismus und des modernen Feuilletons und ist einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller. Er starb 1856 in Paris.
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Weitere Infos & Material


Cover
Titelseite
Kinderglauben
Erkundungen des Himmelreichs
Hölle und Teufel
Das Volk Gottes
Das Christentum
Katholizismus
Protestantismus
Gedankengrandezza Religion und Philosophie
Alte und neue Götter
Das Buch der Bücher
Vergleichende Religionsbetrachtungen
Zeter! Zeter! Glaubenshass und Religionsstreit
Religion und Staat
Konversionen
Wenn Götter träumen Aphorismen und Notizen
Glaubenszweifel, Gottesfragen
Bekenntnisse
Ob wir einst auferstehen?
Heines heilige Häresien Nachwort
Zitatnachweise
Über den Autor
Über den Herausgeber
Impressum


Jehuda ben Halevy
(Fragment)


I.

»Lechzend klebe mir die Zunge

An dem Gaumen, und es welke

Meine rechte Hand, vergäß’ ich

Jemals dein, Jerusalem –«

Wort und Weise, unaufhörlich

Schwirren sie mir heut’ im Kopfe,

Und mir ist als hört’ ich Stimmen,

Psalmodierend, Männerstimmen –

Manchmal kommen auch zum Vorschein

Bärte, schattig lange Bärte –

Traumgestalten, wer von euch

Ist Jehuda ben Halevy?

Doch sie huschen rasch vorüber;

Die Gespenster scheuen furchtsam

Der Lebend’gen plumpen Zuspruch –

Aber ihn hab’ ich erkannt –

Ich erkannt’ ihn an der bleichen

Und gedankenstolzen Stirne,

An der Augen süßer Starrheit –

Sahn mich an so schmerzlich forschend –

Doch zumeist erkannt ich ihn

An dem rätselhaften Lächeln

Jener schön gereimten Lippen,

Die man nur bei Dichtern findet.

Jahre kommen und verfließen.

Seit Jehuda ben Halevy

Ward geboren, sind verflossen

Sieben hundert fünfzig Jahre –

Hat zuerst das Licht erblickt

Zu Toledo in Kastilien,

Und es hat der goldne Tajo

Ihm sein Wiegenlied gelullet.

Für Entwicklung seines Geistes

Sorgte früh der strenge Vater,

Der den Unterricht begann

Mit dem Gottesbuch, der Thora.

Diese las er mit dem Sohne

In dem Urtext, dessen schöne,

Hieroglyphisch pittoreske,

Altkaldäische Quadratschrift

Herstammt aus dem Kindesalter

Unsrer Welt, und auch deswegen

Jedem kindlichen Gemüte

So vertraut entgegenlacht.

Diesen echten alten Text

Rezitierte auch der Knabe

In der uralt hergebrachten

Singsang-Weise, Tropp geheißen –

Und er gurgelte gar lieblich

Jene fetten Gutturalen,

Und er schlug dabei den Triller,

Den Schalscheleth, wie ein Vogel.

Auch den Targum Onkelos,

Der geschrieben ist in jenem

Plattjudäischen Idiom,

Das wir Aramäisch nennen

Und zur Sprache der Propheten

Sich verhalten mag etwa

Wie das Schwäbische zum Deutschen –

Dieses Gelbveiglein-Hebräisch

Lernte gleichfalls früh der Knabe,

Und es kam ihm solche Kenntnis

Bald darauf sehr gut zu Statten

Bei dem Studium des Talmuds.

Ja, frühzeitig hat der Vater

Ihn geleitet zu dem Talmud,

Und da hat er ihm erschlossen

Die Halacha, diese große

Fechterschule, wo die besten

Dialektischen Athleten

Babylons und Pumpeditas

Ihre Kämpferspiele trieben.

Lernen konnte hier der Knabe

Alle Künste der Polemik;

Seine Meisterschaft bezeugte

Späterhin das Buch Cosari.

Doch der Himmel gießt herunter

Zwei verschiedne Sorten Lichtes:

Grelles Tageslicht der Sonne

Und das mildre Mondlicht – Also,

Also leuchtet auch der Talmud

Zwiefach, und man teilt ihn ein

In Halacha und Hagada.

Erstre nannt’ ich eine Fechtschul’ –

Letztre aber, die Hagada,

Will ich einen Garten nennen,

Einen Garten, hochphantastisch

Und vergleichbar jenem andern,

Welcher ebenfalls dem Boden

Babylons entsprossen weiland –

Garten der Semiramis,

Achtes Wunderwerk der Welt.

Königin Semiramis,

Die als Kind erzogen worden

Von den Vögeln, und gar manche

Vögeltümlichkeit bewahrte,

Wollte nicht auf platter Erde

Promenieren wie wir andern

Säugetiere, und sie pflanzte

Einen Garten in der Luft –

Hoch auf kolossalen Säulen

Prangten Palmen und Zypressen,

Goldorangen, Blumenbeete,

Marmorbilder, auch Springbrunnen,

Alles klug und fest verbunden

Durch unzähl’ge Hänge-Brücken,

Die wie Schlingepflanzen aussahn

Und worauf sich Vögel wiegten –

Große, bunte, ernste Vögel,

Tiefe Denker, die nicht singen,

Während sie umflattert kleines

Zeisigvolk, das lustig trillert –

Alle atmen ein, beseligt,

Einen reinen Balsamduft,

Welcher unvermischt mit schnödem

Erdendunst und Missgeruche.

Die Hagada ist ein Garten

Solcher Luftkindgrillen-Art,

Und der junge Talmudschüler,

Wenn sein Herze war bestäubet

Und betäubet vom Gezänke

Der Halacha, vom Dispute

Über das fatale Ei,

Das ein Huhn gelegt am Festtag,

Oder über eine Frage

Gleicher Importanz – der Knabe

Floh alsdann sich zu erfrischen

In die blühende Hagada,

Wo die schönen alten Sagen,

Engelmärchen und Legenden,

Stille Märtyrerhistorien,

Festgesänge, Weisheitsprüche,

Auch Hyperbeln, gar possierlich,

Alles aber glaubenskräftig,

Glaubensglühend – O, das glänzte,

Quoll und spross so überschwänglich –

Und des Knaben edles Herze

Ward ergriffen von der wilden,

Abenteuerlichen Süße,

Von der wundersamen Schmerzlust

Und den fabelhaften Schauern

Jener seligen Geheimwelt,

Jener großen Offenbarung,

Die wir nennen Poesie.

Auch die Kunst der Poesie,

Heitres Wissen, holdes Können,

Welches wir die Dichtkunst heißen,

Tat sich auf dem Sinn des Knaben.

Und Jehuda ben Halevy

Ward nicht bloß ein Schriftgelehrter,

Sondern auch der Dichtkunst Meister,

Sondern auch ein großer Dichter.

Ja, er ward ein großer Dichter

Stern und Fackel seiner Zeit,

Seines Volkes Licht und Leuchte,

Eine wunderbare, große

Feuersäule des Gesanges,

Die der Schmerzenskarawane

Israels vorangezogen

In der Wüste des Exils.

Rein und wahrhaft, sonder Makel

War sein Lied, wie seine Seele –

Als der Schöpfer sie erschaffen,

Diese Seele, selbstzufrieden

Küsste er die schöne Seele,

Und des Kusses holder Nachklang

Bebt in jedem Lied des Dichters,

Das geweiht durch diese Gnade.

Wie im Leben, so im Dichten

Ist das höchste Gut die Gnade –

Wer sie hat, der kann nicht sünd’gen

Nicht in Versen, noch in Prosa.

Solchen Dichter von der Gnade

Gottes nennen wir Genie:

Unverantwortlicher König

Des Gedankenreiches ist er.

Nur dem Gotte steht er Rede,

Nicht dem Volke – In der Kunst,

Wie im Leben kann das Volk

Töten uns, doch niemals richten. –

II.

Bei den Wassern Babels saßen

Wir und weinten, unsre Harfen

Lehnten an den Trauerweiden –

Kennst du noch das alte Lied?

Kennst du noch die alte Weise,

Die im Anfang so elegisch

Greint und sumset, wie ein Kessel,

Welcher auf dem Herde kocht?

Lange schon, jahrtausendlange

Kocht’s in mir. Ein dunkles Wehe!

Und die Zeit leckt meine Wunde,

Wie der Hund die Schwären Hiobs.

Dank dir, Hund, für deinen Speichel –

Doch das kann nur kühlend lindern –

Heilen kann mich nur der Tod,

Aber, ach, ich bin unsterblich!

Jahre kommen und vergehen –

In dem Webstuhl läuft geschäftig

Schnurrend hin und her die Spule –

Was er webt, das weiß kein Weber.

Jahre kommen und vergehen,

Menschentränen träufeln, rinnen

Auf die Erde, und die Erde

Saugt sie ein mit stiller Gier –

Tolle Sud! Der Deckel springt –

Heil dem Manne, dessen Hand

Deine junge Brut ergreifet

Und zerschmettert an der Felswand.

Gott sei Dank! die Sud verdampfet

In dem Kessel, der allmählich

Ganz verstummt. Es weicht mein Spleen,

Mein westöstlich dunkler Spleen –

Auch mein Flügelrösslein wiehert

Wieder heiter, scheint den bösen

Nachtalp von sich abzuschütteln,

Und die klugen Augen fragen:

Reiten wir zurück nach Spanien

Zu dem kleinen Talmudisten,

Der ein großer Dichter worden,

Zu Jehuda ben Halevy?

Ja, er ward ein großer Dichter,

Absoluter Traumweltsherrscher

Mit der Geisterkönigskrone,

Ein Poet von Gottes Gnade,

Der in heiligen Sirventen,

Madrigalen und Terzinen,

Canzonetten und Ghaselen

Ausgegossen alle Flammen

Seiner gottgeküssten Seele!

Wahrlich ebenbürtig war

Dieser Troubadour den besten

Lautenschlägern der Provence,

Poitous und der Guienne,

Roussillons und aller andern

Süßen Pomeranzenlande

Der galanten Christenheit.

Der galanten Christenheit

Süße Pomeranzenlande!

Wie sie duften, glänzen, klingen

In dem Zwielicht der Erinnrung!

Schöne Nachtigallenwelt!

Wo man statt des wahren Gottes

Nur den falschen Gott der Liebe

Und der Musen...


Heine, Heinrich
Heinrich Heine, 1797 in Düsseldorf als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren, arbeitete nach Abschluss einer Banklehre und anschließendem Jurastudium ab 1825 als Journalist und Schriftsteller. Nach vielen Zwischenstationen ging er im Mai 1831 nach Paris ins Exil. Etwa vier Jahre später wurden seine Schriften in Deutschland verboten. Heinrich Heine gilt als „Vollender und Überwinder der Romantik“, Wegbereiter eines zeitkämpferischen Journalismus und des modernen Feuilletons und ist einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller. Er starb 1856 in Paris.

Liedtke, Christian
Christian Liedtke, geboren 1964 in Hamburg, studierte Germanistik und Philosophie in Hamburg, Cincinnati (USA) und Bonn. Als wissenschaftlicher Archivar am Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf, ist er verantwortlich für den handschriftlichen Nachlass Heinrich Heines und die Redaktion des Heine-Jahrbuchs, außerdem schrieb er eine Heine-Biografie (Rowohlt 2006). Bei Hoffmann und Campe erschienen von ihm zuletzt u. a. Heinrich Heine. Ein ABC (2015) und Das Märchen meines Lebens (2020).

Heinrich Heine, 1797 in Düsseldorf als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren, arbeitete nach Abschluss einer Banklehre und anschließendem Jurastudium ab 1825 als Journalist und Schriftsteller. Nach vielen Zwischenstationen ging er im Mai 1831 nach Paris ins Exil. Etwa vier Jahre später wurden seine Schriften in Deutschland verboten. Heinrich Heine gilt als "Vollender und Überwinder der Romantik", Wegbereiter eines zeitkämpferischen Journalismus und des modernen Feuilletons und ist einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller. Er starb 1856 in Paris.



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