Heitmann / Aris Via Knast in den Westen

Das Kaßberg-Gefängnis und seine Geschichte
5., unv. Nachdruck 2019
ISBN: 978-3-374-03664-6
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Das Kaßberg-Gefängnis und seine Geschichte

E-Book, Deutsch, Band 12, 304 Seiten

Reihe: Schriftenreihe des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR

ISBN: 978-3-374-03664-6
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Chemnitzer Kaßberg war lange schon ein Gefängnisstandort. Aber erst in der DDR erhielt der Gefängnisbau als Stasi-Untersuchungshaftanstalt eine ganz spezielle Bedeutung: Er wurde zur Drehscheibe für den Häftlingsfreikauf Richtung Westen. Mehr als 32.000 Häftlinge des SED-Staates saßen hier kurze Zeit ein, bevor sie für Westgeld an die Bundesrepublik verkauft wurden.
Eine historische Einordnung gibt einen Überblick über die Geschichte des Haftortes und seine Rolle im Gefängnissystem der DDR. Biografische Porträts, literarische Erinnerungen und Briefe ehemaliger Häftlinge geben die Sichtweisen Betroffener wieder.

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I. Historische Einordnung
Nancy Aris Das Kaßberg-Gefängnis: historischer Überblick und Verortung im Gefängnissystem der SBZ/DDR
Mit dem Kaßberg-Gefängnis in Chemnitz verbindet sich eine wechselvolle Geschichte, die nicht erst 1945 begann. Als Königlich-Sächsische Gefangenenanstalt im Jahr 1886 errichtet, war sie Teil des auf dem Kaßberg gelegenen Justizstandortes, der neben der Haftanstalt das Königliche Landgericht, die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht beheimatete. Gebäudeaufteilung in ihrer ursprünglichen Form von 1886 Quelle: © www.oe-grafik.de Der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts voranschreitende Strukturwandel im Strafvollzug zeigte sich nicht nur am Trend zur zentralisierten Überwachung, sondern auch an der angestrebten Differenzierung nach Haftarten, an der Einführung von Einzelhaft und der Unterscheidung von jugendlichen und erwachsenen, von weiblichen und männlichen Straftätern. Die seit Mitte des 19. Jahrhunderts um sich greifenden Reformansätze fanden ihren Niederschlag im Aufbau der Haftanstalten. Die Umorientierung auf Einzelzellen, die verurteilte Kleinkriminelle vor dem Zugriff Schwerstkrimineller in den bislang üblichen Sammelzellen schützen sollten, schuf einen völlig neuen Gefängnistyp. Später forcierte man die Kombination von Einzelverwahrräumen und gemeinschaftlich genutzten Bereichen. Seit 1840 wurde der Strafvollzug in Sachsen in so genannten Disziplinarklassen vollzogen. Insgesamt gab es drei solcher Klassen. Die Gefangenen wurden »nach Maßgabe ihres sittlichen Zustandes und ihres Verhaltens in der Anstalt« eingeteilt. Die Disziplinarklassen gaben die Struktur und den Alltag der Anstalt vor. Die Gefangenen der entsprechenden Klassen unterschieden sich im Strafmaß, in der Kleidung, in der Entlohnung ihrer Arbeit und in der Gewährung von Vergünstigungen.1 Innenansicht des Rundbaus Foto: Wolfgang Schmidt Auch über Aufgabe und Funktion der Haftanstalt und deren Wirken während der Kaiserzeit, der Weimarer Republik und der NS-Zeit ist wenig bekannt. Bis 1917 unterstand die Sächsische Gefangenenanstalt Chemnitz sowohl dem Justiz- als auch dem Innenministerium. Erst mit dem Königlichen Erlass vom 14. Dezember 1917 wurde der Strafvollzug vollständig dem Justizministerium übertragen. Die Sächsische Gefangenenanstalt Chemnitz war als »Besondere Vollzugsanstalt«, d. h. als selbstständige Vollzugsanstalt eingerichtet. Am 3. Juli 1936 verfügte der Reichsminister der Justiz die Umbenennung der »Besonderen Vollzugsanstalten« im Oberlandesgerichtsbezirk Dresden. Damit wurde die Sächsische Gefangenenanstalt Chemnitz in »Untersuchungsgefängnis Chemnitz« umbenannt. Das Untersuchungsgefängnis führte die Aufsicht über 15 Gerichtsgefängnisse, u. a. Annaberg, Burgstädt, Mittweida und Zschopau.3 Quelle: © www.oe-grafik.de Mauer Streckmetallzaun Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit 1 Haus A: Vernehmertrakt, Sitz der Hauptabteilung IX (Untersuchungsabteilung) 2 Zellentrakt A (Zellentrakt für Untersuchungshäftlinge, Erkennungsdienst, Effektenkammer) 3 Haupthaus (Untersuchungsabteilung der Objektverwaltung Wismut, Spezialkommission, Offizier vom Dienst der Abt. XIV) 4 Personen- und Kraftfahrzeug-Schleuse 5 Rundbau (zentraler Durchgang in alle Flügel) 6 Zellentrakt B (Zellentrakt für Freikaufhäftlinge) 7 Zellentrakt C (Zellentrakt für das Arbeitskommando, zentrale Reserve) 8 Turnhalle und Sauna für das Personal 9 Freigangbereich (nicht mehr vorhanden) Untersuchungshaftanstalt und Strafvollzugseinrichtung des Ministeriums des Inneren 10 Zellentrakt D 11 Zellentrakt E 12 Personen- und Kraftfahrzeug-Schleuse 13 Freigangbereich 14-17 Wachtürme (17 nicht mehr vorhanden) Flurstück (Gebäude Baujahr 1885/1952) Flurstück (Gebäude Baujahr 1935/1972) Abbruch (A = Wache | B = Garagen | C = Wirtschaftshof) Denkmalschutz In der Haftanstalt gab es so genannte »Judenzellen«. Dabei handelte es sich um Drahtverhaue ohne sanitäre Einrichtungen und Pritschen, die sich im Dachbereich im Hauptgebäude befanden. Diese Verhaue hatten eine Größe von ein mal zwei Metern. Bis zu zehn Menschen wurden in eine solche Zelle gesperrt.10 Das Ende des Zweiten Weltkrieges setzte der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ein Ende. Zugleich bedeuteten das Vorrücken der Roten Armee und die sowjetische Besatzung den Aufbau eines neuen Überwachungs- und Repressionssystems. Die gesamte Sowjetische Besatzungszone (SBZ) wurde in »Operative Sektoren« eingeteilt und mit einem Netz von Überwachungsstrukturen überzogen. Die Führung der flächendeckend agierenden Operativgruppen oblag dem sowjetischen Geheimdienst. Zu dessen Aufgabe zählte auch die Einrichtung entsprechender Gefängnisräume. Wie in der gesamten SBZ beschlagnahmte die Besatzungsmacht auch in Sachsen Privathäuser, ehemalige Amts- oder Fabrikgebäude sowie Gefängnisbauten der Justiz und richtete dort Amtssitze des NKWD (Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten) ein. Keller wurden zu Haft- und Folterzellen umfunktioniert und dienten der sowjetischen Geheimpolizei als so genannte GPU-Keller.11 Am 1. September 1945 verfügte das NKWD bereits über 21 Gefängnisse, unter ihnen auch das Chemnitzer Kaßberg-Gefängnis.12 Auf dem Kaßberg wurden vor allem Jugendliche interniert. Ihnen warf man die Zugehörigkeit zu den »Werwölfen«, eine vermeintliche NS-Partisanen-Organisation, vor. Beleg für die Inhaftierung im Gefängnis Chemnitz-Kaßberg. Bei der Verhaftung Dietrich Erdmanns konfiszierte das MfS seinen Fotoapparat. Anfang 1953 konnte Erdmann ihn im Gefängnis abholen. Sein Bruder Hans Jürgen Erdmann wurde vom MfS im August 1951 wegen Verdacht auf Sabotage bei der SAG Wismut inhaftiert. Im Februar 1952 verurteilte ihn das SMT Nr. 48240 zum Tode. Vier Monate später wurde das Urteil in Moskau vollstreckt. Dietrich Erdmann sah seinen Bruder zuletzt auf dem Gefängnishof in Chemnitz. Er selbst wurde nach mehrwöchiger Untersuchungshaft entlassen. Quelle: Dietrich Erdmann/Archiv LStU Die enge Verbindung zwischen...



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