E-Book, Deutsch, 480 Seiten
Hepburn Bei Sonnenaufgang in Darling Cove
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-641-31994-6
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 480 Seiten
ISBN: 978-3-641-31994-6
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eve hat schon immer auf Ennisfarne gelebt, einer idyllischen Insel direkt vor der Küste von Northumberland, die nur bei Ebbe zugänglich ist. Dort betreibt sie eine Bar mit Blick auf Darling Cove, einen himmlischen hufeisenförmigen Strand, der nach ihren seefahrenden Vorfahren benannt ist. Als plötzlich der gutaussehende Logan auf der Insel ankommt und eines ihrer Cottages mietet, ist Eve zunächst skeptisch. Denn die beiden haben nicht den besten Start und streiten sich wegen Eves stürmischem Labrador. Doch je mehr Zeit vergeht, desto näher kommt sie ihrem mysteriösen Untermieter. Trotzdem scheint Logan immer ein Geheimnis zu umgeben ...
Holly Hepburn liebt es, Menschen zum Lächeln zu bringen - und sie liebt ihre Katze Portia. Sie hat in der Marktforschung und als Model gearbeitet, ihr großer Traum war aber schon immer das Schreiben. Sie lebt in der Nähe von London.
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Kapitel eins
Logan
Die Straße sah aus, als würde sie ans Ende der Welt führen.
Logan Silk lehnte sich gegen die Motorhaube des gebrauchten Toyota Hilux, den er eigens für diese Reise gekauft hatte, und betrachtete die Aussicht, die sich ihm bot. Gezeitengekräuselter Sand erstreckte sich bis zum stahlgrauen Horizont, geteilt durch den schmalen Fahrdamm – ein schwarzes Asphaltband, übersät mit grünem Seetang und der ein oder anderen Pfütze silbrigen Meerwassers, die die Flut zurückgelassen hatte. Zu beiden Seiten befanden sich algenbewachsene Felsen und Geröll, die entweder achtlos von der Nordsee zurückgelassen oder von den Ingenieuren, die die Straße vor Jahrzehnten gebaut hatten, mit größerer Präzision platziert worden waren. Der Damm wand sich von der Stelle, an der Logan stand, in einer Kurve über die weite, öde Fläche aus braunem Sand bis zu den fernen, verwaschenen Umrissen von Ennisfarne, anderthalb Meilen von der Küste Northumberlands entfernt. Salzhaltige Windböen peitschten Logan dunkle Haarsträhnen ins Gesicht, während sein Atem in der eisigen Februarluft kleine Wölkchen vor seinem Mund bildete. Kein Auto kam ihm entgegen, und hinter ihm war ebenfalls keines in Sicht. Abgesehen von den Vögeln, die über ihm kreisten, war er allein.
Das Licht war trotz des winterlichen Himmels nicht schlecht, stellte Logan mit professioneller Abgeklärtheit fest. Ein paar entschlossene Sonnenstrahlen waren durchgebrochen, tauchten die Wolken in Gold und beleuchteten ein Stück weit entferntes Meer, sodass Logan kurz versucht war, eine seiner Kameras auszupacken. Es war das Versprechen dieses außergewöhnlichen Lichts in Northumberland gewesen, das schon den Künstler Turner Jahrhunderte zuvor auf die Nachbarinsel Lindisfarne gelockt hatte und das Logan jetzt nach Ennisfarne führte. Das und die Einsamkeit. Die Aussicht darauf, einen Großteil der Zeit vom Festland abgeschnitten zu sein, zumindest was die Straße anging, war verlockend. Und da auf der Insel gerade einmal zweihundertfünfzig Menschen lebten, hoffte er sehr, in den kommenden Monaten für sich bleiben zu können.
Aber für den Moment würden seine Kameras im Auto bleiben. Stattdessen zog er seine Handschuhe aus und hielt die Szene mit seinem Handy fest, um anschließend einen kritischen Blick auf die Bilder zu werfen. Das Licht war besser, als er erwartet hatte – wie immer hatte die Kamera mehr eingefangen, als das Auge sehen konnte, und die Wolken auf dem Bildschirm hatten eine majestätische, fast ätherische Qualität, als ob sich der Himmel in all seiner Pracht aufgetan hätte.
Logan blickte wieder auf die Straße und hatte plötzlich das irrationale Gefühl, dass ihm eine Art Prüfung bevorstand; dass er beim Überqueren gemustert und aus irgendeinem Grund für unzulänglich befunden würde. Wellen würden von beiden Seiten heranrollen, über ihm zusammenschlagen und ihn und sein robustes Auto wegspülen.
Logan musste unwillkürlich grinsen. Er war sich ziemlich sicher, dass er die Szene aus irgendeinem Film geklaut hatte. Abgesehen davon war es tatsächlich gar nicht so unwahrscheinlich, hier vom Meer weggespült zu werden – viele Besucher von Ennisfarne und Lindisfarne hatten geglaubt, sie könnten der auflaufenden Flut zuvorkommen, und waren eines Besseren belehrt worden. Es gab sogar eine hölzerne Schutzhütte auf halber Strecke jeder Dammstraße, die hoch über dem Meeresspiegel thronte, sodass gestrandete Autofahrer ihre Fahrzeuge verlassen und außerhalb der Reichweite des erbarmungslosen Ozeans auf Rettung warten konnten.
Der Gedanke brachte Leben in Logan. Er stieß sich von der Motorhaube des Hilux ab, kletterte zurück auf den Fahrersitz und ließ den Motor an. Das Zeitfenster für eine sichere Überfahrt wurde mit jeder Minute, die er damit verbrachte, in den Himmel zu starren, kleiner, und er wollte nicht riskieren, zum Gespött der Seahouses-Rettungsmannschaft zu werden, schon gar nicht, wenn die Möglichkeit bestand, dass er erkannt werden würde. Er konnte sich schon jetzt die Schlagzeilen der Boulevardpresse vorstellen:
Gestrandet! Starfotograf Logan Silk nach Trennung aus der Nordsee gefischt
Es würde keine Rolle spielen, dass seine Entscheidung, auf die Farne-Inseln zu kommen, nichts mit der Trennung von Suki zu tun hatte. Diese lag inzwischen einen Monat zurück und war nach Promi-Maßstäben im Großen und Ganzen einvernehmlich verlaufen. Aber die Boulevardjournalisten interessierten sich nicht für die Tatsachen – undramatische Trennungen brachten keine Schlagzeilen –, und Logans sorgfältig ausgearbeitete Pläne, auf Ennisfarne unter dem Radar zu bleiben, wären dahin. Außerdem war der Hilux vollgepackt mit einer ganzen Reihe seiner Lieblingskameras – alte Freunde, die ihn schon fast seine gesamte Karriere begleiteten. Die würde er auf keinen Fall dem Meer überlassen.
Logan gab Gas und fuhr den Damm entlang. Als er sich der Insel näherte, bot sich ihm ein großartiger Panoramablick darauf. Die nördlichste Spitze ragte hoch über dem Meeresspiegel auf, furchterregende Klippen und Felsen, die eine unglaublich vielfältige Vogelwelt beherbergten. Außerdem befand sich hier eine der meistfotografierten Ruinen Englands – die dramatischen Überreste der Ennisfarne Nunnery, eines Nonnenklosters, Schwester des ebenfalls entweihten Klosters auf Lindisfarne und Schauplatz von mehr Gothic-Horrorfilmen und Musikvideos aus den Achtzigern, als Logan hätte aufzählen können. Er hatte dort einmal ein Shooting für Vogue gemacht, und die erhabene Schönheit der Ruinen hatte die Models fast in den Schatten gestellt. Doch in diesem Moment war es das andere Ende der Insel, das seinen Blick auf sich zog. Dort, an der südlichen Spitze, erhob sich in der Entfernung ein Kalksteinbogen, der ein Tor zum dahinter liegenden Meer bildete. Das würde auf absehbare Zeit jeden Morgen seine Aussicht sein, wenn auch aus viel geringerer Distanz, und er konnte sich nicht vorstellen, dass er sich jemals daran sattsehen würde.
Der Damm beschrieb eine Linkskurve und führte Logan vom flachen Watt auf festes Land, obwohl er wusste, dass auch dieser Teil der Straße bald von der Flut bedeckt sein würde. Als er in den Rückspiegel schaute, war er nicht überrascht, hinter sich bereits das Licht des Heckscheinwerfers auf dem Wasser schimmern zu sehen. Nun gab es kein Zurück mehr. Zumindest für die nächsten sieben oder acht Stunden.
Er warf einen Blick auf das Navi, das ihm verriet, dass er sein Ziel Darling Cove in siebzehn Minuten erreichen würde. Auf dem Weg dorthin würde er die kleine Ortschaft Ennisfarne mit ihrem winzigen Hafen und den engen Gassen durchqueren, wo man sich wie in eine andere Zeit zurückversetzt fühlte. Im Dorfladen konnte er sich mit dem Nötigsten versorgen, bevor er zu seinem Cottage weiterfuhr, das er bis zum Sommer sein Zuhause nennen durfte.
The Nook, der winzige Dorfladen, lag zwischen dem Fisherman’s Arms Pub und einem hübschen Café in der Long Street, mit Blick auf den kleinen Hafen mit seinen schwankenden Fischerbooten und wahllos aufgehäuften Hummerreusen. Logan parkte auf einem der Parkplätze vor dem Laden und setzte sich eine Baseballkappe auf, bevor er ihn betrat. Die Besitzerin des Ferienhauses hatte ihm in einer ihrer E-Mails erklärt, dass mehrere Supermärkte vom Festland aus nach Ennisfarne lieferten, sodass er auch online einkaufen konnte, aber die Bestellungen mussten zeitlich genau abgestimmt werden, damit die Fahrer ausreichend Zeit hatten, die Insel zu erreichen und sie rechtzeitig wieder zu verlassen. Außerdem wollte er erst einmal richtig ankommen, bevor er über solche praktischen Dinge nachdachte, vor allem, da The Nook sicher seinen unmittelbaren Bedarf decken würde.
Logans Erwartungen waren nicht hoch, als er den Laden betrat. Sein Beruf hatte ihn in der Vergangenheit schon an einige sehr abgelegene Orte geführt, wo das nächste Geschäft häufig aus einem hüttenartigen Holzcontainer ohne Personal bestanden hatte, zu dem man mit einer App Zugang erhielt, oder einer abgelegenen Raststätte irgendwo im Niemandsland. Ihm war also durchaus bewusst, was für eine wichtige Rolle kleine lokale Geschäfte in ihren Gemeinden einnahmen. Dennoch war er von der Vielfalt der Waren in den Regalen des Nook überrascht; es war nicht gerade der Borough Market in London, aber das Sortiment ging weit über die üblichen Grundnahrungsmittel hinaus. Neben dem Instantkaffee fand er gemahlene Bohnen von Taylor’s of Harrogate, eine Auswahl an hochwertigen Früchtetees und Kakao von Green and Black’s. Zwischen den Gläsern mit eingelegten Zwiebeln und Gewürzgurken entdeckte er eingemachte Zitronen und mit Piment gefüllte Oliven. Und am Ende des Ganges angekommen, sah er sich einer völlig unerwarteten Feinkosttheke gegenüber, die angefangen bei spanischer Salami bis hin zu sonnengetrockneten Tomaten keine Wünsche offenließ.
Seine Überraschung musste ihm ins Gesicht geschrieben stehen, denn die stämmige Frau mittleren Alters hinter dem Tresen musterte ihn amüsiert, bevor sie sagte: »Willkommen im Nook. Suchen Sie etwas Bestimmtes?«
Ihre Worte waren vom selben Northumberland-Akzent geprägt, den er bei seinem letzten Besuch auf Ennisfarne kennengelernt hatte. Immerhin konnte er sie verstehen; beim letzten Mal hatte er mit der Mundart einiger Inselbewohner so seine Schwierigkeiten gehabt, obwohl er vermutete, dass sie ihn und den Rest des Shootingteams zu ihrer eigenen Unterhaltung auf den Arm genommen hatten.
»Nicht wirklich«, antwortete er. »Tee, Kaffee, Brot und Milch, solche Dinge.«
Als ihr klar wurde, dass er mehr als nur ein...