E-Book, Deutsch, 236 Seiten
Hell / Kastenholz / Ap Cwanderay RIGOR MORTIS - BAND ZWEI - GEISTERJAGD
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7554-2672-1
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Writer's Cut
E-Book, Deutsch, 236 Seiten
ISBN: 978-3-7554-2672-1
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Erde, die finde ich. Den Geist, den binde ich. Den Schatten, den rufe ich. Schwarze Pyramide, komm leite mich! 1906: Kennicott, Alaska Ein unbeugsamer Pionier träumt davon, die Eisenbahn mitten in das wilde Herz Alaskas zu führen. 2005: Alaska Eine einsame, verlorene Seele wirft einen intensiven Blick in einen allzu vertrauten Abgrund. 2017: Alaska Ein junger Mann, der das Wichtigste in seinem Leben verloren hat, ist endlich auf der Suche nach Antworten. 2017: Los Angeles, Kalifornien Ein größenwahnsinniger Talkshowmaster strebt nach Macht und einer neuen Weltordnung. Vier Geschichten, eine Wahrheit. Vielleicht ist Legende doch nur ein anderes Wort für »ihr wurdet gewarnt«. ***** TEIL ZWEI der RIGOR MORTIS-Reihe WRITER'S CUT: + Kurzgeschichte »Die Stadt der Engel« + Essay »Das Wahre und die Fiktion - Wie viel Wirklichkeit steckt eigentlich in RIGOR MORTIS?«
Autoren/Hrsg.
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Robert und Stefan saßen so weit voneinander entfernt, wie es der Van zuließ. Stefans Gesicht war ein einziges Schlachtfeld. Seine Oberlippe war geschwollen und wies eine tiefe Kerbe auf, sein linkes Auge konnte er kaum öffnen, die wulstige Schwellung war dunkelblau verfärbt. Er hatte den Kopf gegen die Nackenstütze des Sitzes gelehnt und drückte eine giftgrüne Kaltkompresse abwechselnd gegen sein Auge und gegen seine Oberlippe. In der Kühlbox warteten zwei weitere Kompressen geduldig auf ihren Einsatz. Karl klagte über Kopfschmerzen und ließ sich von seiner Frau seit über einer Stunde den Nacken kraulen. Der Mann in Schwarz war in seinem Sitz zusammengesunken und schnarchte, dass die Scheiben vibrierten. Niemand verspürte den Drang, ihn zu wecken. Irgendwie war es beruhigend zu sehen, dass wenigstens einer der miesen Laune zu trotzen vermochte und einfach seinen Restrausch ausschlief. Das ließ die rätselhafte Windgestalt beruhigend menschlich wirken. Rosa kam nicht umhin, ihn um seine Gelassenheit zu beneiden. Roger zog ebenfalls, von den übellaunigen Fahrgästen unbeeindruckt, sein eigenes Ding durch und Rosa beschloss, ihn nicht darauf hinzuweisen, dass mit Kopfhörern Musik zu hören, während man ein Fahrzeug mit sieben Insassen lenkte, wohl nicht die beste Idee war. Sie wollte kein Öl ins Feuer gießen, egal in welches. Der Wald war bereits abgebrannt genug. Nachdem sie in Tok zu Mittag gegessen und die Reiseteilnehmer einstimmig beschlossen hatten, dass sie das Besucherzentrum nur dann interessierte, wenn es darin Betten gab, in die sie sich verkriechen konnten, ging die Reise auf dem Richardson Highway vorzeitig weiter gegen Süden. Wie es aussah, würden sie das Ziel der Etappe weit früher als geplant erreichen, was erstrebenswert war. Auf diese Weise konnten sie in Gakona, an der weitläufigen Mündung des Gakona Rivers in den Copper River, entspannen. Wer wollte, konnte sogar eine Rafting-Tour unternehmen, angeln gehen oder zu einer kurzen Wanderung aufbrechen. Rosa würde die Übellaunigen ihrer eigenen Leitung überlassen, selbst wenn diese sie einzig und allein ins Bett führen sollte, und ihre Füße in die kalten Fluten halten, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Endlich durchatmen. Soweit die Wunschvorstellung. Wenn nicht plötzlich das Handy geläutet und alle Pläne durchkreuzt hätte. »Halt doch bitte bei nächster Gelegenheit mal am Straßenrand«, forderte Rosa den Fahrer auf, nachdem sie einen der Kopfhörer aus seinem Ohr gezogen hatte. Roger nickte gelangweilt und steckte das weiße, muschelförmige Ding zurück in sein Ohr. Nur wenige Minuten später fuhr er rechts ran. »Leute, hört mal zu. Ich muss euch was sagen«, wandte sich Rosa an die Reisegruppe. »Fängt schon mal gut an«, murrte Karl leise. »Das überlass ich euch, ob ihr es gut findet«, fuhr Rosa fort, Karls beißenden Sarkasmus weitgehend ignorierend. »Ich habe gerade einen Anruf vom Reiseveranstalter bekommen. Wir können nicht wie geplant in Gakona übernachten. Das Motel ist aufgrund eines Fehlers in der Buchung ausgebucht und unsere Reservierung ist wohl irgendwie verlorengegangen.« Ein missmutiges Raunen ging durch den Van. »Sag ich doch, ganz große Klasse«, knurrte Karl nun etwas lauter. »Aber …«, setzte Rosa nach, mit dem einen Wort große Erwartungen weckend und ebenso große Augen machend, »das Reisebüro hat uns umgebucht. Wir fahren bloß dreißig Minuten weiter und übernachten in Copper Center. In einem brandneuen Viersternehotel, der Royal Cruises Princess Lodge. Wir haben Halbpension und die Küche des Hotels hat eben erst eine zweite Haube verliehen bekommen. Darüber hinaus gibt es eine weitläufige Parkanlage, einen hauseigenen Golfplatz und einen Wellnessbereich. Die daraus resultierenden Mehrkosten übernimmt selbstverständlich der Reiseveranstalter.« Wie es schien, gab es wider Erwarten sehr wohl eine Möglichkeit, die Laune der Anwesenden zu verbessern. Schlagartig zu verbessern. Die Aussicht auf ein hochklassiges Hotel mit genau all dem verschwenderischen Komfort, auf den sie seit Wochen verzichtet hatten, brachte den Van zum Beben und die Reiseteilnehmer zum Jubeln. Zufall, du bist ja doch mein Freund, dachte Rosa und strahlte zufrieden, während sie die anderen beobachtete, die sich so ausgelassen freuten wie Kindergartenkinder, die nach dem Mittagessen ein Eis serviert bekommen. Mit Schokosauce, Schlagobers und Zuckerstreuseln. Whirlpool, Dampfbad, Fünf-Gänge-Menü, ich komme, vollendete Rosa den Gedanken und stimmte stumm in den allgemeinen Jubel mit ein. »Worauf warten wir? Lasst uns fahren!«, sagte sie laut und der freudige Beifall hob noch weiter an. Sie erreichten die Royal Cruises Princess Lodge am frühen Nachmittag, und dem Genuss des unverhofften Luxus‘, mit ungetrübter Aussicht auf die Elias-Bergkette, stand nichts im Wege. Zumindest, was Rosa anging. Denn wie sich zeigte, konnten zwei der Reiseteilnehmer das beeindruckende Panorama, das sich von der Anhöhe des Hotels aus den stauenden Betrachtern darbot, eben nicht ungetrübt genießen. Offensichtlich litten sowohl Robert als auch Gertie seit Tagesanbruch an Augenschmerzen, die sich im Laufe der Stunden deutlich verschlechtert hatten. Ihre Augen brannten, undefinierbare weiße Flecken breiteten sich in ihrem Sichtfeld aus und jeder Sonnenstrahl schien ihnen schmerzhaft direkt ins Gehirn zu schießen. Rosa überlegte fieberhaft, um eine Lösung für das Problem zu finden. Jetzt, wo sich die Laune endlich wieder gebessert hatte, wollte sie keinen weiteren Rückschlag einstecken müssen. Glücklicherweise konnte ihr die Rezeptionistin weiterhelfen, die alle herzlich willkommen hieß. In Glennallen, das nur einen Steinwurf entfernt lag, gab es eine große Tankstelle, die rund um die Uhr geöffnet hatte und die einen Supermarkt und eine kleine Apotheke beherbergte. Ein mürrischer Blick seitens Roger reichte und Rosa streckte die Hand aus. »Jetzt trink schon dein Bier. Gib mir die verdammten Schlüssel, ich fahre.« Das ließ sich der Fahrer nicht zweimal sagen. Er händigte ihr die Schlüssel aus und marschierte geradewegs Richtung Hotelbar. Obwohl Rosa nie zuvor hinter dem Steuer eines Autos gesessen hatte, das größer gewesen wäre als ein wortwörtlicher Kleinwagen, hatte sie gar keine Probleme mit dem Van. Die Straßen in Alaska waren breit, wenn es sich nicht gerade um Gravel Roads handelte, und das Verkehrsaufkommen spärlich bis gar nicht vorhanden. Eine Melodie summend, die sie nicht zuordnen konnte, aber wohl irgendwo im Hotel aufgeschnappt hatte, fuhr Rosa den Highway entlang. Sie fühlte sich herrlich beschwingt und unbeschwert. Kaum etwas verlieh ihr ein dermaßen intensives Gefühl von Freiheit, wie das Steuer in die Hand zu nehmen. Sie lenkte den Wagen und somit lenkte sie ihr Leben. Autofahren war für Rosa das deutlichste und eingängigste Zeichen für Unabhängigkeit. Plötzlich nahm sie die Landschaft, die an ihr vorüberzog, mit völlig neuen Augen wahr. Am liebsten wäre sie einfach weitergefahren, hätte das Land in ihrem eigenen Tempo erlebt, auf ihrem persönlichen Weg, ganz allein nach ihren Vorlieben. Doch als sie Glennallen erreichte, war die Illusion der Freiheit schnell verflogen und an ihre Stelle trat ihr Pflichtbewusstsein. Am Beginn der Reise hatte Rosa an ihren Fähigkeiten als Reiseleiterin gezweifelt, doch sie war an der Aufgabe gewachsen. Es fühlte sich beinahe so an, als wäre sie in diesen Wochen das geworden, woran sie immer gezweifelt hatte. Und ihre Eltern ebenfalls. Sie war endgültig erwachsen. Die unbeschwerten Jugendjahre waren Geschichte. Und jetzt war sie in Glennallen, um Augentropfen zu kaufen. Weil Erwachsene, die für andere Erwachsene die Verantwortung übernommen hatten, genau das taten. Oder eben etwas ähnlich Vernünftiges und Zuvorkommendes. Sie hielt an der Tankstelle und betrat das niedrige, langestreckte Gebäude. Rechter Hand befanden sich die Lebensmittel, auf der linken Seite war der Apothekenbereich. Zielstrebig steuerte Rosa auf die prall gefüllten Regale zu, um gleich darauf vor einem Rätsel zu stehen. Die Auswahl an Medikamenten war nahezu besorgniserregend. Das ganze Zeug, für das man in Österreich ein Rezept gebraucht hätte, lag hier massenhaft im Regal herum. Der kundige Käufer musste einfach nur zugreifen. Schlafmittel, Schmerztabletten, Aufputschpillen, Rheumasalben, alles war feinsäuberlich aufgereiht. Augentropfen konnte Rosa nirgendwo entdecken, ganz egal, wie oft sie die Regale entlangging und so hochkonzentriert danach Ausschau hielt wie ein Turmfalke nach einer Kirchenmaus. Nach fünf Minuten gab sie sich geschlagen, blickte sich im Laden um und entdeckte einen Angestellten, der gerade die Truhen in der Tiefkühlabteilung mit frischen Mikrowellengerichten bestückte. Wie der Raubvogel auf die Beute, schoss sie auf ihn zu, bevor er wieder fliehen konnte. »Entschuldigung, können Sie mir helfen?«, fragte Rosa höflich und der junge Mann in den kreischend bunten Kleidern schaute genervt von einer Palette Lasagne auf. »Ich...