Buch, Deutsch, 360 Seiten, Format (B × H): 170 mm x 240 mm, Gewicht: 820 g
Reihe: Imagines Medii Aevi. Interdisziplinäre Beiträge zur Mittelalterforschung
Untersuchungen auf der Grundlage ausgewählter Handschriften und vorreformatorischer Drucke
Buch, Deutsch, 360 Seiten, Format (B × H): 170 mm x 240 mm, Gewicht: 820 g
Reihe: Imagines Medii Aevi. Interdisziplinäre Beiträge zur Mittelalterforschung
ISBN: 978-3-89500-758-3
Verlag: Reichert Verlag
Die vorliegende interdisziplinäre Studie, die sich an der Schnittstelle zwischen Altgermanistik und Liturgiewissenschaft bewegt, nimmt dieses Desiderat zum Ausgangspunkt. Sie zielt darauf ab, die bislang selten beachteten spätmittelalterlichen Messübersetzungen bekannter zu machen und zu einer breiteren Beschäftigung mit ihnen einzuladen. Anhand der über 100 überlieferten Textzeugen zeigt sie Wege der muttersprachlichen Rezeption der lateinischen Messliturgie auf und erweitert die bisherigen Kenntnisse über die Überlieferungslage und die Funktion der Texte beträchtlich. Beigegeben ist ein Anhang mit Transkriptionen.
Die Resultate der Studie sind zu vielfältig, als dass sie erschöpfend aufgeführt werden könnten. Hier sei lediglich auf einige wenige verallgemeinerbare Ergebnisse verweisen. Festzuhalten ist, dass die ältesten Messübersetzungen aus dem 14. Jahrhundert stammen und in Form gereimter Proprien zunächst von Gebet- und Andachtsbüchern, dann aber in Prosaform auch von Plenarien und Messerklärungen überliefert werden. Spätestens um 1500 liegen komplette deutsche Missalien vor. Messübersetzungen müssen in den meisten Fällen als multifunktional betrachtet werden. Sie konnten bei der Tischlesung einer geistlichen Gemeinschaft verwendet werden, der privaten Erbauung des Klerus oder der Laien dienen sowie von Priesteramtskandidaten in ihrer Ausbildungszeit herangezogen werden. Das gelegentlich geäußerte Urteil, Messübersetzungen seien vor allem Laien vorbehalten gewesen, kann widerlegt werden. Die Messübersetzungen wurden in der Regel an die Eigenheiten der jeweiligen Diözesan- und Ordensliturgien angepasst, weswegen sie liturgiegeschichtlichen Quellenwert beanspruchen dürfen und die liturgischen Ordnungen mitunter sogar besser widerspiegeln als lateinische Messbücher oder „libri ordinarii“. Im Gegensatz zu den Messübersetzungen der Reformatoren im 16. Jahrhundert waren die Messübersetzungen des Spätmittelalters kein kontrovers-theologisches Thema.
Der Liturgiewissenschaft bietet die Studie neue Erkenntnisse zur muttersprachlichen Rezeption der lateinische Messliturgie, zum Verhältnis von Messübersetzungen und lateinischen Missalien, zu Fragen der liturgischen Bildung und Partizipation. Aus der Perspektive der Altgermanistik dürfte von besonderem Interesse sein, dass die als Bibelübersetzung apostrophierte muttersprachliche Übertragung liturgischer Texte als Messübersetzung betrachtet werden muss, die nicht nur parallel zur Bibelübersetzung erfolgte, sondern über diese zum Teil auch weit hinaus ging. Überdies sind die Erkenntnisse über Zentren, Adressaten und Funktionen deutscher Messübersetzungen für die überlieferungsgeschichtliche Erforschung der geistlichen Literatur des Spätmittelalters von Bedeutung.